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Eine Kompilation ist die Zusammenfassung mehrerer Bücher in einem einzigen Buch. Die Kompilationen von „STAR GATE – das Original“ umfassen immer bis zu zehn Romane! Günstiger kommt man nicht mehr an seine Lieblingsbücher! Es gibt sie sowohl als sogenanntes eBook als auch gedruckt, beispielsweise hier: STAR GATE – das Original: Die 21. Kompilation Wilfried A. Hary (Hrsg.): „Die Bände 11 bis 20 der zweiten Staffel von STAR GATE – das Original – zusammengefasst!“ Die Serie STAR GATE – das Original existiert nun schon seit 1986(!). Einige Autoren sind daran beteiligt. Viele Leser schätzten das frühere Heftformat und genießen das Taschenbuchformat, in dem die Serie inzwischen erscheint, aber es gibt nicht wenige Leser, die immer wieder auch nach einem umfangreichen Buchformat verlangen, vergleichbar etwa mit den Silberbänden der Perry-Rhodan-Serie. Für diese haben wir nun die nächste Kompilation geschaffen, basierend auf den folgenden Bänden der zweiten Staffel: STAR GATE – Staffel 2 – 011-012: Das ewige Meer STAR GATE – Staffel 2 – 033-014: Alinia Kromak STAR GATE – Staffel 2 – 015-016: Aufstand der Psychonauten STAR GATE – Staffel 2 – 017-018: Die verbotene Welt STAR GATE – Staffel 2 – 019-020: Die Zeit ist eine Falle Viel Freude beim Lesen dieser umfassenden Kompilation! Euer Wilfried A. Hary (Hrsg.)
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
STAR GATE – das Original:
Impressum:
Vorwort
STAR GATE – Staffel 2 – 011-012:
STAR GATE – Staffel 2 – 013-014:
STAR GATE – Staffel 2 – 015-016:
STAR GATE – Staffel 2 – 017-018:
STAR GATE – Staffel 2 – 019-020:
Wichtiger Hinweis:
Die 21.
Kompilation
Wilfried A. Hary (Hrsg.)
Urheberrechte am Grundkonzept zu Beginn der Serie STAR GATE - das Original: Uwe Anton, Werner K. Giesa, Wilfried A. Hary, Frank Rehfeld.
Copyright Realisierung und Folgekonzept aller
Erscheinungsformen (einschließlich eBook, Print und Hörbuch) by www.hary-production.de.
ISSN 1860-1855
© 2019 by HARY-PRODUCTION
Canadastr. 30 * D-66482 Zweibrücken
Telefon: 06332-481150
www.HaryPro.de
eMail: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und
Vervielfältigung jedweder Art nur mit schriftlicher Genehmigung von Hary-Production.
Logo: Gerhard Börnsen
Coverhintergrund: Anistasius
Achtung: „STAR GATE - das Original“ ist eine eigenständige Serie, die nachweislich Jahre vor Serien ähnlichen Namens begann, wie sie im Fernsehen laufen oder liefen oder im Kino zu sehen sind oder waren! Daher der Zusatz „das Original“!
Die Serie STAR GATE – das Original existiert nun schon seit 1986(!). Einige Autoren sind daran beteiligt. Viele Leser schätzten das frühere Heftformat und genießen das Taschenbuchformat, in dem die Serie inzwischen erscheint, aber es gibt nicht wenige Leser, die immer wieder auch nach einem umfangreichen Buchformat verlangen, vergleichbar etwa mit den Silberbänden der Perry-Rhodan-Serie.
Für diese haben wir nun die nächste Kompilation geschaffen, basierend auf den folgenden Bänden der zweiten Staffel:
STAR GATE – Staffel 2 – 011-012: Das ewige Meer
STAR GATE – Staffel 2 – 013-014: Alinia Kromak
STAR GATE – Staffel 2 – 015-016: Aufstand der Psychonauten
STAR GATE – Staffel 2 – 017-018: Die verbotene Welt
STAR GATE – Staffel 2 – 019-020: Die Zeit ist eine Falle
Viel Freude beim Lesen dieser umfassenden Kompilation!
Euer Wilfried A. Hary (Hrsg.)
„Das ewige Meer“
Wilfried A. Hary:
„Das Paradies – wenn man bereit ist zu sterben!“
Sie wurde als letzte Mitglied der Crew der Psychonauten. Die ehemalige Top-Terroristin. Und noch immer wissen sie so gut wie gar nichts über sie.
Das soll sich jetzt ändern, auf einer gefährlichen Welt, die sich als tödliche PSI-Falle entpuppt. Und am Ende werden sie sich wünschen, es niemals erfahren zu haben…
1
Rydlap ging auf die Steinzeitmenschen zu, die ihm stumm entgegen blickten. Ihre Posen waren eindeutig drohend, aber ihre Mienen erschienen beim Näherkommen stumpfsinnig, als würden sie unter starken Drogen stehen.
Rydlap begriff, dass sie nicht wirklich Herren ihrer eigenen Sinne waren, und jetzt taten ihm diese Menschen schier unendlich leid.
Was waren das nur für Wesen, diese KeSan? Wären es Menschen gewesen, hätte er sie als Soziopathen beschimpft oder schlimmer noch als Psychopathen. Sie kannten kein Mitleid. Sie kannten nur sich selbst, ihre eigene Gemeinschaft, und sonnten sich in ihrer Macht über diese Welt mit dem eigenartigen Namen SIRTOSE. Das klang beinahe wie eine Krankheit – und das war diese Welt auch: Im höchsten Maße krank!
Eigentlich völlig sinnlos!, dachte er auf einmal und blieb dicht vor der Front von Steinzeitmenschen stehen. Die KeSan spielten mit Menschen wie Kinder mit Puppen. Für sie war die Landung der TSCHARMARA nichts weiter als die Gelegenheit für einen weiteren Zeitvertreib. Ob ihnen überhaupt klar war, dass sie mit diesem Raumschiff ihren Planeten hätten verlassen können?
Er erschrak unwillkürlich, als er daran dachte. Was er da gerade in Erwägung gezogen hatte… Ein schrecklicher Gedanke. Diese KeSan würden die Plage des Universums werden. Ihre Rücksichtslosigkeit, ihre kompromisslose Selbstbezogenheit… Sie nahmen sich alles heraus, auf Kosten anderer Lebewesen. Schlimmer ging es eigentlich nicht mehr. Eine wahre Horror-Spezies auf einer wahren Horror-Welt. Und dann dieses große Raumschiff, die TSCHARMARA. Wie viele konnte der Frachter mit an Bord nehmen, als Gedankenkollektiv?
Es ist wie bei einer Séance, nur ungleich mächtiger, weil ungleich viel mehr sich daran beteiligen!, dachte er bestürzt. Vielleicht Tausende. Nein, eher doch Millionen. Oder gar… Milliarden? Immerhin eine Spezies, die alles überlebt hat, trotz ihrer zerbrechlichen Erscheinung. Selbst ein Kleinkind hätte gegen sie einen Kampf gewinnen können. Wenngleich nicht auf PSI-Basis…
Im nächsten Augenblick gab es einen weiteren Szenenwechsel für ihn. Die KeSan teleportierten ihn weg von den Steinzeitmenschen und weg von der Gruppe KeSan, die zuletzt zu ihm gesprochen hatte.
Vollkommene Dunkelheit umgab ihn.
*
Er musste seine Parakräfte bemühen, um das Dunkel zumindest für sich selbst aufzuhellen. Das Ergebnis war nicht genauso wie am helllichten Tag, aber er konnte jetzt sogar Details erkennen, sofern sie groß genug waren. Vergleichbar mit jemandem, der seine Brille vergessen hatte.
Das Innere eines Raumschiffes! Eindeutig! Eines ziemlich alten Raumschiffes, denn der unaufhaltsame Zahn der Zeit hatte seine Spuren hinterlassen.
Die damalige GRAMALIPUR?
Obwohl es hier nichts anderes gab als ihn, Rydlap Aloschan.
Nein, das kann nicht sein, berichtigte er sich selbst, sonst wäre es mir möglich, mich in Sicherheit zu teleportieren, aber diese Gabe ist nach wie vor blockiert von einer unbekannten Kraft.
Die von den KeSan ausging?
Wieso bezweifelte er dies auf einmal?
Es war diese Tatsache, dass er sich in dem Innern der uralten GRAMALIPUR sah. Die KeSan und ein Raumschiff? Ohne selbst hier anwesend zu sein? Und es konnte sich in der Tat nur um eines der Siedlerschiffe handeln, die vor siebentausend Jahren auf SIRTOSE niedergegangen waren.
Was aus den Siedlern von damals geworden war, das wusste er ja jetzt, anhand des Zustandes, in dem sich ihre fernen Nachfahren befanden, die eindeutig zurückgefallen waren auf die Stufe von Steinzeitmenschen.
Wieso hatten die KeSan dies überhaupt getan? Wieso hatten sie nicht die technisch-kulturellen Wurzeln der Siedler für eigene Zwecke benutzt?
Darauf schien es nur eine einzige gültige Antwort zu geben:
Weil sie es als Spezies nicht nötig hatten!
Sie hatten ihre PSI-Fähigkeiten. Diese hatten sie nicht nur überleben lassen, sondern sie gegenüber den Menschen überlegen gemacht. Wozu sollte ihnen also Technik dienen? Wozu sollte sie gut sein?
Wieso sollten sie dann überhaupt an der GRAMALIPUR interessiert gewesen sein bis heute?
Und weil Technik und menschliche Kultur sie in keiner Weise interessierten, hatten sie dies auch nicht für die Menschen vorgesehen gehabt, die sie beherrschten wir Götter.
Er lauschte in sich hinein.
Da war keine Stimme mehr, die zu ihm sprach. Als hätten die KeSan ihn hierher teleportiert, um ihn erst einmal los zu sein.
Und wieso ausgerechnet an Bord des uralten Schiffes, dessen Existenz schon wie ein unlösbares Rätsel erschien?
