GAARSON-GATE: Die 3. Kompilation - Wilfried A. Hary - E-Book

GAARSON-GATE: Die 3. Kompilation E-Book

Wilfried A. Hary

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Beschreibung

GAARSON-GATE: Die 3. Kompilation

Wilfried A. Hary (Hrsg.): „Die Bände 21 bis 30 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“

 

  1. November 2452 = Die von den Astro-Ökologen prophezeite Gaarson-Katastrophe tritt ein (Bände 1 bis 3) - ab diesem Zeitpunkt befindet sich die Erde in einer Zone der veränderten Naturgesetze, innerhalb derer die GAARSON-GATES (kurz: GG) wie Transmitter fungieren können, aber die bisherige Raumfahrt nicht mehr möglich ist. Diese Zone breitet sich unaufhaltsam mit Lichtgeschwindigkeit aus.

   Die neue Raumfahrt benötigt in der Folgezeit sogenannte Mutanten. Man nennt sie von nun an in Anlehnung an einen Begriff aus der Science Fiction des ausgehenden 20. Jahrhunderts PSYCHONAUTEN.

Auf PULSAR-7 wird Jagd auf Mutanten gemacht, um sie für die ehemaligen Machthaber der Erde als Psychonauten nutzbar zu machen.  

Die Mutanten versuchen, zu entkommen...

 

Die Autoren dieser 3. Kompilation in der Reihenfolge ihrer Verwendung:

Alfred Wallon

W. A. Travers

Wilfried A. Hary  

Gaarson-Gate - die große, in sich abgeschlossene Science-Fiction-Serie!

 

GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von STAR GATE - das Original!

 

Diese alternative SF-Serie umfasst in der Heftversion insgesamt 77 Bände.

 

Verfolgen Sie die Abenteuer der Menschheit in über vierhundert Jahren. Erleben Sie die ferne Zukunft hautnah – und bangen Sie mit: Wird die Menschheit das größte Abenteuer ihrer Geschichte heil überstehen?

 

Sämtliche Rechte und uneingeschränktes Copyright weltweit: hary-production.de

 

Copyright neu 2016 by HARY-PRODUCTION * Canadastraße 30 * D-66482 Zweibrücken * Telefon: 06332 48 11 50 * HaryPro.de * eMail: [email protected]

 

Sämtliche Rechte vorbehalten!

Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von HARY-PRODUCTION!

 

Titelbild: Gerhard Börnsen

Covergestaltung: Anistasius

Lektorat: David Geiger

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Wilfried A. Hary, W. A. Travers

GAARSON-GATE: Die 3. Kompilation

„Die Bände 21 bis 30 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“

Nähere Angaben zum Autor siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._HaryBookRix GmbH & Co. KG81371 München

Impressum:

Alleinige Urheberrechte an der Serie: Wilfried A. Hary

 

Copyright Realisierung und Folgekonzept aller Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de

 

ISSN 1614-3299

 

Diese Fassung:

© 2016 by HARY-PRODUCTION

Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332-481150

www.HaryPro.de

eMail: [email protected]

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.

 

Coverhintergrund: Anistasius

Titelbild: Gerhard Börnsen

Logo: Gerhard Börnsen

 

1

 

 Vergan schwitzte, denn der steile Pfad war sehr anstrengend. Von einem normalen Weg konnte man schon gar nicht mehr sprechen. Er hatte sich in eine Art Einschnitt im Gestein verwandelt, wo man nun schon ziemlich stark klettern mußte, wenn man weiter nach oben gelangen wollte. Aber das Wissen um ihre Verfolger trieb sie umso mehr an, und schließlich erreichten sie einen kleinen Vorsprung, wo sich ein weiterer schmaler Einschnitt in den Felsen vor ihren Augen auftat.

»Kommt, rasch!« rief Vergan seinen Gefährten zu, als er begriff, daß dies die Chance war, auf die er im stillen gehofft hatte. »Dort hinein!«

Die anderen begriffen, um was es ging, und folgten ihm. Sekunden später befanden sie sich in einem geradezu beängstigend schmalen Felseneinschnitt, der sich erst zehn Meter weiter wieder zu vergrößern begann. Und dort - hinter einer einer Geröllhalde, befand sich eine zunächst unscheinbare Öffnung in der Felswand, die sich erst beim genauen Hinsehen als Zugang zu einer Höhle entpuppte.

Cybris Vergan zögerte keine weitere Sekunde mehr, sondern bückte sich und ging als erster in die dunkle Öffnung hinein. Duron, Kim und Tyra folgten ihm und ließen das helle Licht des Tages hinter sich.

Für einige Sekunden spürten sie eine eigenartige Unsicherheit, die von ihnen Besitz ergriff, und sie fühlten eine eigenartige Kälte, die ihnen ein leichtes Frösteln über den Rücken jagte.

Erst dann erkannten sie auf einmal, daß weiter hinten in der Höhle ein bläulicher Schimmer war, der sie einen Teil der Ausmaße erkennen ließ. Aber welchen Ursprung dieses schwache Licht hatte, wußte keiner von ihnen.

»Mir gefällt das nicht«, murmelte Kim Gallagher. «Spürt ihr das auch? Es ist eine... ganz seltsame Aura. Auf meinem Kopf lastet ein Druck, der...»

»Kim hat recht«, ergriff nun Pall Duron das Wort. »Kopfschmerzen wären normalerweise das richtige Wort. Es begann, als ich eben in die Höhle kam... Was zum Teufel ist das?«

Cybris Vergan hörte mit gemischten Gefühlen die Worte seiner Gefährten, weil natürlich auch er fühlte, daß hier irgend etwas vor sich ging, das er sich nicht erklären konnte. Als wenn sie von zahlreichen unsichtbaren Augenpaaren zunächst beobachtet worden waren und dann Kontakt mit einem Energiefeld bekommen hatten, das zwar nicht schmerzhaft, aber dennoch irgendwie unangenehm war.

»Wir sollten verschwinden von hier«, murmelte die erschöpfte Tyra Casdorf. »Hier an diesem Ort befindet sich etwas Unheimliches, das...«

»Und wohin sollen wir gehen?« fiel ihr Vergan ins Wort. »Da draußen suchen unsere Verfolger nach uns - und wir brauchen eine gehörige Portion Glück, daß sie uns trotz aller Bemühungen nicht doch noch aufspüren. Was uns dort draußen erwartet, das weiß jeder von uns - und da ziehe ich einen Aufenthalt an diesem Ort auf jeden Fall vor. Kommt, laßt uns der Sache einmal auf den Grund gehen. Ich bin sicher, daß es dafür eine vernünftige Erklärung gibt.«

Er ging einige Schritte tiefer in die Höhle hinein, gefolgt von Kim Gallagher, während Duron bei der verletzten Tyra Casdorf zurückblieb und sich um sie kümmerte. Vergans Schritte klangen hohl und dumpf in der Höhle, in der es feucht war und irgendwie alt roch. Und je tiefer er in die Höhle vordrang, umso schneller konnte er erkennen, daß sich die Höhlendecke allmählich immer mehr neigte und schließlich in einen kleinen Schacht mündete, den man nur durch Kriechen erreichen konnte.

»Du willst doch nicht etwa da rein?« fragte Kim mit unsicherer Stimme, als sie bemerkte, daß sich Vergan auf die Knie hockte und aus dieser Position zu erkennen versuchte, welchen Verlauf der vor ihm liegende Gang nahm. »Mensch, du weißt doch gar nicht, wohin...«

»Aber ich werde es herausfinden, Kim«, unterbrach sie der bärtige Vergan und zwängte sich zwischen den Felsen hindurch. »Bleib hier und warte - ich werde nur mal kurz nachsehen.«

»Cybris!« rief Kim. Aber er hörte nicht auf das, was sie ihm zu sagen hatte. Stattdessen zwängte er seinen breiten Körper durch den engen Schacht und fühlte sich in den ersten Sekunden seltsam hilflos und verloren.

Wenn jetzt die Decke über ihm zusammenstürzte, dann war sein Schicksal besiegelt. Dennoch kroch er weiter - denn das bläuliche Licht im hinteren Teil des Schachtes schien ihn jetzt anzuziehen wie ein Magnet. Von diesem Licht ging etwas aus, das Vergan irgendwie beeinflußte und seine Sinne in ganz bestimmte Bahnen lenkte. Er mußte einfach herausfinden, was sich am Ende dieses schmalen Schachtes befand und welchen Ursprungs dieses bläuliche Leuchten war.

Sein Atem ging keuchend, und er stieß mehrmals mit dem Kopf gegen die Felswände. Dennoch arbeitete er sich weiter voran, bis sich der Schacht wieder vergrößerte.

Der Druck in seinem Kopf verstärkte sich jetzt noch, als er nun auf allen vieren bis zum Ende des Schachtes kroch und dann in einer zweiten, noch viel größeren Höhle herauskam, die ganz in ein blaues Licht gehüllt war. Die gesamte Höhlendecke schien ein ganzes Netz von bläulichen Lichtern zu durchziehen - gewoben als riesiges Netz, das für eine solche Helligkeit in diesem Felsendom sorgte, daß Vergan die Felsformationen genau erkennen konnte.

»Das ist doch...«, murmelte Vergan erstaunt, weil er gar nicht glauben konnte, was er da sah. »Es scheint zu leben...«

Plötzlich durchzuckte ein jäher Schmerz seinen Kopf, und er begann zu wanken, während in seinem Kopf es immer stärker zu dröhnen begann.

Vergan fiel auf die Knie, griff sich mit beiden Händen an den Kopf und versuchte, Herr über seine Sinne zu bleiben.

Obwohl er immer deutlicher zu spüren begann, daß sich da etwas in seine Sinne einzuschleichen versuchte.

Etwas, das er nicht greifen und verstehen konnte - aber es war dennoch da.

Und seine Präsenz kristallisierte sich mit jeder verstreichenden Sekunde immer deutlicher heraus.

Grelle Bilder begannen vor seinen Augen auf- und abzutanzen - und ganz von fern her hörte er ein leises Wispern in einer unbekannten Sprache, das nicht wirklich existierte. Aber für Cybris Vergan war es in diesen Sekunden wirklich existent.

»Nein...«, murmelte er und schloß gequält die Augen, weil er die Intensivität dieser immer schneller auf- und abwirbelnden Farbenmuster nicht länger ertragen konnte.

Und dann entrang sich ein lautes Stöhnen seiner Kehle, dessen Echo von den feuchten Wänden schwach widerhallte.

»Cybris!« hörte er dann aus ganz weiter Ferne die besorgte Stimme von Kim Gallagher am anderen Ende des Schachtes. »Cybris - so antworte doch!«

Aber selbst wenn er es gekonnt hätte - er wollte sich jetzt einfach nicht ablenken lassen, denn seine ganzen Sinne und Empfindungen verwoben sich immer stärker mit dem bläulichen Licht, das sich nun wie eine Glocke über den gesamten Körper von Cybris Vergan ausbreitete und ihn gleichzeitig abzutasten begann (aber das wußte Vergan nicht).

