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»Eine Geschichte im Stil von 9 1/2 Wochen und Basic Instinct – nur sexier und härter.«
Mit dem Tag, als die Autorin Cara Williams ihre Tochter verlor, endete ihr gewohntes Leben und ihre Ehe. Mühsam rappelte sie sich wieder auf. Zur Feier ihrer Scheidung schleppen ihre Freundinnen sie kurzerhand in Los Angeles' berühmt-berüchtigten Nachtclub The Archer, in dessen Kellergeschoss Gäste ihre sexuellen Fantasien ausleben. Was als Scherz beginnt, wandelt sich schnell in Begierde, als sie Evan in einem der dunklen Räume sieht. Cara verliert jeden Gedanken an ihre Vergangenheit, während sie ihn beim Sex beobachtet - würde nicht seine Sexpartnerin am nächsten Tag auf bestialische Art und Weise vergewaltigt und verstümmelt am Strand aufgefunden werden. Ist ihr düsterer Unbekannter L.A.s grausamster Serienmörder aller Zeiten?
Hin und her gerissen zwischen Überlebensinstinkt und Neugierde, sucht sie den Club erneut auf. Es beginnt eine leidenschaftliche Affäre, die alles, was sie über sich zu wissen glaubt, in Zweifel zieht - ein Spiel aus obsessiver Liebe, grenzwertiger Intimität und schmerzhafter Konfrontation mit ihren eigenen Wunden. Schon bald ist Cara Evan mit Haut und Haar verfallen und auch er scheint Gefühle für sie zu entwickeln. Aber kann sie ihm trauen oder ist sie nur sein nächstes Opfer?
Dieser Erotikthriller ist ein alleinstehendes Werk und in sich abgeschlossen.
Wegen expliziter Szenen ist dieses Buch nicht für Leser unter 18 Jahren geeignet.
FVCK.LOVE.KILL. - Die neue Buchserie mit viel Sex, zufälliger Liebe und mindestens einem ungeklärten Mord, der die rosa Wolken verdunkelt.
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Veröffentlichungsjahr: 2020
BO MILLER
FVCK.
LOVE.
KILL.
Cara & Evan
Impressum
Copyright: Bo Miller, 2020
ISBN: 9798688635393
Independently published.
Agenturkontakt: Rotbart Books, P. Pfeiffer, Rathausstr. 5, 12105 Berlin
E-Mail: [email protected]
Cover Hintergrundbild: © Christoph Keil on Unsplash.com
Ornamente/Nummern: Ornament Numbers Vektoren von Vecteezy
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Kondome schützen.
Reale Menschen brauchen sie.
Fiktive nicht.
Epilogue
»Cheers, ihr Süßen!«, ruft Elise in unsere Runde und hebt ihr Glas in die Höhe. »Auf Caras Scheidung!«
Elise ist meine langjährigste Freundin. Wir kennen uns seit der Uni. Ich studierte Literatur und sie Wirtschaftswissenschaften. Unter normalen Umständen hätten wir uns nie getroffen, wäre da nicht am ersten Tag die Campusführung gewesen. Wir waren die Einzigen, die daran teilnahmen. Es war Freundschaft auf den ersten Blick: zwei anscheinend Normale, die im Herzen verrückt geblieben waren, aber noch nach einem Weg suchten, ihre Wildheit unbemerkt auszuleben.
»Wie fühlst du dich, meine Liebe, jetzt, wo du wieder frei bist?«, fragt Katy.
Katy und ich trafen uns vor einigen Jahren als Kolleginnen auf einer Autorenkonferenz und freundeten uns sofort an. Sie schreibt keine Kinderbücher wie ich, sondern Reiseführer. Obwohl sie zwei Jahre jünger ist als ich, also gerade mal 32, gibt es keinen Ort auf dieser Welt, den sie noch nicht gesehen hat. Ich beneide sie zutiefst um diese Erfahrungen. Ich bin über Los Angeles nie hinausgekommen – für manche eine mitleiderregende Schande, für mich eine wohlige Wärme. Meine Sesshaftigkeit gehört zu mir wie Kuschelsocken und Tee zum Winter, auch wenn ich mich seit meiner Trennung von Tom mehrmals dabei ertappt habe, sie aufgeben zu wollen. Zum Beispiel in Tibet. Zumindest dieser Traum wird nie wahrwerden, außer die politische Lage dort würde sich ändern. Manchmal denke ich, ich will nur dorthin, weil es nicht geht. Das würde mir ähnlichsehen, denn das, was ich haben könnte, will ich nicht - wie meinen Ex-Mann Tom oder unser Haus in Hollywood, das mir zugesprochen wurde.
»Ich fühle mich fantastisch«, lüge ich und stoße mit ihnen an. »Ich hätte es viel früher machen sollen.«
Drei Jahre brauchte ich, um zu verstehen, dass eine Trennung unausweichlich war. 1095 Tage, an denen ich täglich hoffte, er würde sich ändern und mit dem Trinken aufhören, mit seiner Trauer um Jeannie irgendwie anders umgehen lernen. 156,5 Wochen, in denen ich enttäuscht wurde. 26.280 Stunden zu viel. Ab heute wird alles anders. Das jedenfalls rede ich mir ein. Es ist das Einzige, was mir von meiner Ehe geblieben ist: ein kleines Stück Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
»So Mädels«, sagt Elise und kippt uns nach. »Die letzte Runde.«
Ich sehe auf meine Uhr. »Müsst ihr schon los?«
Es ist gerade mal 23:36 Uhr. Ich will noch nicht zurück in mein kleines Apartment in Downtown, in das ich zum Übergang eingezogen bin - und zur Zwischenmiete. Das war vor fast zwei Jahren. In drei Wochen werde ich in Tom und mein ehemaliges Haus in Hollywood zurückkehren. Die Innenarchitektin hat bis dahin alles von Grund auf so verändert, dass nichts mehr an uns erinnern wird. Aus unserem Schlafzimmer macht sie gerade ein großes, edles Badezimmer mit diesen kleinen blauen Fliesen. Jeannies Zimmer wird zu einer Bibliothek mit deckenhohen Bücherregalen und einer Leiter, die ich sicher nie benutzen werde, für die obenstehenden Werke, aber ›Designelemente sind wichtig für ein Haus wie Ihres.‹ Früher musste ich Jeannie stundenlang vorlesen. Sie hat von meinen Geschichten nie genug bekommen. Ihr hätte das Zimmer sicher gefallen.
»Nein, Babe. Wir ziehen noch weiter«, sagt Elise und grinst schmierig und verhohlen.
»Ach ja? Wohin?« Ich werde neugierig – und ahne Schlimmes. Wenn Elise diesen Gesichtsausdruck hat, heißt das selten etwas Gutes. Zumindest aber bedeutet es, dass man sich von einer erholsamen Nacht ohne Kater am nächsten Morgen verabschieden kann.
»Ready when you are«, nicke ich und trinke den Rest Schampus auf ex.
Elise und Katy sehen sich überrascht an und nach einem kurzen Achselzucken machen sie es mir nach.
»Na dann«, schmunzelt Katy und zieht ihre Augenbrauen hoch, als wäre sie nervös.
Bevor wir ihre Wohnung verlassen, dreht sich Elise in der Tür kurz zu mir. Ihr Gesichtsausdruck sagt mir, dass sie unsicher ist und nachdenkt. Er ist weniger nervös als Katys, aber sie nehmen sich nicht viel. »Bitte denk immer daran, wie sehr du mich liebst!« Sie umfasst meine Schultern mit ihren schmalen Händen.
