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GAARSON-GATE: Die 7. Kompilation Wilfried A. Hary (Hrsg.): „Die Bände 61 bis 70 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“ Eine Kompilation ist die Zusammenfassung von mehreren veröffentlichten Werken in einem einzigen Buch. In dieser GAARSON-GATE-Kompilation handelt es sich um zehn Romane in einem Buch. Hier die in dieser Kompilation enthaltenen originalen Romane mit Angabe der jeweiligen Autoren: 61 »Planetenfalle« Dirk Taeger/ Wilfried Hary (12/05 GB) 62 »Fabrik des Lebens« Wilfried Hary / Robert Gruber (2/06 AS) 63 »Gardanto« Wilfried Hary (4/06 AS) 64 »Gestrandet in der Hölle« W. A. Hary (6/06 AS) 2 65 »Der Ausbruch« W. A. Hary (8/06 KF) 66 »Die Eloy« W. A. Hary (10/06 MB) 67 »Planet der Monster« W. A. Hary (12/06 AS) 68 »Der Verräter« W. A. Hary (2/07 MM) 69 »In Memorial Yuka Tan« Antje Ippensen (4/07 MM) 70 »Moloch« Wilfried Hary (6/07 GB) Klammerangaben: Ersterscheinung nach Monat und Jahr und Kürzel des jeweiligen Coverkünstlers des orignalen Einzelromans! Immer Ihr Wilfried A. Hary (Hrsg.) Gaarson-Gate - die große, in sich abgeschlossene Science-Fiction-Serie! GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von STAR GATE - das Original! Verfolgen Sie die Abenteuer der Menschheit in über vierhundert Jahren. Erleben Sie die ferne Zukunft hautnah – und bangen Sie mit: Wird die Menschheit das größte Abenteuer ihrer Geschichte heil überstehen?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
GAARSON-GATE:
Impressum
GAARSON-GATE:
Die 7. Kompilation
GG 061:
Planetenfalle
und Wilfried A. Hary
GG 062:
Fabrik des Lebens
GG 063:
Gardanto
GG 064:
Gestrandet in der Hölle
GG 065:
Der Ausbruch
1
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GG 066:
Die Eloy
1
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7
GG 067:
Planet der Monster
1
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3
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6
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9
GG 068:
Der Verräter
1
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3
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6
7
GG 069:
In Memorial Yuka Tan
Prolog
1. Tote zahlen keinen Vorschuß
2. In letzter Minute
3. Der kleine Schlaf
4. Etwas zu spät
5. Schleimis II
GG 070:
Moloch
Prolog
1
2
3
4
5
6
Anhang:
Die 7.
Kompilation
Wilfried A. Hary (Hrsg.)
Copyright © neu 2019 by
www.HARY-PRODUCTION.de
Sämtliche Rechte vorbehalten!
Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von
HARY-PRODUCTION!
Logo: Gerhard Börnsen
Covergestaltung: Anistasius
GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von
STAR GATE – das Original
GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von STAR GATE – das Original!
„Die Bände 61 bis 70 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“
Eine Kompilation ist die Zusammenfassung von mehreren veröffentlichten Werken in einem einzigen Buch. In dieser GAARSON-GATE-Kompilation handelt es sich um zehn Romane in einem Buch.
Dirk Taeger
»Eine Welt erwacht - und wird zum gierigen Moloch!«
Im Jahr 2052 erschließt Tipor Gaarson der Menschheit eine schier unerschöpfliche Energiequelle. Man nennt sie nach ihm den »Gaarson-Effekt«. Aber es gibt auch Warner, die vor ungeahnten Folgen der hemmungslosen Anwendung des Gaarson-Effektes warnen. Sie sind überzeugt davon, dass der Gaarson-Effekt auf lange Sicht gesehen das energetische Gleichgewicht des Universums stört! Niemand will auf sie hören - angesichts der fantastischen Möglichkeiten - einschließlich der Erfüllung des Traumes von der interstellaren Raumfahrt. Die Warner werden sogar als gefährliche Kriminelle eingestuft und verfolgt. Vierhundert Jahre später erst erfüllen sich ihre düstersten Voraussagen: Ein Raumschiff kehrt zurück und ist der berüchtigte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Das Chaos beginnt.
Doch das Genie Tipor Gaarson hat "vorgesorgt": In seinem Sinne bauten Wissenschaftler der bis dato verbotenen sogenannten ASTROÖKOLOGEN die GAARSON-GATES! Vor der Katastrophe funktionierten sie noch gar nicht, aber als die Katastrophe beginnt, sind sie der auslösende Faktor für die Abwendung der endgültigen Vernichtung! Die Erde ist gerettet, aber die Naturgesetze haben sich geringfügig verändert: Diese Veränderung breitet sich mit Lichtgeschwindigkeit, von der Erde ausgehend, aus. Innerhalb dieser "Raumblase" gibt es keine technisch basierte überlichtschnelle Raumfahrt mehr - und funktionieren die Gaarson-Gates nun als Transmitter. Der Aufbau der neuen Erde beginnt - vor allem auch der Aufbau neuer Machtstrukturen im Sonnensystem, ehe das Chaos doch noch über die irdische Ordnung hereinbricht.
Aber auch nach Monaten ist der politische Umschwung noch längst nicht vollständig abgeschlossen. Das bekommt vor allem der Raumschmuggler Joe Gent zu spüren. Er kommt einer üblen Sache auf die Spur. Noch bevor er überhaupt die Zusammenhänge so richtig begreifen kann, muss er fliehen - in den Weltraum!
Und dann ist er endlich am Ziel, gemeinsam mit seiner Begleiterin Anna: Grendel IV! Doch diese Welt hat ein Geheimnis - und Annas Vater, der Forschungsleiter auf Grendel IV, längst nicht mehr das Sagen. Die Situation eskaliert und dann kommen auch noch ihre Verfolger. Aber die beiden können ihre Gegner überlisten. Jetzt müssen sie nur noch die gefangenen Wissenschaftler befreien und den Planeten verlassen. Doch der hat was dagegen - und das ist nicht ihr einziges PROBLEM...
*
»Jetzt rücke schon damit heraus, mit deinem angeblichen Plan, mit dem wir alles schaffen, was eigentlich gar nicht zu schaffen ist«, drängte er. »Ich bin nur ein einfacher Schmuggler, du hast studiert.«
»Okay, Scherzbold. Also, was wissen wir bisher?«
»Du scheinst Lust darauf zu haben, mich an der Nase herumzuführen, oder?«, beschwerte er sich.
Anna musste lächeln.
Auch wenn er es nie zugeben würde: Er genoss es ebenso wie sie.
Er schöpfte tief Atem und begann: »In Ordnung, wenn du es so haben willst, dann fasse ich mal zusammen, was wir über diese Welt und die gegenwärtige Lage wissen: Hier auf dem Planeten gibt es intelligentes Leben, das so fremdartig ist, dass man es sich bisher nicht hat vorstellen können. Genauer gesagt, es handelt sich um eine Art Silizium, das denken kann.«
Er wartete, ob Anna noch einen Einspruch hatte. Als sie zustimmend nickte, fuhr er fort: »Nun gut, diese Intelligenz lässt sich vermutlich wunderbar mit Computertechnik verbinden und verspricht somit großen Reibach für eines der führenden Unternehmen des Sternenbundes.
Nun werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, sich das alleinige Recht der Ausbeutung dieser Lebewesen zu sichern. Dabei wird auch vor Mord, Totschlag, Erpressung und Entführung nicht zurück geschreckt. Zumal die ganze Angelegenheit durch die zwischendurch aufgetretene Gaarson-Katastrophe reichlich verkompliziert wurde.«
Er schaute sie fragend an. »Ist es das, was du hören wolltest?«
Anna schüttelte den Kopf. »Du hast mir bisher nur das Offensichtliche erzählt. Wieso uns die AI Inc. in die Finger kriegen will, wissen wir ja bereits. Aber das Rätsel liegt doch hier auf Grendel IV.«
»Wie meinst du das?«
»Was wissen wir den über diese intelligenten Lebewesen denn außerdem?«
»Sie sehen aus wie Steine, wahrscheinlich schmecken sie auch so.«
»Zum Scherzen haben wir hier keine Zeit«, bemerkte sie knapp.
»Für Ratespiele offensichtlich schon«, gab er brüskiert zurück.
Anna umarmte ihn und gab ihm einen dicken Kuss auf den Mund. Sie lachte. »Du kannst es einfach nicht leiden, wenn jemand mehr weiß als du.«
»Das behauptest du.«
»Ha.«
»Also, was ist jetzt, worauf willst du hinaus? Wir müssen uns noch eine Strategie überlegen, wie wir ins Lager und mit deinem Vater wieder hinaus kommen.«
Anna hatte begriffen, dass Joe keine Lust mehr hatte, für sie den Dr. Watson zu spielen. So entschloss sie sich, ihm nun ihre Überlegungen mitzuteilen. Es war einfach zu simpel. Sie wunderte sich, dass sonst noch niemand auf diese Idee gekommen war. Sie hatte alles ein paar Mal in ihrem Gehirn hin und her gewendet und war schließlich zu der Erkenntnis gelangt, sie hatte Recht. Okay, es war eine gewagte Theorie, aber alles, wirklich alles sprach dafür.