Wimmernd wie ein kleines hilfloses Kind wälzte er sich auf dem unebenen Höhlenboden herum, bis schließlich der heftige Schmerz abrupt endete und anderen Empfindungen Platz machte. Das bläuliche Licht hatte Zugang in das Innerste seiner Seele gefunden, hatte die Mauern seiner biologischen Andersartigkeit erkannt und dann gesprengt, ohne Schaden anzurichten.

Der Farbenwirbel verlangsamte sich jetzt und wich wieder dem mittlerweile schon vertrauten bläulichen Licht, das aber immer rascher von einem weißen Strahl durchdrungen wurde - ein sprichwörtliches Licht am Ende eines langen Tunnels. Zumindest empfand das Vergan so in diesen Sekunden.

DU BIST ANDERS! vermittelte dieser Lichtstrahl seine Empfindungen so, daß Vergan sie verstehen konnte.

Die Worte bildeten sich direkt in seinem Hirn, ohne daß er wußte, auf welche Weise dieser Prozeß in die Wege geleitet worden war. WER BIST DU?

»Ich... ich...«, kam es stöhnend über Vergans Lippen, der sich wieder aufzurappeln versuchte und immer noch Mühe hatte, zu begreifen, was gerade geschehen war.

ICH KANN DEINEN GEIST ERKENNEN - UND ICH SPÜRE EIN VERWANDTES POTENTIAL, meldete sich die wispernde Stimme in seinem Hirn erneut. DU HAST... ANGST. WARUM? ES WIRD DIR NICHTS GESCHEHEN. WENN ICH DICH TÖTEN WOLLTE, SO WÄRE ES LÄNGST GESCHEHEN.

Nachdem Vergan erst nach einigen Sekunden seine Verwirrung hatte überwinden können, war er nun bereit, mit dieser unbegreiflichen Erscheinung auf geistigem Wege zu kommunizieren. Er nahm all seinen Mut zusammen, öffnete seinen Geist für das Wesen und ließ es eintauchen in die Welt seiner Erfahrungen, Gedanken und bisherigen persönlichen Erlebnissen.

ICH VERSTEHE, kam es bald darauf zurück. ES IST EINE SITUATION, DIE ALLES VERÄNDERT HAT - UND ICH WUSSTE NICHT, DASS ES SCHON SOWEIT IST. HOLE DEINE GEFÄHRTEN HIERHER - UND BEEILE DICH. ICH WERDE EUCH SCHÜTZEN.

Cybris Vergan nickte nur und erhob sich rasch. Er eilte zurück zu dem Schacht, aus dem er eben gekommen war.

»Kim!« rief er mit lauter Stimme. »Hol die anderen und kommt dann zusammen hierher!«

»Endlich, Cybris!« hörte er dann ihre erleichterte Stimme. »Warum hast du denn nicht geantwortet, als ich eben nach dir rief? Ist etwas passiert?«

»Das erkläre ich dir, wenn ihr hier seid. Ich habe etwas entdeckt, was ihr alle sehen müßt. Nun beeil dich und stell keine weiteren Fragen. Du wirst es verstehen, wenn du hier bist.«

»Gut - ich bin gleich mit den anderen zurück!« hörte er sie rufen.

Währenddessen ließ Cybris Vergan erneut seine Blicke schweifen und begutachtete den weitverzweigten Netzstrang des bläulichen Lichtes. Jetzt hatte er den Beweis dafür, daß dieses... Wesen wirklich lebte - auch wenn es eine Art von Leben war, an die er bisher kaum geglaubt hätte. Aber mußte denn der Mensch wirklich so vermessen sein, daß er nur seinesgleichen für die wahre und idealste Lebensform hielt? Die Tatsache, daß die menschliche Rasse trotz ihres Expansionsdranges und zahlreicher Raumflotten nur auf wenige andere Rassen gestoßen war, mußte nicht zwangsläufig bedeuten, daß es so etwas wie diese Lebensform hier nicht geben konnte.

Das bläuliche Licht hatte einen weiteren Schritt auf der Leiter der Evolution hinter sich und war in mancher Hinsicht den Menschen voraus.

Vergan fühlte die Bedeutung dieses Momentes - und er war fassungslos darüber, daß diese Begegnung ausgerechnet in dieser angespannten Situation stattgefunden hatte, in der er und seine Freunde sich befanden. Oder war dieser Kontakt vielleicht gar kein Zufall gewesen? Hatte das Schicksal womöglich seine Hände im Spiel?

Stimmen hinter ihm rissen ihn aus seinen vielschichtigen Gedanken. Er drehte sich um und sah Kim Gallagher als erste aus dem Schacht kommen, hörte ihren erstaunten Ausruf, als auch sie das bläuliche Lichtnetz an der Höhlendecke bemerkte. Und ihren anderen beiden Gefährten erging es genauso.

»Was... was ist das?« fragte Tyra Casdorf etwas unsicher und konnte ihren Blick einfach nicht abwenden.

»Es ist.... eine Form von Leben, die wir bisher noch nicht kennen«, antwortete Vergan achselzuckend. »Und wir können mit ihm kommunizieren, wenn wir ihm unseren Geist öffnen. Ich habe es eben getan, und ihr könnt das auch. Laßt uns eine Loge bilden - jetzt und hier!«

Zuerst zögerten die anderen noch ein wenig, als sie den mentalen Druck in ihren Gehirnen spürten, der seit dem Betreten dieser zweiten Höhle noch ein wenig zugenommen hatte. Aber im Gegensatz zu ihren ersten Empfindungen war es nur ein sanftes Berühren. Ihre Sinne wurden von einer beruhigenden Aura erfaßt, die sie schließlich zu der Entscheidung brachte, daß ihnen jetzt und hier von dieser unfaßbaren Lebensform keine wirkliche Gefahr drohte - zu keiner Zeit!

Dann reichten sich die vier Menschen die Hände und richteten ihre Sinne auf geistigen gemeinsamen Kontakt zu dem fremden Wesen aus. Sie schlossen die Augen und ließen sich solange von ihren Gefühlen und Empfindungen treiben, bis auch sie die Stimme in ihrem Hirn hörten...

2

Kommandant Larn fluchte, als er den Mückenbiß auf der Wange spürte, und schlug nach dem lästigen Insekt, das sich dort für Sekunden festgesetzt hatte.

Selbst hier am Rande des Dschungels war noch das feucht-schwüle Klima zu spüren, das für tropische Verhältnisse sorgte und den Schwarzen Gardisten den Schweiß auf die Stirn trieb.

Sie folgten jetzt seit einer knappen halben Stunde den Spuren der Flüchtigen, mußten aber rasch erkennen, daß das Auffinden weiterer deutlicher Hinweise in dem Moment rapide abnahm, als sich das Gelände änderte und die zahlreichen Büsche und Bäume vereinzelten schroffen Felsen und steinigen Pfaden wichen.

Seine Blicke glitten hinauf zum Himmel, wo zwei weitere Gleiter langsam ihre Kreise zogen und das Gelände vor ihnen nach weiteren Hinweisen und Spuren absuchten. Allerdings schienen sie bisher keinen Erfolg gehabt zu haben, sonst hätte Larn längst eine entsprechende Meldung und weitere Befehle erhalten.

Stattdessen schienen die vier Flüchtigen wie vom Erdboden verschwunden zu sein. Es gab keine weiteren Spuren - sie endeten am Rande des Felsenmassivs, und jetzt war guter Rat teuer. Auch wenn Impresario Spear diese Neuigkeiten nicht gefallen würden, so blieb dem Kommandanten nach Lage der Dinge nichts anderes übrig, als ihn jetzt zu informieren.

Er aktivierte die Sprechverbindung mit dem Gleiter und hatte Sekunden später Kontakt zu dem Manager von WESTBROOK, informierte ihn in kurzen Sätzen über die aktuelle Situation. Für Sekunden herrschte eisiges Schweigen, dann polterte Spear ungeduldig los.

»Das gibt's doch nicht!« ereiferte er sich so laut, daß es in den Ohren des Kommandanten schmerzte. »Sie müssen etwas übersehen haben, Larn. Haben Sie wirklich alles ganz genau abgesucht?«

»Selbstverständlich«, erwiderte der Schwarze Gardist prompt. »Sie müssen sich irgendwo hier oben in den Felsen befinden. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als genau alles abzusuchen - aber das kann dauern und...«

»Ich erwarte Ergebnisse!« tadelte ihn Spear. »Und zwar bald. Lassen Sie Ihre Männer ausschwärmen und erstatten Sie mir alle weiteren fünfzehn Minuten Bericht. Sie können nicht weit gekommen sein.«

»Ich höre und gehorche«, erwiderte der Kommandant und beendete dann die Verbindung zu Spear.

Mit kurzen, lauten Befehlen instruierte er seine Männer, die sich daraufhin aufzuteilen begannen und von verschiedenen Seiten her in das Felsmassiv eindrangen.

Mit schußbereiten Laserwaffen folgten sie den verschlungenen Pfaden, die weiter hinauf führten, schauten sich wachsam nach allen Seiten um. Aber nach wie vor blieb alles still, und nichts deutete darauf hin, daß sich die Flüchtigen hier irgendwo verborgen hielten.

Kommandant Larn murmelte einen leisen Fluch. Jetzt stand er erst recht unter großem Erfolgsdruck, wenn es ihm nicht gelang, in kürzester Zeit Ergebnisse vorzuweisen, die den Impresario zufriedenstellten.

Deshalb trieb er seine Leute umso unbarmherziger an - denn er hatte Furcht vor den Nachteilen, die ihm persönlich bei einem Mißerfolg seiner Truppe entstehen konnten. Insbesondere Geoffrey W. Spear galt da als sehr rücksichtslos...

*

Ich bin... ich existiere. Aber ich erinnere mich nicht mehr, wie lange. Ich habe Galaxien sterben und an anderer Stelle neu entstehen sehen. Ich gehörte zur Rasse der Sheraken - wir besaßen einst auch Körper wie ihr. Aber im Laufe der Evolution mußten wir erkennen, daß es noch höhere Ziele gibt als die rein körperliche Existenz. Unsere Wissenschaftler forschten und suchten so lange, bis sie die letzten Rätsel der genetischen Strukturen erkannt und gelöst hatten. Dies war der Beginn einer neuen Zeitrechnung. Unser Volk begriff, daß es unsterblich werden würde - und ein unbeschreiblicher Exodus begann, als die erste Phase in die Wege geleitet wurde. Auch ich verließ meine körperliche - und mittlerweile bedeutungslose - Hülle - und ging ein in das schwingende Universum.

Ich durchstreifte zahlreiche Galaxien und wurde Zeuge des vielfältigen Lebens, das sich dort in ganz eigenen und unverwechselbaren Bahnen entwickelt hatte - ich sah aber auch viel Leid und Zerstörung, die durch Fehlentwicklungen und falsche Evolution hervorgerufen wurden. Ich versuchte, dies zu korrigieren, und hatte nicht immer Erfolg dabei.