Neugierig ging Rydlap zu dem Durchgang, der in eine Art Tunnel führte.
Nein, das war kein Tunnel, sondern ganz einfach einer der Quergänge. Die Siedlerschiffe von damals waren ganz anders aufgebaut gewesen als die Schiffe neuerer Bauart. Allein schon aus Gründen der Zweckmäßigkeit. Die Siedler waren eng zusammengepfercht worden und konnten die Übersiedlung eigentlich nur überstehen, weil man sie in eine Art Tiefschlaf versetzt hatte. Nicht so weitgehend wie in einem Cryotank, sondern lediglich mit Medikamenten hervorgerufen, die direkt in die Blutbahn eines jeden Siedlers gespritzt wurden, aber immerhin ausreichend waren für mehrere Monate, bevor sie von allein wieder erwachten. Richtige Cryotanks gab es nur für die Kernbesatzung.
Er ging den tunnelartigen Gang entlang, an einigen verschlossenen Metalltüren vorbei, und erreichte schließlich den Zentralschacht.
Das Schiff musste riesig sein. Wie viele Siedler hatte es mitgeführt? Nicht nur Siedler, sondern auch Tiere und Pflanzen. Ganz zu schweigen von Baumaterialien, um eine erste Siedlung aus dem Boden zu stampfen, einschließlich entsprechender Gerätschaften für die Bauarbeiten.
Und das Entdeckerschiff PERSIANUS hatte ja empfohlen, für die entsprechende Sicherheit einer Siedlung zu sorgen. Umso mehr Baumaterial musste mitgeführt werden. Zum Beispiel für einen Umgebungswall, der natürlich mit Verteidigungswaffen ausgerüstet werden musste.
Ein solches Schiff wie die GRAMALIPUR war nicht dazu gedacht, nach der Landung jemals wieder den Planeten zu verlassen. Dafür hatte es Beiboote gegeben. Seiner Schätzung nach mindestens zehn.
Insgesamt waren es damals wohl zwei Schiffe gewesen. Also kam man auf mindestens zwanzig Beiboote.
Er schaute in den abgrundtiefen Schacht hinunter.
Dies war der Moment, an dem er zum ersten Mal die Stimme hörte, und sie klang völlig anders als die geistige Stimme der KeSan – eindeutig weiblich:
„Herzlich willkommen, Geliebter!“
Geliebter?
Er schaute sich aufmerksam um, aber da war niemand.
Dann schaute er auf die andere Seite des Schachtes, in die Öffnung dort. Es war das Ende eines Ganges wie der, den er benutzt hatte.
Insgesamt führten sechs Gänge vom Zentralschacht ab, sternenförmig. Normalerweise befand sich im Zentralschacht ein Antigravitationsfeld, aber hier schien es keinerlei Energie mehr zu geben. Deshalb die Dunkelheit. Und natürlich war auch keine Energie mehr da für das Antigravitationsfeld.
„Ich bin hier, Geliebter!“
Nein, diese Stimme war nicht direkt in seinem Kopf aufgeklungen, sondern er hatte sie über seine Ohren vernommen.
Oder irrte er sich?
Da war auf einmal eine Bewegung auf der anderen Seite. Da stand jemand.
Er bemühte sich, Einzelheiten zu erkennen, doch das gelang ihm nur mit äußerster Mühe, als würde es jemand verhindern wollen.
Eine Frau!
Und es war eine Frau, die ihm verdammt bekannt vorkam.
„Ailinia Kromak?“, entfuhr es dem verdutzten Rydlap Aloschan. „Seit wann nennst du mich Geliebter?“
*
„Ich bin nicht diese Ailinia Kromak. Ich kenne den Namen noch nicht einmal. Ich bin die Seele dieses Schiffes, vielleicht sogar des ganzen Planeten, falls es in deinen Ohren nicht zu hochtrabend klingt.“
„Die Seele des Planeten?“ Es war offensichtlich, dass Rydlap jetzt überhaupt nichts mehr verstand. „Verdammt, was geht hier ab? Wieso haben mich die KeSan entführt, haben mir diese verwilderten Menschen gezeigt und mich anschließend hierher gebracht? Deinetwegen?“
Sie lachte leise.
„Ja und nein!“, antwortete sie orakelhaft.
Sie tat nur einen Schritt und stand im nächsten Moment neben ihm.
Erschrocken fuhr Rydlap vor ihr zurück.
Es wurde ihm zum ersten Mal bewusst, wie wunderschön Ailinia eigentlich war. Und er war ein Psioniker. Also konnte sie ihm nichts vormachen. Er sah sie so, wie sie wirklich aussah.
„Dann gefalle ich dir?“, säuselte sie.
Verdammt, sie hat meine Gedanken gelesen!, ärgerte er sich im Stillen. Dann verstärkte er seine Blockade, damit das nicht mehr passieren konnte.
„Du siehst aus wie sie, behauptest aber, sie nicht zu sein?“
„Ich weiß nicht, wen du meinst. Bist du nicht Rydlap Aloschan? Ein Angepasster, ein Mutant. Du bist der Abkömmling einer frühen Siedlungswelle. Die Siedler auf deinem Planten haben sich an die Gegebenheiten angepasst und sich körperlich ziemlich stark verändert, wie ich zugeben muss. Aber du bist dennoch etwas Besonderes. Oder gerade deswegen? Und du bist zeugungsfähig. Das hat mein Scan gezeigt. Denn so viel Energie gibt das Schiff noch her.“
„Was, zum Teufel, willst du von mir? Und noch einmal: Wieso haben mich die KeSan zu dir gebracht?“
„Aber Liebling, die KeSan haben dich gar nicht zu mir gebracht, das habe ich selbst getan! Die KeSan dünken sich nur als die Herren dieser Welt und behandeln die Menschennachfahren wie ihr persönliches Spielzeug, aber doch nur, weil ich sie gewähren lasse.
Die eigentliche Macht von SIRTOSE, das bin allein ich!
Genauso wie die KeSan die Menschen benötigen, um mittels derer zu Intelligenz zu gelangen, genauso benutze ich sie wiederum, weil ich damit meine psionischen Fähigkeiten bis schier ins Unendliche zu steigern vermag. Leider jedoch bin ich an diesen Planeten gebunden gewesen, all diese Zeit. Doch jetzt bist du ja da, und du hast sogar ein großes Schiff mitgebracht.“
„Was hast damit vor?“, rief Rydlap alarmiert.
„Aber ist das denn nicht offensichtlich, Liebling? Wir werden gemeinsam an Bord gehen und viele dieser KeSan mitnehmen. Menschen von der ursprünglichen Besatzung benötigen wir dabei keine. Sie sind sowieso dabei, sich gegenseitig umzubringen, zum Vergnügen der KeSan. Mit der TSCHARMARA kann ich endlich diese Welt verlassen, und die mitgenommen KeSan werden mein Potenzial enorm erweitern helfen.“
„Und wohin willst du fliegen? Glaube ja nicht, dass du so ohne weiteres gegen die Raumflotte von KYPHORA ankommst.“
„Aber das will ich doch gar nicht, Dummerchen. Ganz im Gegenteil: Haben wir nicht alle Zeit der Welt? Und sind wir nicht Mann und Frau? Ich bin immer noch in der Lage, Kinder zu kriegen – und du ein fruchtbarer Mann.
Stelle dir vor, welche Kinder aus einer solchen Verbindung hervorgehen. Mit deinen Lenden wirst du das neue Menschengeschlecht erschaffen. Unsere Kinder werden Psioniker sein. Deine Fähigkeiten und speziell die Fähigkeit zur Teleportation – und meine Macht werden unserer eigenen Rasse zum Ruhm verhelfen. In ein paar tausend Jahren spätestens werden unsere Nachkommen das Universum erobert haben. Sind das nicht wunderbare Aussichten?“
„Vergiss es!“, schnappte er.
Und dann packte er sie brutal an den Schultern und hielt sie fest.
„Oh, du tust mir weh, Geliebter!“, beschwerte sie sich.
„Dann lass mich wieder frei – und meine Gefährten. Wir sind immun als Psioniker. Du kannst uns zu nichts zwingen, trotz deiner Macht.“
„Das ist wohl wahr, Geliebter, aber wie willst du verhindern, dass es so kommt, wie ich es dir gerade erklärt habe?“
„Indem ich dich zwinge!“
Sie kam mit ihrem Mund ganz nah an sein Ohr – und dennoch wurde ihm endlich klar, dass er ihre Stimme gar nicht über die Ohren hörte. Und mit einem Schlag wurde ihm noch einiges mehr klar…
*
„Stürze dich mit mir in die Tiefe. Das ist die einzige Chance, mich zu besiegen!“, flüsterte die Stimme in seinem Kopf.
Rydlap Aloschan, der Teleporter aus der Psychonauten-Crew um Kommandant Rixx Nammorrp, war sicher, dass dieses Wesen, das in seinen Kopf eingedrungen war, ihn belog. Und er spürte eine Anspannung in seinen Lenden, die er so schon lange nicht mehr gespürt hatte.
Da war sein Verlangen, seine Begierde und dort ein unbändiger Wille, ihn zu beherrschen und notfalls sogar zu vernichten.
Daher war er sich sicher, dieser Einflüsterung keinen Glauben schenken zu dürfen, weil die primitive Begierde dahinter viel zu stark war – so stark eben, dass sie sogar auf ihn übergriff…
Trotzdem – oder gerade deswegen? – tat er jetzt, was sie von ihm verlangte: Er stürzte sich gemeinsam mit ihr in die Tiefe des Zentralschachtes.
Immerhin erschien ihm in diesem Moment ein rascher Tod besser als alles, was dieses Wesen, das so aussah wie Ailinia, ihm für die gemeinsame Zukunft vorausgesagt hatte…
*
Kapitän Vichra Donal sah seine Mutter, und er fürchtete sich wie immer, wenn er seine Mutter sah. Sie erschien so riesig, so mächtig, so gewaltig. Und schon wieder schnappte sie ihn und drückte ihn an ihren wogenden Busen. Ihre Damenbartstoppeln kratzten über sein zartes Kindergesicht.
