GAARSON-GATE: Die 8. Kompilation - Wilfried A. Hary - E-Book

GAARSON-GATE: Die 8. Kompilation E-Book

Wilfried A. Hary

0,0
8,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

GAARSON-GATE: Die 8. Kompilation Wilfried A. Hary (Hrsg.): „Die Bände 71 bis 77 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“ Eine Kompilation ist die Zusammenfassung von mehreren veröffentlichten Werken in einem einzigen Buch. In dieser GAARSON-GATE-Kompilation handelt es sich um 8 Romane in einem Buch. Hier die in dieser Kompilation enthaltenen originalen Romane mit Angabe der jeweiligen Autoren: 71 »Saat der Gewalt« Wilfried Hary (8/07 GB) 72 »Schöne neue Welt« Wilfried Hary (10/07 GB) 7 73 »Antal Rypdahl« Alfred Bekker/ W. A. Hary (12/07 GB) 74 »Der Seher von Yys« Alfred Bekker (2/08 GB) 75 »Im Zeichen der Macht« Alfred Bekker (4/08 GB) 76 »Die Rache« Alfred Bekker/ W. A. Hary (7/08 GB) 77 »Die Insel-Allianz« W. A. Hary (10/08 GB) Klammerangaben: Ersterscheinung nach Monat und Jahr und Kürzel des jeweiligen Coverkünstlers des orignalen Einzelromans! Immer Ihr Wilfried A. Hary (Hrsg.) Gaarson-Gate - die große, in sich abgeschlossene Science-Fiction-Serie! GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von STAR GATE - das Original! Verfolgen Sie die Abenteuer der Menschheit in über vierhundert Jahren. Erleben Sie die ferne Zukunft hautnah – und bangen Sie mit: Wird die Menschheit das größte Abenteuer ihrer Geschichte heil überstehen?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

GAARSON-GATE:

Impressum

GAARSON-GATE:

Die 8. Kompilation

GG 071:

Wilfried A. Hary

1

2

3

4

5

6

7

GG 072:

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

GG 073:

1

2

3

4

5

6

Nachwort

GG 074:

1

2

3

4

5

6

7

8

9

GG 075:

1

2

3

4

5

6

7

8

9

Nachwort

GG 076:

1

2

3

4

5

6

7

GG 077:

Vorwort

1

2

3

4

Rückblende

5

6

In eigener Sache:

GAARSON-GATE:

Die 8.

Kompilation

Wilfried A. Hary (Hrsg.)

Impressum

Copyright © neu 2019 by

www.HARY-PRODUCTION.de

Sämtliche Rechte vorbehalten!

Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von

HARY-PRODUCTION

Canadastraße 30

66482 Zweibrücken

Logo: Gerhard Börnsen

Covergestaltung: Anistasius

GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von

STAR GATE – das Original

GAARSON-GATE:

Die 8. Kompilation

 

GAARSON-GATE ist die Schwesterserie von STAR GATE – das Original!

 

„Die Bände 71 bis 77 der Serie hier in einem Buch zusammengefasst!“

Eine Kompilation ist die Zusammenfassung von mehreren veröffentlichten Werken in einem einzigen Buch. In dieser GAARSON-GATE-Kompilation handelt es sich um zehn Romane in einem Buch.

 

 

 

GG 071:

Saat der Gewalt

Wilfried A. Hary

„Der private Krieg der TIPOR-1 – im Auftrag der Erde!“

1

„So, ich habe die Quartiere gecheckt: Fehlanzeige!“, meldete Fernandez schließlich.

„Also niemand da?“, vergewisserte sich Kapitano Karl Müller über Funk.

„Nein, außer den fünfzehn Weibern im Lazarett ist niemand mehr an Bord - definitiv. Und jetzt eile ich zum genannten Lazarett, um nichts zu versäumen. Die fünf, denen der Doc das Gegenmittel gespritzt hat, müssen jeden Augenblick zu sich kommen.“

„Ja, Beeilung tut wirklich Not, Enrico, denn die fangen schon an, sich zu rühren!“, berichtete Doc Steinmann über Helmfunk.

„Na, dann!“ Enrico Fernandez rannte so schnell es die erhöhte Schwerkraft, die Schieflage des Schiffes und sein Raumanzug zuließen.