»Nun, sieh mal«, fing sie an: »Die Wissenschaftler konnten Wochen und Monate ohne Probleme auf diesem Planeten arbeiten, ohne jedweden Zwischenfall, außer als sie ihre Entdeckung und Ergebnisse der penetranten Untersuchungen der Erde kundtun, mit gewissen Konsequenzen, denn es eskaliert die Angelegenheit zunächst auf Seiten der Forscher und als Folge darauf stürzt das Schiff ab. Es ist der einzige böse Zwischenfall vorerst, in der Tat. Sogar der Psychonautenraumer kann danach noch kommen und gehen, ohne dass was passiert. Aber die Bedrohung wird offensichtlicher, als wir hier auftauchen. Danach stürzen auch wir ab - und es ist jetzt nicht mehr möglich, Funksprüche abzusetzen, noch nicht einmal auf so kurze Distanz zum Camp.«
Joe runzelte die Stirn. »Du meinst, es war eine beabsichtigte Reaktion drauf, dass dieser Planet ausverkauft werden soll? Aber das war doch schon viel früher klar.«
Anna nickte. »Genau. Vergiss aber nicht, wir haben es hier mit einer fremdartigen Intelligenz zu tun, die das in ihrer Fremdartigkeit erst einmal begreifen musste. Die Vorgehensweise des Forschungsraumers hat es eingeleitet: Ab da war die Intelligenz misstrauisch geworden.«
»Die versucht hat uns umzubringen, wenn ich mal daran erinnern sollte.«
»Ach, das zählt nicht!« Anna wischte den Einwurf mit einer Handbewegung fort. »Die Kreatur hat nicht versucht, uns umzubringen. Nicht wirklich jedenfalls: Sie hat nur versucht, uns davon abzuhalten, sie zu verlassen. Das Gleiche hat sie auch mit dem Raumschiff der Forscher gemacht.«
»Moment mal!« Joe kam nicht mehr mit. »Lass mich mal sortieren: Was heißt 'sie zu verlassen' und was heißt 'die Kreatur'?«
»Du hast es immer noch nicht verstanden. Also gut. Es handelt sich nicht um viele intelligente Lebewesen, sondern nur um ein einziges.«
Joe begriff und er war sich offensichtlich nicht sicher, ob ihm diese Erkenntnis wirklich gefiel. »Eine Kreatur. Du meinst, wir haben es nicht mit vielen Lebewesen zu tun, sondern nur mit einem einzigen?«
»Genau und die Kreatur ist der Planet!«
»Wie, wie kommst du zu dieser Annahme?«
Sie hatte Joe offensichtlich noch nicht ganz überzeugt. Sie setzte sich bequem hin, nahm seine Hände in die ihren und sagte: »Das ist doch ganz deutlich zu sehen. Es handelt sich um intelligentes Leben, das aus Silizium besteht. Es ist doch nicht sehr wahrscheinlich, dass nur ein paar Steine auf der Oberfläche intelligent sind und der Rest des Planeten nicht. Und was macht die Intelligenz denn aus? Nicht das einzelne Sandkorn, sondern der Verbund mit vielen.«
»Ja, schon«, warf Joe ein und sah ihr direkt in die Augen, »aber weißt du, was das letztlich bedeutet?«
Ja, Anna war sich dessen völlig bewusst: Sie befanden sich auf einem gigantischen Alien und waren selber im Verhältnis dazu winziger als die winzigste Mikrobe und es war zudem sicherlich auch noch das größte Alien im ganzen Universum.
Beide schwiegen. Das war einfach unglaublich.
»Was nun?« Joe unterbrach das Schweigen.
Anna konnte nur die Achseln zucken. Ihr fiel nichts mehr ein.
»Wir können deinen Vater befreien«, meinte er. »Nur..., wie kommen wir von dem Planeten runter?«
Anna kam eine Idee. »Mein Vater weiß vielleicht eine Lösung?« Es war mehr ein dürftiger Hoffnungsschimmer als eine... Idee. Aber beide hielten daran fest.
»Da sind wir wieder am Ausgangspunkt«, sagte Joe prompt. »Und wie befreien wir ihn?«
»Wir haben doch die Geisel. Damit müsste es möglich sein.«
»Und wenn Muller Recht hat und niemand Rücksicht auf ihn nimmt, wenn es darauf ankommt? Na, erst mal Schwamm drüber. Es kommt nicht auf jede Minute an. Komm, ich habe Hunger. Wir besprechen alles während des Essens.«
*
»Das ist doch verrückt!« Joe war überhaupt nicht angetan von dem Plan, den Anna hier vor ihm ausgebreitet hatte. Verärgert warf er sein Pizzastück auf den Teller.
»Aber wieso denn? Der Plan ist gut«, behauptete sie steif und fest.
»Ja, bis zu dem Zeitpunkt, wo wir mit diesem Shuttle versuchen werden, die Atmosphäre zu durchdringen. Entweder wir werden atomisiert oder machen eine Bruchlandung wie zuvor.«
»Ein Risiko gehen wir natürlich ein – aber wenn dir der Preis zu hoch ist...« Sie drehte die Handflächen nach außen.
»Versuche ja nicht, mich an meiner Schmugglerehre zu packen«, riet er ihr.
Sie lächelte kalt zurück. Hatte sie ihn doch in den paar Wochen schon so gut kennen gelernt. Eigentlich war ja er der Draufgänger, der die Risiken einging. Und Risiken mussten sie eingehen, wenn sie diesen Planeten lebend verlassen wollten. Ihre einzige Chance bestand darin, in den Weltraum zu entkommen und die Presse auf der Erde zu informieren.
Während er nach dachte, beobachtete sie ihn weiterhin und kaute genüsslich auf ihrer Pizza Diabolo. Nomen ist Omen. Verdammt schlecht war der Plan nicht, aber er konnte in buchstäblich letzter Sekunde scheitern.
Sie biss in ihr letztes Stück Pizza und sah ihn an. »Na, was ist, machst du mit?«
»Was bleibt mir anderes übrig?«, lamentierte Joe. So langsam musste er sich eingestehen, dass der Plan tatsächlich gar nicht so schlecht war. Klar, er war mit großen Risiken behaftet, aber wenn sie nicht von diesem Planeten herunter kamen, dann würden sie bald tot sein.
»Hoffen wir, dein Vater hat tatsächlich eine gute Idee, wie wir die Atmosphäre durchstoßen können, ohne dass uns dieser Planet daran hindert.«
»Na, dann lass uns mal alles vorbereiten.« Anna warf ihren Pizzarest in den Verwerter und stand auf. Joe folgte ihr und wenig später hatten sie Sam Muller aus der Kabine geholt und ihn ins Cockpit verfrachtet. Joe setzte ihn auf einen der hinteren Sessel. Er selbst nahm den Pilotensitz ein und Anna den Co-Pilotensitz. Joe ließ die Motoren an, während Anna sich Muller zuwendete.
»Hören Sie genau zu, Muller«, schärfte sie ihm ein. »Wir haben einen Austausch vor. Mein Vater und die Wissenschaftler, die noch nicht von Ihrer verdammten Firma korrumpiert worden sind, gegen Sie.«
»Damit werden Sie nie durch kommen«, beschwerte sich Muller.
»Halten Sie den Mund!«, fuhr Anna dazwischen. »Wir haben nichts mehr zu verlieren. Es wird sich ja zeigen, welchen Wert Sie für ihre Kameraden haben. Also nochmals: Funken sie nicht dazwischen, denn wenn Sie ruhig bleiben, geht es für uns alle gut aus.«
In diesem Moment wurde das Schiff durch eine Erschütterung durchgerüttelt.
»Was war das?«
»Scheint so etwas wie ein Erdbeben gewesen zu sein«, erwiderte Joe.
»Es sieht so aus, als würden die seismischen Aktivitäten zunehmen.« Anna schaute angestrengt aus dem Cockpit.
»Was hat das alles zu bedeuten?«, fragte Muller.
»Nichts Gutes. Überhaupt nichts Gutes«, murmelte Anna und Joe war der gleichen Meinung. »Dann sehen wir mal zu, dass wir hier schnell weg kommen.«
Das Schiff hob ab, drehte noch eine Schleife über dem Dschungel und nahm dann Kurs auf das Camp.
»Du solltest besser den Waffenschrank überprüfen«, riet Joe. »In zehn Minuten sind wir da.«
»Okay!« Anna erhob sich und verließ das Cockpit.
Als sie draußen war, meinte Muller: »Hören Sie mir zu Gent. Sie sind doch Geschäftsmann. Ich biete Ihnen eine hübsche Summe, wenn Sie mich laufen lassen und noch mal die gleiche, wenn sie Anna Lempki mir ausliefern.«
Joe musste grinsen. Der Typ dachte, mit Geld könne er alles kaufen. Und Joe seinerseits dachte... noch nicht einmal daran, Muller überhaupt zu antworten.
»Jetzt hören Sie doch zu. Mit dem Geld können Sie sich ein neues Schiff kaufen, nein, sogar zwei oder... eine ganze Flotte!«
Der Typ nervte. Glaubte er wirklich, er würde auf so einen Trick hereinfallen? Muller plapperte weiter, machte noch größere Angebote. Da kam Anna zurück. Sofort verstummte Muller. Ihr kam diese Stille unnatürlich vor.
»War was?«, fragte sie.
»Er«, Joe deutet mit dem Kopf auf ihren Gefangenen, »versuchte, mich mit Geld zu ködern.«
Muller war im Grunde genommen ein armes Schwein. Er hatte es nicht geschafft, sie beide zu liquidieren, wie ihm aufgetragen worden war. Nun versuchte er, sie zu entzweien, indem er einem von ihnen viel Geld bot, dabei war doch klar, dass die AI Inc. das Angebot niemals einhalten würde. Dies alles brachte Anna mit einem verächtlichen Blick zum Ausdruck und Muller wusste diesen Blick sehr wohl zu deuten. Er zog es vor, nichts mehr zu sagen.