Es tat einfach nur weh.
„Komm, mein Liebling, gib Mama einen Kuss!“, säuselte sie, aber es klang in seinen Ohren wie eine Todesdrohung.
„Du – du hast heute schon einen bekommen“, versuchte er sich herauszureden.
Doch sie ging nicht darauf ein. Schon wieder kratzten ihre Stoppeln wie die Enden von glühendem Draht über seine zarte Jungenhaut.
„Mama, nein!“, schluchzte er und ließ sich einfach zu Boden fallen. „Mama, bitte, nicht wieder drücken. Du – du brichst mir ja die Knochen!“
Sie hörte nicht auf sein Betteln und Flehen. Sie ignorierte sein erbärmliches Schluchzen. Sie nahm ihn wieder auf, drückte ihn an ihre wogenden Massen.
Im nächsten Moment sah er sie in der Küche. Irgendetwas kochte sie, und sie kochte für ihr Leben gern. Und wenn sie das tat, kümmerte sie sich nicht um ihn. Das war die Zeit, in der er aufatmen durfte, in der es ihm gut ging.
Jetzt hatte er nur noch ein Problem: Er wollte quer durch diese Küche. Es war ja nicht das erste Mal. Er musste nur geduldig sein – und höllisch aufmerksam.
Seine Mutter war eine dralle Persönlichkeit. Inzwischen war er gottlob gewachsen, nicht mehr ganz so klein. Es tat auch bei weitem nicht mehr so weh, wenn ihre Damenbartstoppeln über sein Gesicht kratzten. Weil er eben älter geworden war. Immerhin schon neun Jahre alt.
Mutter tat alles für ihn – und noch viel mehr. Soviel, dass es ihm schon immer mehr als genug war. Doch es hörte niemals auf. Jeder Wunsch wurde ihm von den Augen abgelesen, nur nicht der Wunsch, ihn endlich mal in Ruhe zu lassen. Und es gab wirklich keinen Wunsch, der größer hätte sein können.
Jetzt musste er nur noch irgendwie unbeschadet durch die Küche gelangen.
Sie wechselte von einer Seite zur anderen, hektisch wie sie nun einmal war. Konzentriert auf jeden einzelnen Vorgang während ihrer geliebten Arbeit.
Es würde wieder Unmengen von Essen geben. Er würde sich wieder vollstopfen müssen bis schier zum Erbrechen. Zum Gespött seiner Mitschüler werden, weil er mit Abstand der Dickste in der Klasse war. Wenn er dabei nicht so stark gewesen wäre, hätten sie ihn wohl offen gehänselt, nicht nur hinter seinem Rücken gelästert, aber jeder wusste, dass er sich nichts gefallen ließ. Niemals. Außer eben daheim, von seiner Mutter, die ihn mehr liebte als für ihn jemals hätte gut sein können.
Der Weg durch die Küche. Er versuchte, ein gewisses Bewegungsschema zu erkennen, auf das er sich einstellen konnte. Bis er endlich sicher sein konnte, zum richtigen Zeitpunkt zu starten.
Er startete. Sie wandte sich gerade auf die rechte Seite der Küche.
Nein, bitte nicht: Sie hatte anscheinend auf der linken Seite etwas vergessen und wandte sich jetzt blitzschnell um.
Sie hatte ziemlich dicke Arme, dicker als sein Kopf auf jeden Fall. Nur die Ellenbogen lugten spitz daraus hervor – und erwischten ihn genau an der Schulter. Mit einer solchen Wucht, dass er umfiel und ziemlich hart am Boden aufkam.
„Was stehst du mir denn immerzu im Weg herum?“, schnauzte sie ihn an.
Sofort tat ihr der barsche Tonfall wieder leid. Sie hob ihn freischwebend vom Boden auf und drückte, herzte und küsste ihn, bis er endlich nach Luft schnappend wie ein Fisch auf dem Trockenen wieder frei gelassen wurde.
Zumindest war er jetzt auf der anderen Seite der Küche angelangt: Ziel erreicht.
Er schaute sich um und stutzte.
Plötzlich war die Umgebung nicht mehr die Küche. Es war eine seltsame Umgebung. Wie war das noch auf der Militärakademie gewesen? Er hatte sich zu allem freiwillig gemeldet, nur um mal wieder den Urlaub nicht wahrnehmen zu müssen. Dann hatte er zumindest eine gute Ausrede parat gehabt, nicht nach Hause zu fliegen. Wenn er mit seiner Mutter nur telefonierte, konnte sie ihn nicht herzen und küssen.
Oh, seine Einsatzfreudigkeit wurde von der Raumflotte belohnt. Er machte Karriere. Bis zum Ende seiner Dienstzeit als Soldat. Danach durfte er zwar noch freiwillig verlängern in der Raumflotte von KYPHORA, aber nicht mehr auf einem Kriegsschiff als Offizier, sondern er bekam sein eigenes Kommando. Leider nur auf einem Frachtschiff namens TSCHARMARA.
„Mama!“, entfuhr es ihm, und seine Augen weiteten sich entsetzt.
Das da vor ihm, war das wirklich seine Mutter? Gott, wie konnte sie sich nur dermaßen verändern?
Und was war das eigentlich, was sie da an hatte? Eine Art Lederrüstung wie eine Amazone? Wobei das Leder mehr Haut zeigte als dass sie beschützte? Ja, schämte sie sich denn nicht?
„Mama?“, wunderte sie sich jetzt ihrerseits.
Er schüttelte entsetzt den Kopf.
„Was ist los mit dir? Seit wann bist du so schlank? Und was soll dieser Aufzug? Das sieht ja aus wie bei den Edelnutten auf einer der Randwelten!“
„Sprichst du wirklich so mit deiner Mutter?“, hörte er sie keifen. Die Stimme war die ihrige, ganz eindeutig, aber wieso bewegten sich dabei nicht die Lippen von der, die da vor ihm stand?
Jetzt holte diese aus und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
Ja, das war sie wieder, seine Mutter. Als er schon erwachsener gewesen war. Sie hatte ihn mit einem Mädchen gesehen, und den Umgang mit Mädchen hatte sie ihm ausdrücklich verboten. Deshalb hielt er sich bis heute daran. Aber das war doch nur eine gewesen aus der Parallelklasse. Sie hatte seine Hilfe haben wollen bei einer Aufgabe. Da war doch nichts weiter dabei gewesen.
Der nächste Hieb, jetzt auf die andere Wange, dass sein Kopf zur Seite flog. Es brannte wie Feuer.
Er ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten und hätte sich beinahe gewehrt. Aber doch nicht gegen seine leibliche Mutter!
„Ich bin nicht deine Mutter, verdammt noch eins, Kapitän Bärbeißig!“, fauchte sie ihn wütend an.
„Bist du nicht?“ Er schüttelte benommen den Kopf. „Bist du doch!“
„Soll ich dir noch ein paar rein geben oder was, damit du endlich wach wirst, Arschloch?“
Er blinzelte verwirrt. Und irgendwie spürte er etwas im Kopf. Wie ein Tasten. Ziemlich rücksichtslos sogar, dieses Tasten, und er konnte sich genauso wenig dagegen wehren wie gegen die überbordenden Liebesbezeugungen seiner Mutter damals, während seiner Kindheit.
Aber er war gar kein Kind mehr.
Total verwirrt schaute er umher. Das war doch die Zentrale eines Raumschiffes. Ja, klar, das war die Zentrale der TSCHARMARA.
Sein Blick blieb an der Frau vor ihm hängen.
Und wer war diese da?
„Ich bin Silif von Nirgendwo. Angenehm, Bärbeißig. Freut mich überhaupt nicht, dich näher kennenzulernen, aber zumindest habe ich hiermit mein Versprechen eingelöst, dir eine rein zu hauen. Es wurden ja sogar zwei daraus. - Na, inzwischen zurück von dem Trip mit deiner Mutter?“
Sie grinste unverschämt.
Zorn packte ihn und ließ ihn prompt unüberlegt handeln. Immerhin hatte sie ihm zweimal eine runtergehauen, dass seine Wangen immer noch brannten wie Feuer und anscheinend sogar leicht geschwollen waren. Das durfte er sich als Mann doch nicht gefallen lassen.
Er schickte seine Faust auf die Reise, doch dort, wo diese treffen sollte, war niemand mehr. Wie, zum Teufel kam diese Silif plötzlich hinter ihn und klopfte ihm ziemlich hart auf den Hinterkopf?
„Au!“, brüllte er, rieb sich mit der Hand die schmerzende Stelle und wirbelte herum.
„Vorsicht, Freundchen, wenn du keinen Frieden gibst, kriegst du mächtig Saures. Ich haue dich windelweich. Das kann ich dir versprechen. Lege dich niemals mit Silif von Nirgendwo an, hörst du?“
Er hörte es nicht nur, sondern verstand es sogar.
Im nächsten Moment wusste er, woher er diese Frau kannte: Das war doch eine dieser Verlausten aus dem stinkenden Blechhaufen von einem Raumschiff, das im großen Hangar des Schiffes stand!
Verdammt, was war überhaupt los hier?
„Du warst irgendwie beeinflusst, in den Wahnsinn getrieben, was auch immer. Und jetzt bist du davon wieder frei.“
Hatte die gerade seine Gedanken gelesen?
„Ja, hat sie, und sei froh darum, sonst hätte ich dir nicht helfen können.“
Das war der Zeitpunkt, an dem Silif das telepathische Signal bekam von Rixx…
2
Der Sturz erschien ihm endlos. Vergeblich versuchte er, sich in Sicherheit zu teleportieren. Doch die Blockade hielt an. Und die jung wirkende Frau, deren Schultern er fest umpackt hielt, lächelte nur – und löste sich in Nichts auf.