Ich hole einmal tief Luft, ganz intuitiv. Ich kenne sie schon zu lange, um nicht am Klang ihrer Stimme zu bemerken, dass sie – wohin auch immer sie mich bringen wird – vorhat, meine Grenzen zu sprengen. Sie weiß, wie sehr ich Überraschungen hasse. Eigentlich hasse ich alles, was mich aus meiner Komfortzone zieht. Doch dieser neue Lebensabschnitt muss - nein - darf gefeiert werden. Das waren meine Worte, als ich Elise vom Scheidungstermin erzählte. Ich habe sie angestachelt, in die Tiefen ihrer selten jugendfreien Fantasie zu tauchen, um etwas Aufregendes zu finden, was mich in meine Zukunft geleiten würde. Etwas, woran ich mich immer erinnern würde.
»Was hast du vor, verdammt?«, stammele ich und werde fast etwas nervös, als ich in die aufgeregten Gesichter meiner Freundinnen schaue.
»Du wirst schon sehen«, antwortet Elise grinsend.
Katy presst ihre Lippen fest aufeinander und nickt skeptisch.
1
»Ich hab’s versucht, echt. Aber es ist immer dasselbe. Ständig müssen sie sich wichtig fühlen, als würde ihr Dasein davon abhängen oder als gäbe es nur sie auf dieser Welt. Ich tue wirklich alles, was in meiner Macht steht, um ihnen zu geben, was sie brauchen, aber immer endet es damit, dass ich mich eines Morgens im Spiegel betrachte und nicht wiedererkenne. Ich sehe nicht mal mehr so aus wie ich. Ich kleide mich nicht mehr so wie früher. Ich rieche anders. Meine Wohnung erinnert an ein Möbelgeschäft, getränkt in den Gestank irgendeines beißenden oder süßen Parfüms. Ich verschwinde neben ihnen wie Nebel, bis nichts mehr von mir da ist und ich kein Stück mehr von mir fühle. Es sind aber gar nicht mal so sehr diese Morgen und Abende, an denen ich ausgelaugt ins Bett gehe, weil jede Energie an eine von ihnen gegangen ist. Es sind die kleinen Momente dazwischen, wisst ihr? Wenn ich mit dem Auto an der Ampel stehe und mich einen kurzen, bedeutungslosen Moment lang nach links oder rechts drehe und sehe, wie eine von ihnen einen prüfenden Blick in den Spiegel wirft, ihre Augenbrauen in die richtige Form bringt, ihre Wimpern nach oben biegt, Lippenstift nachzieht oder ihre Haut nach Pickeln absucht. Damit wir sie hübsch finden und ihnen Aufmerksamkeit schenken ... Und immer wollen sie die Ewigkeit versprochen bekommen!«
»Am besten so ehrlich wie möglich ...«, brummt André und nimmt einen extragroßen Schluck Dunkles. »... und natürlich nur von Männern, die ihnen belieben, die gut aussehen oder nach Geld riechen und so.«
»Ja, aber zu attraktiv dürfen wir auch nicht sein. Dann bekommen sie wieder Angst, dass eine andere oder mehrere wichtiger als sie werden könnten. Und zu wohlhabend auch nicht, weil wir dafür mehr als nur von acht bis fünf arbeiten müssten. Dann wären sie ja allein und müssten sich um sich kümmern, so was wie ein eigenes Leben haben. Es geht halt immer nur um sie. Wir sollen sie feiern und loben, selbst bei den kleinsten Kleinigkeiten, die nun wirklich jedes Kind hinbekommt, die ich schon Millionen Male nebenher geleistet habe. Aber wenn sie es machen, dann ist es etwas anderes. Dann sind Play-offs so nebensächlich wie Bürgerkriege und Wirtschaftskrisen. Es spielt alles keine Rolle, wenn sie Aufmerksamkeit wollen. Gebe ich sie ihnen nicht, bin ich schuld. Ich. Und wehe, ich stehe mal im Mittelpunkt, was ja nun in letzter Zeit recht häufig vorgekommen ist ... Dann werden sie zu schmollenden Zicken, die jeden Moment mit den Füßen zu stapfen beginnen.« Ich sehe es genau vor meinem inneren Auge. »Sie senken ihren Kopf und schauen traurig, wollen Mitleid erregen, weil sie die paar Minuten nicht aushalten ... Sie ertragen es nicht, weil sie schwach sind und bedauernswert wie arme Kreaturen, die in ihr Leben geworfen wurden, ohne zu wissen, was sie damit anstellen sollen, wenn es keinen Mann an ihrer Seite gibt, der sich wegen ihnen vergisst. Immer. Pausenlos. Als würden sie tot umfallen, wenn sie sich zurücknähmen.«
»Weil sich alles immer nur um sie drehen soll ...«, schmeißt Ben mit rein. »Sogar im Bett! Abwarten müssen wir, bis sie ausdrücklich Ja gesagt oder es eindeutig signalisiert haben, bevor wir ihnen die Kleider ausziehen dürfen und wehe, wir reißen sie ihnen vom Körper, dann heißt es nur ...
»Nicht so schnell! Nicht so schnell!«, äfft André.
Ich lache mit. Ja, solche kenne ich auch - wobei ich mehr kennengelernt habe, die sich über die kaputten Klamotten aufgeregt haben.
»Genau ... sogar, wenn sie uns seit ewigvielen Dates hinhalten und scharfmachen. Vorsichtig und zärtlich müssen unsere Hände und Bewegungen sein und alles, was wir tun, soll nur ihrer Befriedigung dienen. Wir dürfen ihren Kopf nicht zu unserem Schwanz drücken, weil sie sich sonst respektlos behandelt fühlen. Wir dürfen ihnen nicht sagen, was wir wollen, oder sie ficken, wie es uns am liebsten ist, weil es ja sonst nicht romantisch ist«, erinnert sich Ben.
»Und sind wir zu scharf und zu schnell, fühlen sie sich vergessen. Vor ihnen kommen dürfen wir auch nicht. Wir müssen sie küssen und den Mund halten, nur das tun, was richtig ist, bis sie endlich verfickt noch mal kommen, nach gefühlten Stunden, die wir zwischen ihren Beinen gelegen haben. Unser Schwanz muss groß genug sein, aber bloß nicht zu groß sein, nicht zu dünn und nicht zu dick, gerade und nicht gebogen. Als könnten wir uns das aussuchen! Alles wird von ihnen vorbestimmt. Nur das, was sie denken und wollen, zählt. Als wären wir ihre Spielzeuge.« André schüttelt seinen Kopf.
»Ja. Es ist egal, ob es das Bett, Büro, die Straße oder eigene Wohnung ist: Sie machen die Regeln, als wären sie unsere verdammte Mutter! Halten wir uns nicht dran, sind wir die Mistkerle, Arschlöcher, Soziopathen, Psychopathen, Narzissten oder zumindest beziehungsunfähig.«
»Emotional nicht erreichbar!«, korrigiert mich André lachend.
Ich setze mich ein und nicke. »Genau! Wir müssen uns ändern. Nicht sie. An ihnen ist alles richtig, so, wie es ist. Entweder wir sind Monster oder Weicheier. Sie wollen den Badboy, aber wenn sie ihn bekommen, wollen sie aus ihm einen Softie machen, nur um ihn dann wieder langweilig zu finden. Was für eine Drecksausrede, um sich zu trennen oder 24/7 über uns zu meckern.«
»Genau so, Mann!«, stimmt mir André zu und würgt sein Bier gekonnt, fletscht die Zähne, damit jeder sieht, wie hart er im Nehmen ist - synonym für den Rest seines Lebens. »Aber es liegt nicht an ihnen. Nein! Es liegt an uns.«
»Vielleicht stimmt’s ja, Mann!«, gibt Ben zu bedenken.
