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Cäcilie von Bernau steht kurz vor ihrer Verlobung mit Theodor Prinz von Lingburg, einem Mann, dem sie seit ihrer Kindheit versprochen ist und den sie doch kaum kennt. Vor zwei Jahren hat sie ihn zuletzt gesehen. Dennoch: Die Hochzeit muss stattfinden, denn der Prinz sichert nicht nur ihr Auskommen, was Cissy für völlig unnötig empfindet, sondern die Finanzen der wohlhabenden von Lingburgs müssen auch das marode Schloss ihrer eigenen Familie instand halten.
Als ihre Großmutter Nanny eintrifft, fühlt sich Cissy stärker, hilft ihr die toughe Frau doch dabei, die Welt etwas moderner und freier zu sehen. Sie selbst hat sich vor Jahrzehnten in den Chauffeur der Bernaus, Fritz Meinhard, verguckt, und so sieht die ältere Dame Cissys standesgemäße Ehe mit zwiegespaltenen Gefühlen. Als Florian Meinhard, der Enkel des verstorbenen Chauffeurs, in der Gegend auftaucht, gerät die so gut durchdachte Hochzeitsplanung ins Wanken. Wird Cissy die Wahrheit über ihre Gefühle ans Licht bringen? Und welche Rolle spielt Fiona, die Schwester des smarten Florian?
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Seitenzahl: 125
Cover
Ein Chauffeur zum Verlieben
Vorschau
Impressum
Ein Chauffeur zum Verlieben
Er lässt Prinzessin Cissys Herz höherschlagen
Von Carolin von Campen
Cäcilie von Bernau steht kurz vor ihrer Verlobung mit Theodor Prinz von Lingburg, einem Mann, dem sie seit ihrer Kindheit versprochen ist und den sie doch kaum kennt. Vor zwei Jahren hat sie ihn zuletzt gesehen. Dennoch: Die Hochzeit muss stattfinden, denn der Prinz sichert nicht nur ihr Auskommen, was Cissy für völlig unnötig empfindet, sondern die Finanzen der wohlhabenden von Lingburgs müssen auch das marode Schloss ihrer eigenen Familie instand halten.
Als ihre Großmutter Nanny eintrifft, fühlt sich Cissy stärker, hilft ihr die toughe Frau doch dabei, die Welt etwas moderner und freier zu sehen. Sie selbst hat sich vor Jahrzehnten in den Chauffeur der Bernaus, Fritz Meinhard, verguckt, und so sieht die ältere Dame Cissys standesgemäße Ehe mit zwiegespaltenen Gefühlen. Als Florian Meinhard, der Enkel des verstorbenen Chauffeurs, in der Gegend auftaucht, gerät die durchdachte Hochzeitsplanung ins Wanken. Wird Cissy die Wahrheit über ihre Gefühle ans Licht bringen? Und welche Rolle spielt Fiona, die Schwester des smarten Florian?
Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte Komtess Cissy von Bernau an diesem frühlingshaften Morgen noch ewig auf den verschlungenen Pfaden des Buchenwäldchens umherspazieren können. Sie konnte sich gar nicht sattsehen am frischen Grün des Laubs und den weißen Anemonen, die wie kleine verstreute Sterne am Wegesrand blühten.
Doch es ging nicht nach ihr. Schon wenige Minuten später ließ das Geräusch eines Motors auf der nahen Allee die große, schlanke blonde Frau mit den feinen Gesichtszügen aufhorchen. Durch die Bäume sah sie, dass ein kleiner Lieferwagen auf das Schloss ihrer Familie zusteuerte.
Cissy ahnte, dass wieder ein Geschenk für sie abgegeben werden würde. Fast täglich kamen Lieferanten mit irgendwelchem Schnickschnack. Wenn sie sich beeilte, würde sie noch rechtzeitig ankommen, um den Postmann abzufangen.
Falls nicht, würde ihre Mutter, Cordula von Bernau, zur Tür gehen müssen. Das war natürlich nicht weiter schlimm, aber da die Baronin noch nicht verkraftet hatte, dass sie sich keinen Butler mehr leisten konnten, hätte Cissy ihr die Schmach gern erspart.