Und dann stand er keuchend in der offenen Tür zum Lazarett.

Tatsächlich, die Frauen kamen zu sich. Sie bewegten sich träge. Es fiel ihnen offensichtlich schwer, die Augen zu öffnen. Eine wäre beinahe von der Liege gerutscht. Gottlob hatte der Doc einen Teil der Schnallen zugelassen. Aber er hatte auch dafür gesorgt, dass die Liegen waagerecht standen bei ihrem Erwachen, trotz der Schieflage des Schiffes.

„Vergesst nicht die Schocker!“, ermahnte sie der Kapitano vom Schiff oben.

„Natürlich nicht!“, sagte Kevin Klein.

„Auch der Doc?“

„Ja, auch der!“, bestätigte Doc Steinmann und wog den Schockstrahler wie prüfend in der Hand. „Wir müssen mit allem rechnen hier - nur nicht mit was Gutem!“

Darauf wusste niemand etwas zu sagen.

Die drei hatten sich strategisch verteilt. Sie hatten die fünf erwachenden Frauen in die Mitte genommen.

Eine stieß einen spitzen Schrei aus. Ihr schien plötzlich bewusst zu werden, was geschehen war. Dann erblickte sie die drei vermummten Gestalten.

„He, wer seid ihr denn?“, rief sie aus.

„Das Rettungskommando!“, erläuterte Fernandez per Außenlautsprecher seines Raumanzuges. „Hatten Sie uns nicht ein Notsignal zur Erde gesendet?“

„Haben wir?“ Sie schaute sich nach den anderen vier um, die jetzt auch nach und nach vollends erwachten. „Das war wohl, nachdem man uns ruhiggestellt hatte.“

„Ruhiggestellt?“

„Wir hatten einen Schaden in der Energieversorgung. Dieser Planet hier war sozusagen unsere letzte Rettung.“

„Und wo sind die anderen alle hin - nach Ihrer... Ruhigstellung?“, fragte Fernandez gedehnt.

„He, das sind ja... Männer!“, keifte eine der Frauen.

„Flotte!“, betonte diejenige, die als erste erwacht war. „Da gibt es ja beinahe ausschließlich Männer, habe ich mir sagen lassen. Die wahre Machogesellschaft.“

„Und bei euch nur... Frauen?“, erkundigte sich Fernandez. Beinahe hätte er Weiber gesagt, sich das aber im letzten Moment verkniffen.

„Auf diesem Schiff gab es bislang nur Frauen. Deshalb haben wir es ja auch AMAZON getauft“, belehrte ihn die dritte.

„Und wer sind Sie? Und was ist nun mit diesem Ruhigstellen gemeint?“

Die als erste erwacht war, antwortete: „Ich bin Doc Clair.“

„Ach ja - und weiter?“

„Nichts weiter. Nur Doc Clair. Wir haben unsere alten Namen abgelegt wie nutzlosen Ballast und haben uns neue Namen gegeben - welche, die zu uns passen.“

„Wie im Nonnenkloster, aha, ich verstehe. Aber Doc waren Sie schon vorher oder wie?“

„Was gibt es da zu lachen, guter Mann?“

„Der lacht immer!“, erläuterte Doc Steinmann. „Ich bin Doc Kurt Steinmann - und ich heiße wirklich so. Vielleicht wären Sie endlich bereit, die Fragen von Enrico Fernandez hier zu beantworten?“ Steinmann gab sich gern kernig und machohaft, obwohl seine Erscheinung solches Lügen strafte, denn er wirkte wenig männlich, worunter er wohl unbewusst litt.

„Tu ich doch!“, keifte die Frau, setzte sich auf den Rand der Liege und ließ die Beine baumeln. „Typisch Männer!“, fügte sie hinzu. Die anderen vier rümpften wie auf Kommando die Nase.

„Weiber!“, entfuhr es jetzt Enrico Fernandez trotz aller vergeblicher Versuche, sich zu beherrschen.

„Wie bitte?“, herrschte ihn die angebliche Doc Clair an.