Ich war ein Bote des Friedens, bis ich auch meine Zeit gekommen sah, um anderen Platz zu machen und mich selbst an einen Ort zurückzuziehen, wo ich endlich Ruhe und Frieden finden konnte. Ich fand diesen Planeten, der noch jung und fast unbewohnt war. Ich wurde Zeuge der Kolonisation, und ich sah die Mitglieder eurer Rasse, die ihren Fuß auf diesen Planeten setzten und versuchten, ihn urbar zu machen.

Ich sah Menschen sterben und solche, die neu geboren wurden. Der Kreislauf des normalen Lebens wiederholte sich hier - aber ich griff nicht ein, denn ich hielt es nicht für nötig. Im Lauf der Zeit beobachtete ich, wie sich das Leben auf diesem Planeten weiter entwickelte und neue Menschen kamen.

Dann spürte ich, daß sich etwas veränderte. Ich fühlte es zunächst nur ganz schwach, denn ich wollte zunächst nicht glauben, daß diese Kraft sich diesem Teil des Universums allmählich näherte. Ich kannte diese Form von zersetzender Energie, die das Gleichgewicht des Universums schon an anderen Orten gestört hatte - und ich erschrak angesichts der Tatsache, wie leichtfertig Unwissende damit umgingen. Keiner von ihnen - und auch ihr nicht - wißt, welch ein großes Unheil dadurch entsteht. Es ist eine unkontrollierbare Energie, die ihre Schöpfer vernichten kann.

Das Universum hat seine eigenen Gesetze, und nur die haben Bestand vor dem Rad der Zeit - alles andere ist bedeutungslos und hat schädlichen Einfluß auf das Gesamtwerk. Ich konnte nicht mehr länger zusehen und versuchte, Mitglieder meines Volkes zu erreichen.

Der erste Kontakt ist erfolgt - und die schreckliche Nachricht wurde übermittelt. Ich kenne nicht die weiteren Konsequenzen. Aber ich weiß, daß niemand unter den höherstehenden Völkern und Rassen zusehen wird, wie Unwissende völlig leichtfertig mit dieser zerstörerischen Kraft umgehen. Man muß dem Einhalt gebieten - sonst wird das Leben in diesem Sektor des Universums allmählich verlöschen, und die Sterne werden sich verdunkeln...

*

Die vier Menschen in der Höhle hörten und registrierten die Stimme des unfaßbaren Wesens so deutlich, als hätte es laut zu ihnen gesprochen.

Und das bläuliche Lichtwesen tat noch mehr - es öffnete für einen kurzen Moment die Barriere zwischen den Realitäten und Zeiten und ließ die Menschen sehen, welcher Art die Folgen der Energieform waren, die als so zerstörerisch bezeichnet wurde.

Cybris Vergan stöhnte laut in seiner Trance, als er die Bilder des Todes erblickte, und Kim Gallagher wimmerte leise, als sie Planeten zerbersten sah.

Zurück blieb nur noch ein gigantischer schwarzer Schlund, an dessen Rändern es rötlich aufblitzte.

Sie wußten nichts von Clark's Planet und den Kangrahs - den Traummeistern, wie sie nur noch genannt wurden -, denen die Menschen dort unter dramatischen Umständen begegneten.

Sie hatten auch keine Ahnung davon, daß man das, was sie das Lichtwesen erblicken ließ, auf der Erde »Das schwarze Universum« nannte - entstanden durch den Gaarson-Effekt, dessen Spätfolgen die Kangrahs nicht durch Gaarson-Gates neutralisiert hatten, wie es auf der Erde geschehen war, um die neue universale Ordnung zu ermöglichen und damit das allesvernichtende Chaos zu besiegen.

So wußten sie auch überhaupt nichts von den Gaarson-Gates an sich und wunderten sich nicht, daß das Lichtwesen dieses Mittel zur Rettung zu erwähnen vergaß.

Sie begriffen nur eines: Was ihnen das Lichtwesen hier so drastisch schilderte, war offenbar das, was dazu geführt hatte, daß zur Zeit jegliche Verbindung mit der Erde unmöglich war.

Und letztlich hatte es auch die Mächtigsten der Erde hierher geführt, denn sie waren rechtzeitig vor Eintritt der Katastrophe von der Erde geflohen...

DAS IST DER SCHLUND DER VERNICHTUNG, hämmerte die warnende Stimme in ihren Gehirnen weiter.

DIES IST DAS ENDE JEGLICHER EVOLUTION - UND ES BEDEUTET DEN TOD FÜR JEDES LEBENDE WESEN. WOLLT IHR WIRKLICH, DASS DIES GESCHIEHT? SEID IHR WIRKLICH SO BLIND, DASS IHR NICHT BEGREIFT, WAS DAS BEDEUTET?

Cybris Vergan, Tyra Casdorf, Kim Gallagher und Pall Duron begriffen und verstanden (so glaubten sie zumindest, weil sie nicht auf dem laufenden waren), welcher Fehler es gewesen war, einfach völlig blind den Auswirkungen des Gaarson-Effektes zu vertrauen und auf dieses mangelnde Wissen eine eigenständige Technik, Raumfahrt und Zivilisation aufzubauen. Eine Zivilisation, deren Ende bereits schon feststand - nur noch nicht der genaue Zeitpunkt.

Für sie, die in einer Zeit aufgewachsen waren, als die Astroökologen noch der Inbegriff des Schädlichen und damit des Bösen waren, weil sie angeblich nichts anderes wollten, als jeglichen Fortschritt aufzuhalten... gab es keine Rettung vor diesen schlimmen Folgen durch den Gaarson-Effekt. Wie hätten sie auch nur ahnen können, daß ausgerechnet die Astroökologen die Menschheit der Erde gerettet hatten, indem sie konsequent den Empfehlungen des Tipor Gaarson der Vergangenheit gefolgt waren und rechtzeitig Vorsorge getroffen hatten.

Eines jedoch war klar:

Erste Anzeichen hatten sich auch bereits hier, auf diesem Planeten, herauskristallisiert, die die vier zwar nur am Rande registriert hatten - aber sie waren nicht in der Lage gewesen, die wirklichen Hintergründe richtig zu deuten. Und seit der Kontakt mit der Erde aus zunächst unerklärlichen Gründen ganz abgerissen war, erfuhr niemand mehr etwas.

IHR TRAGT DIE ZUKUNFT EURER RASSE IN DEN HÄNDEN, fuhr die mahnende Stimme jetzt fort. IHR BESITZT DAS GEISTIGE POTENTIAL, UM DAS SCHICKSAL NOCH ÄNDERN ZU KÖNNEN. IHR DÜRFT NICHT MEHR ZÖGERN. EURE STUNDE IST JETZT GEKOMMEN, UND DESHALB WERDE ICH EUCH SCHÜTZEN VOR DENEN, DIE EUCH VERFOLGEN. ÖFFNET EUREN GEIST UND VERTRAUT EUCH MIR AN...

Die vier Mutanten spürten eine unbeschreibliche Ruhe und Frieden, als ihre Sinne sich mit den völlig fremdartigen Gedanken des Lichtwesens verbanden. Und sie erkannten, was wirklich wichtig war für die Zukunft ihrer gesamten Rasse.

Während sie diese schicksalhaften Erlebnisse hatten, schottete sie das Lichtwesen von allen äußeren Einflüssen ab und sorgte auch dafür, daß die Verfolger diesen Ort nicht betraten.

Es nutzte nur einen winzigen Teil seiner Energie in der Form, daß der Zugang zur Höhle auf einmal nicht mehr existierte. Die drei Soldaten der Schwarzen Garden, die in diesem Moment den schmalen Einschnitt zwischen den Felsen entdeckten und sich mit schußbereiten Waffen hindurch zwängten, fanden am Ende des Einschnittes nur nackte und zerklüftete Felswände - sonst nichts! Sie verständigten ihren Kommandanten über das Ergebnis ihrer Suche und kehrten dann zu den anderen zurück.

Und während draußen die völlig ratlosen Schwarzen Garden Impresario Spear berichteten, daß die Flüchtigen nirgendwo zu entdecken waren, beschützte das Lichtwesen auch weiterhin die vier Menschen, die an diesem Ort Zuflucht gesucht und schließlich auch gefunden hatten. Aber auf völlig andere Weise, wie sie es sich jemals vorgestellt hatten...

*

Spear tobte innerlich. Er hatte Mühe und Not, nach außen hin weiter Haltung zu bewahren. Obwohl er wußte, daß sich die Hoffnung eines raschen Aufgreifens der Flüchtigen sich mittlerweile zerschlagen hatte. Aber wie konnte es nur möglich sein, daß die Bodentruppen nicht den geringsten Hinweis fanden? Daß vier Menschen buchstäblich vom Erdboden verschwunden waren und es nach Lage der Dinge auch blieben, war doch eigentlich unmöglich! Es mußte Spuren geben. Oder waren die jeweiligen Kommandanten nicht gründlich genug bei der Suche? Am liebsten hätte Spear jetzt dem Piloten den Befehl gegeben, daß er den Gleiter landete, damit er sich selbst ein Bild von der Lage machen konnte.

Während er noch überlegte, ob er es wirklich tun sollte, warf er einen Blick auf die Computerbildschirme, deren Kameras die Felsen jede Sekunde beobachteten. Keine auffälligen Werte bisher. Aber das änderte sich in dem Moment, als Kommandant Larn seine zweite Meldung machte und dem Manager von WESTBROOK mitteilte, daß sie nach wie vor erfolglos geblieben waren.

»Meine Männer haben jeden Fußbreit Boden abgesucht - es ist einfach nichts zu finden«, fuhr Larn über Funk fort.

»Langsam frage ich mich, ob wir überhaupt im richtigen Gelände suchen. Es könnte immerhin möglich sein, daß die Flüchtigen wieder zurück in Richtung Dschungel gekehrt sind und...«

»Nein!« fiel ihm Spear sofort ins Wort. »Das hätten unsere Bildschirme längst registriert, Larn. Überlegen Sie jetzt und denken Sie noch einmal genau nach. Ist die Suche bisher normal verlaufen? Gab es Unregelmäßigkeiten? Verdammt, nun reden Sie schon - ich werde Ihnen jetzt deshalb keine Vorwürfe machen. Aber wenn es so ist, dann will ich das wissen - und zwar jetzt!«

Der Kommandant zögerte einen winzigen Moment - was Spears Aufmerksamkeit natürlich nicht entgangen war.

»Es ist eigentlich... nichts von Bedeutung«, hörte Spear dann Larn antworten. »Zwei meiner Leute haben den oberen Teil des Felspfades abgesucht. Für wenige Sekunden hatten wir keine Funkverbindung. Aber ich wüßte nicht, warum das so wichtig wäre. Denn schließlich...«

Spear hörte nur am Rande mit, was Larn daraufhin noch von sich gab. Die ersten Sätze schienen ihn dagegen förmlich zu elektrisieren. Vor allen Dingen deshalb, weil auch hier an Bord für wenige Sekunden eine Störung im Funkverkehr aufgetreten war. Ganz plötzlich!