Zumal – und das wog wesentlich schwerer – die junge Komtess aus mehr als einem Grund ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrer Mutter hatte. Unter anderem, weil sie versprochen hatte, sich endlich um einen Anprobetermin für ihr Verlobungskleid bei der Schneiderin zu bemühen, anstatt durch die Gegend zu spazieren.
Zum Glück war Cissy mit ihren langen Beinen eine erstklassige Läuferin. Flink sprang sie querfeldein, kletterte mühelos eine niedrige Böschung hinauf und war kurz darauf am Schlossgraben angekommen. Cissys Elternhaus war ein Wasserschloss und daher rings von einem hübsch angelegten Graben samt Seerosen und strahlend weißen Schwänen umgeben.
Während die junge Komtess schnell atmend weiterlief, hob sie den Blick zum Anwesen ihrer Familie empor. Hoffentlich schaute ihre Mutter nicht gerade aus dem Fenster.
Doch Cissy sah nur die Fahne mit dem Familienwappen im Wind flattern. Genauso wie der Rest des Hauses hatte auch diese allerdings schon bessere Zeiten gesehen.
Das kleine Anwesen der Bernaus war bei Weitem nicht so vornehm wie die Wohnsitze ihrer adligen Bekannten, doch genau deshalb liebte Cissy es.
Über dem eleganten Säulenportal und den reich verzierten Bogenfenstern ragten eigenartige, grob gemauerte Zinnen auf, und sogar ein ritterlich anmutender Turm war vorhanden. Stets kam es Cissy so vor, als könnte das barocke Gebäude sich nicht recht entscheiden, ob es trutzig oder doch eher lieblich sein wollte.
Die gesprungenen Fensterscheiben freilich, die zerklüfteten feuchten Mauern und modrigen Balken waren ein echtes Problem. Zwar deckte der Blauregen, der zu dieser Jahreszeit bereits üppig an den Schlossmauern emporrankte, das Schlimmste ab, aber Cissy war klar, dass das keine Langzeitlösung war. Doch an Geld für die nötigen Sanierungsmaßnahmen mangelte es den Bernaus.
Atemlos und mit glühenden Wangen erreichte Cissy den kiesbestreuten Vorplatz und winkte dem Mann, der gerade aus dem Fahrerhäuschen des Transporters stieg.
»Moin«, grüßte er freundlich. »Fast hätte ich Sie nicht gefunden. Das Internet ist ja eine Katastrophe hier. Mein Navi hat mich völlig in die Irre geführt.«
Cissy nickte verständnisvoll, doch ihr Blick war an dem merkwürdigen Pappkarton hängen geblieben, der auf der Ladefläche befestigt war. Er musste an die drei Meter lang sein.
Täuschte sie sich oder raschelte es leise darin? Und waren das etwa Luftlöcher im Deckel?
Sie seufzte. Gestern hatte man eine mannshohe Palme und einen Wandteppich überbracht. Schlimmer konnte es also kaum noch werden, oder?
»Schauen wir doch mal«, sagte der Mann, während er umständlich einige Zettel aus einer Mappe hervorkramte.
»Ah, hier haben wir es. Für Cäcilie Komtess von Bernau und Theodor Prinz von Lingburg?«
»Ja, ich bin Cäcilie.«
Er musterte sie skeptisch. Wahrscheinlich weil Cissy die ausgebeulte Trainingshose trug und ihm nicht sehr komtessenhaft vorkam.
»Ich war gerade laufen«, erklärte sie.
Der Mann schien bei genauerer Betrachtung durchaus zu erkennen, dass diese junge Dame trotz ihres Aufzugs eine bemerkenswert anmutige Erscheinung war, und nickte.
»Herzlichen Glückwunsch. Sie haben jetzt einen Vogel. Einen Pfau, genauer gesagt.«
»Wie bitte?«, rief Cissy und sah erschrocken auf das Paket. »Da ist ein lebendiger Pfau drin?«
»Will ich doch hoffen, dass der noch lebt«, sagte der Mann trocken und strich sich über das stoppelige Kinn.
Cissy nahm ihm hastig den Lieferschein aus der Hand und überflog die Angaben darauf.
Das Tier kam von einer Herzogin aus Füssen, deren Namen Cissy nur aus Klatschmagazinen kannte. Offenbar war sie eine der vielen Verwandten von Prinz Theo.