Da erst schien sie die drohenden Waffen zu entdecken. „He, was soll das denn? Ich denke, Sie sind hier, um uns zu retten?“

„Sind wir auch, aber nicht ohne Vorsichtsmaßnahmen“, erläuterte Enrico Fernandez. „Ich habe zwar schon davon gehört, dass es Frauen gibt mit Zungen wie Rasierklingen, aber vielleicht sind das ja bei weitem nicht alle Gefahren, die unbescholtenen Männern der Flotte hier drohen?“

Doc Clair lachte humorlos. „Sie sind mir mal ein Früchtchen!“

„Planetologe!“, stellte Enrico Fernandez lachend richtig und deutete scherzhaft eine kleine Verbeugung an. „Und die Waffen in unseren Händen sind echt. Sie töten zwar nicht, aber die Bekanntschaft mit ihnen kann recht unangenehm sein.“

„Ich weiß - oder halten Sie mich für dumm? Ja, ja, ich war schon vorher Doc. Ich leite das Lazarett hier. Die anderen vier Frauen gehören zu meinem Team. Aber noch einmal ganz konkret: Was sollen die Schocker? Wieso halten Sie uns damit in Schach?“

„Ja, das ist der richtige Ausdruck: Wir halten euch in Schach! Vielleicht hat man euch ja nicht ganz ohne Grund ruhiggestellt?“

„Das hat man, weil man nicht die gesamte Besatzung retten konnte. Dies hier war eine Notlandung, wenn Sie verstehen, was ich meine. Bevor das Schiff endgültig unterging, schickte man uns ins Land der Träume, ehe wir uns versahen. Weil die nur eine Rettungskapsel hatten, mit denen sie den Rest der Besatzung in Sicherheit bringen konnten.“

„Und euch ließ man ganz einfach hier zurück?“

„Nun, haben die jetzt einen Notruf abgesendet oder nicht? Und seid ihr nun hergekommen, um uns zu retten oder nicht? War doch wohl kein Problem, uns zu wecken, wie? Und jetzt: Abmarsch! Oder soll ich hier auf der Liege versauern?“

„Nur Gemach, junge Frau. Wir haben hier die Waffen - und deshalb bestimmen wir auch, was geschieht. Ausnahmsweise. Obwohl wir nur Männer sind.“ Fernandez in seiner lachenden Art dehnte besonders das Wort „nur“.

„Sie trauen uns nicht?“, wunderte sich Doc Clair.

„Genau! Wir trauen euch nicht, denn mit diesem Planeten hier stimmt so einiges nicht!“

„Sie erscheinen uns ganz normal - wie Menschen!“, murmelte Doc Steinmann auf einmal. „Aber ich habe kein Leben an Bord gespürt - kein Leben! Ich dachte zunächst, es würde daran liegen, dass sie sich im Tiefschlaf befanden. Aber als sie allmählich erwachten, änderte sich das auch nicht. Jetzt sind sie alle fünf wach - und ich spüre sie immer noch nicht. Als wären sie gar nicht hier!“

„Hä?“, machte Doc Clair und betrachtete den Doc, als würde sie ihn jetzt zum ersten Mal wahrnehmen. „Was ist denn mit dem los? Ist der irgendwie...?“ Sie tippte sich vielsagend an die Schläfe.

Fernandez lachte - natürlich! „In gewisser Weise schon, Doc Clair oder wer du auch immer sein magst. Aber er ist auch ein Empath.“

„Ein... was?“

„Wenn du wirklich Arzt wärst, wüsstest du sicherlich, was damit gemeint ist. Aber vielleicht nennst du dich ja nur so? Vielleicht warst du in deinem richtigen Leben ja auch nur eine gescheiterte Krankenschwester?“

„Meinst du wirklich, Typ, ich würde mich vor dem Schocker fürchten? Wenn ich dir eine runterhauen will, dann tu ich es auch so.“

„Ja, glaubst du denn im Ernst, Mädchen, ich würde nicht zurückhauen? Mir ist es egal, ob mich eine Frau angreift oder ein Mann oder ein... Alien!“ Er dehnte das letzte Wort ganz besonders. Dabei beobachtete er Doc Clair genau.