Er fiel immer noch in die endlose Dunkelheit. Es schien in diesem Zentralschacht überhaupt keinen Boden zu geben.
Nein, es konnte sich nicht um eine Illusion handeln. Dagegen war er immun. Da konnte diese Kopie von einer Ailinia so mächtig sein wie sie wollte. Wäre sie wirklich in der Lage gewesen, ihm eine Illusion vorzugaukeln, hätte sie das längst schon vorher getan.
Da durchzuckte es ihn siedend heiß: Hatte sie das denn nicht schon? Er hatte sie an den Schultern gepackt, ganz fest. Und jetzt hatte sie sich einfach aufgelöst?
Nein, sie war nicht teleportiert. Das hätte er bemerkt. Sie war einfach deshalb so spurlos verschwunden, weil sie gar nicht… existiert hatte. Nicht wirklich jedenfalls.
Und wie hatte sie es dann geschafft, ihm dieses Abbild von Ailinia vorzugaukeln?
Er spürte Boden unter den Füßen und wirbelte einmal um die eigene Achse.
Der Boden des Zentralschachtes. Auch hier führten Gänge sternenförmig ab.
„Wende dich von dir aus gesehen nach links. Dort kommst du zu den Cryotanks – und zu mir, Liebling!“
Er zögerte, schaute immer wieder lauernd umher.
Das Schiff schien im Ganzen völlig intakt zu sein. Zumindest von seiner Bauweise her. Sicherlich hatten die ersten Siedler das Schiff ausgeschlachtet für ihre Siedlung. Oder waren sie gar nicht mehr dazu gekommen, weil die KeSan schon gleich die Macht über sie bekommen hatten?
„Ailinia?“, murmelte er vor sich. Obwohl sie behauptet hatte, diesen Namen gar nicht zu kennen. Aber woher wusste sie dann, wie Ailinia aussah?
Aber wusste sie das wirklich?
Ihm stockte unwillkürlich der Atem. Was, wenn sie in Wirklichkeit so aussah wie Ailinia. Eine solche Ähnlichkeit… Das konnte doch unmöglich ein Zufall sein.
Er wusste ja nicht, in welchem Zustand sich Ailinia Kromak an Bord des namenlosen Schiffes befand. Er wusste auch nichts davon, dass Ailinia irgendwann von hier weggeflogen war. Vielleicht konnte man sogar sagen: Sie floh von hier?
Vor wem oder vor was?
Er wusste zwar nichts über die Zusammenhänge, doch er würde zumindest eines jetzt herausfinden können: Wer die Frau war, die so aussah wie Ailinia!
Hatte sie nicht gesagt, dass sich in diesem Gang vor ihm die Cryotanks befanden?
Er wusste, dass nur die Besatzung sie benutzen durfte, nicht die Siedler. Die Tanks waren aus Sicherheitsgründen an Bord. Damit die Besatzung wenn nötig Jahrtausende überleben konnte. Beispielsweise beim Ausfall des Sternenantriebs.
Die Siedler würden das zwar nicht überstehen können, jedoch die Kernbesatzung. Und die Tanks wurden nach der Besiedlung umgeladen auf eines der Beiboote. Die Besatzung durfte den Planeten wieder verlassen. In Cryotanks. Das war der Deal. In einem Schiff, das nur unterlichtschnell fliegen konnte.
Es wurde sogar behauptet: Heute noch kamen solche Schiffe an, Jahrtausende nach den Besiedlungswellen, mit Besatzungsmitgliedern von damals, die man nur wieder auftauen musste.
Egal, ob das wirklich stimmte oder nicht: Oft kam es sicherlich nicht mehr vor, aber es konnte sie trotzdem noch geben. Und dadurch erfuhr man manchmal auch, was auf dem einstigen Zielplaneten passiert war. Zumindest bevor die Besatzung wieder das Weite gesucht hatte. Falls sie überhaupt den Zielplaneten hatten verlassen wollen, denn das war ihnen ausdrücklich freigestellt gewesen. Es gehörte zu ihrem Vertrag.
Das war es, was ihm durch den Kopf ging, als er den Gang entlang schritt.
„Die nächste Tür links, Liebling. Ich habe es dir ja versprochen: Stürze dich mit mir in die Tiefe, das ist die einzige Chance, mich zu besiegen. Und du hast mich besiegt.“
„Das nennt man nicht besiegt, sondern erobert“, meinte er zerknirscht. „Und außerdem wollte ich dich nicht erobern, aber ich muss zugeben, ich bin mächtig neugierig auf dich.“
„Die Tür lässt sich leider nur mechanisch öffnen. Ich könnte es mit PSI, aber das wäre halt nicht so romantisch, nicht wahr? Immerhin ist es unser erstes echtes Kennenlernen, und da muss zumindest ein wenig die Atmosphäre stimmen. Wollen wir nicht mit unseren Kindern und Kindeskindern das Universum erobern?“
„Ja, wollen wir. Ich kann mir nichts vorstellen, was ich lieber täte!“, log er.
Sie schien es nicht zu durchschauen.
Er suchte nach einem Öffnungsmechanismus und fand tatsächlich eine Türklinke. Wann hatte er so etwas das letzte Mal gesehen?
Er betätigte sie vorsichtig, und die Tür ließ sich problemlos öffnen. Sie quietschte noch nicht einmal in den Angeln, auch nach Jahrtausenden nicht, als hätte man sie frisch geölt.
In dem Raum dahinter standen fünf Cryotanks in Reihe und Glied, aber nur einer war aktiviert, versorgt mit einer eigenen Energieversorgung. Man sah es an den Anzeigen am Fußende.
Mit gemischten Gefühlen trat Rydlap näher. Es war ja nicht der erste Cryotank in seinem Leben, den er zu Gesicht bekam, aber diesmal schlug ihm das Herz schier bis zum Hals. Er war nicht nur nervös, sondern er hatte regelrecht Angst vor dem, was ihn erwartete.
Der Deckel war undurchsichtig, außer einem Guckfenster in Gesichtshöhe.
Rydlap wagte es, hinein zu sehen.
Im Innern war es dunkel. Die Messanzeigen warfen zu wenig Licht ab, um etwas erkennen zu können, aber für ihn und seine PSI-Kräfte war es kein Problem. Und insofern wurde er auch nicht blockiert.
Es war eindeutig das gleiche Gesicht wie das von Ailinia.
Wie war so etwas überhaupt möglich?
Er schüttelte den Kopf darüber.
„Willst du jetzt von mir geweckt werden - Liebes?“
„Ja, Liebling, tu es!“
„Nach wie langer Zeit?“
„Seit der Abreise damals von KYPHORA.“
„Wie bitte?“
„Ja, du hast richtig gehört, mein Schatz. Sie haben mich vor siebentausend Jahren in diesen Tank gesteckt, gemeinsam mit meiner Schwester im Nebenraum. Aber nur unsere Körper wurden in diesen Tiefschlaf versetzt, nicht unser Geist. Dieser war frei und konnte sich unbehindert auf dem ganzen Schiff bewegen. Wir haben die gesamte Reise wach überstanden.“
„Deine… Schwester?“, hakte er nach und hielt unwillkürlich den Atem an. Es dämmerte ihm ein schlimmer Verdacht.
„Ja, wie gesagt, im Nebenraum.“
„Und wo befindet diese sich jetzt? Immer noch im – Nebenraum?“
„Sie blieb nicht lange. Irgendwann nach der Ankunft der GRAMALIPUR auf SIRTOSE hat sie ihren Tank verlassen und mir mitgeteilt, dass sie eines der Beiboote nehmen wird, um den Planeten zu verlassen.
Zu einem späteren Zeitpunkt wollte sie dann zu mir zurückkehren.
Ich wollte nicht, dass sie überhaupt ging, wollte sie aufhalten, aber damals war ich noch nicht so mächtig wie heute. Ich kam nicht gegen sie an. Sie entwischte mir, wobei sie auch noch ihren Cryotank an Bord mitnahm. Um niemals mehr zurückzukehren.
Bis vor kurzem. Ist es eine Stunde her oder ein Tag? Ich habe manchmal keinen Zeitbegriff mehr. Aber ich habe sie gespürt. Als wäre sie zurückgekehrt.
Ich wollte ihr heimzahlen, dass sie mich dermaßen im Stich gelassen hat, obwohl wir uns damals auf KYPHORA versprochen hatten, uns gegenseitig für alle Ewigkeit zu unterstützen und immer füreinander da zu sein, unter Einsatz unseres eigenen Lebens.“
„Und dann?“, erkundigte er sich bang.
„Ich muss mich geirrt haben. Sie ist nicht da. Obwohl ich jetzt schon die ganze Zeit über nach ihr suche. Vielleicht hat es mich nur irritiert, weil du mit fünf Psionikern gekommen bist? Wir beide, meine Schwester und ich, wir waren die einzigen Psioniker wahrscheinlich auf ganz KYPHORA damals. Deshalb hat man uns mitgeschickt. Wegen der KeSan, weil die ja auch psionisch sein sollten. Wir sollten hier aufgeweckt werden, um uns um diese Spezis zu kümmern. Und dann kam alles ganz anders…“
„Ja, die KeSan haben die Siedler versklavt. Das ist mir bereits klar. Und was war mit dir?“
„Ich habe meinerseits wiederum die KeSan versklavt, ohne dass es ihnen bewusst ist. Bis heute nicht. Dann habe ich dieses Raumschiff hier zuschütten lassen, damit man es nicht mehr sehen kann, um meinen Körper zu schützen, der seitdem immer noch hier ruht. Bis jetzt, wo ich bereit bin, meinem Geliebten persönlich zu begegnen.“
Ailinia!, dachte Rydlap, verzweifelt bemüht, seine Gedanken nicht zu verraten. Sie ist die Schwester, die von hier floh. Und diese hier vor mir weiß gar nicht, dass sie mit dabei ist, spricht tatsächlich nur von fünf Psionikern anstatt sechs außer mir?