»Ziehen Sie Ihre Leute zurück!« entschied Spear ohne zu zögern. »Sofort - und stellen Sie keine weiteren Fragen. Dafür ist keine Zeit. Begeben Sie sich alle zu den Gleitern und verlassen Sie diesen Ort. Geben Sie meine Anweisungen unverzüglich weiter und befolgen Sie den Befehl.«

Larn bestätigte, und während er sich mit seinen Leuten zurückzog, leitete Spear bereits die nächsten Schritte in die Wege. Ein Gedanke hatte sich in seinem Gehirn abgezeichnet, der nun rasch sehr konkrete Formen annahm. Denn mittlerweile hatte er begriffen, daß man hier nicht mit konventionellen Mitteln vorgehen konnte. Nein, hier lief alles ganz anders - aber der Zufall hatte ihm dennoch genau den Hinweis gegeben, nach dem er die ganze Zeit über gesucht hatte.

Man muß sie nur in Sicherheit wiegen, lächelte er im stillen vor sich hin. Und wenn sie dann wieder auftauchen, werden wir zuschlagen!

*

Es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, seitdem sie diese bläulich schimmernde Höhle betreten und dann diese unfaßbare Entdeckung gemacht hatten.

Als sich das Lichtwesen dann aus den Gehirnen der vier Menschen sanft wieder zurückzog, wurden sie sich erst so richtig der folgenschweren Bedeutung dieses Augenblicks bewußt.

»Wir müssen uns mit den offiziellen Stellen in Verbindung setzen«, sagte Pall Duron und konnte dabei seine Blicke immer noch nicht von dem schimmernden Leuchtgeflecht an der Decke abwenden. »Sie müssen erfahren, welche Entwicklung die Dinge bereits genommen haben, denn sonst...«

»Und was willst du ihnen sagen?« fiel ihm Cybris Vergan ins Wort. »Daß ein bläulich schimmerndes Wesen aus Energie uns vor einer kosmischen Katastrophe gewarnt hat, die den Untergang unserer Galaxis zur Folge hat? Sie werden es uns nicht glauben, Pall - weil sie es gar nicht wollen. Solange solche einflußreichen Konzerne wie WESTBROOK, SINGH-THAI und nicht zuletzt MEGA-TECH an den Schaltstellen der Macht sitzen, werden sie alles tun, um jeden auszuschalten, der sich ihnen in den Weg zu stellen versucht. Ohne den Gaarson-Effekt wären sie längst nicht so mächtig geworden.«

»Also wären sie Narren, wenn sie nicht an dieser Energieform festhalten und so ihre Vormachtstellung auch weiterhin behaupten«, setzte Kim Gallagher Vergans Gedankengänge fort. »Aber ist es denn nicht genau diese Warnung gewesen, die schon seit Jahrhunderten von den Astroökologen verbreitet wurde und weswegen man sie bis aufs Blut verfolgte? Hier auf PULSAR-7 wird niemand mehr auf uns hören, wenn wir uns direkt an die Konzerne wenden. Einmal abgesehen davon, daß es uns genauso ergehen wird wie den Astroökologen.

Nein, es geht nur durch offenen Widerstand - und je mehr davon wissen, umso größere Chancen hätte das.«

»Und wie willst du das anstellen - wo die Astroökologen schon vierhundert Jahre lang damit gescheitert sind?« fragte sie Tyra Casdorf.

»Indem wir diese Höhle so rasch wie möglich verlassen und wieder in die Ballungszentren gehen. Irgendwo wird es Menschen geben, die uns anhören werden. Vielleicht gibt es ja auch auf diesem Planeten hier heimliche Astroökologen? Vielleicht wissen die Dinge, die wir nicht einmal ahnen? Außerdem: Nicht alle sind von dem Gedanken begeistert, daß die Konzerne hier so plötzlich wieder die politische Macht übernommen haben. Nachdem sie Andra Perkins ausgeschaltet haben, wird es noch andere geben, die damit nicht einverstanden sind - und genau diese Menschen gilt es zu finden...«

»Das ist leichter gesagt als getan«, meinte Duron daraufhin. »Aber wir haben keine andere Möglichkeit.« Er schürzte nachdenklich die Lippen. »Eines jedoch...« Es war ihm, als würde etwas den klaren Gedanken behindern wollen, um ihn zurückzustoßen in die Nebel der Unklarheit, um hier, an dieser Stelle, sämtliche Überlegungen enden zu lassen - mit dem Ergebnis, daß sie nicht einmal an die Wahrscheinlichkeit dachten, es würde vielleicht doch noch eine andere Möglichkeit geben...

Er schaute die anderen an, und diese erwiderten erstaunt seine Blicke. Und dann konnte die fremde Macht nicht mehr diesen Gedanken bei ihnen unterdrücken. Sie waren nicht nur durch die Ereignisse zusammengeschweißt. Sie waren vorher schon eine verschworene Gemeinschaft gewesen - als Außenseiter, die durch diese Gemeinschaft ihren wahren Lebenssinn gefunden hatten. Hätte die fremde Macht jetzt immer noch jeglichen klaren Gedanken in einer bestimmten Richtung verhindern wollen, dann hätte sie es offensichtlicher tun müssen, und genau das wollte diese Macht nicht.

Denn diese Macht war... niemand anderes als das Lichtwesen selber!

Sie schauten erschrocken empor, und ihre Gedanken schlossen sich unwillkürlich wieder zusammen.

ABER DIE SCHLIMMSTEN HERREN DER ERDE SIND HIER, UND ES GIBT KEINERLEI VERBINDUNG MEHR MIT DER ERDE. DAS KANN DOCH NUR BEDEUTEN, DASS ES FÜR DIE ERDE SOWIESO SCHON ZU SPÄT IST. DIE NEUEN MÄCHTIGEN AUF UNSEREM PLANETEN HABEN DIE ERDE NUR RECHTZEITIG VERLASSEN.

UND JETZT FRAGEN WIR UNS, WIESO SIE IMMER NOCH AM GAARSON-EFFEKT FESTHALTEN, OBWOHL SIE DOCH UM DIE FURCHTBAREN AUSWIRKUNGEN GANZ OFFENSICHTLICH SELBER WISSEN?

GIBT ES DENN NICHT WIRKLICH EINE CHANCE, DAS SCHLIMMSTE ZU VERHINDERN?

Das Lichtwesen wirkte irritiert - und es enthielt sich einer Antwort.

Sie gaben es schließlich wieder auf.

»Es beschützt uns!« sagte Tyra betont.

»Ja, es ist unser Verbündeter, aber es... hat nicht die volle Wahrheit gesagt!« hielt Duron dagegen.

Tyra winkte mit beiden Armen ab. »Es hat sich nur orakelhaft ausgedrückt und... wenn es aufhört, uns zu beschützen, sind wir verloren.«

»Und wenn wir es bitten, den Widerspruch aufzuklären, antwortet es nicht«, meinte Duron ein wenig zu bitter.

Sie überlegten kurz, jeder für sich. Bis Tyra endlich sagte: »Egal, wir nehmen es zunächst so, wie es gesagt wurde, und wir müssen uns darum bemühen, die Warnung weiterzutragen.«

»Falls es dafür überhaupt noch eine Gelegenheit geben wird!« meinte Duron düster.

Die anderen beiden hatten sich an dem kurzen Gespräch gar nicht mehr beteiligt. Und jetzt nickten sie ihm zu.

Damit war es entschieden. Ein letztes Mal wollten sie sich mit dem bläulich schimmernden Lichtwesen in Verbindung setzen, aber eigenartigerweise kam in diesem Moment kein Kontakt zustande. Obwohl sie sich jetzt alle Mühe gaben, ganz vertrauensvoll zu wirken und nicht mehr an der absoluten Aufrichtigkeit zu zweifeln. Das Schimmern hatte sogar etwas an Intensivität verloren. Hing es gar nicht mit ihren ketzerischen Überlegungen zusammen? War das Wesen womöglich erschöpft durch den Kontakt mit den vier Menschen? Oder stand es jetzt schon mit weiteren Mitgliedern seiner Art in Verbindung? Keiner wußte es.

»Ich sehe mal draußen nach«, meinte Vergan und kroch als erster wieder zurück durch den Schacht in die erste Höhle. Minuten später hatte er die Enge hinter sich und hastete dann rasch zum Eingang, riskierte vorsichtig einen Blick ins Freie.

Die Gleiter schienen spurlos verschwunden zu sein. Er konnte sie jedenfalls jetzt und hier nicht mehr ausmachen. Es war alles still und ruhig - und nichts wies darauf hin, daß sich Verfolger in der Nähe befanden, die ihnen gefährlich werden konnten.

Dennoch wartete Vergan einige Minuten ab und ließ indes seine Blicke wachsam umherschweifen. Seine bisherige Erfahrung hatte ihn gelehrt, daß es besser war, mißtrauisch zu bleiben und erst zu handeln, wenn er wirklich ganz sicher sein konnte, daß keine unmittelbare Gefahr drohte.

»Ich glaube, wir können es wagen«, sagte er, als er anschließend zu seinen Gefährten zurückkehrte. »Sie scheinen zumindest hier die Suche nach uns aufgegeben zu haben.«

»Und wir kommen wir zurück nach Pulsaris?« gab Pall Duron zu bedenken. »Wir sind hier mitten in der Wildnis und auf uns selbst angewiesen. Ich muß dir doch nicht sagen, daß im Dschungel zahlreiche Gefahren auf uns lauern...«

»Wer sagt denn, daß wir den Dschungel durchqueren sollen?« fiel ihm Vergan ins Wort. »Nein, wir werden weiter nach Norden gehen. Irgendwo dort an der bekannten Fracht- und Transportroute werden wir schon eine Möglichkeit finden...«

»Einverstanden«, stimm­te Tyra Casdorf als erste zu, und auch Kim Gallagher nickte. Das reichte aus, um auch schließlich Duron von diesem Vorhaben zu überzeugen.

Gemeinsam machten sie sich jetzt auf den Weg, verließen ihre Zuflucht und zwängten sich durch den schmalen Felseneinschnitt wieder ins Freie. Keiner dachte mehr daran, daß jetzt noch irgend etwas schiefgehen könnte - denn es waren ja weit und breit keine Gleiter mehr am Himmel zu sehen.

Umso überraschender kam dann der Schock, als plötzlich schwarzgekleidete Gestalten zwischen den Felsen auftauchten und ihre Waffen auf sie richteten. Nur Bruchteile von Sekunden später wurden die vier Menschen durch gezielte Schockstrahlen niedergestreckt. Bewußtlos brachen sie zusammen.

Ein kaltes Lächeln breitete sich auf den blassen Zügen von Kommandant Larn ab, als er sich mit Impresario Spear über Funk in Verbindung setzte und ihm meldete, daß die Aktion ein erfolgreiches Ende gefunden hatte.