»Dauert es noch lange?«, fragte sie, während sie sich hin setzte. »Ich halte es hier nicht mehr aus.«
»Fünf Minuten noch. Was hast du gefunden?«
»Laserpistolen und –gewehre. Keine Granaten oder so etwas, falls du das gemeint hast.«
»Damit habe ich auch nicht gerechnet. Ist ja nur ein normales Beiboot und kein Kriegsschiff.«
»Hier!« Sie streckte ihm zwei Pistolen hin. »Die habe ich gleich mitgebracht.«
Er nahm die eine Laserpistole und steckte sie in seinen Gürtel. Danach konzentrierte er sich ganz auf den Flug.
Wenig später tauchte das Camp am Horizont auf und dahinter erhob sich das Bergmassiv bis hinauf zur Hochebene.
»Da wir keine Radiowellen aussenden können, müssen wir ganz nah heran, um unsere Forderungen über den Außenbordlautsprecher zu artikulieren.«
»Besteht dann nicht die Gefahr, dass sie uns einfach vom Himmel holen?« Anna Stimme zitterte leicht. Sie war, trotz der Erfahrungen der letzten Wochen, nicht gewohnt, um ihr Leben zu kämpfen.
Joe deutete mit dem Daumen nach hinten. »Kommt ganz darauf an, wie beliebt er bei seinen Untergebenen ist.«
»Ha, ha, ha!«, machte sie humorlos.
»War trotzdem nur ein Scherz«, versicherte Joe. Er nahm ihre Hand und drückte sie sanft. »Wird schon gut gehen.«
»Na, hoffentlich.«
Das Schiff flog eine Kehre über dem Lager. Sie konnten erkennen, dass dort ein weiteres Shuttle stand. Anscheinend war das Mutterschiff der AI-Leute noch in der Umlaufbahn und Muller und seine Kumpane waren mit den Shuttles auf Grendel IV gelandet. Niemand schien dort unten besonders Notiz von ihnen zu nehmen. Es liefen relativ wenige Wissenschaftler herum, dafür aber um so mehr Sicherheitskräfte der AI Inc.
»Na, dann werden wir den Hühnerstall mal aufscheuchen und uns anmelden«, sagte Joe und im selben Moment sackte das Schiff weg. Es beschrieb einen Steilflug, mitten auf das Zentrum des Lagers zu. Die Menschen unter ihnen bemerkten den Steilflug. Die meisten rannten von der vermutlichen Einschlagstelle weg, doch einige blieben mit offenen Mündern stehen. Es war seltsam, dass man aus dieser Entfernung die offenen Münder stehen konnte. Dann riss er den Joystick nach hinten und das Schiff fing sich, drehte sich um die Achse, beschrieb eine Kurve und verlangsamte die Geschwindigkeit.
Für Anna war das schlimmer als die schlimmste Achterbahn, doch sie verhielt sich sehr tapfer.
Als das Schiff erneut über dem Camp flog, war ihnen die Aufmerksamkeit aller sicher. Joe steuerte das Schiff so, dass es zirka zehn Meter über dem zentralen Platz des Camps schwebte. Er drückte einen Sensor, der den Außenbordlautsprecher regelte und sprach: »Alle mal her hören. Wir haben euren Boss Sam Muller in unsere Gewalt.« Er sah aufgestreckte Gesichter unter den AI-Sicherheitsleuten.
»Ich möchte sofort mit Professor Lempki sprechen«, fuhr er fort. Draußen regte sich nichts. Offensichtlich waren die Sicherheitsleute verwirrt. Sie hatten nicht damit gerechnet, dass ihr Shuttle entführt werden könnte.
»Ich denke, Sie sollten mal mit ihren Leuten sprechen«, meinte Joe zu Muller.
»Die werden Sie abknallen, wenn sie mich nicht sofort frei lassen.«
»Das kann gut sein, aber dann glauben Sie auch daran. Also seien Sie vernünftig und sprechen Sie zu Ihrer Mannschaft.« Joe drückte einen weiteren Sensor, der Mullers Mikrofon frei schaltete.
»Na, los!«
Muller war seine Abneigung deutlich anzusehen, aber was sollte er machen? Gefesselt und bedroht wie er war blieb ihm keine Wahl. Offensichtlich hoffte er andererseits auf eine Gelegenheit, das Blatt doch noch zu seinen Gunsten wenden.
»Hier spricht Sam Muller. Es stimmt. Gent und Lempki haben mich entführt.« Ein hasserfüllter Seitenblick auf die beiden konnte er sich nicht verkneifen. »Ich befehle Ihnen, das zu tun, was die beiden von Ihnen verlangen.«
Unter den Sicherheitsleuten kam Bewegung. Einer – mit drei Knöpfen auf seinen Epauletten – erteilte Befehle.
»Na, es geht doch«, freute sich Joe.
Wenige Minuten später erschien der Professor auf dem Platz, begleitet von zwei Wachen. Er sah zerzaust und übernächtigt aus.
Anna griff sich das Mikrofon. »Vater! Ist alles in Ordnung?«
»Du kannst ihn nicht hören«, sagte Joe, aber der Professor winkte und das nahmen beide als Bestätigung.
Bestürzt bemerkten sie den Gips um seinen linken Arm.
»Was haben Sie mit dem Professor gemacht?« Joe ließ seine Stimme beileibe nicht so wütend klingen, wie er sich fühlte. »Na, los! Antworten Sie schon, Muller!«
Muller zuckte die Achseln. »Ich habe ihn und seine Leute vorsichtshalber in Gewahrsam genommen.«
»Sie Schwein!« Anna spuckte die Worte heraus wie verdorbenes Essen. »Sie haben ihn misshandelt!«
»Mal sachte. Ich habe nur meine Befehle.«
»So leicht kommen Sie nicht davon.« Joe verabscheute so einen Menschenschlag. »Der Professor hat in Ihrem Auftrag geforscht und dann versuchen Sie, seine Tochter umzubringen und ihn sperren Sie ein und foltern ihn. Sie tun mir wirklich Leid.«
Er drehte sich zu Anna wieder um. »Es wird Zeit, den da los zu werden. Also weiter im Text.« Er drückte wieder den Sensor für sein Mikrofon. »Okay, Professor. Nun sammeln Sie alle Ihre Kollegen, die zu Ihnen gehalten haben und nicht zu den AI-Leuten gehören. Wir werden dann runter kommen und den Austausch vornehmen.«
Der Professor winkte wieder, um zu zeigen, dass er verstanden hatte.
Der Sicherheitsmann, mit den Epauletten, der offensichtlich das Kommando hatte, tat nichts, sondern zielte mit seinem Laser immer noch auf den Professor.
»Nun, kommen Sie schon«, wandte sich Joe an ihn. »Sie haben Muller gehört und lange warten wir nicht mehr.«
Endlich gab der Sicherheitsmann den Befehl und einige seiner Kameraden verschwanden, um offensichtlich die Wissenschaftler zu holen, die treu zu Professor Lempki gestanden hatten. Sie waren wohl ebenfalls eingesperrt worden.
Joe sah Anna an. »Traust du dir zu, auf die AI-Leute zu schießen, wenn es darauf ankommt?«
Anna schluckte, dann sagte sie: »Ja. Ich habe keine Lust mehr, von ihnen verarscht zu werden.«
»In Ordnung. Ich hoffe, dass es zu keiner Schießerei kommt. Nimm Muller mit und gehe zum Schott. Ich werde das Schiff runter bringen, auf etwa einen Meter über der Oberfläche. Zeige dich nicht im Schott. Stelle Muller aber so hin, dass sie ihn sehen können. Die Wissenschaftler sollen nach und nach einsteigen. Nachdem wir den letzten aufgenommen haben, schließe das Schott und wir rauschen ab.«
»Und was ist mit mir?«, fragte Muller.
Joe blickte ihn nicht an, sondern sprach weiter zu Anna: »Ihn kannst du rauswerfen, nachdem wir den letzten Mann aufgenommen haben.«
»Joe, sie werden uns mit dem zweiten Shuttle verfolgen.«
»Ich weiß. Die Shuttles haben eine leichte Bewaffnung. Zumindest sind sie beide ebenbürtig. Wenn wir deinen Vater haben, fällt uns schon etwas ein, sie los zu werden.«
Anna nickte. Dann gab sie ihm einen Kuss auf den Mund, der so gut schmeckte wie keiner jemals zuvor. Er strich ihr sanft über das Haar.
»Was für eine rührende Szene«, bemerkte Muller sarkastisch.
Beide ließen sich von ihm nicht provozieren. Joe gab Anna die Hand. Er sah ihren erstaunten Blick. Schnell setzte er sich und wandte sich ab, um sich gegenüber Muller nicht zu verraten und außerdem weiterhin den Zuversichtlichen spielen zu können.
»In zehn Minuten haben wir alles hinter uns.«
*
Muller ging vor ihr den Gang zur Schleuse hinunter. Sie lag nur etwa acht Meter vom Cockpit entfernt. Mehr als ein Dutzend Menschen konnte dieses kleine Schiff nicht aufnehmen. Es würde eng werden, wenn die Wissenschaftler hier eintrafen.
Und wenn unsere Flucht gelingt!, setzte sie in Gedanken hinzu.
Heimlich schaute sie den Zettel an, den ihr Joe heimlich beim Abschied in die Hand gedrückt hatte. Dort stand in Großbuchstaben: »MULLER NICHT AUSLIEFEREN!« Also hatte er den Plan kurzfristig geändert und wollte nicht, dass dies ihr Gefangener mitbekam. Mit Muller als weiteren Faustpfand würden sich die AI-Leute schwer tun, ihr Schiff anzugreifen.
Sie hatten die Schleuse erreicht. Schnell steckte Anna den Zettel weg. Sie hielt ihren Laser auf Muller gerichtet. Er war entsichert. Sie wollte kein Risiko eingehen.
Anna drückte den Sensor der Kommunikationstafel. »Ich bin an der Schleuse, Joe!«
»Okay. Es dauert noch etwas. Noch sind nicht alle da!«
Sie spürte, wie sich das Schiff senkte.
