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Prinzessin Mina zu Schönau findet ihr durchgeplantes Leben einfach öde. Nach ihrem Studium soll die Sechsundzwanzigjährige nun ihre Facharztausbildung in der Privatpraxis ihrer Mutter Cornelia zu Schönau an der Ostsee antreten. Der ideale Ehemann in Gestalt ihres langjährigen Freundes, des Gutsherrn Sebastian von Matern, ist auch schon vorhanden. Gott, wie langweilig!
Bei einem ärztlichen Notdienst begegnet Mina dem attraktiven Lebemann Henry Legrand, der sich bei einem Bootsunfall verletzt hat. Die Ärztin ist hingerissen von dessen abenteuerlichem Flair und Charme und lädt ihn kurzerhand zum anstehenden Ball ins Schloss ein.
Da Sebastian sogar bei diesem Anlass lieber zu einer kalbenden Kuh eilt, als mit Mina zu tanzen, lässt sie sich von Henry umschwärmen und verlässt trotzig mit ihm den Ball. Gemeinsam unternehmen sie eine nächtliche Bootstour unter den Sternen. In dieser romantischen Atmosphäre knistert es gewaltig zwischen den beiden. Und Mina wünscht sich nichts sehnlicher, als mit diesem aufregenden Mann einfach davonzulaufen ...
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Seitenzahl: 130
Cover
Wohin diese Nacht uns führt
Vorschau
Impressum
Wohin diese Nacht uns führt
Roman um eine zauberhafte Liebesgeschichte aus dem Hochadel
Von Carolin von Campen
Prinzessin Mina zu Schönau findet ihr durchgeplantes Leben einfach öde. Nach ihrem Studium soll die Sechsundzwanzigjährige nun ihre Facharztausbildung in der Privatpraxis ihrer Mutter Cornelia zu Schönau an der Ostsee antreten. Der ideale Ehemann in Gestalt ihres langjährigen Freundes, des Gutsherrn Sebastian von Matern, ist auch schon vorhanden. Gott, wie langweilig!
Bei einem ärztlichen Notdienst begegnet Mina dem attraktiven Lebemann Henry Legrand, der sich bei einem Bootsunfall verletzt hat. Die Ärztin ist hingerissen von dessen abenteuerlichem Flair und Charme und lädt ihn kurzerhand zum anstehenden Ball ins Schloss ein.
Da Sebastian sogar bei diesem Anlass lieber zu einer kalbenden Kuh eilt, als mit Mina zu tanzen, lässt sie sich von Henry umschwärmen und verlässt trotzig mit ihm den Ball. Gemeinsam unternehmen sie eine nächtliche Bootstour unter den Sternen. In dieser romantischen Atmosphäre knistert es gewaltig zwischen den beiden. Und Mina wünscht sich nichts sehnlicher, als mit diesem aufregenden Mann einfach davonzulaufen ...
»Ich kann beim besten Willen nichts mehr für Sie tun!«
Ungeduldig erhob sich die junge Ärztin Mina zu Schönau, eine schlanke Brünette mit strengem Dutt, deren Mund jetzt einen trotzigen Zug angenommen hatte.
»Wie bitte?«, protestierte ihre Patientin, die alte Baronin von Selms. »Und was ist mit dem schrecklichen Brennen am Zeh?«
Vorwurfsvoll wies die sorgfältig blondierte Dame auf die Spitze ihrer eleganten blauen Wildlederslipper.
Die junge Medizinerin sank resigniert auf den Stuhl zurück und schickte ein stummes Stoßgebet zum Himmel, während die Patientin eilfertig aus ihrem Schuh schlüpfte.
Die Sechsundzwanzigjährige unterdrückte ein Gähnen, während die Baronin ausführlich ihre Symptome schilderte, und kurz stahl sich ihr Blick von den völlig intakten Zehen ihrer Patientin aus dem offenen Fenster zur eisgrün schimmernden Ostsee hinaus.
Wie herrlich wild das Meer an diesem Septembernachmittag schäumte! Silbermöwen trieben in den Böen, und ihre Rufe drangen leise an Minas Ohr, als würden sie sie zu sich locken wollen ...
Wie sehnte sie sich danach, den Wind auf der Haut zu spüren und am Wasser zu sein. Stattdessen war sie hier in diesem stickigen Sprechzimmer eingesperrt!