»Gib zu, du hast die ganze Zeit mit dem Kopf genickt. Ja, ich wette, das hast du! Und wenn du mit keiner von denen zusammen warst, ein paar Jahre deines Lebens mit ihnen verschwendet hast, dann kennst du wenigstens eine dieser Frauen von woanders her, die dich verletzt oder denunziert hat, dich beschämt oder gemobbt hat, dich ausgenutzt und dann fallengelassen hat. Und am Ende ist es deine eigene Schuld gewesen, stimmt’s?» Er haut ihm gegen den Oberarm. »Das hat sie doch gesagt, oder? Weil du nicht genug für sie da warst oder zu anhänglich, weil du zu viel gearbeitet hast, dich nur um Geld, was sie wollte, gekümmert hast, weshalb du dich nicht an der Erziehung eurer Kinder beteiligen konntest, weil dir einfach die Zeit fehlte. Oder hat sie dir schon Nachrichten geschickt, wann du endlich zu Hause bist, als du noch nicht mal aus dem Büro warst, weil sie Angst hatte, zu sterben, wenn sie zehn Minuten allein in der Wohnung wäre? Mann, er hat recht!«
»Wahrscheinlich macht sie in diesem Moment bei ihrem Neuen, der viel besser ist als du, einen Mordsaufstand, weil du mit deinen Kumpels zu lange über Bier gesessen hast, oder sie unterstellt dir nachher, wenn du nach Hause kommst, fremdgegangen zu sein oder sie nicht mehr zu lieben oder so. Sie hat dir bestimmt gestern erst gesagt, dass du dich mehr im Haushalt betätigen musst, weil sie alles allein machen würde, dabei bringt sie bestimmt nicht mal den Müll runter. Alles, was stinkt oder ihnen die manikürten Hände dreckig machen könnte. Aber wehe, wir wissen nicht, wie man einen Tisch zimmert oder wir zweimal nachfragen, ob sie die Sicherung rausgezogen hat, bevor wir die neue, tolle, scheißteure Lampe an die Decke anbringen - die, die sie gekauft hat, ohne uns zu fragen, ob wir sie mögen. Ihre Angst ist so dicht, man kommt nicht an ihr vorbei. Sie wickelt sich irgendwie um deine Haut und erstickt dich, wenn du zu lange in ihrer Nähe bleibst.« Ich nehme einen großen Schluck Bier gegen den schalen Geschmack in meinem Mund.
»Du hast zu viel getrunken, Alter!«, raunt Ben. »Ganz so schlecht sind Weiber nun auch nicht.«
Er mit seiner tugendhaften Ehefrau, die zu Hause brav seine zwei Kinder hütet, während er hier mit mir und André säuft. Wahrscheinlich lässt sie ihn alle drei Monate mal nach dem Sonntagabendfilm für vier Minuten ran, weil sie weiß, dass er es länger nicht halten würde.
»Wie sagt man so schön?«, röchelt André und zieht noch mal an seiner Kippe, bis die Glut bis zum Filter herunterbrennt. »Reg dich nicht auf. Du kannst sie nicht alle töten.«
André ... Hat der überhaupt eine feste Freundin? Er fickt nur regelmäßig mit irgendwelchen Tussis im Archer.
Sie lachen wie richtige Kerle bis in die Kehlen und werfen ihre Köpfe in ihre Stiernacken, in denen sich ihre Haare kräuseln.
Ich sehe mich in der Kaschemme um, in die Ben uns gezogen hat. Auf ein Feierabendbier, wie er sagte, um mal wieder abzuhängen, ›so, wie Männer es manchmal tun müssen, ne?‹ Was für ein Scheiß!
»Ja«, sage ich und trinke mein Bier aus. »Nicht alle.«
2
»Das Archer? Ihr wollt mich doch verarschen!«, platzt es aus mir heraus, als uns das Taxi 45 Minuten später vor dem berüchtigtsten Klub der Stadt absetzt.
Hier treffen sich Sexhungrige und Nymphomanen, um in einer der vielen dunklen Ecken des Etablissements mit irgendwelchen Fremden zu vögeln, während auf den oberen Ebenen mit so wenig wie möglich angetanzt wird, betrunken und high auf den Sex, den sie gerade hatten oder bald haben werden.
Eine Frau – wenigstens so alt wie ich – in roten High Heels und kurzem schwarzen Lederrock geht an uns vorbei. Der Türsteher öffnet ihr nickend die Tür, als würden sie sich kennen. Ich bin entsetzt im Angesicht der Scham, die ich an ihrer Stelle fühle. Wie weit muss man gesunken sein und wie wenig von sich halten, um im Archer ein- und auszugehen, als wäre es das eigene Zuhause?
Von drinnen dröhnt uns die Musik entgegen, eine Mischung aus Trance und ich-weiß-es-nicht-genau. Nicht meins auf jeden Fall. Das merke ich schnell. »Da bringen mich keine zehn Pferde rein!«, sage ich entschlossen und schüttele den Kopf. »No way, Elise!«
»Du musst ja nichts machen. Wir trinken was, tanzen ein bisschen und wenn wir Lust haben, gehen wir mal runter und gucken, was so geht«, zuckt sie mit den Achseln, als gingen wir in einen Kinofilm.
Aber was wir da unten sehen werden, ist kein Film, nicht einmal ein mies gemachter Porno, das weiß ich. Es wird dreckig und widerwärtig sein, ›mit Sachen, die man nicht sehen will‹, wie es einer von Toms Freunden so treffend ausdrückte, nachdem er hier seinen Junggesellenabschied verbracht hatte.
»Ein bisschen Abenteuer, Cara. Jetzt komm schon: Hab dich nicht so!«, fügt Elise noch hinzu und lässt ihre Hüften kreisen, um mich in Stimmung zu bringen.
Ich weiß nicht. »Puh.« Ich blicke zum Türsteher, der so tut, als würde er unser Gespräch nicht Wort für Wort verfolgen. »Na gut, meinetwegen«, höre ich mich sagen und mache mir vor, dass es ja witzig werden könnte.
Elise springt einmal vor Freude in die Luft. Katy lacht laut auf und sieht ein letztes Mal prüfend zu mir, bevor sie sich als Erste umdreht und in Richtung Türsteher geht. Wir folgen still. Der klobige Typ mit Glatze und nicht gerade billigem schwarzen Anzug lässt uns ebenso wortlos hinein.
»97 Dollar?«, stoße ich prustend zu Katy aus, als ich an der Kasse den Preis für den Eintritt sehe.
»Montgomery Inc. plus zwei«, sagte Elise mit gespreiztem Zeige- und Mittelfinger zu dem Mann hinter der Glasscheibe. Er blättert durch eine Liste mit Ausdrucken und nickt ihr kurz zu. Dann drückt er uns einen durchsichtigen Stempel aufs Handgelenk, das wir durch eine kleine Öffnung im Glas schieben.
»Montgomery Inc.?«, frage ich erstaunt. Ihr Arbeitgeber.
»Ich hab’ ein paar Beziehungen spielen lassen«, grinst sie. »Nur für dich.«
»M-hm ... Wahnsinn!«, verziehe ich das Gesicht ironisch und muss lachen. Auf einmal finde ich es nicht mehr so schlimm, hier zu sein.
Es ist voll, wahnsinnig voll und laut, grell, miefig. Die Nebelmaschinen – von denen ich dachte, sie wären freiwillig in den 80ern geblieben – machen die Sicht zum Glück so unklar, dass ich wenig von den verschwitzten, halb nackten Körpern bemerke, bis wir an einer Bar ankommen. Ein Mann, nur in Boxershorts, blond, durchtrainiert und jung, streckt mir seine Zunge heraus und lässt sie zappeln, bevor er seine Finger spreizt und sie dazwischenschiebt. Ich schaue angewidert weg. Als würde ich mit so einem ... Ich schüttele vor Ekel den Kopf und die Gedanken weg.