Muller hatte sich zu ihr hin gedreht. Es verwunderte sie, dass jemals jemand so etwas wie Respekt vor ihm hatte empfinden können. In seinem schwarzen Overall sah er leichenblass - und ziemlich kläglich aus. Von einem beeindruckenden Hulk war keine Spur mehr. Nur noch die Körpergröße stimmte halbwegs.
»Ich rate Ihnen, aufzugeben. Sie haben doch keine Chance«, probierte es Muller noch einmal.
»Hören Sie auf, Muller«, erwiderte sie ärgerlich. »Sie wollten mich umbringen und wollen es immer noch. Entweder Sie oder wir und da fällt die Wahl ziemlich leicht.«
»Du kannst die Schleuse nun öffnen«, erklang es aus der Schalttafel.
»In Ordnung.«
»Hals- und Beinbruch.«
Anna ließ Muller keinen Augenblick aus den Augen. Er kannte bestimmt eine Menge Kniffs und Tricks. Das Schott schwang zur Seite und Tageslicht verdrängte die Schatten des künstlichen Lichts. Draußen, keine zwanzig Meter entfernt, stand ihr Vater. Er blickte freudig, als er sie sah.
»Geht es Ihnen gut, Chef?« Es war der Sicherheitsmann, der offensichtlich das Kommando jetzt übernommen hatte. Die Frage war an Muller gerichtet.
»Alles in Ordnung. Folgen Sie den Anweisungen der Banditen. Wir schnappen sie uns später.«
»Was ist mit den anderen passiert?«
»Sie befinden sich auf einem langen Fußmarsch zurück ins Camp.«
»Wir beginnen jetzt mit dem Austausch!« Joe Stimme klang verzerrt über den Außenbordlautsprecher. Anna, die einen Meter hinter Muller stand, sah, wie dieser fast unmerklich nickte und erst jetzt schickte der Sicherheitsmann die Wissenschaftler im Gänsemarsch los. Ihr Vater ging als letzter. Sie zog sich tiefer in den Gang zurück, immer ein Auge auf Muller gerichtet und das andere auf die Forscher. Endlich erreichte der Erste die Schleuse. Er zog sich hoch.
»Da entlang!« Anna deutete ihm den Weg in den Aufenthaltsraum an.
Als alle sieben drin waren, bis auf ihren Vater, spürte sie, wie Schweißtropfen ihre Wange herunter liefen. Nun wurde dieser los geschickt. Er kam langsam auf die Schleuse zu. Anna wartete gespannt. Endlich stand er direkt vor ihr, keine fünfzig Zentimeter von ihr entfernt.
»Geht es dir gut?«, fragte sie.
»Ja.« Er nickte. »Nur enttäuscht«, dabei deutete er mit dem Kinn auf Muller. »Ich habe nicht gewusst, für was für Menschen ich jahrelang gearbeitet habe.«
Muller schienen diese Anschuldigungen nichts auszumachen. »Kann ich jetzt gehen?«
»Nein. Sie bleiben noch bei uns. Als Faustpfand.«
Auch jetzt schien Muller nicht überrascht zu sein, so, als hätte er es erwartet.
Aus dem Lautsprecher erscholl Joes Stimme: »Hast du sie alle?«
»Einen Moment noch! Komm, ich helfe dir hoch!« Anna streckte einen Arm aus, um ihren Vater zu unterstützen, der sich gerade daran machte, die Schleuse zu erklimmen. In diesem Moment bekam sie einen Tritt in die Nieren, wurde in den Gang geschleudert und krümmte sich vor Schmerzen. Verbissen kämpfte sie sich hoch und kroch auf die Schleuse zu. Es schien Ewigkeiten zu dauern. Als sie diese endlich erreicht hatte, mochten gerade Sekunden vergangen sein. Sie nahm mehrere Dinge gleichzeitig wahr. Draußen, vor dem Schiff, lagen ihr Vater und Muller und rangen miteinander, während die Sicherheitsleute auf die Schleuse zu gerannt kamen. Gleichzeitig drang Joe Stimme in ihr Gehirn, verzerrt durch die Wiedergabe. Er schrie: »Was ist da los, Anna? Was ist da los?«
Während sie die Szene beobachtete, bemerkte sie etwas Kaltes, Hartes neben sich. Es war die Laserpistole. Fast automatisch legte sich ihre Hand um den Griff. Unten, auf dem gerodeten Waldboden, versuchte ihr Vater verzweifelt, Muller zu entkommen, der trotz der gefesselten Hände so gut wie möglich den Professor daran hinderte, von ihm frei zu kommen. Anna konnte nicht schießen. Die Gefahr war zu groß, ihren Vater zu treffen.
Die Sicherheitsleute kamen immer näher heran.
Joes Stimme klang schreiend aus dem Lautsprecher.
Anna registrierte den Sinn seiner Worte nicht mehr. Sie fasste den Entschluss in Bruchteilen von Sekunden. Sie ließ sich aus der Schleuse fallen. Der Schmerz war heftig, als sie auf dem Waldboden aufschlug. In ihrer Seite brannte es wie in der Hölle. Das Pochen ignorierend rappelte sie sich auf. Direkt vor ihr lag Muller auf ihrem Vater und presste ihn mit seinem Körpergewicht auf den Boden, während er wie wild nach seinen Leuten schrie. Kalt, mit leeren Gedanken hob Anna den Laser und ließ ihn auf den Kopf von Muller nieder sausen. Wie vom Blitz getroffen sackte dieser zusammen. Sie rollte ihn zur Seite und zerrte ihren Vater hervor.
»Schnell ins Schiff!«, schrie sie. Sie stieß ihren Vater zu Schleuse, drehte sich gleichzeitig zu den Sicherheitsleuten um, die bis jetzt gezögert hatten, um ihren Boss nicht zu gefährden und drückte ab. Ein Fächer aus Laserstrahlen zerschnitt die Luft, als Anna den Abzugshebel nicht mehr los ließ und die Gegend mit Feuer bestrich. Die Angreifer warfen sich zu Boden.
Das war ihre Chance, zu überleben - und Annas Chance, zu fliehen. Sie drehte sich um und hechtete zur Schleuse. Ihr Vater war soeben darin verschwunden. Mit letzter Kraft zog sie sich hinein.
»Starte, Joe!«, rief sie noch. »Wir sind alle drin!« Dann verließ sie das Bewusstsein.
*
Als Anna wieder zu sich kam, war das Erste, was sie bemerkte, das beruhigende Brummen des Antriebs. Also hatte Joe es geschafft, das Schiff zu starten.
»Anna, Anna, hörst du mich?« Es war ihr Vater, der mit ihr sprach.
Sie öffnete die Augen und blickte in sein besorgtes Gesicht. »Ja, es ist alles in Ordnung.« Dann bemerkte sie, dass sie in dem Gang lag. Sie war vermutlich nur Sekunden ohnmächtig gewesen.
Sie versuchte, sich auf zu rappeln.
»Bleib liegen, Anna.« Ihr Vater drückte sie sanft zurück. »Ich sehe doch, dass du Schmerzen hast.«
Sie drückte ihn zur Seite, ignorierte den Schmerz in ihren Nieren. »Das ist jetzt nebensächlich. Wir müssen von hier verschwinden und zwar so schnell wie möglich.« Sie war inzwischen aufgestanden. »Und Joe braucht meine Hilfe.«
»Ich glaube, er kommt ganz gut allein zurecht, als Schmuggler versteht er etwas vom Raumschiffen.«
»Das meine ich nicht!« Sie umarmte ihren Vater und unterdrückte die Tränen, die ihr kommen wollten. »Ich bin froh, dich heil wieder zu sehen.«
»Und ich erst.« Sie spürte, wie auch ihm die Tränen kamen. Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt für Sentimentalitäten.
»Ist gut, Papa«, beendete sie das Wiedersehen. »Noch sind wir nicht in Sicherheit.«
»Ich verstehe nicht...?«
»Komme mit ins Cockpit, dann erkläre ich dir alles«, schlug Anna vor. Ihr Vater blickte so müde. Die letzten Tage hatten ihn sehr mitgenommen. Sie vermisste den typischen Glanz in seinen Augen.
»In Ordnung, ich schaue nur nach, wie es meinen Kollegen geht.«
Sie trennten sich zögerlich und während der Professor in Richtung Messe ging, schritt Anna zurück ins Cockpit.
»Tut mir Leid«, sagte sie, als sie es betrat. »Ich habe Muller entkommen lassen.«
»Ich hab's gesehen, als wir aufgestiegen sind. Ihn scheint es allerdings erwischt zu haben. Er lag bewusstlos auf dem Boden.«
»Ja, aber er hat mir auch noch eine verpasst.« Ächzend ließ sie sich in den Kopilotensessel fallen. Sofort war Joe neben ihr. Seine Stimme klang besorgt. »Geht es dir gut? Wo hat er dich verletzt?«
»Es ist okay. Er gab mir einen Tritt in die Nieren. Tat höllisch weh, aber es geht schon wieder. Du kennst das ja...« Sie fand es süß, dass er sich so um sie sorgte, aber jetzt war nicht die Zeit dafür. »Musst du denn nicht den Vogel fliegen?«
»Im Moment ist der Autopilot dran. Wir fliegen mit Höchstgeschwindigkeit über den Dschungel dahin.«
Und tatsächlich, jetzt blickte Anna aus dem Fenster. Keine fünf Meter unter ihnen rasten die Baumwipfel vorbei.