Wenn sie doch wenigstens einen kniffligen Fall vor sich hätte, irgendetwas Interessantes! Aber hier in der Allgemeinmedizinischen Privatpraxis ihrer Mutter, der Fürstin zu Schönau, war die simulierende Baronin wohl leider schon das Aufregendste.
»Und? Was meinen Sie nun dazu, Fräulein Doktor?«
Mina räusperte sich. »Hmm. Es brennt also nur morgens.« Mina griff nach ihrem Kugelschreiber und tat so, als notiere sie sich etwas. »Das könnte mit ihrem Kreislauf zu tun haben. Sie sollten das noch ein paar Tage beobachten.«
»Nein, nein, nein, so geht das nicht, junges Fräulein!« Unzufrieden schüttelte Frau von Selms den Kopf und ihre dicken goldenen Ohrringe wackelten. »So macht man das vielleicht in Amerika, aber Ihre Mutter hat immer eine Blutprobe genommen!«
Mina seufzte. Diese Patientin war wirklich eine Strafe.
Doch sie riss sich zusammen und war von ihrer eigenen Geduld beeindruckt.
»Liebe Baronin«, begann sie milde lächelnd. »Ich verordne Ihnen viel Bewegung und frische Luft, und wenn Sie es wünschen, werde ich zusätzlich Ihr Blut untersuchen. In einer Woche möchte ich Sie wiedersehen. Dann erzählen Sie mir, ob es Ihnen schon besser geht.«
»Erst in einer Woche?« Die Baronin starrte sie entsetzt an.
»Äh, ich meine, in drei Tagen«, sagte Mina schnell. Sie musste wohl Zugeständnisse machen, sonst würde sie sie nie loswerden. Sie erhob sich eilig und führte die Baronin zur Tür, bevor die es sich anders überlegen konnte.
»Patrizia, würdest Du bitte das Labor für Frau von Selms vorbereiten«, rief Mina der drahtigen Sprechstundenhilfe mit dem praktischen Kurzhaarschnitt zu.
Die Angesprochene schmunzelte unmerklich, und die beiden Frauen tauschten einen bedeutungsvollen Blick aus.
»Aber gern! Kommen Sie, liebe Baronin!«
Während Patrizia die Dame ins Labor brachte, die nun über das hohe Risiko von genetischen Krankheiten in ihrer Familie lamentierte, setzte sich Mina seufzend an ihren PC und nahm sich die digitale Patientenakte vor.
Leise trat ihre Mutter, Cornelia zu Schönau, die Chefin der Praxis, in die offene Tür des Behandlungszimmers.
Die Fürstin war eine attraktive, etwas mollige Sechzigjährige mit dunklen, kurzgeschnittenen Locken. Auch sie trug einen strahlendweißen Arztkittel, und in den Händen hielt sie einen Becher mit dampfendem Kaffee. Ihre mandelförmigen Augen ruhten voller Stolz auf ihrer Tochter.
Wie erwachsen ihre kleine Mina geworden war. Und so hübsch. Großgewachsen und schlank wie ihr Vater, eine helle, fast elfenbeinfarbene Haut, mit der ihr dunkles Haar einen entzückenden Kontrast bildete.
Dazu ihr herzförmiges, zartes Gesicht mit den großen grauen Augen und dem weichen, ungeschminkten Mund. All das ließ sie wie Schneewittchen oder wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe aussehen.
Doch diese Oberfläche täuschte. Cornelia zu Schönau kannte kaum jemanden, der mutiger, aber auch dickköpfiger war als ihre Tochter.
Doch, dachte die Fürstin, und ein Lächeln spielte um ihre Mundwinkel. Ihr Vater!
Cornelia zu Schönau war unglaublich froh, Mina wieder zu Hause zu haben. Ihr Mädchen war viel zu lange fort gewesen und brauchte nun endlich Ruhe. Natürlich hatte sie wunderbare Erfolge errungen: Medizinstudium in Rekordzeit, Famulatur und das praktische Jahr in den USA – alles war brillant verlaufen, und auch die Doktorarbeit und Approbation hatte Mina längst in der Tasche.
Daher war sie für Cornelia hier in der Praxis, wo sie nun ihre Facharztausbildung absolvieren sollte, ein Glücksfall – beruflich und natürlich vor allem privat.
Auch wenn sie nicht immer einer Meinung waren und Mina noch Flausen im Kopf hatte. Zu denen zählte für die Fürstin vor allem Minas chronische Langeweile. Ständig wollte dieser Wirbelwind in der Weltgeschichte herumgeistern oder etwas Besonderes erleben. Dabei war doch jetzt die Zeit reif, um sich endlich niederzulassen. Die Fürstin seufzte.