„Tatsächlich, wie in diesem Film!“, murmelte Kevin Klein erschüttert. „Die - die sind nicht echt! Ich meine, der Doc müsste doch spüren, wenn das wirklich Menschen wären und wenn sie nicht nur so aussehen würden, nicht wahr?“ Er zögerte. Dann fügte er hinzu: „Und ich... auch! Zwar bin ich kein so starker Empath wie der Doc, sonst hätte ich schon vorher das gespürt, wovon er uns berichtet hat...“

„So ein Quatsch!“, meldete sich jetzt endlich der Kapitano zu Wort. „Schaltet mich auf Außenlautsprecher eurer Raumanzüge. Ich will mich persönlich mit diesen... Frauen unterhalten.“ Mit Sicherheit hätte auch er beinahe Weiber gesagt.

Fernandez tat ihm den Gefallen.

„Welche Erklärung würde es ansonsten noch geben?“, polterte ihr Kapitano fürchterlich. „Ihr fünf, sagt es mir! Hier spricht der Kapitano der TIPOR-1! Und ich bin ein Weiberfresser ersten Ranges, damit ihr gleich wisst, woran ihr seid. Ein ganzes Schiff voller...? Also, nein, ich würde das echt einen Hühnerkäfig nennen!“

„Wie bitte?“ Doc Clair keifte empört, aber auch die anderen vier Frauen zeigten deutlich ihre Empörung. Sie liefen puterrot an und ballten die Fäuste. Dabei machten sie Anstalten, sich auf die drei Männer in den Raumanzügen zu stürzen, trotz deren Schockstrahler.

Kapitano Müller musste lachen. „Also, wenn diese Reaktion nicht echt sein sollte...“

„Es war ein kleiner Test!“, belehrte Fernandez die drei. „Und du, Doc, dabei was gespürt?“

„Ja, habe ich. Zwar nicht so deutlich wie normalerweise, wenn die Emotionen so überschäumen...“

„Und was für eine Erklärung hast du dafür?“

„Es könnte sein, dass...“ Doc Steinmann brach ab.

„Heraus mit der Sprache!“, mischte sich Kapitano ein. „Ich will wissen, was Sie bewegt.“

„Und die fünf?“

„Die dürfen ruhig mithören!“

„Habt ihr eine Ahnung, auf was für einer Welt ihr hier seid?“

Doc Clair schaute ihn misstrauisch an. Dann nickte sie. „Es ist eine der Verbotenen Welten, wie sie im Sternenkatalog aufgelistet sind. Wir haben auch den Bericht gelesen. Da war von einer Art Schwarzen Wolke die Rede, zu der diese Welt angeblich wurde. Aber uns ist sie völlig anders erschienen: Das wahre Paradies.“

„Und ihr seid wirklich nur hier gelandet - aus einer Notlage heraus?“

„Wie ich schon sagte!“

„Und wieso war davon im Notruf nicht die Rede?“

„Was weiß denn ich? Ich wusste ja auch gar nichts von einem Notruf. Das hat unser Kapitano gemacht, wie ich vermute. Wir waren für sie immer nur zweite Garnitur hier unten, sozusagen. Deshalb hat man uns bei der Flucht auch nicht mitgenommen.“

„Die hatten eine Rettungskapsel?“

„Na, eher so eine Art kleines Beiboot, neben der Notsonde, die sie anscheinend für den Notruf losgeschickt haben. Aber es war zu klein für alle. Fünfzehn mussten hierbleiben. Das haben sie uns gesagt. Aber sie haben uns versprochen, uns zu retten, sobald es ginge. Damit haben die anscheinend sogar Wort gehalten.“

„Und wo sind die anderen jetzt?“

„Keine Ahnung! Es gibt Inseln. Vielleicht sind sie bis zu einer von denen geflohen?“

„Aber diese Rettungskapsel muss doch noch genug Energie gehabt haben, im Gegensatz zum Schiff. Als wir ankamen... Wieso hat sich die Rettungskapsel nicht bei uns gemeldet?“

„Ich habe wirklich keine Ahnung! Zu diesem Zeitpunkt waren wir alle hier schon im Koma.“

Die drei von der TIPOR-1 sahen sich an.

„Diese Schwarze Wolke...“, begann Doc Steinmann, brach aber sogleich wieder ab.