»Ist das nicht gefährlich?«
»Doch«, Joe grinste und setzte sich wieder, nachdem er ihr über die Wange gestrichen hatte. »Ich wollte nicht direkt in die Atmosphäre aufsteigen. Sie hätten sofort gesehen, wo wir hin wollen. Sie werden einige Minuten brauchen, um ihr Shuttle fertig zu machen. Ich hoffe, wir haben dann genug Vorsprung.«
»Wozu?« Ihr Vater war eingetreten. Er legte beide Hände auf die Rückenlehne ihres Sitzes.
»Willkommen an Bord, Professor. Sind Sie und Ihre Männer wohlauf?«, begrüßte ihn Joe.
»Den Umständen entsprechend und vielen Dank für die Rettung, aber erklären Sie mir mal, wovon Sie sprechen?«
»Willst du es ihm erzählen? Mir wird er bestimmt nicht glauben.«
Anna nickte. »Setze dich, Vater. Wir haben einige wichtige Erkenntnisse gewonnen.«
»Da bin ich mal gespannt.«
»Also: Wir wissen, dass es sich bei diesen Steinen um intelligente Lebewesen handelt. Bisher sind wir – und du – davon ausgegangen, dass es sich um viele einzelne Individuen handelt. Joe und ich sind da anderer Ansicht.«
Ihr Vater lauschte ihr mit der Ernsthaftigkeit eines Wissenschaftlers. Sie war in diesem Moment nicht seine Tochter, sondern eine Kollegin, die ihm ihre Theorien vortrug.
»Wie begründet ihr eure Annahmen?«
»Schau, als ihr mit eurem Schiff in die Planetenoberfläche bohrtet, da wehrte sich der Planet so, als hätte er Schmerzen.«
»Das ist noch kein Beweis«, wandte ihr Vater ein. »Gut organisierte Lebewesen sind zu so etwas auch fähig.«
»Sicher, aber es ist doch seltsam, dass diese Lebewesen – wenn es viele sind – einfach nur so da liegen und sich nicht bewegen.«
»Sie bewegen sich - und zwar ist der Planet ihr Fortbewegungsmittel.«
»Ich denke eher«, argumentierte Anna weiter, »dass der Planet das Lebewesen ist. Es wehrt sich gegen Parasiten, die es befallen haben. Und diese Parasiten sind wir. Die Gegenwehr erfolgt zwar irgendwie dosiert und nicht mit allen Mitteln, weil es begreift, dass es sich um eine Art intelligente Parasiten handelt und es eine möglicherweise so etwas wie unbegreifliche Ethik besitzt...«
Robert Lempki guckte ungläubig. »Ihr beide denkt, dass wir nur Parasiten sind und der Planet versucht, uns los zu werden?«
Joe nickte und kam ihr in der Argumentationslinie zu Hilfe. »Ja, alles deutet darauf hin. Ist Ihnen nicht die unruhige seismische Aktivität aufgefallen, der Abbruch des Funkkontaktes.«
»Ja, sie haben Recht, es ist schon seltsam, dass all das passiert ist, nachdem wir hier unsere Experimente begannen. In den ersten paar Wochen des Einlebens ist uns nichts Seltsames aufgefallen, absolut überhaupt nichts.«
»Da habt ihr noch keine weitergehenden Experimente durchgeführt. Zudem ist es so, dass es hier keine Tiere gibt.«
»Ja, ich weiß.« Der Professor hatte keine Ahnung, was Joe damit sagen wollte.
»Hör mal, Vater. Auf allen Planeten, welche die Menschheit bisher entdeckt hatte und auf denen es Leben gab, gab es auch jede Menge Tiere. Nur hier nicht. Hast du dich schon mal gefragt, wieso?«
»Weil...«
Joe gab anstelle des Professors die Antwort: »Weil noch nicht genug Zeit vergangen ist, Tiere zu entwickeln. Das sagten Sie selber. Er ist noch nicht alt genug, um so eine komplexe Gemeinschaft von Lebewesen hervorzubringen. Allerdings, wenn es sich nur um ein einziges Lebewesen handelt, dann ist es möglich...«
Plötzlich schien es Annas Vater wie Schuppen von den Augen zu fallen. »Ja«, sagte er und unterbrach damit Joe. Er rief aus: »Ja, genau das ist es!«
»Was?«
»Ihr habt Recht. Das war der fehlende Stein in meinem Mosaik. Und deshalb auch diese seltsame Reaktion auf uns, die Störenfriede. Einerseits versucht es, uns zu vertreiben und andererseits verhindert es die Flucht? Das ergibt ja wohl keinen Sinn. Es sei denn...«
»Ja - und?« Anna und Joe hingen an seinen Lippen.
»Es handelt sich tatsächlich um nur ein einziges Lebewesen, wie ihr vermutet habt«, bestätigte er. »Allerdings ist das noch nicht alles. Seine Reaktionen sind nicht gezielt, wie ihr meint. Ganz im Gegenteil. Es hat auch nichts damit zu tun, dass wir seine Substanz ausbeuten wollten, wir Menschen. Das hat es noch gar nicht begriffen. Wie denn auch?« Er machte eine Pause, atmete tief durch. Anna wusste, dass ihr Vater durchaus theatralisch veranlagt war, auch wenn es sie in diesem Moment ärgerte.
»Der denkende Planet ist verwirrt. Nicht unseretwegen, sondern auf Grund eines anderen Umstandes. Alle diese Reaktionen sind so etwas wie Zufall. Wenn es in uns eine echte Bedrohung sehen würde, wäre seine 'Schädlingsbekämpfung' viel differenzierter. Es lebt sozusagen in einer völlig anderen Gedankenwelt, ohne Kontaktmöglichkeit zu uns Winzlingen. Es kann uns gar nicht begreifen, genauso wenig wie wir es. Und es ist auch nicht wirklich aggressiv, auch wenn es uns im Einzelfall so erscheint. Auf direkte Störungen reagiert es auch direkt. Wie beim Forschungsschiff. Das mit euch war da eher ein Zufall, wie gesagt.«
»Aber wieso?«
»Es ist ein wenig... verwirrt, in der Tat und das ist keineswegs ein Wunder.«
»Verwirrt?«
»Ja, doch, deshalb habe ich voraus berechnet, dass so etwas wie eine Katastrophe bevor steht. Pronti ahnt es noch nicht einmal, aber ich weiß es ganz sicher.«
»Eine... Katastrophe?«
»Ja, zumindest für uns wird es wie eine Katastrophe sein. Ausfallende Funkgeräte sind da noch sehr harmlos. Möglicherweise wird es uns völlig auslöschen, einschließlich Raumschiff im Orbit.«
Jetzt machte Anna keinen Hehl mehr aus ihrem Ärger. »Also, Vater, bitte!«
»Der Planet, dieses unvorstellbar, riesige Wesen... macht eine Metamorphose durch!«
»Eine... was?« Joe verstand nicht.
»Eine Metamorphose, oder anders ausgedrückt: Er entwickelt sich von einer Lebensform in eine andere. Alles deutet darauf hin.«
»Sie meinen, der Planet steht kurz vor einer... Wiedergeburt oder so?«
»Genau.«
»Oh, Mann, dann sollten wir wirklich schnell machen, dass wir von hier weg kommen.«
Anna konnte dem nur zustimmen. Sie fröstelte, obwohl die Lufttemperatur sich nicht geändert hatte.
*
Sie saßen zusammen in der Messe. Zehn Personen, inklusive Professor Lempki, Anna und er selbst. Vor kaum zehn Minuten hatte er das Schiff auf einer weit im Meer gelegenen Insel, die nahezu baumfrei war, gelandet. Er schätzte, sie hatten ungefähr zwei Stunden, bis die Scanner der AI-Leute sie erfasst hatten - sofern diese noch funktionierten. Aber es war vernünftiger, daran nicht zu zweifeln.
Professor Lempki erklärte gerade seinen Kollegen die Theorie, die er aufgestellt hatte. Sie nahmen diese begeistert auf und plapperten wie aufgescheuchte Hühner wild durcheinander.
Schließlich wurde es ihm zu bunt. Joe haute auf den Tisch. Urplötzlich war es ruhig.
»Es ist ja schön, Sie reden zu hören, aber wir haben jetzt andere Probleme, als hier herum zu sitzen und uns über akademische Fragestellungen zu unterhalten. In weniger als zwei Stunden haben wir die AI Inc. auf unserer Fährte. Wir können nicht den Planeten verlassen, obwohl außerdem auch noch eine Katastrophe sich anbahnt, denn er macht gerade eine Geburt durch, die uns wohl nicht bekommen wird. Also, was sollen wir tun?«
Stille breitete sich aus. Niemand sagte etwas, dann wurde das Schiff wieder durch mehrere Erschütterungen geschüttelt.
»Die Signale nehmen zu«, murmelte einer der Wissenschaftler.
»Und was bedeutet dies?«, baffte Joe, der die Nase von dem hochwissenschaftlichen Geschwätz die Nase voll hatte.
»Es bedeutet«, mischte sich Professor Lempki beschwichtigend ein, »dass der Zeitpunkt der Metamorphose immer näher rückt.«
»Mist!«
»Unser Problem ist doch, das wir nicht den Planeten verlassen können, da ab einer gewissen Höhe unser Triebwerk ausfallen wird«, analysierte Anna das Problem. »Um dies zu gewährleisten, muss dieser Planet doch bestimmt eine Menge Energie aufwenden. Auf die kann er zum Zeitpunkt der Metamorphose vermutlich nicht verzichten. Können wir nicht genau in diesem Moment die Chance haben, von hier weg zu kommen?«
Aller Augen hatten sich auf Anna gerichtet.
»Das ist es!«, schrie der Professor begeistert.
Auch die anderen Wissenschaftler gaben sich zuversichtlich: »Das könnte klappen!« und »Einen Versuch ist es Wert!« war zu hören.