Er reimte sich da den Rest zusammen. Und dann machte er sich daran, den Weckvorgang einzuleiten.
Dabei spürte er, dass die Macht dieser noch so jung erscheinenden Frau, die in Wahrheit vor so vielen Jahrtausenden bereits auf KYPHORA geboren worden war, vorübergehend abnahm, weil sie sich auf ihren Körper konzentrieren musste.
Nicht so sehr, dass er sich wegteleportieren konnte, aber doch genügend, um vorübergehend die KeSan nicht mehr in dem Maße kontrollieren zu können, wie sie es bisher getan hatte.
*
Rixx fuhr erschrocken herum, als er lautes Stöhnen hörte.
Ailinia kam zu sich. Sie war von einer Sekunde zur anderen hellwach.
„Das ist die Gelegenheit!“, behauptete sie.
„Die Gelegenheit wofür?“, wunderte sich Rixx, und Narrof Rimuk sprang herbei, um Ailinia auf die Beine zu helfen.
Sie wehrte die Hilfe ab.
„Lass nur, Narrof, wir haben vor allem keine Zeit zu verlieren. Meine Schwester…“
„Schwester?“, unterbrach Narrof sie.
„Ja, ich ließ meine Schwester zurück und brach damit meinen Schwur, sie niemals im Stich zu lassen. Aber sie wollte ja auch nicht mit mir von hier wegfliegen. Zumal mit einem Beiboot, das zu seinem Ziel Jahrtausende benötigte.
Ich habe ja schon erwähnt, wie ich diese Jahrtausende verbrachte, in wachsendem Wahnsinn. Und meine Schwester blieb zurück und erlangte offensichtlich die Macht über die KeSan, während diese wiederum die Siedler und alle ihre Nachkommen versklavten.“
Sie schöpfte tief Atem. Dann machte sie eine umfassende Geste.
„Es gibt hier von der Besatzung, den Wissenschaftlern und den Soldaten nur noch wenige Überlebende inzwischen. Sie kämpften gegen einen nichtvorhandenen Feind – und gegen sich selbst. Bis zum Tode.“
„Was, um alles in der Welt, können wir tun, um sie aufzuhalten? Was hat sie eigentlich vor? Will sie uns alle vernichten?“
„Ja, außer einem: Rydlap Aloschan!“
„Woher weißt du das auf einmal?“, erkundigte sich Rixx misstrauisch.
„Wir sind innerlich noch immer miteinander verbunden. Wir kamen beide von KYPHORA, wo wir als die einzigen Psioniker galten. Natürlich waren wir streng geheim. Wir reisten mit hierher, um uns um die KeSan zu kümmern, was meine Schwester ja auch heute noch tut. Und jetzt will sie mit Rydlap Aloschan Kinder bekommen, die seine und ihre Fähigkeiten in sich vereinen. Um eines Tages die dominante Rasse im Universum zu werden.“
„Das ist doch der reine Wahnsinn!“, rief Narrof.
„Ja, ist es, da hast du völlig recht. Aber zunächst einmal ist wichtig, dass wir dem armen Rydlap aus dieser Patsche helfen, ehe es zu spät ist. Meine Schwester steckt in einem Cryotank, immer noch, seit damals, und Rydlap ist gerade dabei, ihren Körper wiederzubeleben. Das schwächt sie nur vorübergehend. Wenn sie einmal vollkommen wach ist, wird sie mächtiger sein denn je. Dann nutzt euch auch eure Immunität nichts mehr, glaubt mir.“
„Und du weißt dies alles jetzt weshalb?“
„Weil ich ihre Erinnerungen lesen kann, während des Weckvorgangs. Ohne dass sie es merkt. Es ist diese Verbundenheit von früher, die ich jetzt gegen sie verwende. Und wenn wir den Augenblick ihrer vorübergehenden Schwäche nicht nutzen, bin auch ich verloren, denn sie wird es mir niemals verzeihen, dass ich sie damals verließ. Für sie war es eben so, als hätte ich sie schmählich im Stich gelassen.“
„Ihre vorübergehende Schwäche nutzen?“, rief Rixx, und es klang eine Spur verzweifelt. „Aber wie?“
„Indem wir ihren Körper töten. Dabei wird ihr Geist gefangen von den KeSan. Sie werden im gleichen Moment erkennen, dass sie niemals die Herren dieser Welt waren, sondern dass sie selber nur benutzt wurden. Das verschafft uns genügend Vorsprung, um von hier zu fliehen. Am besten mit dem namenlosen Schiff. Das ginge am schnellsten. Und wir müssen uns wirklich beeilen, um all jene noch retten zu können, die bis jetzt überlebt haben. Wie den Kapitän beispielsweise oder wie Major Tissram Tschuruss. Wie gesagt: Viele sind es nicht mehr.“
„Séance?“, fragte Narrof.
Rixx nickte nur, und sie setzten sich diesmal nur zu dritt hin.
„Nehmen wir Kontakt auf mit Tonak Nilgro und Silif. Sie müssen sich geistig mit uns verbinden, sonst sind wir nicht stark genug“, ordnete Rixx an, und im nächsten Moment versanken sie in Trance.
*
Der telepathische Ruf erreichte Tonak im gleichen Moment als er die Kanone zerstörte, mit der die Soldaten auf Major Tissram Tschuruss hatten schießen wollen.
Die Miniséance, an der zu seiner größten Überraschung Ailinia teilnahm, übermittelte ihm die neuesten Erkenntnisse mittels Gedankenimpuls.
Und auch Silif war mit dabei, obwohl sie sich in der Zentrale der TSCHARMARA befand, direkt vor dem Kapitän stehend, der nicht schlecht staunte, als sie sich einfach im Schneidersitz auf den Boden hockte und sich in Trance versetzte.
Tonak bekam nicht mehr mit, dass die Soldaten anfingen, sich gegenseitig umzubringen, während der weibliche Major immer weiter davon lief, ohne in ihrem persönlichen Wahnsinn etwas von alledem auch nur zu ahnen.
Die Crew kümmerte sich jetzt erst einmal um Rydlap, der nicht verhindern konnte, dass er erleichtert aufatmete, als der Kontakt zustande kam. Jetzt hätte er die Blockade überwinden können, die einen Sprung verhinderte. Aber genau das war nicht geplant.
Vorerst jedenfalls nicht!
Er öffnete den Cryotank und zog sein Kampfmesser.
Zwar war er kein Krieger wie Silif, Tonak oder Narrof, aber er hatte immer dieses Messer mit dabei. Obwohl es für ihn eher symbolischen Wert hatte.
Die Schöne im Tank merkte in diesem Moment erst, was da vorging. Und dass sie nicht wirklich eine Chance hatte, dem zu entgehen. Ja, wenn Rydlap jetzt nicht die Unterstützung vom Schiff bekommen hätte…
Ihr Geist schrie entsetzlich, und dann erkannte sie ihre Schwester, die sich jetzt Ailinia Kromak nannte!
Sogleich wollte sie ihrem Hass folgen und Ailinia vernichten, nicht beachtend, dass sie selber in der Übergangsphase zum vollständigen Erwachen ihres Körpers aus jahrtausendelangem Kälteschlaf psionisch doch sehr geschwächt war.
Sie hätte es dennoch geschafft, mithilfe der KeSan, deren PSI-Kräfte sie ja beliebig anzapfen konnte. Hätte das Messer nicht rechtzeitig ihre Kehle durchbohrt und ihr Körper im Erwachen zu Verbluten begonnen.
Noch mehrmals stach Rydlap Aloschan zu. Er hatte noch niemals in seinem ganzen Leben einen Menschen töten müssen. Es war das erste Mal, und er wusste, dass er diesen Anblick niemals wieder vergessen würde. Er würde diese grausige Szene immer wieder in seinen Alpträumen nacherleben müssen.
Aber es half alles nichts. Er musste diese schöne Frau unter allen Umständen töten, sonst kam keiner von ihnen mehr lebend davon. Alle waren sie verloren ansonsten.
Und schon wieder schrie ihr Geist. Das allein schon war das personifizierte Grauen.
Verzweifelt versuchte sie, die KeSan alle PSI-Kräfte aufwenden zu lassen, deren sie überhaupt fähig waren, um mit einem letzten Versuch alle zu vernichten, die bis jetzt überlebt hatten, einschließlich der Teilnehmer an der Séance.
Es war der Zeitpunkt, an dem die KeSan endlich die Wahrheit erkannten, weil sich ihr Geist jetzt nicht mehr vor denen verstecken konnte. Denn ihr Körper lebte nicht mehr. Er war für immer ausgeschaltet. Ihr Geist war dadurch plötzlich ohne anderen Bezug außer den KeSan, die ihr die jahrtausendelange Ausbeutung in der Tat sehr krumm nahmen.
Sie gehorchten ihr nicht mehr, versuchten sogar, sie zu vernichten, was ihnen nicht gelingen würde. Soviel stand jetzt schon fest. Zumindest jedoch gewährte dieser auf rein psionischer Ebene stattfindende Kampf um Leben und Tod der Psychonauten-Crew genügend Zeit noch, die letzten Überlebenden zusammenzuraffen, an Bord ihres Schiffes zu bringen und damit schließlich den Hangar zu verlassen.
Dabei war natürlich Rydlap die wichtigste Person. Er teleportierte selbständig nach Anweisungen von Tonak zu Major Srrunn Tschuruss, die aus einem echten Alptraum erwachte und erst gar nicht begriff, wie ihr geschah. Mit ihr teleportierte er sich in die Zentrale des namenlosen Schiffes. Dann kamen der Reihe nach Tonak selbst und Silif dran. Nicht bevor von der Zentrale aus der Hangar geöffnet worden war.