„Was ist damit?“, keifte Doc Clair. „Ich habe jedenfalls nichts davon bemerkt, und eine echte Gefahr hat es bis jetzt ja auch nicht gegeben - außer euch, die ihr uns mit Waffen in Schach haltet, anstatt das zu tun, wozu ihr überhaupt gekommen seid: uns nämlich zu retten!“

„Diese Wolke ist noch da. Sie hat den Planeten geschaffen, aus dem Material, aus dem er vorher bestanden hat und das sie aus dem Weltraum zusammenzog. Ja, daraus besteht dieser Planet - und aus ihr selber! Sie hat wie ein Gott diese Welt zum blühenden Planeten gemacht. Aber das ist nur Tarnung. Dieses Wesen ist da. Es ist gegenwärtig. Es ist überall. Es umgibt uns!“ Der Doc keuchte auf einmal schwer. Durch die Sichtscheibe konnte man erkennen, dass dicke Schweißperlen auf seiner Stirn erschienen.

„He, Doc, machen Sie jetzt bloß nicht schlapp!“, rief Kevin Klein alarmiert.

„Nein, nein, keine Bange. Es ist zwar sehr anstrengend, aber es haut mich nicht um. Jetzt nicht mehr. Ich habe inzwischen sozusagen Übung darin. Vielleicht ist es diese ständige Gegenwart des unbegreiflichen Wesens, das es mir so schwer machte, die Gefühle der fünf Frauen aufzunehmen? Obwohl ich bei euch überhaupt keine Probleme damit habe.“

„Sie - Sie können auch meine Gefühle...?“, erschreckte sich Klein.

„Natürlich kann ich das, aber ich mache kaum jemals davon Gebrauch. Das können Sie mir glauben. Diese Gabe der Empathie ist eher ein Fluch denn ein Segen. Es ist ungeheuer belastend, ständig die Gefühle anderer Menschen aufzunehmen. Deshalb verschließe ich mich normalerweise dagegen. So wie jetzt auch, obwohl mir das bei dem unbegreiflichen Wesen nicht so recht gelingen will. Kein Wunder - bei seiner Allmacht!“ Er überlegte kurz, dann fragte er: „Aber wieso erschreckt sie das überhaupt? Ich denke, Sie sind selber ein Empath?“

„Ja, schon, aber...“

„Aber?“

„Nicht so wie Sie. Ich spüre auch... alle, nur Sie natürlich nicht, weil Sie sich zu perfekt abzuschotten verstehen. Aber auch nicht das Wesen - und nicht die Frauen hier. Überhaupt nicht. Kann sein, ich bin einfach zu schwach...“

„Noch einmal: Wieso hat Sie die Erkenntnis erschreckt, dass ich Ihre Gefühle aufnehmen kann?“

„Eben weil ich selber Empath bin, Doc und mich daher abzuschotten weiß, wie sie es ebenfalls tun - mir gegenüber! Es erschreckt mich, dass Sie trotzdem...“ Klein schüttelte den Kopf. „Ach, vergessen Sie es, Doc. Sie sind anscheinend in der Tat ein besonders fähiger Empath - so fähig, wie ich es nie für möglich gehalten hätte. - Doch mal was anderes...“

Klein schaute sich um.

„Das Meer, die Fische darin... Sie meinen wirklich, das ist dieses Wesen? Das ist gar kein echtes Meer? Aber wir haben den Planeten mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln gescannt. Da war nichts Ungewöhnliches.“

„Es zeigt nur, wie mächtig dieses Wesen wirklich ist.“

„Verrückte, alles Verrückte!“, murmelte Doc Clair erschüttert und sank auf die Liege zurück. „Und dafür bin ich jetzt extra aufgewacht, um das miterleben zu müssen. Gott im Himmel, womit habe ich das verdient? Bin ich nicht auf die AMAZON, um niemals mehr von bekloppten Männern konfrontiert zu werden?“

„Genau deshalb ging ich zur Flotte“, trumpfte Fernandez auf: „Um nicht mehr bekloppten Weibern zu begegnen.“

„Hätte ich mir ja denken können, dass du da auch noch deinen Senf dazu geben musst!“, maulte Doc Clair. Sie schaute nach den anderen vier Frauen. „Und ihr: Hat es euch die Sprache verschlagen oder was? Ihr sei doch sonst nicht auf den Mund gefallen.“

„Glaubst du wirklich, es nutzt, dazu noch etwas zu sagen?“, meinte eine. „Vorhin habe ich echt noch an Rettung geglaubt, aber jetzt habe ich endlich begriffen, dass wir vom Regen in die Traufe gerieten.“

Kaum hatte sie ausgesprochen, als Doc Steinmann ächzend zusammenbrach.