Elise ordert drei Margaritas und gemeinsam starren wir in die Menge, als wir an der Bar stehen. Die Gäste haben allem Anschein nach Spaß. Nur wir – okay, ich – ziehe eine Grimasse, irgendetwas zwischen fehlplatziert und verachtend. Die meisten hier sind jünger als wir, vielleicht Ende zwanzig oder so. Nur hin und wieder laufen ältere Personen vorbei, die im Vergleich zum Rest nur bedingt attraktiv aussehen. Die Männer sind haarig und ihre Muskeln muss man unter vielen Fettschichten suchen; die Frauen haben ihre Jahre entweder hinter sich oder kommen langsam hinein. Aber wenigstens sind sie normal. Sie scheinen zu wissen, was sie hier tun und suchen, nehmen es nicht mehr als Scherz ihrer Jugend. Ihre Mimik ist anders - bedürftiger, ängstlicher -, als würden sie befürchten, niemand würde sie mehr wollen. Es ist eine Sorge, die ich nur zu gut kenne. Sie war einer der Gründe, wieso ich so viel länger bei Tom geblieben war, als ich hätte sollen: diese leise Panik, dass ich für den Rest meines Lebens allein bleiben würde, gezeichnet von meiner Vergangenheit. Zum Glück wurde irgendwann die Furcht, für immer mit Tom zusammenbleiben zu müssen, so groß, dass mir keine andere Wahl als die Trennung blieb.
»Lust zu tanzen?«, brüllt Elise. Die Musik ist so laut, dass sie ihre Frage zweimal wiederholen muss.
Wir nicken und folgen ihr auf die Tanzfläche. Wir drängen uns an der Masse von Menschen auf diesem scheinbar großen, aber gefühlt winzigen Areal vorbei, quetschen uns in die Mitte und nehmen in Kauf, dass uns alle vier, fünf Sekunden jemand den Ellenbogen in den Rücken rammt oder auf unsere Füße tritt. Die Atmosphäre ist merkwürdig entspannt und aufgeladen - mit Ekstase und endloser Freiheit -, denn hier in diesem Moment wärst du der Einzige, der urteilt. Für alle anderen gehörst du dazu, bist Teil ihrer selbst, als wären wir alle miteinander zu einem Strick verknotet. Der DJ spielt scheinbar bekannte, angesagte Songs, die zumindest ich noch nie zuvor gehört habe. Auch Elise und Katy scheinen sie fremd zu sein, aber wir tun so, als würden wir Gefallen an ihnen finden, als würde der tiefe, schnelle Beat unser Blut genauso aufheizen wie das der anderen um uns herum. Die Luft steht, nur hin und wieder schießt die Nebelmaschine ihren weißen Qualm in unsere Richtung und simuliert ein wenig Wind. Er riecht nach Lollipop-Kaugummis der 90er. Ich drehe mich um 90 Grad, um meine Nase aus dem Qualm zu ziehen, direkt zu einem jungen Mann hin, der auf unseren Augenkontakt gewartet zu haben scheint.
Ich will ihn anschauen, seine Augen sehen und meine übliche Beurteilung in Gang setzen – Alter, Stand, Geld, emotionale Verfügbarkeit, Leid, Süchte, Gesundheit –, aber er drängt sich hinter mich und drückt sein Becken gegen meins, lässt es kreisen. Er legt seine Hände erst um meine Hüfte, dann gleitet eine zu meinem Bauch. Sie fährt unter mein schwarzes Top.
Ich halte sie abrupt fest. Elise zieht ihre Augenbrauen hoch und zwinkert mir verschmitzt zu. Katy lacht sich eins ins Fäustchen, während ich nicht versuche, die Hände des Fremden auf meiner Haut zu spüren. Er ist der erste Mann seit drei Jahren, dem ich aus Versehen gewähre, mich zu berühren – oder aus Spaß, dem Moment und der Situation heraus, die nichts, absolut nichts, verspricht außer Belanglosigkeit. An meinem Hals spüre ich seinen heißen Atem; er gräbt seine Lippen in meine Halsbeuge und lässt sie dort liegen. Sie bewegen sich weder noch erkundet seine Zunge, mit der ich jede Sekunde rechne, meine Haut. Nur der Gedanke daran, dass sie das neue Territorium seiner Lust könnte, hält mich bei Sinnen. Er verweilt bis zum Ende des Songs in dieser Position; wir tun nicht mehr, als unsere Becken nach links und rechts zu schieben, ein Takt, den uns nur die Musik vorgibt. Ohne sie gäbe es uns nicht. Das wissen wir beide nur zu gut.
Als ich wieder hochsehe, entdecke ich zu meiner Erleichterung, dass auch Elise und Katy von je einem Mann umworben werden. Beide scheinen sehr jung und sind mainstream-attraktiv, glatt und ohne Ecken, an denen man hängen bleiben könnte, aber doch hübsch genug, um sie länger anzusehen. Während sich Elise eng an seinen Oberkörper schmiegt, ihr Gesicht zu ihm gewandt, befindet sich Katy in einer annähernd ähnlichen Position mit ihrem Typen wie ich mit meinem. Nur sieht sie sein Gesicht. Sie traut sich, ihren Kopf zu drehen und ihn anzuschauen, während seine eine Hand ihr Becken und seine andere ihre Brust berührt. Er drückt seine Lippen auf ihre und schiebt seine Zunge in ihren Mund. Und sie scheint es zu genießen, gibt sich seinem Kuss und seinen Berührungen ohne Umschweife hin. Er presst ihre Oberlippe zwischen seine Lippen und zieht an ihr, als würde er wollen, dass sie die restliche Distanz zu ihm endlich aufgibt – freiwillig, ohne dass er sie bitten muss. Er scheint zu wissen, was er tut, vermute ich, und konzentriere mich wieder auf den Unbekannten in meinem Rücken.
Seine Berührungen und Bewegungen erinnern mich an eine Zeit, in der ich noch ich war und glaubte, dass mir nichts und niemand gefährlich werden könnte. Damals lebte ich wie viele junge Frauen in den Tag hinein, kannte kaum Grenzen, besonders meine eigenen nicht, ließ jeden Mann vertrauensvoll an mich heran und den Rest auf mich zukommen. Den Tod kannte ich damals nicht. Ich dachte, wie alle anderen auf dieser Welt, dass es jeden, nur nicht meine Lieben oder mich treffen würde – nicht meine Jeannie. Nicht Tom. Nein. Niemals.
Mit diesem Gedanken fängt er an, mir lästig zu werden. Er klebt ja förmlich an mir, als wären wir zusammengewachsen. Dabei kennen wir uns doch gar nicht. Ich drehe meinen Kopf zu ihm und schreie in sein Ohr: »Wie heißt du?«
»Jackson«, antwortet er. »Und du?«
»Cara«, brülle ich zurück und versuche freundlich zu klingen.
»Freut mich, Sarah!«
Ich schüttele den Kopf. »Nein, Cara!«
»Ja«, sagt er und grinst. »Ich hab’s gehört.«
Okay, es hat keinen Sinn, merke ich schnell und resigniere ein Stück mehr, drücke geschlagen meine Lippen zusammen. »Was machst du beruflich?«, frage ich, um mich von dieser Schmach abzulenken, aber bereue es im selben Moment.
»Mal dies, mal das.«
Ich nicke gespielt interessiert. Er hat also keinen richtigen Beruf. Super. Aber was erwarte ich auch? Am besten nichts. »Ich bin Autorin.«
»Also bist du arbeitslos?«, lacht er kindisch.