Sobald die Sechser-Séance zusammen war, gesellte sich Rydlap als Siebter in den Kreis. Zu siebt konnten sie jetzt mit Unterstützung von Greeny alle Überlebenden der schrecklichen Katastrophe, die das Frachtschiff auf SIRTOSE heimgesucht hatte, an Bord teleportieren. Noch während die KI das Schiff aus dem Hangar dirigierte und von der Planetenoberfläche startete.
Sie lösten die Séance erst auf, als sie sich im Weltraum befanden, weit genug von SIRTOSE entfernt, um nicht länger in Gefahr zu sein.
„Noch eine der verbotenen Welten ab sofort!“, resümierte Rixx zerknirscht, und Silif wandte sich an Kapitän Bärbeißig und meinte süffisant:
„Na, fühlen Sie sich auch ordentlich wohl an Bord der rostigen Blechbüchse? Und gewöhnen sie sich an den Gestank: Das sind nur wir!“
Keiner konnte darüber lachen. Dafür hatten sie einfach zu viel Schreckliches erlebt in den letzten Stunden…
*
Zwischen dem Kugelsternhaufen, in dem das Restimperium von XAPANAMUR beheimatet war, und der übrigen Galaxis mit schätzungsweise einhundertzwanzig Milliarden Sonnen, gab es den ausgedehnten Sternenschleier. Daher wurde der Kugelsternhaufen bislang noch nicht entdeckt von den Kyphorern, die in der Galaxis die Vorherrschaft hatten mit ihrem „Bund von Dhuul-Kyphora“.
Umgekehrt wusste daher auch niemand innerhalb des Kugelsternhaufens, dass es die Galaxis überhaupt gab. Sie hatten keine Chance, sie auch nur zu sehen, geschweige denn, sie zu erreichen. Dafür wäre STAR GATE-Technik nötig gewesen, die seltsamerweise innerhalb des Restimperiums von XAPANAMUR noch gar nicht erfunden war.
Zu ihrem Glück, denn dann bestand vorerst auch keine Gefahr, von den Kyphorern entdeckt und überrannt zu werden.
Wobei diese allerdings zurzeit durchaus auch noch ganz andere Sorgen hatten.
Eine dieser Sorgen – eine zwar verhältnismäßig kleine, aber für KYPHORA dennoch nicht minder schmerzhafte, war eine kleine Piratencrew, die stets solo blieb und sich niemals einem Kartell anschließen würde, die dennoch bereits seit Jahrzehnten ihr Unwesen trieb.
Bis heute…
*
Der leichte Raumkreuzer war typisch für viele Schiffe innerhalb der Raumflotte von KYPHORA, beziehungsweise des Bundes von Dhuul-Kyphora. Er trug den klangvollen Namen ASZENT.
Klangvoll allerdings nur nach Ansicht seiner illustren Besatzung. Zumal es sich um einen gefälschten Namen handelte. Der echte Name war sorgfältig entfernt und mit dem neuen überpinselt worden. Damals, als die Besatzung den Raumkreuzer der Raumflotte von KYPHORA gestohlen hatte. Um seitdem als Piraten einen beachtlichen Bekanntheitsgrad zu erreichen.
So beachtlich, dass sie zu den meistgesuchten Piraten überhaupt innerhalb des Bundes von Dhuul-Kyphora gehörten!
Daher waren sie ja auch voll in die Falle getappt. Nach erfolgloser Fahndung über Jahrzehnte hatte die Raumflotte endlich einen Erfolg vorweisen müssen. Um nicht endgültig sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Und sie hatten wirklich weder Geld noch Zeit noch Mühe gescheut, um der Piratencrew endlich doch noch habhaft zu werden.
Die kleine Handelsflotte, der sie aufgelauert hatten, um sie um ihre wertvollsten Güter zu erleichtern, hatte sich als eine kleine aber ziemlich schlagkräftige Kriegsflotte entpuppt, gegen die sie nicht den Hauch einer Chance gehabt hatten.
Flucht war angesagt gewesen, und die war ihnen auch tatsächlich gelungen. Nicht ohne einigen Schaden einstecken zu müssen. Durch eine Bombe, die diese Schufte von Kyphorern direkt in ihrem bordeigenen STAR GATE gezündet hatten. Klar, das STAR GATE war natürlich aktiviert gewesen, damit sie sich darüber rechtzeitig in Sicherheit bringen konnten, falls etwas schief ging.
Eine Sicherheitsmaßnahme, die jahrzehntelang richtig gewesen war, um ihnen jetzt jedoch zum Verhängnis zu werden!
Seitdem war der Kreuzer zu zwei Drittel beschädigt, von innen heraus, das Bord-STAR GATE sowieso nicht mehr vorhanden und nur die Energieversorgung und der Antrieb funktionierten noch wie durch ein Wunder.
Weitere Treffer hatten sie durch die geschickten Manöver ihres Piloten nicht einstecken müssen. Also war das pyramidenförmige Außengitternetz für den Raumsprung nicht mehr beschädigt worden.
Sonst hätte ja auch die Flucht nicht mehr gelingen können.
Aber sie hatten ihre Spur hinterlassen. Zum ersten Mal. Eine Spur, die von der Raumflotte verfolgt werden konnte. Nur aus diesem Grund hatten sie es gewagt, ausgerechnet in eine der verbotenen Zonen zu fliehen.
Jetzt standen sie da im Raum, über der Ekliptik des Systems um den als besonders merkwürdig geltenden Planeten SOBI-ARASE.
Alle verbotenen Zonen waren genau beschrieben. Sofern das überhaupt möglich war, denn eine Zone wurde nur dann als verboten erklärt, wenn sie sich als tödlich für jeden erwiesen hatte, der allzu neugierig war.
Merkwürdig an SOBI-ARASE war, dass dieser Planet sich zwar in der habitablen Zone befand, also in jenem Abstand zu seiner Sonne, der Leben ermöglichte, doch bestand er aus einer heißen Strahlenhölle.
Die Ausstrahlung konnten sie bis hierher noch nachweisen, aber nur, weil sie um ihre Besonderheit wussten, auf Grund der Aufzeichnungen. Denn es handelte sich um eine Strahlung bislang unbekannt gebliebenen Ursprungs.
Dieses System war erst vor gut tausend Jahren entdeckt worden. Jegliche Annäherung an SOBI-ARASE – so benannt nach seinem Entdecker, der diese Entdeckung selber nicht überlebt hatte – war bislang tödlich ausgegangen.
Es war das immer gleiche Schema:
Annäherung!
Erster Beobachtungsbericht.
Notruf!
Ende!
„Ausgerechnet hierher?“, erkundigte sich Zirrbezz, der Esper der dreiköpfigen Crew. Er war kein Mensch, sondern ein sogenannter Insektoide, also ein Insektenmensch.
Seine schwarzen Facettenaugen funkelten. Die beinahe menschlichen Hände, in denen die vorderen Extremitäten endeten, ballten sich zu Fäusten. Die vier Beine, auf denen sein Insektenkörper immer leichtschwankend ruhte, zitterten. Auch die beiden Antennen auf seinem Kopf zeigten dieses Zittern.
„Spürst du etwas?“, wurde er gefragt.
„Ja!“, antwortete er, und seine Stimme erinnerte an das modulierte Zirpen einer Grille, nur in einer etwas tieferen Tonlage. „Meine Antennen nehmen Dinge auf, die euch verborgen bleiben, und ich spüre die Anwesenheit der Weltraumdämonen, die hier, am Ende des Leerraumes zwischen den Sternen, auf uns lauern.“
Sein Crew-Kollege und „Geschäftspartner“ Solum-Brass sah aus wie ein ungewöhnlich schlank, aber muskulös geratener Bär, obwohl seine Oberarme nicht in Pranken, sondern in Händen endeten, durchaus menschlichen Händen ähnelnd und mindestens genauso geschickt. Er gehörte einer Rasse an, deren Name niemand aussprechen konnte. Deshalb hatte man sich allgemein darauf geeinigt, diese Wesen Raumbären zu nennen, wogegen keiner von ihnen etwas einzuwenden hatte.
Liebend gern wurden sie als Piloten eingesetzt, weil sie dafür eine besondere Begabung hatten. Dann war man weniger auf die Bord-KI angewiesen. Zumal es seit gewissen Zwischenfällen in ferner Vergangenheit innerhalb des Bundes von Dhuul-Kyphora immer noch sehr große Vorbehalte gegenüber jeder KI gab, der man im Einzelfall lieber nicht zu viel überließ.
Raumbären waren allerdings nicht nur bekannt dafür, besonders geschickte Piloten zu sein, sondern sie hielten in der Regel absolut gar nichts von Glauben und Aberglauben. Deshalb schüttelte er den Kopf über die Äußerung von Zirrbezz.
„Es gibt keine Weltraumdämonen, Zirrbezz. Das ist lediglich ein Mythos.“
„Der allmächtige Weltraumgott stehe dir bei, dass du ausgerechnet angesichts dieser massiven, gegenwärtigen Bedrohung solch ketzerische Äußerungen wagst!“
„Es gibt auch kein allmächtiger Weltraumgott! Sonst hätte er uns wohl vor der Falle gewarnt und wir würden nicht so tief in der Scheiße sitzen!“, mischte sich jetzt der einzige Kyphorer an Bord ein, Monsieur Prolet.
Niemand wusste, wie er wirklich hieß. Er nannte sich halt eben selber, übersetzt in eine menschliche Sprache, in der dies dasselbe bedeutete, Monsieur Prolet und tat in der Regel alles, um der Bezeichnung Prolet auch wirklich gerecht zu werden. Das hieß, man sah ihn immer nur schlampig gekleidet mit so etwas wie einer Uniform, besser gesagt mit etwas, was vielleicht irgendwann einmal Ähnlichkeit mit einer Uniform gehabt haben könnte. Er rasierte sich nur, wenn ihn der Bart allzu sehr beim Saufen zu stören begann, rülpste und furzte in einem Maße, dass sowohl Zirrbezz als auch Solum-Brass alle Mühe hatten, nicht Kyphorer pauschal an ihm zu messen, obwohl ja bekanntlich alle Kyphorer eigentlich wie Menschen aussahen…
„Du ebenfalls, Monsieur?“ Zirrbezz zeigte sich erschüttert.