»Gut«, hörte er dann die zufriedene Stimme des Managers von WESTBROOK. »Wir nehmen sie gleich an Bord.«

3

»Er hat es tatsächlich geschafft«, murmelte Mandra Tushpur vor sich hin, als er Spears Nachricht erhielt. In Anbetracht der Tatsache, welche weitreichenden Konsequenzen sich daraus ergeben konnten, erhob er sich sofort und ging in den angrenzenden Raum.

Claas van Terling hatte mittlerweile einige Hauptabteilungsleiter der Konzernzentrale von Pulsaris dort zusammengerufen und ihnen farbenprächtige Aussichten einer erfolgreichen Zukunft in Aussicht gestellt. Der Impresario war ein begnadeter Redner und dazu noch ein geschickter Demagoge. Er hatte nicht mal eine Stunde gebraucht, um sein Konzept vorzutragen - aber diese verhältnismäßig kurze Zeitspanne hatte dennoch ausgereicht, um alle auf seine Seite zu ziehen. Niemand dachte mehr an den grausamen Tod von Andra Perkins, der Ersten Rätin von PULSAR-7. Die Zukunft gehörte den entschlossenen Männern und Frauen von MEGA-TECH, die auf van Terlings Seite standen.

Er sah Tushpur hereinkommen und blickte kurz hinüber. Aufgrund der kurzen und ganz eindeutig siegessicheren Geste des Inders schlich sich ein Lächeln in seine Züge.

»Meine Damen und Herren, ich erfahre übrigens gerade, daß unsere Aktion erfolgreich abgeschlossen wurde. Es ist den tapferen Schwarzen Garden gelungen, einige Aufrührer und Rebellen zu ergreifen, mit denen wir uns in den nächsten Tagen noch näher erfassen werden. Sie werden selbstverständlich über den Verlauf der Dinge weiter unterrichtet. Gehen Sie jetzt wieder an die Arbeit - und denken Sie daran, die Bevölkerung in unser Zukunftskonzept mit einzubeziehen...«

»Spears Plan ist voll aufgegangen«, murmelte van Terling, nachdem er von Tushpur alles erfahren hatte. »Dann werden wir uns ja selbst davon überzeugen können, was es mit diesem geheimnisvollen Projekt Moebius auf sich hat. Ein erfahrenes Psychonauten-Team wäre uns jetzt sehr dienlich, Mandra.«

»Was wird wohl in der Zwischenzeit auf der Erde geschehen sein?« mutmaßte Tushpur.

»Wahrscheinlich das, was wir inzwischen vermuten - ausgehend von den dürftigen Informationen, die uns erreichten und die letztlich dafür sorgten, daß wir diesen Planeten hier als unsere neue Basis auserkoren:

Die Erde hat überlebt, obwohl das von uns vorher keiner geglaubt hätte. Sonst hätten wir die Erde niemals verlassen!

Und ausgerechnet die Astroökologen haben dies bewirkt.

Und nun befindet sich das gesamte Sonnensystem in einer Sphäre der veränderten universalen Ordnung, die sich im übrigen lichtschnell ausbreitet. Das schafften die Astroökologen dank der Gaarson-Gates, die sie in weiser Voraussicht lange schon gebaut hatten.

Irgendwann wird die Katastrophe auch diesen Planeten hier erreichen. Ja, sie wird sogar von hier ausgehen, weil dieser Planet hier eine der frühen Kolonien birgt, auf der schon fast so lange der Gaarson-Effekt angewendet wird wie auf der Erde...

Wir werden es rechtzeitig merken, weil wir es ja auch auf der Erde rechtzeitig gemerkt haben. Und dann müssen wir dafür sorgen, daß es auch hier Gaarson-Gates gibt.

Das wird uns nicht nur hier überleben lassen, sondern wird auch noch einen weiteren Vorteil mit sich bringen: Mit den Gaarson-Gates wird es uns in Nullzeit gelingen, zurückzukehren zur Erde - mit dem Machtpotential, das wir bis dahin hier aufgebaut haben. Bis dahin jedoch ist noch eine Menge Zeit, und diese sollten wir auch anderweitig nutzen!«

Er machte eine Kunstpause.

Dann fuhr er fort: »Es bedarf gewaltiger Anstrengungen, um den alten Zustand auf der Erde wiederherzustellen. Bestimmt sitzen jetzt Personen an der Macht, die uns noch nie wohlgesonnen waren. Es würde mich nicht wundern, wenn die Astroökologen die Schlacht auch an der politischen Front gewonnen hätten...«

Bei diesen Worten umspielte ein kurzes Lächeln seine Lippen. Auf Tushpur wirkte das für wenige Sekunden so, als wenn van Terling nur so unwissend tun würde, um in Wahrheit ganz genau und sogar detailliert zu wissen, daß die Dinge auf der Erde in der Tat diesen Verlauf genommen hatten.

Wie wäre dies denn möglich gewesen?

Der Inder kam jedoch nicht dazu, darauf etwas zu sagen, denn in diesem Moment erblickten sie durch die großen Panoramafenster die kleine Flotte der Gleiter, die im Anflug auf die Konzernzentrale waren. Eine der Flugmaschinen steuerte das Dach des mächtigen Bauwerkes an, wo sich eine Landefläche befand, die nur ganz bestimmte Personen benutzen durften.

Van Terling und Tushpur verließen das Besprechungszimmer und fuhren mit einem der Lifte nach oben. Sie kamen gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Spear mit einem triumphierenden Grinsen aus dem Gleiter stieg und den Schwarzen Gardisten einige knappe Befehle zurief.

Augenblicke später wurden die bewußtlosen Männer und Frauen aus dem Gleiter geschafft. Van Terling und Tushpur warfen einen kurzen Blick auf sie, und der Manager des MEGA-TECH-Konzerns spürte eine innere Unruhe, als er daran dachte, daß es die Kräfte dieser Menschen gewesen waren, die den Zusammenstoß einiger Gleiter verursacht hatten. Ein ungeheures Potential, das unbedingt genutzt werden mußte!

»Ich gratuliere Ihnen, Geoffrey!« lobte ihn van Terling und nickte ihm anerkennend zu. »Ich wußte, daß wir uns jederzeit auf Sie verlassen können.«

Spear nickte zufrieden.

»Lassen Sie uns gleich in den Labortrakt gehen«, schlug er vor. »Ich fühle mich erst sicher, wenn ich diese Menschen an einem sicheren Ort weiß. Wir müssen sie so rasch wie möglich voneinander isolieren. Wenn sie ihre Kräfte sammeln, dann...«

Er sprach diesen Gedanken nicht zu Ende, aber die anderen hatten auch so schon begriffen, worauf Spear hinauswollte. Sie begaben sich nun in den nach außen hin stark abgeschotteten Labortrakt der Konzernzentrale, wo MEGA-TECH mit viel Aufwand biologische und chemische Forschungen angestellt hatte.

Jetzt aber würden diese Räumlichkeiten eine andere Verwendung finden - nämlich einzig und allein dafür, um die geheimnisvollen Kräfte dieser Menschen zu analysieren und zum Wohle des Konzerns zu nutzen. Oder mit einfacheren Worten gesagt: man würde sie so lange quälen und mißhandeln, bis sie alles verrieten, was van Terling wissen wollte.

4

Erde: Rom

In einem Villenbezirk auf einem der sieben Hügel

Er stand auf dem Balkon im ersten Stock des noblen Hauses und genoß den Anblick der allmählich erwachenden Stadt.

Er tat das jeden Morgen, schaute der aufgehenden Sonne zu, seit er zum ersten Mal dieses Haus zugewiesen bekommen hatte.

Zu dieser frühen Uhrzeit erwachte der gigantische Moloch erst noch zum Leben - noch konnte man die Eindrücke genießen, bevor die schweren Baumaschinen ihre Arbeit begannen und die einstmals weltbekannten Relikte der traditionsreichen Stadt ein Stück weiter abrissen.

Rom war eine geschäftige Stadt mit klaren Zielen. Innerhalb von zwei Jahrzehnten hatte sich die Stadt als die Finanzmetropole des einstigen Europas herauskristallisiert.

Hier hatte jeder mächtige Konzern eine Zweigniederlassung, um ständig präsent zu sein und wichtige Geschäfte weltweit tätigen zu können. Da war kein Platz mehr für alte verstaubte Relikte aus vergessenen Zeiten.

Wo sich einst das Forum Romanum im Zentrum der Stadt befunden hatte, ragte jetzt eine gewaltige Kuppel aus Metall, Glas und Kunststoff in den strahlendblauen Morgenhimmel empor.

Ein gewaltiges Freizeit- und Erholungszentrum, in dem die hier lebenden Civitanoj sich geradezu auf perfekte Weise erholen konnten.

Unweit davon befand der von außen hermetisch abgeriegelte Bezirk der alten Vatikanstadt - oder besser gesagt das, was noch davon übrig war.

Nach einigen heftigen religiösen Auseinandersetzungen in den letzten zwanzig Jahren hatten sich die wenigen, noch am Glauben haftenden alten Männer dort zurückgezogen und lehnten kategorisch jeden weiteren Kontakt zur Außenwelt ab. Nur wenige Eingeweihte besaßen noch Kenntnisse über die Glaubensriten, die dort vollzogen wurden. Aber es war nur noch eine Frage der Zeit, bis auch dieses ein Ende finden würde - denn auch alte Männer starben irgendwann...

Nelson D'Arrongo genoß den frischen Morgenwind, der den Schweiß auf seiner heißen Haut trocknete, und für einen kurzen Moment blickte er zurück in den angrenzenden Raum, wo sich eine schlanke nackte Frau in den Laken rekelte und ebenfalls allmählich erwachte.

Er erinnerte sich an die erregenden Stunden zwischen Mitternacht und Morgengrauen, und in seine markanten dunkelhäutigen Züge schlich sich für Sekunden so etwas wie Entspannung - ein Gefühl, dessen er sich erst selbst einmal so richtig bewußt werden mußte, denn es war ihm noch völlig fremd.

D'Arrongo - der Mann mit dem veränderten Gesicht - hatte Sinja vor zwei Wochen in der Kuppel im Zentrum kennengelernt. Er konnte hinterher selbst nicht mehr sagen, warum sie ihm damals sofort aufgefallen war. Aber es war schnell mehr daraus geworden - zumindestens für Sinja. D'Arrongo dagegen, der sich jetzt Tolos Manruba nannte, betrachtete es eher als eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung.

Fast vier Wochen lebte er jetzt in diesem Haus und wartete immer noch darauf, daß man sich endlich bei ihm meldete. Aber man schien ihn wohl vergessen zu haben - es erfolgte weder ein persönlicher Kontakt noch eine Nachricht über das Netz mit einem speziellen Code, den nur D'Arrongo kannte. Er wußte aber, daß dieser Aufenthalt hier wahrscheinlich nur ein kurzes Intervall darstellte - Sinja dagegen glaubte ganz andere Dinge...