Ich glaube, ich höre nicht richtig und runzele die Stirn. »Was? Nein, nein. Ich schreibe Bücher.«
Wieder nickt er, als hätte er das richtige Bild von mir. »Ja, du bist also arbeitslos!«
Ich schaue ihn verständnislos an. Es trifft mich unerwartet, dass er meint, ich wäre ein Niemand. Dabei bin ich eine der erfolgreichsten Kinderbuchautorinnen der USA und – wer hätte es gedacht? - Europas.
Er grinst immer noch, als fände er den Gedanken schön und beruhigend, dass wir auf derselben niedrigen Stufe in einem menschlichen Leben ständen, da, wo man sich noch finden kann und einem alles offensteht, man sich aussuchen kann, wer man sein möchte. Eines Tages, wenn man groß ist. Er versteht nicht, dass jede seiner Entscheidungen – bis hin zur kleinsten, unbedeutendsten – darüber abwägen wird, was er als Verluste auf seinem Konto verbuchen wird, wenn er erst einmal Ja zu einem Weg gesagt hat. Er versteht nichts. Er glaubt vielleicht wegen seines Alters, dass ihm die Welt gehöre und sich nichts und niemand gegen ihn stellen würde. Er ist eben jung. Ich kann es ihm fast nicht verübeln, seine Blauäugigkeit, seine Erhabenheit, geboren aus Angst und Unsicherheit.
»Wie alt bist du?«, frage ich ihn trotzdem.
»Was denkst du denn?«, grinst er zurück.
Früher haben nur Mädels diese Frage gestellt. Nicht einmal habe ich es erlebt, dass mir Männer – welches Alters auch immer – diese Frage gestellt haben. Ich bin verdattert und fühle mich desillusioniert, plötzlich konfrontiert mit einer Wirklichkeit, von der ich keine Kenntnis hatte. Bis eben. Und überlege. »Äh ... weiß nicht genau. 27?«
Er wirft seinen Kopf in den Nacken und lacht. »Fast.«
Ich warte, dass er mir sein richtiges Alter sagt, aber er küsst mich zuerst heftig und ungestüm. Nach ein paar Sekunden ziehe ich meinen Kopf weg.
Er schaut in die Menge, als würde er nachdenken, und dann wieder zu mir. »Ich bin 23. Und du?«
»34«, quetsche ich schuldig hervor und ahne schon, was als Nächstes passieren wird.
Er nickt und lächelt dabei – ehrlich. »Dann hast du mich wohl älter geschätzt, was?«
»Und du mich wohl jünger, hm?«
»Ja, etwas.«
Und plötzlich fühle ich mich wirklich alt. Was wohl geschehen würde, wenn ich ihm erzählte, dass ich bereits verheiratet war, erfolgreicher bin, als er wohl je sein wird und ein Kind hatte, was gestorben ist? Besitzt er Empathie, die im Kunstrauch des Klubs unter den Beats der Elektromusik nicht so schnell zu bemerken ist? Vielleicht habe ich zu viel getrunken, weshalb mir seine guten Seiten entgangen sind. Bin ich zu negativ? Sollte ich nur den Moment genießen, anstatt auf so unwichtige Dinge wie Job und Lebenserfahrung zu bestehen?
Eine Stimme dringt in meinen Kopf. Ich erschauere, denn es ist Toms. Ich sehe ihn vor mir, wie wir bei unserem ersten Date im Holy Beers & More, einer Kneipe im Arts District, saßen und bis zum Ladenschluss miteinander redeten. Über alles. Jeden. Gott. Die Welt. Uns. Zwischendurch ein verstohlenes Lächeln und Augenblicke, die eine Sekunde zu lange dauerten, um nur zufällig zu sein. Tom und ich – bevor das mit Jeannie geschah – konnten stundenlang reden. Es gab weder peinliche Pausen noch verdutzte Momente, keine Zeiten, in denen ich mich fremdschämte oder versuchte, nicht enttäuscht über ihn dreinzuschauen. Nein, Tom und ich waren füreinander gemacht. Das dachte ich jedenfalls. Er auch. Bis uns der Tod eines Besseren belehrte.
Ich grinse Jackson an und bemühe mich, meine Zweifel zu überspielen, indem ich ihn unvernünftigerweise küsse. Ich weiß mir nicht anders zu helfen. Diese Situation lässt sich nicht anders retten. Es wäre sicher besser nach Hause zu gehen, aber er ist der Erste seit Langem, der mich küssen will, und dem ich es erlaube – weil er für meine kleine Welt keine Bedrohung darstellt. Er wird nicht wissen wollen, wer ich wirklich bin. Ihm reicht, was ich bereit bin, ihm zu zeigen. Eine schöne, unbefleckte Fassade jenseits aller schwierigen Bedürfnisse, die einen anderen Menschen zu Entscheidungen zwingt. Zwang – ohnehin das schlimmste Gefühl der menschlichen Natur – ist das Letzte, was ich gerade brauche. Zwang, so hoffe ich jedenfalls, habe ich bei Tom gelassen. Es war zum Schluss alles, was zwischen uns herrschte: Ich zwang mich dazu, über meinen Schmerz hinwegzulächeln, weil er nicht einmal mit seiner eigenen Trauer zurechtkam. Ich zwang mich dazu, meine Tage – und seine – heil zu überstehen, zu kochen, unsere Rechnungen zu bezahlen, das Haus zu putzen, einzukaufen, mir die Zähne zu putzen und mich anzuziehen, morgens aufzustehen, ein paar Stunden Schlaf zu kriegen, seine nach Alkohol stinkenden Küsse auf meiner Haut zu ertragen, wenn ich abends ins Bett gekrochen war, es zu mögen, wenn er mich in seinem höhenwahnsinnigen Suff danach bestieg. Dabei hatte es Jahre gegeben, in denen ich unseren Sex für das Schönste hielt, was mir das Leben je geschenkt hatte. Ich hatte es so geliebt, ihn in mir zu spüren, ihn zu küssen und zu berühren, meinen Körper an seinen zu drücken. Eng war nie genug, so sehr war ich vernarrt in ihn gewesen.
»Wollen wir nach unten gehen?«, fragt Jackson.
Ich erstarre kurz; aus meinem Mund kommt kein Wort. Ganz sicher werde ich nicht mit ihm schlafen, wenn das seine Frage ist.
Ich sehe zu Elise und Katy, die noch immer mit ihren Typen tanzen und Spaß haben – sehr viel mehr als ich. Ich hoffe, sie haben im Gegensatz zu mir Glück mit ihrem Griff. Katy hat sich vor etwa sechs Monaten von ihrem Langzeitfreund Josh getrennt und Elise ist Single, seit ich denken kann. Sie bevorzugt ›unkomplizierte Verbindungen‹.
Ich sehe noch einmal prüfend zu Jackson, bevor ich mich aus seinem Arm wende und Elise unterbreche. »Ich geh’ mich mal unten umgucken«, brülle ich sie an.
Sie mustert Jackson, bevor ihr Blick ihren Typen streift und dann zu Katy wandert. Sie packt sie am Ellenbogen und flüstert ihr etwas ins Ohr.
Nachdem sie ein paar Worte gewechselt haben, sagt Elise »Wir kommen mit« und plötzlich folgen alle – einschließlich der anderen beiden Männer – Jackson über die Tanzfläche, verlassen die Meute an jubelnden, wild springenden Menschen und gehen auf eine Tür am hinteren Ende des Floors zu. Zwei Männer mit gut sitzenden Anzügen, strengem Gesichtsausdruck und Ohrhörern, denen Kabel bis in den Hemdkragen reichen, stehen davor. Sie haben die Hände vor ihrem Körper gefaltet und mustern uns starr, als wir vor ihnen stehen bleiben. Es sieht so aus, als ob Jackson dem einen etwas zuflüstert, aber wahrscheinlich hat er eher gebrüllt. Sie wirken merkwürdig vertraut; Jackson scheint genauso Stammgast zu sein wie die Frau vor dem Eingang.