Mit ein paar schnellen Schritten war Fernandez bei ihm. Er sah nur noch die hervorquellenden, verdrehten Augen des Mediziners und schrie: „Alarm! Den Doc hat es erwischt!“

Doc Clair wollte von der Liege springen, aber Kevin Klein trieb sie mit gezogener Waffe zurück. „Wegbleiben!“, befahl er scharf.

Doc Clair zuckte erschrocken zusammen.

„Was ist mit ihm?“, rief Kapitano Müller besorgt.

„Der muss so schnell wie möglich zurück an Bord der TIPOR-1, Kapitano, sonst kann ich nicht mehr die Verantwortung für ihn übernehmen!“

„Schaffen Sie das allein?“

„Und was ist mit mir, Kapitano?“, rief Kevin Klein alarmiert.

„Sie bleiben bei den fünf Frauen. Sie werden nach wie vor in Schach gehalten, hören Sie?“

„Schon begriffen, Kapitano. Sie können sich auf mich voll und ganz verlassen“, versprach Klein grimmig. Er winkte den fünf Frauen mit dem Schocker zu: „Also, ihr habt es gehört: Ab mit euch in die Ecke. Dort könnt ihr es euch bequem machen, bis neue Order kommen. Bis dahin will ich nichts mehr hören von euch. Und wagt ja keinen Ausfallversuch. Ich zögere keinen Sekundenbruchteil, zu schießen.“

„Nun hört euch diesen Machotypen an!“, maulte die eine, die bislang kein Wort von sich gegeben hatte. Aber sie verließ ihre Liege und ging tatsächlich brav in die Ecke.

„Ich verstehe jetzt gar nichts mehr“, behauptete Doc Clair. „Erst weckt ihr uns, weil ihr als Retter extra hergeflogen seid. Jetzt hält uns einer mit dem Schocker in Schach, weil der andere zusammengebrochen ist... Da ist doch klar, was dem fehlt: Total durchgeknallt! Typisch Mann: Da spielen offenbar mal wieder die Hormone verrückt.“

„Ja, ja, und jetzt ab mit dir in die Ecke! Und kein Wort mehr, sonst schieße ich allein schon deshalb, um endlich meine Ruhe zu kriegen!“, warnte Kevin Klein genervt.

Erst als alle fünf in der Ecke waren, beruhigte er sich.

Inzwischen hatte sich Enrico Fernandez den bewusstlosen Doc Steinmann aufgeladen und schleppte ihn hinaus in Richtung Hauptschleuse.

„Soweit musste es ja kommen, Doc! Was bist du auch mitgegangen?“

„Ohne ihn wäre es vielleicht nicht gelungen, die Frauen wach zu kriegen!“, erinnerte Kapitano Müller. „Insofern hatte es schon etwas Gutes.“

Er wandte sich in der Zentrale den anderen zu. „Und jetzt dürfen wir darüber rätseln, wieso die Geflohenen mit einer Raumkapsel unterwegs sind, die laut Aussage von dieser Doc Clair eher ein Raumboot ist... ohne sich bei uns zu melden.“

„Kein Funkspruch bis jetzt!“, meldete sich prompt Vladimir Kroskov zu Wort. „Außerdem: Wir haben alles gecheckt. Das Schiff haben wir schließlich auch gefunden - aus großem Abstand sogar. Von einem Raumboot keine Spur. Und sei es auch winzig: Wir hätten es auffinden müssen.“

„Es sei denn, etwas will nicht, dass wir es finden!“, murmelte der Kapitano wie zu sich selbst.