»Komm doch zurück, Tolos!« rief sie ihm mit heiserer Stimme zu. »Es ist doch noch viel zu früh, um aufzustehen. Wir können es uns doch noch hier etwas gemütlich machen...«

Während sie das sagte, rollte sie sich nach vorn und winkelte eines ihrer schlanken Beine an. Das wirkte so verführerisch, daß D'Arrongo grinsen mußte. Sie wußte genau, wie sie ihn herumkriegen konnte!

»Gleich«, sagte er und genoß ein letztes Mal den Blick auf die morgendliche Stadt. In diesem Moment blinkte ein Sensor an seinem schmalen Platinarmband auf - ein Signal, das D'Arrongo sofort registrierte. Sofort war das Verlangen nach Sex und Hingabe erloschen und machte anderen Empfindungen Platz, die abrufbereit unter seiner Oberfläche gelauert hatten.

»Was ist?« hörte er Sinjas gurrende Stimme. »Willst du etwa nicht? Das kann ich mir kaum vorstellen, weil...«

»Warte hier!« rief ihr D'Arrongo zu. »Bleib im Bett - ich bin gleich wieder da. Störe mich jetzt nicht. Ich muß nochmal das Computersystem durchchecken.«

Nach außenhin galt er als Computerexperte, und die Führer der Untergrundbewegung hatten wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den angeblichen Tolos Manruba so wirken zu lassen.

In den unteren Räumen seiner Villa befand sich ein fensterloser Raum, in dem mehrere Bildschirme und Rechner standen. Ein Besucher konnte also glauben, daß Manruba von hier aus seiner Arbeit nachging. Jedoch war nur ein einziger Computer wichtig - denn nur über dieses System hatte er Kontakt zu seinen neuen Auftraggebern.

Er verließ das Schlafzimmer mit schnellen Schritten und dachte nicht mehr an Sinja. Stattdessen konzentrierten sich seine Sinne auf ganz andere Dinge. Wenige Minuten später saß er auch schon vor dem Computer, schaltete ihn ein und stellte die Verbindung mit dem Netzwerk her. Er hatte eine Nachricht bekommen, und als er sie decodierte und deren Inhalt las, ging sein Atem unwillkürlich schneller.

DIESE PERSON IST IHR NEUER AUFTRAG! stand in schlichten Worten unter der Abbildung, die den neuen Weltpräsidenten Tipor Gaarson zeigte. MAN WIRD SICH NOCH HEUTE WEGEN WEITERER EINZELHEITEN MIT IHNEN IN VERBINDUNG SETZEN. STELLEN SIE KEINE WEITEREN FRAGEN UND HALTEN SIE SICH BEREIT!

D'Arrongo blickte immer noch nachdenklich auf Tipor Gaarsons Bild auf dem Computer, während jetzt ein Gedanke den anderen jagte. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich der Tatsache bewußt wurde, daß man ihm gerade den Auftrag erteilt hatte, einen Mann umzubringen, der als Gallionsfigur der neuen politischen Bewegung auf der Erde galt.

Eine ungeheure Verantwortung - selbst für einen Profikiller wie ihn.

Leider rächte sich in diesen Minuten die Tatsache, daß D'Arrongo sein Einsiedlerdasein in der Villa zugunsten einer Frau wie Sinja aufgegeben hatte. Denn er hatte eins bei seinen ganzen Plänen nicht berücksichtigt - nämlich die simple Wirklichkeit weiblicher Neugierde. Auf leisen Sohlen tappte Sinja in den Raum, ohne daß D'Arrongo etwas davon bemerkt hätte - und so erkannte sie ebenfalls, welches Konterfei sich gerade auf dem Bildschirm befand.

Sie stieß einen überraschten Ruf aus und wurde ein wenig blaß, als D'Arrongo erschrocken zusammenfuhr und sich ihr mit wütender Miene zuwandte. Ein kurzer Schimmer des Bedauerns zeichnete sich dann in seiner Miene ab, als er sich mit einer geschmeidigen Bewegung erhob.

»Du hättest nicht hereinkommen sollen, Sinja!«

Diese Worte klangen schrecklich kalt und herzlos, und Sinja spürte das.

»Was ist denn los mit dir, Tolos?« entfuhr es ihr. »Du bist ja auf einmal so wütend, und...«

»Du hast es gesehen, nicht wahr?« fiel er ihr abrupt ins Wort, während er ganz langsam auf sie zuging. »Gib es ruhig zu - du hast es nicht nur gesehen, sondern auch gelesen, oder?«

Er brauchte ihr nur kurz in die Augen zu sehen, um sofort zu erkennen, daß sie über ihre eigene Neugierde gestolpert war. Das hatte jetzt verhängnisvolle Folgen.

»Hör mal, Tolos - ich verstehe deine Wut nicht«, stieß sie nun ängstlich hervor und begann auf einmal zu stottern: »Ich verspreche dir, daß ich nichts sagen werde - ich liebe dich doch!«

Noch während die letzten Worte über ihre Lippen kamen, packte D'Arrongo auch schon zu und umschloß mit beiden Händen ihren schlanken Hals und drückte zu, so fest er nur konnte. Sinja spürte auf einmal, daß er es tödlich ernst meinte, und wehrte sich. Aber gegen die Kräfte des sportlich durchtrainierten Mannes kam sie nicht an.

»Wärst du doch nur im Bett geblieben!« knurrte der Profikiller zornig, während er immer stärker zudrückte. »Aber nein, du wolltest ja unbedingt alles wissen - und was hast du jetzt davon? Ich muß dich deshalb töten...«

Entsetzen spiegelte sich in ihren weit aufgerissenen Augen wieder, während die Beine unter ihr nachgaben. D'Arrongo ließ jedoch erst dann von ihr ab, als er ganz sicher war, daß sie nicht mehr atmete und jeder Funken Leben in ihr erloschen war.

Das Handtuch, mit dem sie ihren nackten Körper verhüllt hatte, fiel nun zu Boden und gab den Blick auf eine atemberaubende Figur frei. D'Arrongo registrierte das mit einer Spur des Bedauerns, zeigte aber sonst keine weiteren Emotionen mehr. Stattdessen funktionierte er jetzt wie eine perfekt konstruierte Kampfmaschine (die er im Grunde genommen ja auch war).

Er löste seine Hände von ihrem Hals, sah die Druckstellen, die dunkle Flecke hinterlassen hatten, und erhob sich keuchend. Fieberhaft überlegte er, was nun als nächstes zu tun war. Sinja war mit der Gleitbahn zu ihm gekommen - relativ spät am Abend. Und da sein Haus ohnehin in einem Stadtteil lag, zu dem nicht jeder Zugang hatte, würde er es umso leichter haben.

Dennoch mußte er seine neuen Vorgesetzten von diesem Zwischenfall informieren - natürlich würde er deswegen Ärger bekommen. Aber wenn er vermeiden wollte, daß weitere Probleme aufkamen, dann mußte auch dieses Problem perfekt gelöst werden.

Deshalb begab er sich noch einmal in den Computerraum und gab einen Code ein, der die Verbindung aufbaute. Auf dem Bildschirm erschien ein Tetraeder-Symbol, das jedoch schon nach wenigen Sekunden wieder verschwand und dann ein Kommunikationsfeld aktivierte.

ICH HABE PROBLEME, teilte D'Arrongo auf diesem Wege kurz mit und wartete die Antwort ab, die nicht lange auf sich warten ließ.

WELCHER ART?

ICH MUSSTE JEMAND BESEITIGEN - EINE FRAU. SIE WAR... ZU NEUGIERIG.

HABEN SIE SIE GETÖTET?

JA, gestand D'Arrongo ein.

WO IST DIE LEICHE JETZT?

NOCH IN MEINEM HAUS, tippte D'Arrongo in die Tastatur.

UNTERNEHMEN SIE GAR NICHTS! befahl man ihm dann. ÜBERLASSEN SIE ALLES UNS.

SIE VERLASSEN DAS HAUS JETZT UND KEHREN NICHT VOR ZWEI STUNDEN WIEDER ZURÜCK. BIS DAHIN EXISTIERT IHR PROBLEM NICHT MEHR!

So einfach ist das also, kam es D'Arrongo in den Sinn. Man muß sich nur bei ihnen melden - und sie regeln sofort alles weitere...

FÜR DIESEN VORFALL WERDEN SIE SICH ZU EINEM SPÄTEREN ZEITPUNKT ZU VERANTWORTEN HABEN, erschienen jetzt die nächsten Worte auf dem Bildschirm. IM AUGENBLICK ZÄHLT EINZIG UND ALLEIN DER ZEITPLAN, DEN SIE ZU ERFÜLLEN HABEN. WENN SIE IN IHR HAUS ZURÜCKKEHREN, WERDEN SIE DORT EINE FOTO-CD UND SÄMTLICHE ERFORDERLICHEN DATEN FINDEN, DIE SIE ZUR ERFÜLLUNG IHRES AUFTRAGES BENÖTIGEN. DIE AUSFÜHRUNG FINDET SCHON AM KOMMENDEN WOCHENENDE STATT. DIE ZIELPERSON BESUCHT ROM UND WIRD SICH DORT ZWEI TAGE AUFHALTEN. SIE HABEN ALSO GENÜGEND ZEIT, UM IHRE VORBEREITUNGEN ZU TREFFEN. WIR WEISEN NOCHMALS DARAUF HIN, DASS DIESER AUFTRAG EXAKT VOLLENDET WERDEN MUSS. EIN SCHEITERN BEDEUTET AUCH IHREN TOD!

Noch während D'Arrongo die letzten Worte las, wurde die Verbindung von der anderen Seite abrupt beendet, und der Bildschirm blieb schwarz. Ein ungutes Gefühl erfaßte den dunkelhäutigen Auftragskiller, weil ihm jetzt klar wurde, daß er einen gravierenden Fehler begangen hatte. Er hätte diese Frau niemals an sich herankommen lassen dürfen - aber das andauernde Warten auf seinen Einsatz war daran schuld gewesen, zumindest nach seiner Auffassung.

Er schaltete den Computer aus, verließ den Raum und war wenige Minuten später auch schon draußen. Er wollte denen nicht begegnen, die nun die Spuren seiner Tat beseitigen würden...

Daß ein Wesen unmittelbar Zeuge des Dialogs am Computer geworden war, ohne überhaupt bemerkt werden zu können, ahnte er noch nicht einmal.

Es war ein Wesen, das sich schon ziemlich lange im virtuellen Netz heimisch fühlte. Dieses Wesen war einst ein Mensch gewesen - nein, kein normaler Mensch, sonst würde er schon seit Jahrhunderten nicht mehr leben.

Er hatte seinen alternden Körper Stück für Stück austauschen lassen, immer wieder und wieder. Eine Methode der Lebensverlängerung, die bis heute fast völlig unbekannt war, weil er dafür gesorgt hatte.