»Moment mal.« Joe musste das Gehörte erst einmal für sich sortieren. »Heißt das, wir sollen genau in dem Moment der Metamorphose von hier abhauen? Wissen wir denn, was genau in diesem Moment passiert? Ich meine, wir haben bestimmt nicht viel Zeit für unsere Flucht und viel Distanz zu diesem verfluchten Planeten können wir bestimmt auch nicht bekommen.«
»Joe.« Anna blickte ihn ernst an und nahm seine Hand. »Es ist unsere einzige Chance. Wir können keinen Kontakt zu diesem Lebewesen aufnehmen. Wie sollen wir ihm klar machen, dass wir ihm nichts Böses wollen?«
»Ist ja in Ordnung. Ich wollte nur klar stellen, dass es uns immer noch erwischen kann. Wie sollen wir den richtigen Zeitpunkt erfahren? Wenn es sich um eine Art Zeitfenster handelt, das wir haargenau treffen müssen: Wie lange bleibt es für unsere Flucht offen? Genau das will ich zu bedenken geben. Nichts weiter.« Betretenes Schweigen senkte sich herab. »Ich wollte euch nicht die Hoffnung nehmen. Nur: Überschwang nützt uns auch nichts. Also, Professor, was ist als nächstes zu tun?«
»Wir müssen zurück ins Lager.«
»Wie bitte?«
»Wir müssen den Zeitpunkt der Metamorphose feststellen. Dazu brauchen wir die Forschungsergebnisse, die wir gesammelt haben. Die befinden sich auf meinem Computer im Lager.«
Joe hatte sich schon längst damit abgefunden, dass dies hier verrückter war als jede Schmuggleraktion, die er bisher durchgeführt hatte. Mehr noch: Verrückter, als er es jemals auch nur für möglich gehalten hätte.
»Also gut, dann zurück ins Lager.«
*
Kimberly starrte auf den Monitor. Vor ihr breitete sich das Grendel-System aus. Sie waren noch eine Stunde vom 4. Planeten entfernt. Sie spürte, dort befand sich Gent zusammen mit seiner rothaarigen Schlampe. Noch einmal würde sie ihn nicht entkommen lassen.
»Über dem vierten Planeten befindet sich ein Schiff«, ließ sich ihr Adjutant Noel vernehmen.
Sie hatte also Recht behalten. Hier verbarg sich diese Ratte. »Können die Scanner es identifizieren?«
»Einen Moment noch.«
Ungeduldig wartete Kimberly. Sie hatte schon viel zu lange gewartet.
»Es ist das Schiff, mit dem wir uns bei Sel Arth den Kampf geliefert haben.«
»Irgendwelche Hinweise auf Gent?«
»Nein, aber etwas ist seltsam.«
»Ja?« Kimberly blickte zum ersten Mal hinüber zu Noel.
»Das Schiff sendet ununterbrochen Nachrichten auf die Planetenoberfläche.«
»Ist doch nichts Besonderes. Sie werden dort einen Landetrupp haben. Schließlich sind sie auch hinter ihm her.«
»Schon, aber sie bekommen keine Antwort.«
»Hm, besteht eine Möglichkeit, uns anzuschleichen?«
»Kaum.« Noel hatte offensichtlich mit seiner Antwort gezögert, wusste er doch, was sie nun befehlen würde.
»Du weißt, was ich vor habe?«
»Klar, ich kenne dich gut genug. Ich würde allerdings davon abraten«, machte er einen Versuch.
»Das ist mir egal. Auf diesem Planeten ist Gent und ich will ihn haben. Also, wir versuchen, uns so nah wie möglich, unerkannt, an das Schiff heranzuschleichen. Wozu habe ich einen so teuren Ortungsschutz installieren lassen? Zumal die uns mit Sicherheit gar nicht erwarten und vor allem völlig andere Sorgen zu haben scheinen. Sobald sie uns entdeckt haben, feuern wir, was das Rohr hält und schlagen uns zur Planetenoberfläche durch. Entdecken sie uns nicht, pirschen wir uns so nahe heran, dass sie keine Chance haben: Exitus!«
Noel seufzte. »Aye, ich hoffe, es ist auch seinen Preis wert.«
»Das ist es, glaub mir, Noel, das ist es.«
*
Es war dunkel. Ohne Nachtsichtgerät hätte Joe nicht die Hand vor seinen Augen sehen können. Neben ihm raschelte es. Es war Anna. Sie waren insgesamt zu viert. Außer ihnen beiden war noch der Professor und sein Assistent Ken Behring mit von der Partie. Die anderen sechs Wissenschaftler hatten sie im Shuttle zurück gelassen. Gott sei Dank hatte sich darunter einer befunden, der als ehemaliger Militärpilot Erfahrung mit dem Fliegen solch eines Schiffes gesammelt hatte, auch wenn es schon fünfzehn Jahre her war. Sollte es Probleme geben, mussten sie auf diese Erfahrung bauen.
»Es ist nicht mehr weit. Noch zehn Meter.« Sie hatten das Nachtsichtgerät im Schiff entdeckt, das Joe nun trug. Ihr Plan war es, in das Camp einzudringen und die Daten von Professor Lempkis Computer herunterzuholen. Dazu mussten der Professor oder Behring dabei sein, da nur sie – und natürlich Pronti – den Zugriffscode besaßen.
Nun tauchte der ersten Schimmer des Lagers auf. Bisher waren sie keinen Wachen begegnet. Muller schien sich sicher zu fühlen - wie schon einmal. Dann hatten sie den Waldsaum erreicht und das Camp erschien vor ihnen. Es war alles still. Der zentrale Platz lag unter der Beleuchtung von starken Lampen. Es war niemand zu sehen.
»Hoffen wir, dass es nicht ausgerechnet jetzt kein Erdbeben gibt«, meinte Anna.
»Das Glück ist mit den Tüchtigen. Ich werde mit deinem Vater versuchen, in seinen Container zu gelangen, beobachte du mit Behring zusammen das Lager.«
»Schade, dass keine Funkgeräte funktionieren. So können wir euch auch nicht warnen, falls Gefahr droht.«
»So ist es nun mal.« Joe war nicht sehr beunruhigt. »Schau, das Shuttle ist weg. Sie suchen uns bestimmt noch. Niemand wird uns hier vermuten. Und wir kennen ja Muller und seinen Leichtsinn: Er wird uns nach wie vor unterschätzen. Außerdem hat er nicht die geringste Ahnung, dass er hier auf einer Art Pulverfass sitzt - sowieso.« Er beugte sich vor und genoss Annas Lippen. »In einer viertel Stunde sind wir wieder zurück.«
»Viel Glück.«
Er händigte ihr das Nachtsichtgerät aus. Joe gab dem Professor ein Zeichen. Gemeinsam traten sie aus dem Dschungel. Vorsichtig und geduckt, sich immer wieder umsehend, strebten sie ihrem Ziel zu. Sie waren direkt hinter des Professors Container aus dem Wald gekommen. Auch wenn jemand zufällig aus einem der anderen in ihre Richtung blickte, würden sie nur huschende Schatten sein.
Rasch hatten sie die Containerrückseite erreicht. Der Eingang war vorn, auf der hell erleuchteten Seite des Platzes.
In gebückter Haltung schlichen sie um das Metallgebäude herum. Joe sicherte ab, während der Professor an dem Schloss herum nestelte. Niemand war zu sehen. Das Lager war verdächtig ruhig.
Sie huschten hinein und schlossen leise die Tür hinter sich wieder.
»Das hätten wir geschafft.« Erleichterung war Joe anzumerken. »Wo ist der Rechner?«
»Hier entlang.« Fast auf allen Vieren folgte Joe dem Professor. Bewegende Gestalten vor Fenstern konnten unliebsame Aufmerksamkeit erregen. Joe war von dem Professor beeindruckt, der trotz seines Gipsarmes und seines hohen Alters ziemlich fit zu sein schien. Oder war er nur ungewöhnlich tapfer?
Flüchtig dachte er an das Greekho von Anna, das von dem Professor gezüchtet worden war. Eine ganz besondere Züchtung, wie Joe wusste - eine sogar, wie sie dem Professor vielleicht nie mehr gelingen würde, nachdem sein eigenes Greekho tot war. Ob er von diesem Greekho nun Kraft bezog, trotz zweihundert Kilometer Entfernung?
Sie erreichten das Arbeitszimmer. Auf dem Schreibtisch stand das Terminal. Joe sicherte die Tür ab, während der Professor den Computer startete.
Das Logo erschien auf dem Bildschirm, hoffentlich fiel der Schein draußen niemandem auf. Blöd, dass die Blendläden nicht geschlossen waren.
»Wie lange werden Sie brauchen?«
»Fünf bis acht Minuten«, kam die knappe Antwort.
»Okay.«
Joe sah, wie der Professor eine Biochipkarte aus seiner Hose zauberte und in den dafür vorgesehenen Schlitz schob. Seine Finger huschten über die Tastatur hinweg, dann hörte das Klicken auf. Joe zählte jede einzelne Sekunde. Die Hand, die den Pistolengriff umfasste, war schon ganz nass. Sie mussten von hier weg kommen, das war er Uri schuldig und auch Luke. Ihre Mörder mussten bestraft werden und vor allem deren Auftraggeber.
»Ich bin fertig.«
Mit einem leisen Seufzer verabschiedete sich der Rechner in seinen traumlosen Schlaf.
»Na, dann nichts wie raus hier.«
Sie schlichen zurück zur Tür. Gerade als Joe sich erhob, um den Türknauf zu ergreifen, ging die Tür nach außen auf. Im Licht des Platzes war Dr. Luigi Pronti leicht zu erkennen. Joe handelte einen Moment zu spät und gab seinem Gegner die Möglichkeit zu handeln. Pronti schlug die Tür reflexartig wieder zu und schrie laut: »Hier sind sie! Zu mir! Ich habe die Banditen!«
Joe warf sich gegen die Containertür, aber Pronti hatte sich von außen dagegen gestemmt.