Mina sah auf. »Hallo, Mama.«
»Hallo, Schatz! Möchtest Du?« Cornelia kam näher und reichte ihrer Tochter den Kaffee.
»Unbedingt!« Mina griff nach dem Becher wie nach einem Rettungsanker und sog den köstlichen Duft ein.
»Na, hast du die Baronin gut versorgt?« Die Fürstin zwinkerte ihrer Tochter zu.
Mina, die ihre Nase tief in den Kaffeebecher gesteckt hatte, ließ ein Stöhnen hören.
»War es so schlimm?«, fragte Fürstin Cornelia und strich ihrer Tochter eine Strähne aus dem Gesicht.
»Ziemlich!« Mina stellte den Becher ab. »Du weißt ja, wie ich darüber denke. Die Frau braucht dringend eine Psychotherapie. Wir können sie nicht ständig in ihrem Wahn bestätigen!«
Trotzig schob die junge Prinzessin die Unterlippe vor.
»Liebes Kind, ich schätze deine Meinung sehr«, begann die Fürstin verbindlich und setzte sich auf den Patientenstuhl. »Aber in diesem Fall bleibe ich hart. Frau von Selms würde niemals in eine Therapie einwilligen. Sie ist sehr einsam. Sie braucht uns!«
Mina seufzte. »Aber ich finde es trotzdem falsch, sie zu belügen!«
Die Fürstin schüttelte den Kopf.
»Von Lügen kann gar keine Rede sein. Wir schonen sie. Und wir geben ihr das, was sie braucht ...«
»... eine Prise Zeit und einen Hauch Liebe«, brachte Mina den Lieblingssatz ihrer Mutter augenrollend zu Ende.
»Ganz genau!« Cornelia überhörte den genervten Unterton. »Manchmal ist das die beste Medizin, mein Schatz! Und wenn sie so weit ist, dann können wir ihr auch vorsichtig klarmachen, dass sie völlig gesund ist.«
»Ich verstehe natürlich, was du meinst«, entgegnete Mina und sah ihre Mutter an. »Aber überzeugt bin ich trotzdem nicht.«
Die Fürstin lächelte nachsichtig.
Ach ja, die Jugend, dachte sie bei sich. Mina weiß noch nicht, was Verlust und Einsamkeit bedeuten.
Sie schlug ein anderes, ihrer Meinung nach viel erfreulicheres Thema an.
»Heute ist der Brief der Landesärztekammer angekommen, mein Schatz!«
Mina merkte, wie sich ihr Puls beschleunigte. »Und?«
»Wir haben die Genehmigung!« Cornelia zu Schönau strahlte über das ganze Gesicht. »Ich darf dich vierundzwanzig Monate hier ausbilden!«
Mina schluckte und zwang sich zu einem Lächeln.
24 Monate nur Obstipation, Reflux, Schnupfen, Magen-Darm und Rückenbeschwerden. 24 endlose Monate in diesem Nest!
Dann erst hätte sie die erste Station der Facharztausbildung geschafft, wenn sie nicht vorher vor Langweile sterben würde. Warum hatte sie sich bloß darauf eingelassen?
»Freust du dich, Mäuschen?«
Mina nickte und nahm noch einen Schluck Kaffee.
»Wir sollten das ein wenig feiern«, schlug die Fürstin vor, und ihre braunen Augen glänzten. »Heute geht es nicht«, ergänzte sie. »Da kommt jemand von der Cateringfirma wegen des Balls, aber morgen wäre es gut. Du musst unbedingt Sebastian dazu bitten!«
Sebastian. Beim Gedanken an ihren langjährigen Freund, den jungen Gutsbesitzer Sebastian von Matern wurde Mina mulmig. Sie hatte ihn kaum gesehen, seitdem sie aus den USA zurückgekehrt war, und irgendwie machte sie der Gedanke an ihn nervös. Vor ihrer Mutter spielte Mina die Gleichgültige.
»Ich weiß nicht«, entgegnete sie schulterzuckend, »er hat doch sowieso keine Zeit.«
Die Fürstin sah ihre Tochter stirnrunzelnd an. Dieser Ton gefiel ihr überhaupt nicht.
»Sebastian hat viel Verantwortung mit dem Gut«, wies sie Mina zurecht. »Der arme Junge tut nur seine Pflicht, und ich wünsche, dass du ihn einlädst!«
Die Fürstin erhob sich. Bevor sie sich jedoch zum Gehen wandte, kam sie noch einmal zu ihrer Tochter und strich ihr liebevoll über die Wange.