Auch vor Mord hatte er nicht zurückgeschreckt, um seine Ziele zu erreichen - in den vergangenen Jahrhunderten. Obwohl er kaum einen Mord persönlich vorgenommen hatte. Dafür gab es Leute wie D'Arrongo...

Derjenige, der er einst war, lebte offiziell schon seit Jahrhunderten nicht mehr. Und seitdem zog er aus dem Verborgenen seine Fäden.

Er war der Mächtige - und konnte sich nicht vorstellen, daß es noch jemanden geben könnte, der ihm diese Macht streitig machte. Denn er sah sich selber auch als das absolute Genie an.

D'Arrongo wurde leider zu einem winzigen Unsicherheitsfaktor.

Möglicherweise hatten die Marionetten, die er an seinen Fäden dirigierte, ohne daß es diesen überhaupt bewußt wurde, doch den Falschen ausgewählt. Aber es gab zur Zeit nicht die geringste Alternative.

Es darf nicht schiefgehen! dachte er trotzig und warf einen Blick in den Spiegel in seinem unterirdischen Bunker. Das Gesicht eines Mannes schaute ihm entgegen, der für kurze Zeit in der Öffentlichkeit als Antal Rypdahl in Erscheinung getreten war. Nein, nicht persönlich, denn das hätte ja bedeutet, sich selber in Gefahr zu bringen: Er hatte es vorgezogen, lediglich über das Computernetz in Erscheinung zu treten - ohne daß es jemand hätte gelingen können, zurückzuverfolgen, wo er tatsächlich saß.

Ich hätte auch ein x-beliebiges anderes Gesicht virtualisieren können! dachte er, während er sich betrachtete. Aber es hatte ihn zu sehr gereizt, sein jetziges, wahres Gesicht zur Schau zu stellen.

Er setzte sich wieder an die Kontrollen und schloß die Augen.

Er konnte sich kraft seines Geistes ins digitale Netzwerk versetzen, ohne irgendwelche Kontakte vorher anzubringen, wie es früher einmal nötig gewesen war.

Es wurde ihm nicht bewußt, daß die Zeiten, in denen er seinen Geist vom virtuellen Netz trennte, um wieder wie ein Mensch zu sein, immer kürzer wurden und daß schließlich die Gefahr bestehen würde, für immer im digitalen Netz gefangen zu bleiben...

Er dachte an D'Arrongo und wurde wieder zuversichtlicher. Zumal er wußte, was auf PULSAR-7 abgelaufen war.

Nur von dem Lichtwesen in jener Höhle ahnte er nichts. Wie denn auch? Dann davon wußten nur die vier Mutanten, die gefangengenommen worden waren.

Er konzentrierte sich auf den Cyborg, der im Spiel der Mächtigen außerhalb der Erde seine Rolle spielte.

Ein böses Lachen entrang sich seiner Kehle, als die telepathische Verbindung entstand.

Alles entwickelte sich doch bestens. Er konnte sich beim besten Willen nicht mehr vorstellen, daß jetzt noch irgend etwas schiefgehen könnte...

*

Die Gedanken des Lichtwesens waren unergründlich. Auch die Mutanten hätten ihnen nicht folgen können. Um sich ihnen verständlich zu machen, hatte es seine Gedanken extrem reduzieren müssen. Und genau das hatte es in einem Maße geschwächt, wie es dies vorher gar nicht für möglich gehalten hätte. War es auch darauf zurückzuführen, daß es so unendlich lange vermieden hatte, mit anderen denkenden Geschöpfen in direkten Kontakt zu treten?

Es hatte erkannt, daß seine Warnungen nichts nutzen würden, und handelte mit der ihm eigenen Logik, indem es Kontakt suchte mit seinesgleichen.

Es dauerte lange, bis ein solcher Kontakt zustande kam, und die anderen wunderten sich über seine Angst.

Ja, es hatte auf seine Weise so etwas wie Angst, und diese war seiner Meinung nach auch nicht unbegründet.

Es erläuterte dies den anderen mit einem Gedankenimpuls, den man in menschlicher Sprache vielleicht folgendermaßen umschreiben konnte:

»Die alte universale Ordnung hat uns hervorgebracht und nährt uns. Wir sind unsterblich - aber nur, wenn die alte universale Ordnung unverändert bleibt. Doch was wird, wenn sich die universale Ordnung ändert? Ich hatte Kontakt mit vier PSI-Wesen - jener frühen Vorstufe zu der Daseinsform, wie wir sie repräsentieren. Dieser Kontakt hat mich ungemein geschwächt. Oder hängt es damit zusammen, daß die Veränderung der universalen Ordnung auf dem Planeten, auf dem ich mich einst niederließ, bereits soweit fortgeschritten ist, daß ich mein Potential nur noch minimal entfalten kann? Ich habe sie beschützt, aber dann hat es sich herausgestellt, daß der Schutz unzureichend war. Sie sind nun Gefangene anderer Wesen, die so sind wie sie, aber nicht ihre PSI-Fähigkeiten haben.

Der Kontakt mit den vier Wesen hat mir Zweifel offenbart an meiner Annahme, daß die Aufgabe der alten universalen Ordnung zwangsläufig zur vernichtenden Katastrophe führen müßte - die nicht nur unseresgleichen vernichten würde...«

»Du hast einen Fehler begangen!« kam es vorwurfsvoll zurück - um auch die Antwort mit menschlicher Sprache zu umschreiben.

»Einen - Fehler?«

»Du bist schon viel zu lange auf diesem Planeten, hast dich mit ihm regelrecht identifiziert. Das hat dich blind gemacht gegenüber den Dingen, die im Universum an Bedeutung gewinnen. Dann hast du dich mit den Wesen beschäftigt, die den Planeten terranisiert haben, ihn mehr und mehr umwandelten, damit er ihren Bedürfnissen entspricht. Du hast dich teilweise dagegen gewehrt und hast den größten Teil des Planeten so für dich behaupten können. Aber anstatt neugierig zu sein auf den Ursprung dieser Wesen, warst du in deiner Einsiedelei geblieben. Du hast ja erst jetzt überhaupt die Tragweite erkannt, die mit dem Gaarson-Effekt zusammenhängt. Wenn du solche Angst hast, wieso verläßt du denn nicht einfach diesen Planeten?«

»Weil es dafür zu spät ist!« gab des Lichtwesen zu. Es kam sich dabei so minderwertig vor wie noch nie zuvor. Es waren ihre eigenen Artgenossen, aber die erschienen ihm jetzt so verändert - um nicht zu sagen: überlegen.

Weil sie recht hatten:

Es hatte zu lange auf dieser Welt verharrt und damit nicht nur fast jeglichen Zeitbegriff verloren, sondern vor allem - seine universale Weitsicht, ja, sogar den fundamentalen Bezug zur Wirklichkeit!

»Zu spät?«

»Ja, ich bin bereits so geschwächt... Mein Versuch, die vier zu beschützen, hat mir sozusagen den Rest gegeben. Und jetzt bin ich dabei, mich zu regenerieren. Zumindest versuche ich es, aber der Erfolg will ausbleiben - meine Angst mehrend!

»Dennoch hast du Kontakt mit uns gesucht. Obwohl dich das noch mehr schwächen wird?«

»Weil ich mir bewußt wurde, daß ich zu lange in meiner Einsamkeit verharrt habe.«

»Deine Angst ist nicht ganz begründet, denn es gibt Mittel und Wege, um die Katastrophe zum Guten zu wenden. Einige Völker des Universums haben diesen Weg beschritten. Er heißt GAARSON-GATE.«

»Aber die alte universale Ordnung wird trotzdem nicht mehr existieren - auch ohne vernichtende Katastrophe, die alles Leben verschwinden läßt. Die Menschen werden es also überleben - aber wie ich?«

»Lerne, dich anzupassen - und höre auf, dich dagegen zu wehren. Nicht die schleichende Veränderung schwächt dich, bevor sie letztlich in eine Katastrophe mündet, die durch GAARSON-GATES neutralisiert werden kann, sondern Deine starrsinnige Gegenwehr!«

Und damit war der Kontakt wieder abgerissen.

Nicht vonseiten seiner Artgenossen, sondern von seiner eigenen Seite ausgehend, weil die Schwächung nichts anderes mehr zuließ.

Anpassen?

Das war das Schlüsselwort, und das Lichtwesen hätte jubeln mögen, auch wenn dieses Verhalten überhaupt nicht zu seiner Art gehörte. Aber der direkte Kontakt mit den vier PSI-Menschen hatte bereits die Veränderung in ihm selber in die Wege geleitet.

Es verhielt überrascht:

Die vier PSI-Menschen haben mich erst aus der Lethargie geweckt, in der ich seit Jahrtausenden verharrte. Mir war sie gar nicht mehr bewußt gewesen.

Ich hätte soviel tun können auf diesem Planeten, aber ich war zurückhaltend geblieben - viel zu zurückhaltend dank dieser Lethargie!

Und jetzt konzentrierte es sich endlich auf die schleichende Veränderung, ohne noch länger Angst davor zu haben.

Ich war sogar so lethargisch, daß ich gar nicht erst auf die Idee gekommen bin, vor der Veränderung zu fliehen...

Und jetzt machte es sich alles bewußt - mit seinen verbliebenen Kapazitäten.

Es spürte, daß die Katastrophe nicht mehr lange auf sich warten lassen würde.

Es konzentrierte sich auf die Gedanken der Menschen, die ihm jetzt, nach dem Kontakt mit den vier PSI-Menschen, endlich verständlicher waren.

Es fiel ihm schwer, etwas aufzunehmen, und es gelang ihm nur dann, wenn es nach ganz konkreten Antworten suchte.

Da waren die Gedanken gewesen der Mutanten. Sie hatten an den Ursprung der Menschheit, an die Erde gedacht, und daran, daß mit dieser kein Kontakt mehr möglich war.

Was war auf der Erde geschehen? Und inwiefern hing es mit der möglichen Gaarson-Katastrophe zusammen?

Die Antwort sickerte in sein Bewußtsein, ohne daß es ihm möglich war, genau zu orten, woher es diese Information überhaupt bekam, die anscheinend in vielen menschlichen Gehirnen war - viel mehr Gehirnen, als es überhaupt hätte vermuten können:

Die Erde war gerettet - dank GAARSON-GATES!

Das war genau das, was seine eigenen Artgenossen ihm auch als Möglichkeit klargemacht hatten.

Ich muß noch viel lernen! dachte das Lichtwesen. Jetzt eingreifen zu wollen, wäre verfehlt.

Dabei ahnte es, daß nicht allzu viel Zeit dafür blieb. Aber es würde den Lernprozeß nicht willkürlich abkürzen können.

So blieb das Lichtwesen eine wesentliche Hoffnung - aber auch eine sehr trügerische, so lange das Lichtwesen noch zu sehr mit sich selbst beschäftigt war...