Der Blick des Türstehers wandert zu uns, mustert uns von Kopf bis Fuß und wiegt ab. Man sieht ihm förmlich an, dass er überlegt, ob er uns Zutritt gewährt oder nicht. Wonach hier wohl entschieden wird? Muss man nach Sex aussehen, bestimmte Klamotten tragen oder etwas Verficktes ausstrahlen, um da runter zu dürfen? Nur wenig kann sich dort auftun, was ich nicht schon einmal irgendwo gesehen hätte, denke ich plötzlich - egal, was Toms Freund erzählt hat. Als Elise und ich an der Uni waren, haben wir auf den Studentenpartys krassere Dinge beobachtet als in den meisten Pornofilmen dieser Welt, rede ich mir ein. Wahrscheinlich werden wir uns totlachen. Ich fand ja schon immer, dass echte Menschen – ohne Ausleuchtung und In-Szene-Setzung – eher merkwürdig anmuten, wenn sie Sex haben. In den seltensten Fällen sehen sie so makellos aus wie in Videos, sind weder so hübsch und ohne ein Gramm Fett an ihren Körpern noch bewegen sie sich ähnlich grazil und einstudiert rhythmisch zu ihrer Lust. Die meisten, so war es jedenfalls auf den besagten Studentenpartys gewesen - und ich glaube, auch Tom und mich muss ich da mitzählen -, verziehen doch nur ihre Gesichter zu unanschaulichen Fratzen, während sie aneinander festkleben und dann und wann ihre Beine und Arme in alle Richtungen schieben, um sie wieder zu verknoten. Halb so wild. Also, stell dich nicht so an, Junge. Ich bin wenigstens sieben Jahre älter als der Türsteher. Was kann er schon vom Leben und der Liebe in all ihren Ausdrucksformen wissen?
Als hätte er meine Gedanken gehört, starrt er mich an. Ich weiß nicht, wie lange er das schon macht, aber er nimmt seinen Blick nicht von meinem Gesicht. Plötzlich fühle ich mich schlecht wegen meiner stillen Urteile.
»Sechs?«, fragt er Jackson.
Dieser nickt.
Der Türsteher auch, bevor er langsam die Tür öffnet und uns durchgehen lässt. Ich werfe ihm noch einen letzten Blick zu, bevor ich Jackson folge – in den dunklen engen Schlauch, der über eine steile Steintreppe nach unten führt. Hinter Katy fällt die Tür ins Schloss.
Plötzlich wird es still. Man kann kaum mehr die Musik von oben hören, als hätten wir eine neue Welt betreten. Die Mauern scheinen sie und alle Gäste abzuschirmen. Je tiefer wir hinabgehen, desto mehr legt sich eine bedrückende Ruhe über diese Mauern. Sie jagt mir Angst und Ehrfurcht ein. Ich beginne mich zu fragen, ob ich vielleicht doch etwas zu Gesicht bekommen werde, womit ich nicht rechne. Noch wiege ich mich in der Idee, dass ich eine gestandene Frau bin, die ohnehin schon fast alles in ihren kurzen und langen Beziehungen ausprobiert hat. Gut, BDSM nicht, war nie so meins. Ich habe noch nicht verstanden, wie man sich freiwillig fesseln und schlagen lassen kann – und wie das auch noch anmachen soll – oder man fesseln und schlagen möchte, aus Lust. Mir bereitet es weder Vergnügen, Schmerz zu empfinden noch einem anderen Menschen Schmerz zuzufügen. Kummer und Leid hatte ich wahrlich genug in meinem Leben. Sex sollte schön sein, sich gut anfühlen und idealerweise eine Verbundenheit wecken, wenn ich auch weiß, dass das nur die romantisch-verklärte Seite der Frau in mir ist, die da spricht. Dass Sex in den meisten Fällen – oder Gemäuern – nur einen egoistischen Zweck erfüllt, habe ich schon vor langer Zeit verstanden. Nur wenn sich zwei Menschen treffen, die in ihren Neurosen wunderbar zueinanderpassen, können sie sich auch im Bett – oder das, was stellvertretend herhalten muss – in Übereinkunft für Gefühl begegnen. Das jedenfalls ist mein Erklärungsversuch dafür, wieso Personen zusammenbleiben.
Wir biegen links um eine Ecke. Der Schlauchgang mit tief hängender Decke erinnert an das Maul eines Raubtieres. Als würde es uns auf unser Schicksal vorbereiten wollen, bricht es mit seiner Erhabenheit über uns hinein. Die Dunkelheit wird nur hin und wieder unterbrochen durch die merkwürdig beständige Beleuchtung der wenigen in die Decke eingelassenen LED-Lampen. Sie lassen nicht erahnen, was uns bei der nächsten Ecke erwartet. Noch ein Gang? Noch mehr Stille?
Ich sehe auf meine Füße und versuche zu erkennen, wenn wir einen lichten Teil des Ganges durchqueren, wie der Boden beschaffen ist. Normaler Zement oder Beton, stelle ich fest, obwohl ich null Ahnung habe, was der Unterschied ist. Ich war nie die Handwerklichste. Ich denke mir Abenteuergeschichten für Kinder aus. Ich bin eine kreative Denkerin. Meine Hände habe ich mein ganzes Leben lang nur zum Tippen auf einer Tastatur benutzt oder zum Kochen, obwohl ich auch nicht die beste Hausfrau bin, wie ich mir spätestens mit 25 eingestehen musste. Zum Glück hatten Tom und ich immer genug Geld, um eine Haushaltshilfe zu beschäftigen, die mich davon befreite, die Fenster putzen zu müssen. Wäre es nach mir gegangen, hätte ich auf den Tag gewartet, an dem die Sonne keine Chance mehr gehabt hätte, durchs Glas zu fallen, weil sie den Dreck nicht mehr durchbrechen konnte. Ironischerweise zeichnet diese Analogie ein perfektes Bild meiner geschiedenen Ehe. Auch wir waren zum Schluss nicht mehr als das: eine dicke Schicht Dreck, die niemand rechtzeitig entfernt hatte.
»Bereit?«, höre ich Elise sagen.
Sie steht neben Jackson, hinter ihr ihr Typ. Ich werfe zum ersten Mal einen langen Blick auf ihn. Er ist süß, vielleicht ein bisschen zu jung für sie, aber süß, bevor Elise an der Ecke stehen bleibt, kurz lacht und ihm zuzwinkert, mich an der Hand zu sich zieht und sie drückt ... Da höre ich schon Geräusche – Stöhnen, das immer lauter in meine Ohren dringt – und unerwartet trifft mich der Schlag.
3
Um die Ecke befand sich eine Tür mit zwei weiteren Türstehern. Sie schauten uns nicht einmal an, als wäre es Teil ihres Jobs, nichts und niemanden zu sehen. Sie hielten uns die schwere Tür wie stumme Soldaten auf und ließen uns in einen weiteren Gang hinein ... ein endloser Gang, der in ein noch unergründlicheres Dunkel führte.
Er bietet links eine nackte Wand, die neun oder zehn Pärchen – teilweise maskiert, teilweise überraschend unanonym – zum Sex im Stehen nutzen. Rechts in die Wand eingelassen und auf der gesamten Länge des Flures sind kleine Käfige mit Gitterstäben wie die von Gefängniszellen. Zum Festhalten? Nur sehe ich nirgends Hände.
»Seid ihr zum ersten Mal hier?«, fragt Katys Typ.
Ich sehe ihn nicht an. Mein Gehirn ist wegen all der Reize überfordert: die lauten Geräusche, die vielen offenen Münder, die sich nicht schließen, weil ihre Besitzer hier sind, um alle Schotten, die sie sonst so dichtmachen, aufzusperren.