»Wo soll der Piepmatz hin?«, fragte der Mann und machte sich daran, die Gurte zu lösen. Im Karton raschelte es energisch.
Cissy seufzte. »Am besten wieder zurück nach Bayern.«
Doch sie wusste natürlich, dass das nicht ging. Der Pfau konnte ja nun wirklich nichts für ihren Schlamassel.
Und sie konnte es angesichts der Geschenkeflut nicht länger verdrängen. Sie würde sich mit Prinz Theodor verloben. Das war eine Tatsache.
»Bringen Sie ihn in den Park«, sagte sie resigniert, während der Mann das Paket vorsichtig von der Ladefläche hob.
Eine halbe Stunde später lief der große Vogel neugierig über den Rasen des etwas verwilderten Parks. Cissy stellte erleichtert fest, dass er die Reise offenbar gut überstanden hatte. Sein blaugrünes Gefieder schimmerte im Sonnenschein und die langen Schwanzfedern, die er hinter sich herzog, erinnerten Cissy an eine königliche Schleppe.
Sie schüttelte den Kopf. Jetzt hatten sie auch noch einen Pfau. Was würde als Nächstes kommen? Ein Elefant?
Jedes Geschenk war wie eine Drohung.
Sie hatte Prinz Theo seit beinahe zwei Jahren nicht mehr gesehen. Er war lange im Ausland gewesen. Ob er sich verändert hatte?
»Da bist du ja!« Die Stimme ihrer Mutter ließ Cissy aufsehen und unterbrach ihre Grübeleien.
Cordula von Bernau kam von der Terrasse zu ihr hinunter und ihre Brillantohrringe funkelten im Sonnenschein.
Cissy wunderte sich nicht mehr darüber, dass ihre Mutter an einem normalen Wochentag so elegant aussah.
Seit Cissys Verlobung mit dem Prinzen bevorstand, benahm Cordula sich, als wäre sie ein Mitglied des britischen Königshauses. Dabei war sie eine geborene Meier und das Wasserschloss ein rumpeliger alter Kasten.
Meier hin oder her, ihrer Schönheit tat es keinen Abbruch. Mit ihren fünfzig Jahren sah Cordula nach wie vor großartig aus. Sie hatte wie Cissy dichtes blondes Haar, eine schlanke Figur, die in dem cremefarbenen Chanel-Kostüm gut zur Geltung kam, und ihr klassisch geschnittenes Gesicht war, bis auf einen herrischen Zug um den Mund, straff und makellos.
Sogar der Pfau nahm Haltung an, beobachtete Cissy amüsiert, und breitete sein prächtiges Federkleid wie einen Fächer vor ihrer Mutter aus.
»Was für ein stilvolles Geschenk«, stellte diese zufrieden fest. »Es ist so ...«
»... standesgemäß?«, vollendete Cissy den Satz und grinste.
Das war Cordulas neues Lieblingswort.
Die Baronin ignorierte den Spott ihrer Tochter. Sie hatte ganz andere Probleme.
»Madame LaRoche hat angerufen«, sagte sie und warf Cissy einen vorwurfsvollen Blick zu. »Jetzt muss sie dir schon hinterhertelefonieren. Dabei hast du mir doch versprochen, dich heute endlich selbst um den Termin zu kümmern!«
Cissy nickte schuldbewusst. »Stimmt. Tut mir leid.«
»Und warum hast du mir nicht gesagt, dass Nanny kommt?«
Dass ihre Schwiegermutter, Nannette von Bernau, die eigentlich in Südamerika lebte, schon morgen hier sein würde, war nicht unbedingt ein Grund zur Freude für die Baronin. Schließlich hatte Nannette, Nanny genannt, sich schon immer sehr gern in ihre Angelegenheiten eingemischt.
»Es war eine spontane Idee«, erklärte Cissy. »Ich hätte sie einfach gern dabei. Natürlich werde ich sie abholen.«
»Na gut, wenn du das alles schaffst.« Die Baronin sah sie prüfend an.
»Klar«, versicherte Cissy schnell und wechselte das Thema.
»Meinst du nicht, dass er viel zu einsam hier ist?«, sagte sie mit Blick auf das Tier, das zum dritten Mal eine Runde über die recht übersichtliche Rasenfläche machte und einen grellen Schrei ausstieß.