Monsieur Prolet winkte mit den fleischigen Händen ab, bevor er auf den schweren notfalls panzerbrechenden Blaster an seiner Hüfte klatschte.
„Ich vertraue nur meiner Susi. Damit habe ich auf Top-Taurus immerhin…“
„…über dreißig wild gewordene Dinos in ihre Einzelteile zerlegt – auf einem Haufen wohlgemerkt, nicht etwa hintereinander!“, ergänzte Solum-Brass den altbekannten weil tausendfach zitierten Satz.
„Die Weltraumdämonen gibt es, und sie lauern auf uns! Wir müssen weg von hier, sonst sind wir verloren!“, zirpte Zirrbezz indessen mit beginnender Verzweiflung.
„Um unseren Verfolgern in die Arme zu laufen?“, erkundigte sich Monsieur Prolet. „Ich würde sie ja gern mit dem ewigen Vakuum vereinen, aber unsere Feuerkraft ist halt viel zu gering.“
„Zumal wir keine wirklich funktionierende Feuerkraft mehr besitzen nach mehreren Treffern!“, erinnerte Solum-Brass ungerührt.
„Die Weltraumdämonen…“, zirpte Zirrbezz kläglich.
„…können mich jetzt kreuzweise!“, polterte Monsieur Prolet und kratzte sich den Schmerbauch, wobei sein Hemd vorn ein wenig auseinander klaffte und den übergroßen Nabel frei ließ.
Solum-Brass bemühte sich, nicht hinzusehen.
„Hör mal, Zirrbezz“, bemühte er sich um Versöhnlichkeit. „Wir wissen, dass du ein Esper bist mit Fähigkeiten, von denen wir Normalsterbliche keine Ahnung haben. Deshalb bist du bei uns. Und wir haben dir ja auch zu verdanken, dass wir die letzten Jahrzehnte dermaßen erfolgreich blieben.“
„Bis auf das letzte Mal: Wieso hast du nicht gewusst, dass es eine Falle ist?“, polterte der Monsieur.
So ungehobelt er auch war und so schlampig, mit Waffen kannte er sich aus, und es gab möglicherweise im gesamten Bund von Dhuul-Kyphora niemanden, der besser schießen konnte als er. So hatte jeder der drei seinen wichtigen Stellenwert an Bord der gestohlenen und derzeit schwer beschädigten ASZENT.
„Ich – ich weiß, ich habe diesmal versagt. Aber ich habe euch vorher schon gesagt, dass die Weltraumdämonen uns im Visier haben. Wir hätten uns irgendwohin zurückziehen müssen, in Sicherheit. Auf der Oberfläche eines Planeten und damit außer Reichweite der Weltraumdämonen. Der allmächtige Raumgott hätte mir schon noch rechtzeitig gesagt, wann wir den nächsten Coup wagen sollten.“
„Stimmt auch wieder“, verteidigte Solum-Brass jetzt den Insektenmenschen. „Du weißt selber, Monsieur, dass er kommende Gefahren spürt, lange bevor sie eintreten, ohne in der Regel genau zu wissen, wie diese Gefahren tatsächlich aussehen. Er nennt sie Weltraumdämonen. In meinen Augen ist das nur das Gefühl von Gefahr. Wir hätten auf seine Warnung hören sollen.“
„Aber dass wir mitten in eine Falle hinein tappen würden, das hat er nicht voraus gesagt!“, beharrte der Monsieur stur.
„Aber wenn wir auf ihn grundsätzlich gehört hätten…“
Solum-Brass brach ab, denn auf einmal ging eine seltsame Verwandlung vor mit Zirrbezz. Sein gesamter Körper zitterte jetzt wie Espenlaub.
Er stieß einen schrillen Ton aus, der die Tonleiter immer höher stieg, bis er sich im Ultraschallbereich verlor. Es sah so aus, als würde er umkippen, und nur die Tatsache, dass er auf vier Beinen anstelle von zwei Beinen stand, verhinderte dies.
Im nächsten Moment sprang er mit einem einzigen Satz an die Kontrollen und gab Vollschub, genau in Richtung SOBI-ARASE.
„Nein!“, brüllte Monsieur Prolet und machte Anstalten, Zirrbezz von den Kontrollen weg zu zerren. Es gelang ihm nicht. Er hätte den Kameraden schwer verletzt, hätte er seine Bemühungen noch verstärkt.
„Wir müssen durch die Front der Weltraumdämonen, ehe sie uns heimgesucht haben. Wir müssen vor ihnen fliehen. Es geht nur in diese Richtung!“, zirpte Zirrbezz schrill.
„Nein!“, brüllte jetzt auch Solum-Brass und machte dem Begriff Raumbär dabei alle Ehre, denn das Gebrüll gellte in den Ohren seiner Kameraden. „Nicht nach SOBI-ARASE. Das ist zu gefährlich. Wir müssen…“
Zirrbezz unterbrach ihn.
„Aber ich weiß es, dass dieser Weg der einzig richtige ist. Ich höre doch seinen Ruf!“
„Ruf?“, wunderte sich der Sergant. „Wessen Ruf?“
„Na, der Ruf von DEERRIVASCH, des Gottes des Alles und des Nichts!“
Solum-Brass und Monsieur Prolet sahen sich an. Sie waren jetzt endgültig überzeugt davon, dass ihr Esper den Verstand verloren hatte.
3
Das ewige Meer hatte weder Anfang noch Ende. Es gab keinen Horizont. Der Himmel strahlte aus sich heraus, immer und ewig. Das Wasser war klar und rein und salzig, wie ein unendliches Meer eben sein musste. Doch es gab Leben, menschliches Leben!
Die Menschen verteilten sich auf die Inseln, die eine große Fläche übersäten, groß wie mancher Kontinent auf einem der Planeten des „äußeren Universums“, von denen die Menschen hier nicht das Geringste auch nur ahnten.
Denn der ewige Meer mit seiner Inselwelt war das innere Universum des Gottes des Alles und des Nichts. Dass es auch noch ein äußeres Universum geben könnte, das war hier nicht bekannt.
Regiert wurde das Inselreich von drei Königen, die alle Inseln untereinander gerecht aufgeteilt hatten und in Frieden ihre Völker regierten.
Ihre Namen waren unaussprechlich. In irdische Begriffe übersetzt hießen die Könige Geboren-im-Himmel, Argusaugen-Sam und Dort-wo-es-nichts-gibt.
Jeder Name war gleichzeitig sein Titel, auch von letzterem, denn sein Volk, das waren die Dort. Wieso diese irgendwann aus einer Gegend gekommen sein sollten, in der es nichts gab, das wussten sie selbst nicht mehr. Noch nicht einmal, was eigentlich wo-es-nichts-gibt bedeutete. Es interessierte hier auch herzlich wenig, denn das Leben war zwar bescheiden, wenig aufregend und ziemlich arbeitsintensiv, sofern man sich der Landwirtschaft verpflichtet hatte oder einem der Handwerksberufe, doch es gab kaum so etwas wie Unzufriedenheit. Mithin auch keine Neugierde.
Das war nicht nur unter Dort-wo-es-nichts-gibt so, sondern auch in ähnlicher Form beim Argusaugen-Sam. Wobei auch hier der Name gleichzeitig der Titel war. Ein König allerdings, der sich Argusaugen-Sam nannte? Wieso eigentlich?
Da ging es den Argusaugen-Menschen genauso wie den Dort. Aber auch die Geborenen mit ihrem König Geboren-im-Himmel waren nicht anders. Man nahm alles so hin, wie es anscheinend schon immer war und höchstwahrscheinlich auch für immer sein würde.
Wieso auch was ändern? Jeder hatte genug zu essen, ein Dach über dem Kopf, liebe Verwandte und gute Freunde und über allem natürlich Deerrivasch, des Gottes des Alles und des Nichts, der alles dies erschaffen hatte und seine Schöpfung höchstpersönlich schützte vor allem, was von außen hätte kommen können, um ihr zu schaden.
Wobei bemerkt werden musste, dass auch der Begriff „von außen kommen könnte“ nicht den geringsten Sinn für die Menschen hier ergab. Denn befand man sich nicht im ewigen Meer, auf Inseln, die unaufhörlich von sanften Wellen umspült wurden, immer die gleiche Brandung erlebten, keinen Sturm, keine Nacht, keine Jahreszeiten und kein Ende und mithin auch kein AUSSEN kannten?
Die ewige Gleichheit, das ewige Werden und Gehen von Menschen und Nutztieren, die mindestens genauso glücklich und zufrieden waren mit dem was war und immer sein würde.
Wie hätte auch nur ein einziger Mensch im ewigen Meer auch nur im Entferntesten damit rechnen können, dass sich alles dies bald schon drastisch ändern könnte?
Durch ein Ereignis, das noch nicht einmal einen Schatten voraus warf, weil es nicht einmal das bei einem ewig aus sich heraus strahlenden Himmel gab…
*
Jetzt stand es fest: Sie mussten unter allen Umständen verhindern, dass ihr sowieso schon schwer beschädigtes Raumschiff in die Hölle der verbotenen Zone einflog. Um mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals wieder zurückzukehren.
Sie mussten Gewalt anwenden und packten bereits zu, um ihren Esper Zirrbezz von den Kontrollen weg zu reißen, als der Alarm auf schrillte mit einer Eindringlichkeit, die sie halbwegs zu Tode erschrecken ließ.
„Die Weltraumdämonen!“, zirpte Zirrbezz, während seine beiden Freunde auf den Schirmen sahen, dass die Gefahr wesentlich realer war:
Ihre Verfolger waren hier!
Die kleine Raumschiffgruppe, die sich als eine Anordnung von Kriegsschiffen entpuppt hatte anstatt als ein Pulk von Handelsschiffen.