»Ja. Bist du öfter hier?«, höre ich Katy antworten.
»Manchmal ...«, sagt er trocken.
Seine Stimme ist merkwürdig hohl, als würde er extra interessant klingen wollen. Wahrscheinlich denken die Jungs, wir werden mit ihnen schlafen. Bei Elise würde mich wahrlich nichts mehr wundern. Sie hat alle Schockkarten bereits während unseres Studiums ausgespielt. Irgendwann ist man einfach auf alles vorbereitet. Bei Katy bin ich mir unsicher. Sie ist eher die solide Version einer Frau, aber ich kann nicht abschätzen, ob ihre derzeitige Verfassung – ihre Trennung ist noch zu frisch – sie nicht zu unpassenden Dingen verleiten könnte.
Elise und ihr Typ gehen voran, gucken nur hin und wieder, als wären sie zu Gast in einer Galerie, nach links und rechts, staunend wie Kinder. Katy und ihr Typ folgen ihnen. Jackson gesellt sich zu mir, aber ich nehme ihn kaum wahr oder gar ernst. Links von mir - auf Höhe des ersten Käfigs, in den ich mich nicht traue hineinzusehen - steht eine langhaarige Brünette mit dem Rücken an der Wand. Ihr rechtes Bein hat sie auf die Schulter einer blonden Frau mit Bob gelegt, die es mit ihrer Hand unterstützend anhebt, als würde sie fürchten, dass ihre Geliebte gleich zusammenbricht. Sie hat ihr Gesicht zwischen ihre Beine vergraben, ihr anderer Arm umschlingt ihr linkes Bein, greift um ihren Innenschenkel. Sie hat ihre Finger tief in ihr Fleisch gebohrt, von dem nicht viel da ist. Sie ist dünn. Sehr dünn. Trotzdem heben sich die Furchen, die sie hinterlassen, sichtbar ab. Das gedämpfte Licht wirft leise Schatten auf ihren Oberkörper. Ihre entblößten Brüste ragen wie Berge hervor, als sie ihren Brustkorb nach vorne wölbt, wie der Buckel einer Katze. Ihren Hinterkopf presst sie an die Wand; sie sieht kalt aus und unbequem. Sie hebt ihr Gesicht in die Höhe, wirft ihre Stirn in Falten, presst ihre Augen zusammen. Ihre Mimik erinnert an Wehrlosigkeit, als sie ihre Finger in das Haar der Blondine vergräbt. Was anfangs noch zärtlich wirkt, schlägt um: Sie greift nun danach, drückt das Gesicht ihrer Gespielin noch tiefer zwischen ihre Beine. Dichter. Diese lässt es zu, hilft noch nach, indem sie das Becken der Brünetten näher zu sich zieht. Sie stöhnt laut auf, dann folgt eine kurze Stille, in der sie Luft holt – ein gieriger Japser nach Luft –, bevor sie ihren Kopf nach vorn fallenlässt. Ihre Hand, die sie zu einer Kralle geformt hatte, lockert sich. Die Blondine weicht ein Stück zurück, fährt noch einmal mit ihrer Zunge über das Geschlecht der Brünette – von unten nach oben, ganz langsam, während sie ihr in die Augen sieht. Sie streichelt ihr über die Wange und ein schwer atmendes Lächeln legt sich auf ihr Gesicht. Dann stellt sich die Blondine auf und küsst sie.
Ich verziehe mein Gesicht. Es ist genau die Stelle, an der ich wegschauen muss, um mich nicht an Toms beziehungsweise meinen Geschmack zu erinnern, immer, nachdem er es mir gemacht hatte: dieser süßlich-bittere, heiße, bleierne Geschmack.
Erst jetzt merke ich, dass mich Jackson beobachtet. Er mustert grinsend, beinahe amüsiert, mein Gesicht. Ich atme vor Scham tief ein und presse ein Lächeln hervor, aber frage mich, wie ich wohl ausgesehen habe, als ich den beiden Frauen zuschaute, und drehe mich weg – hin zum Käfig. Es ist stockdunkel darin und nichts zu erkennen. Aber ich höre Geräusche, bilde ich mir ein, und gehe einen Schritt auf ihn zu. Ich umklammere die Gitterstäbe mit meinen Händen, lege meinen Kopf auf den kalten Stahl und halte mein Ohr in den Zwischenraum. Es ist ein leises Röcheln, das einen Mannes, anscheinend älter als ich, vermute ich wegen der Tiefe und des Kratzenden an seiner Stimme. Ich höre auch eine Art Gluckern oder Schmatzen oder vielleicht ... Okay, verstehe!
Ich muss über mich selbst grinsen und drehe mich wieder zum Gang hin. Die Frauen sind verschwunden und so auch Elise, Katy und die beiden Männer.
»Wo sind meine Freundinnen?«
»Bestimmt in einem der anderen Räume«, sagt Jackson.
»Ist das hier nur die Vorhölle?«
Er lacht und nimmt mein Kinn in seine Hand. »So ungefähr«, sagt er und zieht es zu seinem Mund.
Er küsst mich, schiebt seine Zunge in meinen Mund und mich zu den Gitterstäben, presst meinen Rücken dagegen und fährt seine Hände meinen Körper herab.
Ich öffne kurz meine Augen und sehe, dass er seine gar nicht geschlossen hat. Ein neues Paar hat hinter ihm den Platz der Frauen eingenommen: ein Mann, der eine Frau von hinten nimmt – so wie die meisten Paare hier. Er trägt ein rotes Shirt und seine Hose ist heruntergelassen. Die Frau hat einen kurzen Rock an, den er sicher nur hochschieben brauchte. Mehr sehe ich von ihr nicht.
Er greift um ihren Bauch herum zwischen ihre Beine. »Komm«, keucht er. »Ja, komm.«
Es fällt ihr offensichtlich nicht schwer, wenn ich ihren Tonfall richtig verstehe. Seine Stöße werden härter, bis sie aufschreit.
Ich bin fasziniert davon, wie selbstverständlich es hier für alle ist, einfach so im Beisein wildfremder Menschen miteinander Sex zu haben. Aber vielleicht sind sie sich selbst auch fremd. »Lernen die sich oben kennen, bevor sie hier miteinander schlafen? Oder kennen die sich schon vorher?«
Jackson lacht kurz auf. »Die schlafen nicht miteinander. Die ficken.« Er schiebt wieder seine Zunge in meinen Mund und lässt seine Augen auf mir liegen, als seine rechte Hand zwischen meine Beine wandert. »Nicht so schnell!« Die Strumpfhose, die ich zum Glück trage, obwohl das Wetter es nicht nötig macht, hält das meiste seiner Berührungen von mir fern. Aber nicht alles. Ich zucke kurz zusammen und mein Kopf beginnt zu rattern. Mein Bauch sagt Nein zu Jackson.
»Okay«, keucht er und saugt an meiner Unterlippe. »Schaust du gern zu?«
Ich glaube schon, aber zucke mit den Achseln. Diese Ungezügeltheit lässt Schauer über meinen Rücken fahren. Oder ist es Jacksons Hand auf meinem Hintern? Miteinander zu knutschen und all den Menschen um uns herum zuzusehen, wie sie es miteinander treiben, ist unerwartet anturnend. Ich würde es ihm nur nie eingestehen, weil er es sicher als Einladung auffassen würde.