Und als es erneut seine Fühler ausstreckte, um diesbezüglich Rat von seinen Artgenossen zu erhalten, blieben diese stumm. Man hätte es mit der menschlichen Verhaltensweise vergleichen können: Seine Artgenossen fühlten sich gewissermaßen von ihm genervt!

Dabei merkten sie nicht, daß auch sie längst ebenfalls bis zu einem gewissen Grad lethargisch geworden waren und kaum noch Anteil nahmen an der Wirklichkeit, den wahren Zusammenhängen im Universum. Weil sie dachten, es könnte sie ja nicht mehr betreffen...

Das Lichtwesen auf PULSAR-7 wußte es inzwischen besser, und deshalb gab es seine Bemühungen nicht auf.

Bis ein Kontakt ganz anderer Art zustande kam - und es zutiefst erschreckte: Es hatte einfach vergessen, daß die Lichtwesen längst nicht die höchste Stufe von Intelligenzentwicklung darstellten, und so unvermittelt mit einer so mächtigen Wesenballung konfrontiert zu werden, war ein Schock ganz besonderer Art.

Es wollte sich blitzschnell zurückziehen, aber das mißlang, und die Wesenballung der Mächtigen, wie das Lichtwesen es unwillkürlich nannte, untersuchte es neugierig. Dabei erfuhr die Wesenballung der Mächtigen unmittelbar von den Ereignissen auf PULSAR-7.

Vorübergehendes Interesse. Dann ein Einblick auf einem fernen Planeten. Das Lichtwesen sah Menschenähnliche mit seltsam grauer Hautfarbe - und wußte gleichzeitig, wie sie sich nannten: Prupper. Es waren aber Mutanten wie die vier, die es kennengelernt hatte auf PULSAR-7. Deshalb war die Wesenballung also neugierig...

Die grauen Mutanten taten etwas Seltsames... Nein, das war nicht seltsam, sondern vergleichbar mit dem, was die vier menschlichen Mutanten gemacht hatten, als sie eine Loge bildeten, um mit dem Lichtwesen direkten Kontakt aufzunehmen...

Und schon gab es eine Verbindung zwischen der Loge und dem Lichtwesen auf PULSAR-7. Ohne die Wesenballung der Mächtigen wäre es nicht möglich gewesen. Dessen war sich das Lichtwesen im klaren.

Ein Name: Petro Galinksi!

Das war ein... Mensch. Aber wie war er auf diesen fernen Planeten gekommen - Millionen von Lichtjahre von der Erde und sogar von PULSAR-7 entfernt in einer völlig anderen Galaxis?

Er war nicht allein dort aufgetaucht, sondern war begleitet worden von zwei weiteren Menschen: Cora Stajnfeld und John Millory!

Die Namen waren präsent, auch wenn das Lichtwesen eigentlich nichts damit anfangen konnte.

Genauso wenig wie mit der Nachricht, die Petro Galinksi handschriftlich hinterlassen hatte, nachdem sie alle drei wieder verschwunden waren. Es schien klar zu sein, daß seine beiden Begleiter nichts davon bemerkt hatten.

Die Nachricht lautete:

»Es gibt andere, sie sind wie wir - und Mutanten! Lernt, euch zusammenzuschließen zu einer Séance, als wolltet ihr als Psychonauten ein Raumschiff durch die Unendlichkeit führen. Wenn ihr stark genug seid, könnt ihr Kontakt aufnehmen. Erreicht die Psychonauten von Vetusta und Clark's Planet. Berichtet von unserer Begegnung. Unsere Namen sind der Schlüssel, um euch zu glauben!«

Das Lichtwesen nahm die Worte auf, ohne jedoch zunächst damit etwas anfangen zu können. Es signalisierte der Loge: »Ich bin der Falsche! Bemüht euch weiterhin. Aber bedenket, daß ihr Millionen von Lichtjahre überwindet müßt!«

»Nicht, wenn es um Vetusta geht!« kam es zurück. »Wir haben den Namen schon einmal gehört, aber diese Welt gilt als untergegangen im letzten großen Krieg innerhalb des alten Imperiums der Prupper.«

Damit endete die Verbindung, und das Lichtwesen bemerkte, daß ausgerechnet die Wesenballung der Mächtigen die Verbindung unterbrochen hatte.

Wieso eigentlich?

Das Lichtwesen ahnte, daß die Wesenballung der Mächtigen etwas im Schilde führte, und das hatte ursächlich mit der Menschheit zu tun. - Ein Spiel mit Regeln, die nur sie durchschauten und bei dem sie niemandem Einblick gewähren wollten

Was es war, und inwieweit diese Wesenballung der Mächtigen vielleicht sogar schon in die Geschicke der Menschheit eingegriffen hatte, das konnte das Lichtwesen nicht mehr herausfinden.

Es hatte noch nicht einmal mehr genügend Kraft, um sich mit seiner eigenen Lage länger zu beschäftigen: Es verfiel in tiefste Lethargie, um darin die nötige Erholung zu finden. Erst danach würde es sich wieder mit seiner Lage beschäftigen können - und sogar mit den vier Mutanten, denen es eigentlich versprochen hatte, sie zu beschützen.

Zur Zeit war es ihm jedenfalls nicht möglich. Auch nicht, seine neuen Erkenntnisse gar an sie weiterzuvermitteln...

5

»Du hast - was?« rief Cora Stajnfeld bestürzt.

Petro wich ihrem Blick aus. Er wagte es auch nicht, John anzusehen.

John schüttelte nur den Kopf. Auch er war offensichtlich fassungslos.

Petro wiederholte: »Ich habe den Mutanten auf dem Planeten, den wir zuletzt verlassen haben, einen Tip gegeben - eine schriftliche Nachricht, die sie nach unserer Abreise lesen sollten. Und darin bat ich sie, eine Psychonauten-Loge zu bilden, um mittels einer Séance zu versuchen, Kontakt mit anderen Mutanten aufzunehmen.«

»Nein, nein, Petro, jetzt rede dich nicht heraus: Du hast gesagt, sie sollten Kontakt aufnehmen zu den Mutanten auf Vetusta oder Clark's Planet - nicht zu irgendwelchen grauen Mutanten etwa!«

Petro hatte sich wieder gefangen. Er richtete sich auf und zeigte einen trotzigen Gesichtsausdruck.

»Ja, Cora, das habe ich, und ich bereue es nicht!«

»Aber damit hast du uns verraten, Petro! Begreifst du das denn nicht? Wir springen in einem uns völlig fremden Imperium von Planet zu Planet, und das Imperium der Prupper ahnt noch nicht einmal was von uns. Sobald sich das ändert, werden sie Jagd auf uns machen wie auf eine Kuriosität. Wir treffen hier von einer Ungereimtheit auf die andere - und sind im Prinzip selber die größte Ungereimtheit. Und jetzt besteht die Gefahr, daß wir niemals unsere aufgezwungene Odyssee durch dieses Imperium überleben!«

»Du dramatisierst, Cora!« widersprach Petro, aber er wich schon wieder ihrem Blick aus. Nicht nur, weil Cora außer sich war, wie sie beide sie noch nie erlebt hatten. Vielleicht bereute er jetzt wirklich sein Tun?

Er sprach weiter, aber seine Stimme hatte jegliche Festigkeit verloren: »Wir haben so gut wie keine Chance, nach Vetusta zurückzukehren, wenn das so weitergeht. Geschweige denn zurück zur Erde. Aber die Mutanten können ein Lebenszeichen von uns mitteilen.

Auch wenn es zu mehr nicht reicht. Und vielleicht kontaktieren sie andere graue Mutanten auf anderen Welten des Imperiums? Dann werden wir dort vielleicht entsprechend empfangen?«

Cora wollte etwas dazwischenreden, aber Petro ließ es nicht zu: »Die grauen Mutanten waren uns am Ende wohlgesonnen. Dazu hatten sie ja auch allen Grund, denn ohne unser Zutun wären sie alle des Todes gewesen. Wer weiß, wie die Dinge sich überhaupt auf jenem Planeten entwickelt hätten? Wieso sollten sie also uns hereinlegen wollen? Und die Pseudo-Prupper, die anscheinend innerhalb des Imperiums vor wenigen hundert Jahren die Macht übernommen und die vom Großen Krieg übriggebliebenen Ruinenwelten neu aufbauten... Sie haben selber keine Psychonauten, also auch keine Mutanten. Es besteht keine Gefahr, daß die grauen Prupper-Mutanten uns verraten würden...«

John machte ein nachdenkliches Gesicht. Er schaute sich um. Sie standen auf einem weiten Platz, der völlig menschenleer war und von einem parkähnlichen Gelände umgeben wurde. Wenn man nicht wußte, daß sich unter ihren Füßen eine Gaarson-Gate-Station befand, würde man es niemals auch nur vermuten. Vor wenigen Minuten waren sie dort unten angekommen. Ein Lift hatte sie herauf befördert, nachdem der Stationscomputer sie freundlich empfangen hatte. Ungewöhnlich freundlich sogar! Er hatte regelrecht geschwärmt von dieser Welt der angeblich »unbegrenzten Möglichkeiten«, ohne sich jedoch näher darüber auszulassen. Ihre Neugierde hatte das geweckt, und das schien ja auch genau der Grund für die Art der Begrüßung gewesen zu sein.

Hier oben hatten sie ihre Radiotimer inspiziert und festgestellt, daß es auf dieser Welt ungewöhnlich viele aktivierte Gaarson-Gates gab - ungewöhnlich im Vergleich zu den Welten, die sie vorher besucht hatten. Das ließ sie vermuten, daß man von dieser Welt hier ausgehend regen Kontakt mit anderen Welten des Imperiums pflegte - eben per Gaarson-Gates.

Es war ungewöhnlich genug gewesen, um sich sogleich mit den Besonderheiten dieses Planeten hier zu beschäftigen, aber dann war Petro mit seinem Geständnis gekommen...

»Du hättest dich zumindest vorher mit uns absprechen müssen!« warf Cora dem bulligen Sicherheits-Ingenieur vor.

»Ihr wärt dagegen gewesen - wie sich jetzt bestätigt. Und ich wollte die Gelegenheit nicht versäumen - und damit vielleicht die einzige Chance, die wir haben!« Jetzt klang seine Stimme wieder gefestigt.

John mischte sich endlich ein: »Cora, rege dich ab. Es hat jetzt sowieso keinen Sinn mehr. Es ist geschehen, und vielleicht hatte Petro sogar doch recht?«

»Jetzt falle du mir auch noch in den Rücken!« beschwerte sich Cora.

Petro rang die Hände: »Bitte, Cora, selbst wenn du recht haben solltest und ich einen schlimmen Fehler beging... Was wäre jetzt noch daran zu ändern?«

John winkte ab. »Ach was, Cora, du kennst ihn doch: Impulsiv wie immer - und uneinsichtig obendrein. Wenn ich nur daran denke, welche unselige Rolle er damals im Tower-Satelliten spielte... Jedem war schon klar gewesen, daß es besser wäre, die Waffen zu strecken - außer ihm. Todesmutig...«