»Er gehört doch im Grunde schon zur Familie«, sagte sie sanft.
Mina quittierte die Bemerkung mit genervten Blick.
Es war kein Geheimnis, dass Minas Eltern Sebastian seit Langem als den idealen Schwiegersohn betrachteten. Und natürlich mochte sie Sebastian. Aber sie konnte es nicht ausstehen, wenn ihre Mutter sich auch noch in ihr Liebesleben einmischte.
»Entschuldigung«, bemerkte die Fürstin. »Ich will dich nicht unter Druck setzen. Ich sehe mal zu Hause nach deinem Vater, sonst macht er wieder irgendeine Dummheit!«
»Grüß ihn schön«, sagte Mina. »Und richte ihm meine Anteilnahme aus!«
Letzte Woche hatte der Fürst sich beim Windsurfen übernommen und sich eine Zerrung zugezogen. Seine Gattin hatte ihm nun viel Ruhe verordnet, was für den quirligen Dreiundsechzigjährigen einer Folter gleichkam.
»Das mache ich«, versprach die Fürstin. »Halte du hier die Stellung!«
Mina sah ihrer Mutter nach. Gerne wäre sie selbst die wenigen Meter zum Schloss gelaufen, um etwas frische Luft zu bekommen und ihrem Vater, der sich bestimmt ebenso langweilte wie sie selbst, Gesellschaft zu leisten.
Stattdessen griff sie wieder zur Computermaus. Das Wartezimmer war leer, und Mina musste sich während der mittäglichen Schließzeit der Praxis mit dem liegen gebliebenen Verwaltungskram beschäftigen, was einen Großteil der ärztlichen Arbeit ausmachte.
Nach zehn Minuten steckte jedoch Patricia ihren Kopf durch die Tür.
»Herr von Matern ist vorgefahren«, sagte sie und zwinkerte Mina zu.
Wie ungewöhnlich, dass er mich hier besuchen kommt, dachte Mina. Sie erhob sich, glättete ein wenig nervös ihren weißen Kittel und steckte eine Haarsträhne zurück in den Dutt.
»Oh Himmel«, erklang plötzlich Patricias erschrockene Stimme aus dem Flur. »Mina, komm schnell!«
Der junge Gutsherr Sebastian von Matern und sein langjähriger Angestellter Henning Runge hatten die Praxis betreten. Mina erschrak bei ihrem Anblick. Der Siebzigjährige Henning, sonst ein Mann, der trotz seines Alters vor Kraft nur so strotzte, war kreidebleich, stützte sich auf Sebastian und schien nur mit Mühe gehen zu können.
»Wir waren auf der Weide«, berichtete Sebastian atemlos, während er den zitternden Henning in den Behandlungsraum schleppte und auf die Liege bugsierte. »Wir haben die Zäune repariert, dann ging es ihm plötzlich immer schlechter!«
»Ich kriege kaum Luft ...«, keuchte Henning und starrte Mina mit vor Schreck geweiteten Augen an.
»Ist der Rettungsdienst verständigt?«, fragte Mina schnell und fühlte Hennigs Puls.
Sebastian nickte. »Ja, ich hab die Praxisadresse genannt!«
»Henning«, wandte Mina sich dem Landarbeiter zu. »Du hast Schmerzen, nicht wahr?«
Der Mann nickte. Kalter Schweiß stand ihm auf dem Gesicht und er fasste sich mit ängstlichem Blick an die Brust. »Hier und am Arm.«
Mina betrachtete ihn stirnrunzelnd. Dann drehte sie sich blitzschnell zu Patrizia, die dem Patienten gerade eine Wolldecke umlegte.
»Ich gebe ASS und Morphin, intravenös. Und Nitrospray!«
»Verstanden!«, rief die Arzthelferin. Beide Frauen rissen leere Spritzen aus der sterilen Verpackung, zogen Flüssigkeiten auf und setzten Nadeln ein.
»Henning, ich gebe dir jetzt zwei Medikamente«, erklärte Mina ruhig, »das erste wird dein Blut verdünnen und das zweite lindert die Schmerzen. Achtung, es wird ein wenig pieksen.«
Patricia sprühte das Desinfektionsmittel auf, Mina führte die Nadel sicher in Hennigs Armvene und drückte die glasklare Flüssigkeit hinein.