Und doch kann ich nicht wegschauen. Meine Augen heften sich an eine Frau, die auf dem Boden mit dem Rücken zur Wand hockt und sich anlehnt. Der Schwanz eines Mannes, der vor ihr kniet, gleitet genüsslich in ihren Mund, während sie ihm in die Augen blickt. Mit einer Hand hält er ihren Kopf fest, führt ihn, damit sie es richtigmacht, das richtige Tempo einhält, während er sich mit der anderen an der Wand abstützt. Sie hält seinen Schaft umklammert und sein Fußgelenk ebenso, als hätte sie Angst, er würde sich ihr entziehen. Seine Lippen bewegen sich - er sagt irgendetwas zu ihr, ohne dass ich es verstehe.
Die Frau mit dem Mann im roten Shirt scheint endlich ihren Orgasmus zu haben oder kurz davor zu sein, denn sie fordert ihn schreiend auf: »Ja, fick mich! Fick mich ... Fick mich ...« Immer wieder dieser Satz.
Ich hasse unnütze Wiederholungen. Wenn sie nicht der Stilistik dienen, machen sie einfach jede Szene kaputt.
Bis sie kommt. Und er ebenso. Er zieht ihn raus und keucht »Oh ja ... oh ja«, bevor er ihr alles auf den Hintern spritzt und es auf ihrer Haut verteilt, als würde er sie eincremen.
Ich höre den Mann, den ich eben nicht verstehen konnte, sagen: »Ja, du magst es, ihn in deinem Mund zu haben, oder? Es mir mit deinem Mund zu besorgen? Oh, fuck ...« Er stöhnt. »Das machst du gut. Ja ... genauso so, Schatz. Nimm ihn ganz in deinen wundervollen Mund ...« Seine Stimme ist erstaunlich sanft; er klingt beinahe romantisch.
Etwas passiert in mir. Ich nehme Jacksons Hand von meinem Körper. »Ich will nach Hause. Bring mich zu meinen Freundinnen«, sage ich und gehe einen Schritt weiter zum zweiten Käfig. Er ist im Inneren genauso schwarz wie der Erste. Aber dieses Mal höre ich nichts.
Jackson zeigt ins Dunkel des endlos langen Flurs. »Nach dir!« Ich bilde mir ein herauszuhören, dass er die Geduld verliert. Von mir aus könnte er auch gehen – wenn ich Elise und Katy wiedergefunden habe.
Wir gehen an den vielen vögelnden Personen vorbei; nach einer Weile vergesse ich sie gänzlich. Es sind nur noch leere menschliche Hüllen, die sich Gefühl einhauchen wollen. Sie verschwimmen im Schwarz des Ganges, als würde er sie aufsaugen. Meine Neugier schwindet mit. Die Käfige bleiben dunkel und ich fange an zu glauben, dass es auch so beabsichtigt ist, wie bei einem Dunkeldinner – man weiß nicht, was man bekommt. Oder wen. Wer sich darin verbirgt, will offensichtlich nicht gesehen werden. Oder nicht erkannt. Vielleicht, so vermute ich, wollen sie der kalten Realität ihres Moments nur nicht ins Auge sehen. Mir würde es zumindest so gehen, wenn ich mit Jackson rummachte. Ich würde ihn nicht sehen wollen. Und mich genauso wenig.
Dann plötzlich leichtes Licht und lauter werdendes Gestöhne einer Frau aus einem der Käfige ein paar Meter vor mir. Ich erkenne im gedimmten Schein Katy und ihren Typen ans Gitter gelehnt stehen und lege einen Schritt zu. Die Frauenstimme wird eindringlicher, aber unterbricht zwischendrin immer wieder, um kurz mucksmäuschenstill zu werden.
Katy und er starren in den Käfig hinein. Es klingt, als wären mehrere Männer darin, denn ich mache wenigstens drei verschiedene männliche Stimmen aus: eine recht hohe, eine überraschend junge und eine ruhige, ältere. Sie überlagern sich, aber ich kann nicht verstehen, was sie sagen. Ich muss näher heran; es sind noch etwa zehn Meter.
Eigentlich habe ich den Sex satt. Ich will nur noch nach Hause. Was ich gesehen habe, reicht mir für einen Start in ein neues Leben ohne Tom, ohne Ehe. Mich beschleicht das Gefühl, dass einem dieser Keller den letzten Rest Glauben an die Liebe entreißen könnte, auch wenn ich versuche, mich daran zu erinnern, dass nichts hier etwas mit Liebe zu tun hat.
Als ich bei Katy ankomme, streichele ich ihr über den Arm. Sie erschrickt bei meiner Berührung, scheint ganz und gar ergriffen zu sein von dem, was sie sieht. Ich zwänge mich zwischen Namenlos und Katy. Im Käfig dämmert eine Lampe; schwach leuchtet sie vier Personen an, die auf einer Matratze mit einem weißen Laken liegen. Drei von ihnen sind, wie ich es bereits vermutet hatte, Männer: Zwei sind ungefähr mein Alter, nur der Dritte dürfte Ende 40 sein. Die vierte Person ist eine Frau, vielleicht Ende 30, wenn ich schätzen müsste. Sie ist blond und hat ihre Haare hochgesteckt. Ihre Figur ist makellos, ihre Haut sonnengebräunt. Sie trägt schwarze, halterlose Netzstrümpfe, die eine Hand breit unter ihrem Hintern enden. An ihrem schmalen Becken sieht man, dass sie noch kein Kind geboren hat. Sie beugt sich über einen der jüngeren Männer. Er hat kurzes dunkles Haar und ist spack wie eine Nudel. Sie macht es ihm mit der Hand, während der Ältere vor ihr kniet und sich entweder einen runterholt oder aber wartet, dass er an der Reihe ist. Der andere kniet hinter ihr und zieht gerade seinen Schwanz aus ihr, um danach erneut in sie einzudringen. An ihrem leisen Gestöhne merkt man, dass sie es genießt. Sie keucht hoch; ihr Atem geht schnell - sehr schnell - und sie kippt immer wieder ein Stück weiter nach unten auf den Ersten der drei, hält ihre Augen geschlossen, während sie ihre freie Hand dafür benutzt, um den Mann hinter ihr am Oberschenkel zu berühren. Er scheint ihr nicht nah genug zu sein. Der vor ihr hält ihr seinen Schwanz hin; sie nimmt ihn kurz in den Mund, wendet aber nach drei Sekunden wieder den Kopf und spuckt ihn aus, weil der hinter ihr ihr Becken nach links kippt, um sie in der Löffelchenstellung zu nehmen. Er winkelt ihr Bein an und schiebt es weit nach oben, sodass er besser in sie eindringen kann. Er gleitet mühelos in ihren Hintern, küsst ihre Schulter, während er ihn rein und raus schiebt; erst jetzt sehe ich, wie perfekt rasiert sie ist. Auch ansonsten hat sie sich ziemlich viel Mühe mit ihrem Aussehen gegeben: Ihre Fingernägel sind pink und nicht zu lang, ihr Gesicht geschminkt, mit auffällig dunklem Lidschatten und rosafarbenem Lippenstift. Sein Gesicht kann ich nicht sehen, aber dafür das des Mannes, der vor ihr kniet: Er ist dunkelhäutiger als die anderen beiden, nicht kaukasisch, würde ich sagen; sein Körper ist behaart und durchtrainiert, auch wenn er nicht muskulös-breit ist. Nur einfach sehr definiert. Er hat etwas längere dunkle Haare und trägt einen Dreitagebart. Und er ist ungeduldig. Er zappelt mit seinem Schwanz in der Hand wie ein Fisch auf dem Trockenen vor ihr herum, während sie ihre Pobacken noch weiter auseinanderzieht. Dann lässt sie ihn endlich gewähren und nimmt ihn in den Mund. Während sie an seiner Eichel saugt und ihre Lippen darüber gleiten lässt, hält er ihren Kopf fest und stöhnt leise. Er lässt seinen Blick nicht von ihr, heftet ihn an ihren Mund und beobachtet sie aufmerksam.