»Mist!«
Ihm blieb keine andere Wahl. Er hob die Laserwaffe und zielte auf die Tür. Der Strahl brannte zischend ein zentimetergroßes Loch hinein. Von draußen war ein Schmerzensschrei zu hören. Joe trat mit aller Gewalt gegen die Tür. Sie sprang auf. Er hechtete hinaus. Im Fliegen drehte er sich um die Längsachse und rollte sich so ab, dass er auf den Bauch zum Liegen kam.
»Keine Bewegung!« Er war direkt vor einem der AI-Sicherheitsleute gelandet. Dieser zielte mit seinem Gewehr genau auf ihn. Aus den Augenwinkeln sah er noch mehr Sicherheitsleute heran eilen.
»Waffe fallen lassen!«
»Scheiße!«, war das Einzige, was ihm noch einfiel. Neben ihm polterte die Laserwaffe zu Boden.
»Hände auf den Rücken!«
Er tat wie befohlen. Unmittelbar darauf spürte er den Druck eines Knies auf seinem Rückgrat und seine Hände wurden zusammen gebunden. Er wurde hoch gerissen. Der Professor stand mit dem Rücken zu ihm, beide Hände über dem Kopf an der Containerwand und breitbeinig. Auch ihn hatten sie erwischt. Damit war jetzt alles aus. Er hoffte nur, Anna und Behring würden sich nicht einmischen. Solange sie noch frei herumliefen, bestand Hoffnung, dass sie sich zumindest retten konnten.
Joe wurde von zwei Männern festgehalten. Gerade hatte sich Pronti aus dem Dreck erhoben. Er presste eine Hand gegen seinen linken Oberarm.
Das Erste, was er tat, war, Joe in den Magen zu treten. Joe krümmte sich und wurde nur durch die Sicherheitsleute gehalten.
»Das war für den Schuss durch die Tür!«, jaulte Pronti.
»Leider habe ich nicht richtig getroffen«, bedauerte Joe und bekam dafür einen weiteren Tritt in die Weichteile.
»Hören Sie damit auf!«, mischte sich der Professor ein. »Sie haben kein Recht dazu!«
»Und ob, dieser Scheißkerl hätte mich um ein Haar getötet.«
»Das wäre nicht schade gewesen. Sie hatten nichts in meinem Container verloren.«
Joes Blick wurde langsam wieder klar. Pronti konnte grade noch seine Wut zügeln. Seinen alten Professor zu schlagen, traute er sich nicht, so verlegte er sich auf das rein Verbale.
»Das ist nicht mehr Ihr Container.«
»Ich bin immer noch der Expeditionsleiter, egal, was dieser Muller sagt.«
»Mir ist es egal, was Sie glauben«, konterte Pronti. »Führt die beiden ab.« Er wandte sich ab, um seine Wunde versorgen zu lassen.
»Muller hätte sie da draußen verdorren lassen sollen!«, rief im Joe nach.
Pronti blieb stehen, wartete einen Augenblick und sagte dann zu dem befehlenden Offizier: »Ich habe eine bessere Idee. Bindet die beiden dort fest.« Er deutete mit dem Kopf auf das Raupenfahrzeug, das mitten im Lichtkegel der Scheinwerfer stand. »Muller will morgen früh zurück sein. Soll er sich um die beiden kümmern.«
»Okay«, gab der Soldat zurück.
»Aber passt auf, das andere Gesindel muss sich noch hier rum treiben.«
»Morgen früh können wir nach ihnen suchen.«
»Von mir aus.« Damit ging er endgültig.
Joe und Professor Lempki wurden nicht gerade sanft zu dem Raupenfahrzeug gezerrt und dann mit Plastikfesseln daran festgebunden. Es wurden vier Wachen aufgestellt, der Rest der Leute begab sich zurück in ihre Container.
Joe versuchte, es sich so gut wie möglich bequem zu machen. Immerhin gelang es ihm, sich hinzusetzen. Der Professor machte es ihm gleich, durch seinen Gipsarm etwas behindert. »Das ist wohl nicht so gelaufen, wie wir es uns vorgestellt haben.«
Joe hob den Kopf. »Nein, leider nicht. Doch noch sind wir nicht verloren. Solange Anna noch frei ist, haben wir eine reale Chance.«
»Gut zu hören, dass sie noch nicht aufgegeben haben«, meinte der Professor. »Ich habe es nämlich auch noch nicht.«
»Nun, allerdings an die Daten kommen wir nicht mehr so leicht heran.«
»Wieso?« Der Professor blickte erstaunt. »Sie haben mich nicht durchsucht, die Biochipkarte habe ich noch immer.«
Joe grinste. »Dann sollten wir uns überlegen, wie wir das hier los werden.« Joe deutete auf die Plastikfesseln.
»Dann lassen Sie sich etwas einfallen. Sie sind schließlich hier der gewiefte Halunke, ich nur der zerstreute Professor.«
»Na, Humor haben Sie jedenfalls! Das muss der Neid Ihnen lassen«, bemerkte Joe zerknirscht.
*
Der nächste Morgen kam schnell, ohne dass Joe auch nur im Entferntesten dran war, einen vernünftigen Plan zu entwickeln, wie sie beide aus diesem Schlamassel wieder heraus kämen. Immerhin hatte sich Anna nicht gezeigt. Joe war froh darum. Sie versteckte sich bestimmt irgendwo im Dschungel und beobachtete das Geschehen.
»Was werden sie mit uns machen?«, fragte ihn der Professor besorgt. Seine Zuversicht schien zurück zu gehen.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Gent wahrheitsgetreu. »Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass sie uns laufen lassen.«
Ein weiteres leichtes Erdbeben erschütterte den Planeten. Es war das vierte seit gestern Abend.
»Das beunruhigt mich«, sagte Gent, als es nach zehn Sekunden vorbei war.
»Das sollte es auch. Wir werden die Daten bald nicht mehr brauchen. Die Intervalle zwischen den Erdbeben nehmen ab. Wenn Sie mich fragen, ist das ein sicheres Zeichen, dass die Metamorphose kurz bevorsteht.«
»Na, das wird spaßig, wenn wir dann noch hier sind«, meinte Joe sarkastisch. »Zumal wir keine Ahnung haben, was dann wirklich geschieht, nicht wahr? Platzt der Planet auseinander? Werden zwei daraus?«
Der Professor blieb die Antworten schuldig. Sie wurden durch ein Triebwerksgeräusch abgelenkt.
Zuerst dachte Joe, es könnte Anna mit dem gestohlenen Schiff sein, aber es stellte sich alsbald heraus, dass es das Shuttle von Muller war. Es landete auf dem freien Platz.
Pronti kam aus einem der Container heraus und stellte sich vor der Schleuse auf. Wenig später öffnete sie sich und Muller trat heraus. Er begrüßte Pronti knapp und wandte sich dann Joe und dem Professor zu. Pronti folgte ihm, den Arm verbunden und in einer Schlinge steckend.
Mit hämisch grinsendem Gesicht trat Muller an Joe heran.
»Wen haben wir denn da? Wir umfliegen den halben Planeten und die Ratte kommt ganz von allein zurück ins Nest.«
Pronti berichtete geflissentlich: »Wir haben sie gestern Nacht gefangen, als sie in den Container des Professors eindrangen.«
»Das ist ja interessant.« Muller nahm den Professor ins Visier. »Und darf ich erfahren, was Sie dort zu suchen hatten?«
»Dürfen Sie nicht«, erwiderte der Professor trotzig. »Ich bin der Leiter dieser Expedition und niemand, auch Sie nicht, hat mir was zu sagen.«
»Tja, ist schon schlimm, wenn man der Selbsttäuschung erlegen ist. Sie wurden abgesetzt.«
»Das können Sie gar nicht, dazu müssten Sie mit der Sternenbehörde reden und Verbindung besteht ja schließlich nicht mehr.«
»Ach, wissen Sie«, erklärte Muller selbstsicher, »solche Papiere kann man auch nachreichen.« Dann fuhr er mit schärferem Ton fort: »Jetzt ist Schluss mit lustig. Ich rate Ihnen, mir zu verraten, wo sich ihre Komplizen befinden!«
Ein erneutes Zittern durchlief den Planeten. Diesmal war es heftiger als jemals zuvor. Alle hatten Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Nach zwanzig Sekunden war es verklungen, wie eine Lawine im Winter.
»Verdammter Planet. Was ist hier los, Pronti?«
Pronti zuckte nur mit den Schultern. »Dies ist ein junger Planet. Seismische Aktivitäten sind deshalb zu erwarten.«
»Ich habe keine Lust, noch mehr Zeit auf diesem beschissenen Planeten zu verbringen«, lamentierte Muller. Er zog aus dem Seitenhalfter eine Laserpistole und zielte auf Joe.
»Wenn Sie mich erschießen, dann kriegen Sie auch keine Antworten.«
Muller ging darauf nicht ein: Er fixierte den Waldrand und schrie dann: »Hören Sie, Frau Lempki. Ich weiß, dass Sie sich hier irgendwo verstecken.« Er machte ein Pause. Joe blickte ebenfalls zum Waldsaum. Außer sich im Wind bewegenden Ästen war nichts zu entdecken. »Als ersten werde ich Ihren Lover erschießen, danach Ihren Vater. Sie wissen, dass ich nicht spaße. Also, kommen Sie heraus und ergeben sich.«
Nichts rührte sich. Muller hielt den Laser wieder auf Joe gerichtet. Dann begann er zu zählen: »Zehn! Neun! Acht!«
Wie wild versuchte Joe, seine Fesseln los zu werden. »Sieben! Sechs! Fünf!«
Verdammt, sollte dies wirklich ihr aller Ende sein?