Cordula zuckte die Schultern.
»Im Park der Lingburgs gibt es eine ganze Herde Pfauen, da wird er schon Anschluss finden.«
Cissy sah ihre Mutter fragend an.
Cordula räusperte sich und strich ihren Pagenkopf glatt. Das Thema war ihr sichtlich unangenehm.
»Vermutlich war es dir nicht klar, Cissy. Aber ich muss dir sagen, dass es ein Protokoll gibt.«
Sie sah sie ernst an. »Theo und du ... ihr werdet in der fürstlichen Residenz leben, wenn ihr verlobt seid. Das wird von euch erwartet.«
Cissy starrte stumm vor sich hin. Diese Neuigkeit musste sie erst mal verkraften.
»Natürlich wird Bernau immer dein Zuhause bleiben«, sagte Cordula besonders sanft und legte ihrer Tochter den Arm um die Schulter. Sie wusste, dass das ein kleiner Schock für Cissy war.
»Mit den Privilegien kommen auch Pflichten auf dich zu, Liebes. Aber sieh es mal so. Es gibt unendlich mehr Vorteile. Du wirst am Fürstenhof in großem Luxus leben und eine echte Prinzessin sein. Schließlich verlobst du dich nicht mit einem Hinz oder Kunz.«
»Oder Meier«, murmelte Cissy schwach.
»Wie gesagt«, Cordula von Bernau ignorierte die Bemerkung, »es gibt gewisse Regeln.«
Cissys Kehle war wie ausgetrocknet. Sprachlos über solche altertümlichen Bräuche blickte Cissy auf den Pfau, in dem sie nun einen echten Leidensgenossen sah.
Man würde sie also einfach so auf die Lingburg verfrachten – nur nicht in einem Pappkarton.
Kurze Zeit später, während Cissy im Westflügel duschte, saß Cordula an dem antiken Mahagonisekretär im Arbeitszimmer und telefonierte mit einer Personalagentur.
Die sonst so glatte Stirn der Baronin lag in Falten und sie schüttelte verärgert über die Information, die man ihr gerade gegeben hatte, den Kopf.
»Das kommt nicht infrage!«
Sie legte energisch den Hörer auf, und ihre blitzenden Ohrringe pendelten tüchtig hin und her.
Vor den Fenstern durchkämmte der Pfau noch immer den Park, stieß einen seiner durchdringenden Schreie aus und die Baronin zuckte zusammen.
Dieser Tag wurde ja immer schlimmer.
Erst hatte sich ihre Schwiegermutter angekündigt, dann hatte sie Cissy beichten müssen, dass sie ihr Zuhause verlassen würde, sie hatten diesen bunten Schreihals am Hof, und jetzt auch noch das. Sie bekam einfach kein adäquates Personal, dabei waren es nur noch drei Wochen bis zur Verlobungsfeier!
Gerade eben hatte man ihr gesagt, dass sie keinesfalls mit Fachkräften rechnen konnte, allerhöchstens mit unerfahrenen Laien.
Cordula musste sich eingestehen, dass es im Grunde kein Wunder war, denn die hohen Gehälter konnte sie sich sowieso nicht leisten. Aber sie würde sich doch zum Gespött der feinen Lingburgs machen, wenn sie irgendwelche Dahergelaufenen in ihrem Haus beschäftigte. Noch dazu bei einer solch wichtigen Feier.
Andererseits durfte es einfach keine Verzögerung mehr geben, fand Cordula.
Diese Verlobung musste endlich offiziell besiegelt werden. Nichts war für eine Frau wichtiger, als finanziell abgesichert zu sein, davon war sie mittlerweile überzeugt. Sie selbst hatte nach dem Tod ihres Mannes, des Barons von Bernau, permanent gekämpft und jeden Euro umgedreht, um Cissy und das Anwesen irgendwie durchzubringen. Länger würde es nicht mehr gehen.
Mit sorgenvollem Blick betrachtete Cordula die fleckige Tapete und zog ihre Strickjacke fester um die Schultern.