Ein weiteres Entrinnen war unmöglich.
Es sei denn…
Sie waren ja bereits unterwegs in die verbotene Zone. Hätten sie jetzt erst die Fahrt angetreten, wäre es zu spät gewesen. Ein einziger Treffer hätte vielleicht schon genügt, das Schiff manövrierunfähig zu machen und damit endgültig lahm zu legen. Dann hätten sie nur noch darauf warten können, bis sie aufgebracht waren.
Aber sie waren halt schon unterwegs. Selbst wenn sie jetzt doch noch manövrierunfähig geschossen wurden, würden sie entrinnen können. Dann würden sie zwar nicht mehr in der Lage sein zu bremsen, aber vielleicht war ja der Tod die beste Alternative?
Wenn sie daran dachten, was ansonsten die kyphorische Raumflotte mit ihnen anstellen würde… Nach immerhin Jahrzehnten erfolgreicher Piraterie innerhalb des Bundes von Dhuul-Kyphora mit einem Gesamtsachschaden, der unerreichbar hoch geworden war…
Obwohl sie sich stets bemüht hatten, das Leben Unschuldiger zu schonen. Bei der Summe ihrer Untaten würde das allerdings niemanden mehr interessieren beim Anlegen des Strafmaßes.
Das Geringste, was ihnen da widerfahren würde, war die Internierung auf einen der niemals offiziell bestätigten Strafplaneten. Vielleicht gab es ja auch nur einen einzigen, auf dem die schlimmsten Verbrecher des Jahrhunderts festgehalten wurden? Es wurde gemunkelt, man würde verbotene Experimente der grausigsten Art an ihnen durchführen, bis zu einem gnädigen Tod, der natürlich so weit wie möglich hinaus gezögert wurde.
Was war dagegen die Hölle von SOBI-ARASE?
Der gezielte Schuss, um sie manövrierunfähig zu machen, erfolgte nicht. Die Verfolger hatten erkannt, dass es nichts mehr nutzen würde. Sie versuchten stattdessen, das fliehende Schiff zur Umkehr zu überreden. Klar, weil man es nicht wagen konnte, ihm zu folgen.
Keiner an Bord dachte daran, diesen Anruf auch nur entgegen zu nehmen.
Zirrbezz siegte – und war immer noch der Meinung, die eigentliche Gefahr wären die sogenannten Weltraumdämonen.
Niemand widersprach ihm mehr. Zumal seine beiden Freunde Solum-Brass und Monsieur Prolet nicht umhin kamen, ihm Dankbarkeit zu zollen. Gottlob war der Alarm rechtzeitig genug erfolgt, ehe sie mit Gewalt etwas hatten durchsetzen können, was sie inzwischen bitter hätten bereuen müssen.
„SOBI-ARASE, wir kommen!“, murmelte Raumbär Solum-Brass, fühlte sich dabei jedoch höchst unwohl in seinem dichten Fell. Ungefähr so wie ein Bär auf dem Weg zur Schlachtbank.
Ein Seitenblick zu Monsieur Prolet, der ungeniert in seinem Bauchnabel puhlte und zwischendurch vor sich hin rülpste: Auch er fühlte sich alles andere als wohl bei dem Gedanken.
Klar war nur eins, was ihre nahe Zukunft betraf: Kein Schiff war jemals wieder zurückgekommen von hier.
Was würde sie erwarten?
Als hätte Zirrbezz ihre Gedanken erraten, sagte er:
„Deerrivasch!“
*
Vergangenheit
Einsamkeit in der perfekten Schönheit und unendlicher Harmonie. Einsamkeit, die erfüllt wurde von einem einzigen ICH. Bis zur ersten Störung. Aus dem äußeren Universum.
Wie war das möglich? Wie konnte eine Störung entstehen in einem äußeren Universum, das doch bekannt war bis in das kleinste Quantum?
Weil es vielleicht doch nicht so bekannt war?
Gab es denn außerhalb des äußeren Universums noch ein weiteres äußeres Universum?
Absurd!
Aber die Störung war real, und Deerrivasch musste sich darum kümmern.
Was war Funk?
Das, was er aufnehmen aber nicht verstehen konnte. Er hatte es ganz einfach vergessen.
Wie so vieles, wie es ihm jetzt erst und ziemlich schlagartig bewusst wurde.
Annäherung von Dingen, die es nicht geben konnte und die dennoch gegenständlich wurden.
Es gab sie, also hatte er sich geirrt. Er hatte gedacht, das äußere Universum sei vollkommen und er tatsächlich der Erbe des allmächtigen Weltraumgottes. Als einziges Überbleibsel von allem, als einziges noch gültiges Ich.
Oder hatte er diese da ungewollt selber erschaffen? Wie er das ewige Meer erschaffen hatte, mit Energien, die ihm schier unbegrenzt zur Verfügung standen?
Das musste es sein: Das war nicht wirklich etwas, was er vorher nicht bedacht hatte. Er hatte es lediglich selber erschaffen, ohne es zu merken, weil er zu sehr verbunden gewesen war mit der ewigen Harmonie des ewigen Meeres.
Und jetzt war es im Anflug und benutzte Verständigungssignale, die man aus welchem Grund auch immer… FUNK nannte.
Wer nannte sie so? Der allmächtige Raumgott, als er noch existiert hatte, bevor er, Deerrivasch, sein Erbe angetreten hatte?
Er versuchte, auf die uralten Synapsen der ursprünglichen KI zuzugreifen. Vage erinnerte er sich dabei, dass er daraus hervor gegangen war.
Irgendwie.
Vom allmächtigen Raumgott so gewollt?
Anders konnte es gar nicht sein.
Aber noch bevor er begonnen hatte, sich auf die Suche nach vielleicht verschollenen Erinnerungen zu machen, schreckte er zurück:
Nein, ich muss mich erst um die neuen Schöpfungen kümmern! Sie kommen immer näher. Es sind meine eigenen Schöpfungen. Ich bin der Gott des Alles und des Nichts, also auch ihr Herr.
SEID WILLKOMMEN!
Erschrecken? Entsetzen?
Panik, die in Wahnsinn mündet!
Meine Schöpfungen beginnen, sich gegenseitig umzubringen. Ich muss es verhindern:
STOPP!
Und dann war es zu spät für die eingeflogenen Raumschiffe. Sie konnten nicht mehr gebremst werden und schlugen mit hoher Geschwindigkeit auf der glutheißen Oberfläche von SOBI-ARASE auf.
Es gab keine Überlebenden, und Deerrivasch zog sich enttäuscht zurück in seine heile Welt des ewigen Meeres, wo er allein blieb mit sich und seinen Gedanken. Wo es ihm nicht auffiel, dass ihn die Einsamkeit schon vor langer Zeit in einen geistigen Zustand getrieben hatte, den ein Mensch höchstwahrscheinlich mit „fortgeschrittenem Wahnsinn“ bezeichnet hätte.
*
Es war nicht der letzte Besuch des verbotenen Planeten SOBI-ARASE in der ebenso verbotenen Zone. Aber nur beim ersten Mal kamen alle um. Schon beim zweiten Mal erinnerte sich Deerrivasch rechtzeitig wieder, wie es geendet hatte beim ersten Mal. Und er fand heraus, wie er die Ankömmlinge, die er als NEUE EIGENSCHÖPFUNGEN betrachtete, einfangen und in seine eigene heile Welt integrieren konnte.
Und damit sie dort überhaupt weiter existieren konnten, erschuf er die Inseln.
Einen von ihnen erhob er zum Dort-wo-es-nichts-gibt, denn aus seinen Gedanken erfuhr er, dass er aus einem Teil der Welt stammte, in der meistens Winter herrschte und die deshalb nur dünn besiedelt war. Alle, die in anderen Gegenden lebten, bezeichneten diese Gegend als „dort, wo es nichts gibt“.
Natürlich eine künstliche Erinnerung, weil das überhaupt nicht anders sein konnte, denn hatte Deerrivasch Dort-wo-es-nichts-gibt nicht selber aus dem Nichts erschaffen wie das ewige Meer, dessen Firmament und auch die passenden Inseln?
Woher wusste er eigentlich, dass die Menschen, wie er die neuen Bewohner nannte, überhaupt leben mussten, um weiterhin existieren zu können? Woher wusste er von so etwas wie Landwirtschaft, Nutztieren und dergleichen, was er zusätzlich erschuf, um die Inseln zum Paradies zu machen, zumindest zu dem, was er für das Paradies für seine selbst erschaffenen Freunde hielt?
Er wusste es einfach, und eigentlich war es doch egal woher. War er denn nicht der Gott des Alles und des Nichts? Also war er auch der Herr aller Gedanken und aller Erinnerungen, die er genauso künstlich erschaffen hatte wie es einem echten Gott halt gebührte…
*
Alles dies war vergangen. Und jetzt war Gegenwart.
Das erste Mal, dass der Begriff Gegenwart überhaupt eine Rolle spielte für den Gott des Alles und des Nichts. Und nur deshalb, weil es etwas gab, das völlig neu war, unvergleichbar mit allem, was bisher gewesen war.
Diese Komponente, die alles veränderte, was er jemals gedacht, jemals getan und jemals gewollt hatte, hieß in erster Linie… ZIRRBEZZ!
Verfolgt von den Weltraumdämonen suchte dieser Zuflucht ausgerechnet bei Deerrivasch, und der Gott des Alles und des Nichts ahnte auf einmal, dass er zwar Gott des Alles und des Nichts war und normalerweise auch Herr aller Gedanken, aber dass es zumindest eine einzige Ausnahme gab:
ZIRRBEZZ!
Es war Deerrivasch nicht möglich, seine Gedanken mit den eigenen in vollkommenen Einklang zu bringen, damit Zirrbezz genauso wie alle, der er erschaffen und anschließend zu sich gerufen hatte, mit ihm eins wurde.
Eben wie alle Freunde, die erschaffen wurden von ihm als Gott.