*
Anna war allein im Dschungel zurückgeblieben. Sie hatte Behring zum Schiff geschickt. Er sollte es startbereit halten. Die ganze Nacht über hatte sie versucht, einen Weg zu finden, Joe und ihren Vater zu befreien. Sie hatte keinen gefunden. Ständig wurden die beiden durch vier Sicherheitsleute bewacht. Klar, sie hatte einen Laser, allerdings bezweifelte sie ihre Fähigkeit, alle vier Wachen auf einmal zu erledigen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als zu warten.
Am Morgen war dann Muller mit seinem Schiff aufgetaucht. Er hatte offensichtlich vergeblich nach ihnen gesucht. Nun stand dieser Mistkerl vor Joe und hielt einen Laser vor dessen Gesicht. Der Countdown hallte in ihren Ohren schmerzhaft wider.
»Acht! Sieben! Sechs!«
Sie konnte es nicht mehr aushalten. Irgend etwas musste jetzt geschehen, auch wenn sie wusste, es war ein Fehler. Sie konnte nicht mit ansehen, wie Joe und ihr Vater einfach abgeknallt wurden. Und daran, dass Muller dies tatsächlich tun würde, hegte sie keinerlei Zweifel.
Mit zitternden Fingern entsicherte sie die Waffe.
»Fünf! Vier! Drei!«
Den Finger fest auf den Dauerauslöser gedrückt, rannte sie los. Laserzungen zuckten durchs Lager, bohrten sich in Container und in den Boden.
*
Joe hatte mit dem Leben abgeschlossen. So einen Tod hatte er sich nie gewünscht, aber ändern ließ es sich nicht mehr. Muller zählte weiter und betrachtete währenddessen seelenruhig den Waldsaum.
»Drei! Zwei!«
Ein wildes Zischen erklang. Joe sah mit Schrecken, wie Anna aus dem Dschungel gerannt kam, wild um sich schießend. Gleichzeitig warf sich Muller auf den Boden und zielte dann auf sie.
»Nein!«, schrie Joe voller Verzweiflung. Sie hatte keine Chance gegen ihn. Ihr Spiel war endgültig verloren.
*
Anna nahm nicht viel wahr, als sie vor stürmte. Vor ihr warfen sich Schemen auf den Boden. Sie versuchte, zu Joe und ihrem Vater zu gelangen. Sie musste es schaffen.
Plötzlich bekam sie einen Schlag, wurde in die Luft geschleudert und landete hart auf dem Boden. Der Laser wurde ihr aus der Hand geprellt. Sie wurde bewusstlos.
*
Joes Blick haftete an dem Zeigerfinger Mullers, wie er langsam sich dem Druckpunkt näherte. Da riss plötzlich der Boden vor ihm auf. Die Raupe machte einen Sprung in die Luft und er wurde mitgerissen. Der Aufprall war fürchterlich. Um ihn herum tobte das Chaos. Erde spritzte senkrecht in die Luft. Container wirbelten durcheinander. Ein ohrenbetäubendes Geräusch erfüllte seine ganze Wahrnehmung.
Er mochte wohl ein paar Sekunden besinnungslos da gelegen haben. Mühsam öffnete er die Augenlider. Ein unbändiges Zittern erfüllte Boden und Luft, Menschen schrieen. Direkt vor ihm lag eine Laserpistole. Er kroch hin, hob sie hoch, zu seinem Mund. Mit den Zähnen stellte er die niedrigste Intensität ein, dann schmolz er seine Plastikfesseln auf.
Zu Tode erschöpft, ließ sich Joe zurück sinken. Doch er durfte sich keine Atempause gönnen. Irgendwo hier im Gewirr musste Anna sein. Zum ersten Mal blickte er sich um und erstarrte. Ein gewaltiges Erdbeben hatte das Lager dem Erdboden gleich gemacht. Überall brannte es. Leichen lagen herum und das Stöhnen der Verletzten erfüllte die Luft.
Joe schaute sich nach dem Professor um. Er fand ihn hinter der Raupe. Es war ein Wunder, dass er noch lebte. Seine Beine lagen unter der Maschine, vollständig zerquetscht.
Rasch kniete er sich nieder. »Professor! Professor! Hören Sie mich!«
Der Professor öffnete die Augen. In diesem Moment kniete sich ein Schatten neben Joe nieder. Es war Anna. Ihr Gesicht war voller Dreck und Blut lief ihre Wange herunter.
»Vater! Vater!«, weinte sie. Ihr musste ebenso wie ihm klar sein, dass ihr Vater sterben würde.
»Anna«, hauchte der Professor. Er nestelte an der Brusttasche seines Overalls. Dann zog er den Datenträger hervor. »Hier, nimm ihn.« Er drückte ihn ihr in die Hand. »Behring weiß, was er damit tun muss. Ich alter Mann werde jetzt abtreten.«
»Nein, Vater! Du darfst nicht sterben.«
»Es lässt sich nicht ändern, Schatz. Ich freue mich auch darauf, endlich deine Mutter wieder zu treffen.«
Anna weinte hemmungslos.
»Sei nicht traurig, Anna. Für jeden von uns kommt die Zeit. Bleibe bei Joe. Er ist ein feiner Kerl.« Dann wandte er sich Joe zu. »Führt meine Arbeit zu Ende.«
Joe nickte. »Das machen wir.«
Die Augen des Professors brachen. Anna weinte schluchzend. Joe drückte ihm die Augen zu und nahm Anna in die Arme.
Ein weiteres Zittern lief durch den Boden und gemahnte sie zur Eile.
»Anna, wir müssen gehen. Es ist zu gefährlich hier.«
»Ja.« Sie gab ihrem Vater noch einen Kuss, wischte sich die Tränen weg und ließ sich von Joe fort führen.
Niemand hielt sie auf, als sie das völlig zerstörte Lager verließen. Selbst das Shuttle war von einem umgestürzten Container getroffen worden.
Schnell stießen sie in den Dschungel vor. Hier war es seltsamerweise zu keinen größeren Zerstörungen gekommen. Einige Bäume waren zwar entwurzelt worden, aber ihre Nachbarn hatten sie daran gehindert, umzufallen.
»Hoffentlich ist unser Schiff noch intakt«, betete Joe.
Anna gab keine Antwort. Er sah, dass sie sich verbissen durch das Unterholz kämpfte. Ohne die Kraft, die sie jetzt von ihrem Greekho bezog, hätte sie sich vielleicht nicht einmal von dort erheben können, wo das Erdbeben sie hin geschleudert hatte. Ihrem Vater hatte diese Kraft nichts mehr genutzt. Auch sie hatte offensichtlich ihre Grenzen und konnte den Tod am Ende doch nicht verhindern.
Er unterließ es lieber, weiter mit ihr zu reden.
Wenig später erreichten sie die Lichtung, wo ihr Schiff gelandet war. Neben dem Schiff waren zwei Baumstämme umgefallen, hatten das Schiff aber nicht getroffen.
Kaum hatten sie die Lichtung betreten, kam ihnen auch schon Behring entgegen.
»Gut, Sie zu sehen«, begrüßte er sie. »Wir hatten uns schon Sorgen gemacht.« Er blickte sich um. »Wo ist Professor Lempki? Kommt er gleich nach?«
Joe wollte ihm antworten, die traurige Nachricht mitteilen, aber Anna war schneller: »Mein Vater wird nicht nachkommen. Er ist tot.«
Behring wurde aschfahl. »Aber, aber...?«
»Er hat es noch geschafft, uns die Daten zu beschaffen.« Sie reichte ihm das Medium. Dann stapfte sie zur Schleuse, ohne sich noch einmal umzublicken.
»Kommen Sie!« Joe umfasste Behrings Schultern und schob ihn mit. »Es wird Zeit, diesen Planeten zu verlassen.«
*
Das Shuttle hatte sich in die Luft erhoben. Anna saß wie erstarrt im Cockpit. Um sie herum surrte es wie im Bienenstock. Joe flog das Schiff und Behring fütterte den Computer mit den Forschungsdaten. Nebenbei diskutierten mindestens drei weitere Wissenschaftler über den richtigen Zeitpunkt, um die Atmosphäre zu verlassen. Anna nahm alles wie im Traum wahr. Ihr Vater war tot. Letztendlich hatten es diese Kerle doch noch geschafft, ihr Ziel zu erreichen. Nein! Sie würden es nicht. Sie und Joe würden die Forschungsergebnisse Ihres Vaters zur Erde bringen und dort veröffentlichen. Sie würde dafür sorgen, dass diese Firma nie wieder ein Geschäft tätigen würde.
Nachdem sie ihren Entschluss gefasst hatte, fühlte sie sich besser. Es war, als würde sie auftauen, nach einem langen, sehr langem Winterschlaf. Sie wünschte sich, Joe würde sie in die Arme nehmen, sie trösten, doch sie wusste auch, dass er es jetzt nicht konnte.
Sie mussten es schaffen, die Atmosphäre zu durchdringen, nur so konnte sie ihren Vater rächen.
Sie stand von ihrem Sitz auf und begab sich zu Joe. Als sie ihre Hand auf seine Schulter legte, blickte er fragend auf.
»Du kannst wieder mit mir rechnen«, versicherte sie ihm. »Ich bin okay.«
Er drückte ihre Hand. »In Ordnung, dann hilf Behring bei seinen Berechnungen. Er kann dich bestimmt gebrauchen.«
»Nein, erst muss ich noch unsere beiden Greekhoj retten!«
»Geht es denen gut?«
»Ja, sogar bestens! Da dein Schiff eine Schneise geschlagen hat, gibt es dort keine umfallenden Bäume mehr, die gefährlich werden könnten. Ich brauche nur Sekunden.«