Wie in fast allen Räumen des Schlosses war es trotz der angenehmen Außentemperaturen klamm und kühl. Es hatte in den letzten Tagen einfach zu viel geregnet, und die alten Mauern schienen die Feuchtigkeit und Kälte aufgesaugt zu haben wie Schwämme. Cordula sehnte auch deshalb den Tag herbei, an dem Cissy und Theo endlich verheiratet waren, denn dann könnte sie das uralte Gemäuer mit dem Geld der Lingburgs sanieren lassen.
Sehr romantisch war das natürlich nicht.
Einen Moment wanderten Cordulas Gedanken zu ihrem verstorbenen Mann. Sie selbst hatte das Glück gehabt, aus Liebe zu heiraten. Natürlich wünschte sie sich das auch für Cissy.
Aber machte es sie zu einer schlechten Mutter, wenn sie genauso sehr wollte, dass es Cissy besser ging als ihr?
Und nur, weil Theo reich war, musste das doch nicht heißen, dass sie sich nicht auch lieben könnten, oder? Sie hatten sich bloß zu lange nicht gesehen ...
Cordula presste die Lippen aufeinander und beugte sich wieder über die schier endlose To-do-Liste, die vor ihr lag.
Wenn sie nicht schnell Personal fand, würden sie womöglich alles verschieben müssen.
Sie erschauerte. Aber diesmal nicht vor Kälte. Nein, die Verlobung musste stattfinden!
Entschlossen griff sie zum Telefon und wählte abermals die Nummer der Personalvermittlung. Zur Not würde sie klein beigeben und sich eben mit ungelernten Dienstboten abfinden.
Während sie auf das Freizeichen wartete und ihr Blick über die in Leder gebundenen Bände in dem Bücherregal vor ihr schweifte, kam ihr eine Idee.
Es konnte doch nicht schaden, bei Theo und Cissy etwas nachzuhelfen. So wie in diesem Shakespeare-Stück, das sie vor Jahren im Theater gesehen hatte! Alles, was es dazu brauchte, war eine klitzekleine Schwindelei.
Sie würde Cissy erzählen, dass Theo in sie verliebt sei, und umgekehrt sollte Theo genau das auch von Cissy glauben.
Cordula lächelte. In der Komödie hatte es so wunderbar funktioniert, und die beiden Figuren hatten sich durch diese Lüge tatsächlich leidenschaftlich ineinander verliebt.
»Cissy wünscht sich so sehr, dass Theo etwas früher kommt«, erzählte Cordula dann auch wenig später der Mutter des Prinzen, Fürstin Lydia, am Telefon. »Sie würde es nie zugeben, aber sie kann es nicht abwarten, ihn endlich bei sich zu haben. Es hat sie ganz schön erwischt.« Cordula senkte verschwörerisch die Stimme. »Wenn du verstehst, was ich meine.«
Fürstin Lydia hob am anderen Ende der Leitung erfreut die Brauen. Sie verstand und gab die Anweisung, sogleich die Koffer des erlauchten Prinzen zu packen, sodass Theo eine Woche früher nach Bernau geschickt wurde. Dem Herzenswunsch der Zukünftigen durfte er sich doch nicht entziehen.
Mit quietschenden Bremsen fuhr der ICE am Gleis 12 in Hamburg ein und Cissy blickte erwartungsvoll auf die sich öffnenden Türen des Erste-Klasse-Wagens.
Ungeduldig stellte sie sich auf die Zehenspitzen. Sie war ein wenig aufgeregt, denn sie hatte ihre Großmutter seit einigen Jahren nicht mehr gesehen.
Nanny von Bernau lebte in Südamerika und kam selten zu Besuch. Das lag zum einen an der Entfernung und zum anderen daran, dass sie sich mit ihrer Schwiegertochter Cordula nicht ganz so glänzend verstand. Nun würde sie anlässlich Cissys Verlobung mit dem Prinzen vier Wochen bei ihnen auf Bernau sein.
Cissy erhoffte sich seelischen Beistand von ihr und tatsächlich, sobald die zierliche weißhaarige Dame aus dem Abteil kletterte und fröhlich winkte, wusste Cissy, dass ihre Großmutter, abgesehen von ein paar zusätzlichen Lachfältchen, noch ganz dieselbe war.
Neben den aussteigenden Geschäftsleuten in grauen Anzügen wirkte Nanny in ihrem flatterigen bunten Gewand wie ein freundlicher exotischer Vogel.