»Das haben wir gleich«, beruhigte Mina den Patienten und verabreichte ihm auch die zweite Spritze.
»Gut gemacht. Und jetzt einmal den Mund öffnen!« Patricia half ein wenig nach, und Mina sprühte ein weiteres Medikament, das beim Verdacht auf einen Herzinfarkt angezeigt war, unter Hennings Zunge.
Sebastian stand abseits und beobachtete angespannt die Szene. Es schien, als würde Mina alles gleichzeitig tun.
Und während er völlig aufgelöst war, wirkte sie gefasst und sicher.
»Du bist sehr tapfer«, sagte Mina sanft zu Henning und streichelte ihm die Wange.
Da erklang auch schon die Sirene des Krankenwagens vor dem Haus.
»Die Kollegen von der Rettung bringen dich jetzt in die Klinik«, erklärte sie ihm. »Aber keine Angst. Ich bin sicher, dass alles gut wird!«
Henning nickte, und in seinen Augen glänzten Tränen.
»Gestern warst du noch eine Göre«, flüsterte er, »und heute rettest du mir das Leben.«
Mina lachte leise. »Ich bin doch immer noch eine Göre. Und du bist ein harter Knochen!« Lächelnd drückte sie ihm die Hand. »Unkraut vergeht nicht!«
Henning lächelte zurück, und eine Träne lief ihm über die Wange.
Die Rettungsmediziner und der Notarzt trafen ein und beeindruckt sah Sebastian zu, wie Mina, trotz ihres jungen Alters, den erfahrenen Männern mit äußerster Souveränität entgegentrat und ihnen den Patienten übergab.
Nein, sie war alles andere als eine Göre.
Wenig später standen Sebastian und Mina schweigend nebeneinander auf dem Sandweg vor der Praxis und sahen dem Rettungswagen nach, der mit Blaulicht hinter der Biegung des Weges verschwand.
Friedlich summten die schwarzglänzenden Bienen in den Blüten der späten Rosen, die über den schmiedeeisernen Zaun vor dem reetgedeckten Praxishäuschen rankten.
Sebastian schüttelte den Kopf und seufzte. »Der arme Kerl!«
Mina sah ihn an. Er hatte zwar wieder ein wenig Farbe bekommen, doch der Schreck steckte ihm offensichtlich noch in den Gliedern.
»Er ist jetzt in den besten Händen«, versicherte sie sanft. »Ich bin sicher, dass alles wieder gut wird.«
Sebastian lächelte schwach.
Wie gern hätte er ihr gesagt, wie wunderbar er sie fand.
»Danke«, sagte er stattdessen knapp.
»Ich hab ja bloß meine Arbeit gemacht«, winkte Mina ab und betrachtete die Rosen.
Sebastian hob die dunklen Brauen.
»Der Notarzt hat gesagt, es wäre für Henning sehr viel schlimmer ausgegangen, wenn du nicht gewesen wärst.«
»Vielleicht«, meinte Mina. Sie hob den Kopf und musterte den jungen Gutsherrn einen Moment.
Wie erwachsen er aussah. Man sah ihm die harte Arbeit unter freiem Himmel an. Seine Haut war sonnenverbrannt, und er war breitschultriger und muskulöser geworden. Seine langen Beine steckten in einer alten grauen Hose, dazu trug er derbe lehmverkrustete Stiefel und ein kariertes Flanellhemd, das bis zu den Oberarmen hochgekrempelt war. Mina musste sich eingestehen, dass die wenig glamouröse Arbeitskleidung eines Landwirts ihm dennoch sehr gut stand. Er wirkte weitaus männlicher als noch vor zwei Jahren. Sein strohblondes Haar war staubig, doch seine braunen Augen schimmerten im Sonnenlicht wie Bernstein.
Als ihre Blicke sich trafen, wurde Mina verlegen. Wie merkwürdig es zwischen ihnen beiden war. Sie konnte ihn kaum ansehen, geschweige denn mit ihm sprechen.
Auch Sebastian räusperte sich und fuhr sich unsicher durchs Haar.
»Ich werd' jetzt hinterher fahren. Henning hat ja außer mir niemanden.«
Mina nickte. »Das ist lieb von dir.«
Sebastian blieb jedoch stehen und sah seine langjährige Freundin nachdenklich an. So gern hätte er ihr gesagt, wie sehr er sich freute, dass sie wieder da war. Noch viel lieber aber würde er sie an sich ziehen und einfach küssen!
Stattdessen scharrte er aber nur mit dem Stiefel im Sand.