Sobran Emtus fügte hinzu: „Dann brauchen wir also nur zu warten, bis es dem Unbegreiflichen in den Kram passt, uns die Ortung zu ermöglichen. Wir werden unseren eigenen Instrumenten nicht mehr trauen, wenn das Boot wie aus dem Nichts auftaucht!“

Kapitano Karl Müller blinzelte irritiert. Dann nickte er: „Vladimir Kroskov?“

„Ja, Kapitano?“

„Wäre es möglich, mit unseren Ortungsinstrumenten, sogar von hier unten, mit Hunderten von Metern Wassermassen über uns, die Ortung des Bootes aufzunehmen?“

„Ja, wäre es, wenn es sich auf dem nächstgelegenen Eiland befände. Das wären etwa fünfhundert Kilometer von hier. Da es sonst kein Metall auf dieser Welt zu geben scheint...“

„Sonst kein Metall?“ Der Kapitano schürzte die Lippen. „Wir sind davon ausgegangen, dass der Moloch einiges verschlungen hat. Und wo sind die Metalle abgeblieben?“

„Er schirmt sie vor unserer Ortung ab“, vermutete Sobran Emtus. „Er lässt uns nur sehen und orten, was er will.“

„Aber was ist letztlich seine Absicht? Was hat er vor mit uns? Wieso verschlingt er uns nicht einfach, wie er es mit den Wissenschaftlern auch versucht hat?“

„Ja, und wieso hat er das Schiff dort unten nicht verschlungen? Die Frauen haben behauptet, sie hätten eine Notlandung versucht. Das war mit Sicherheit eine Lüge.“

„Oder sie wissen es nicht besser. Immerhin hat man sie zurückgelassen, um ohne sie zu fliehen. Es könnte doch sein, dass die eigentlichen Drahtzieher an Bord der AMAZON den fünfzehn Frauen einfach nicht genügend vertraut haben. Sonst wären die fünfzehn wohl auch nicht ins künstliche Koma versetzt worden.“

Fragen über Fragen!, fügte Kapitano Müller in Gedanken hinzu, und nur einer weiß die Antwort: Der Feind! Aber der hält sich bedeckt - aus welchen Gründen auch immer!

2

Kevin Klein schaute sich nach einer passenden Sitzgelegenheit um. Es gab keine.

Die fünf Frauen hatten es sich wie angewiesen in der Ecke bequem gemacht. Sie achteten gar nicht mehr auf ihn, sondern dösten scheinbar vor sich hin.

Er wurde ein wenig unvorsichtiger. Sollte er denn die ganze Zeit über hier herumstehen?

Inzwischen hatte er die Außenlautsprecher ausgeschaltet. Es gab nichts mehr, was der Kapitano oder er den fünf Frauen mitteilen wollte. Also brauchten sie auch nicht zu hören, was er ansonsten zu sagen hatte, denn alles, was er sprach, wurde nach wie vor per Funk übermittelt.

Nein, ich setze mich einfach auf eine der Liegen!, entschied Kevin Klein. Dabei kam er zwar den fünf Frauen ziemlich nahe, aber sie machten überhaupt nicht den Eindruck, als würde von ihnen eine Gefahr ausgehen. Welche denn auch? Sie waren fünf leichtbekleidete Frauen und er ein durchtrainierter Mann, der im Raumanzug steckte und einen schussbereiten Schocker in der Hand hielt. Wo also sollte die Gefahr herkommen? Vielleicht hatten sie sich ja auch in allem geirrt und die Frauen hatten die Wahrheit gesagt - zumindest das, was sie selber für die Wahrheit hielten? Dann war es eigentlich unverständlich, dass er sie hier überhaupt noch in Schach hielt.

Er machte es sich auf der Liege bequem. Da sah er, dass zwei der Frauen miteinander tuschelten.

„Was geht vor?“, mischte er sich sofort ein, nachdem der Außenlautsprecher seines Anzuges wieder in Betrieb war.

Eine tippte sich an die Stirn. „Spinner! Dürfen wir uns noch nicht einmal untereinander unterhalten? Sag mal, sind alle in der Flotte so verrückt wie du? Überhaupt, dieses Raumschiff mit Namen TIPOR-1 scheint sowieso nur von Bekloppten besetzt zu sein. Ist das überhaupt ein Sternenschiff? Das kann doch nur ein hundsgewöhnliches Shuttle sein. Damit kommt man höchstens zum nächsten Planeten innerhalb des Sonnensystems. Und das eigentliche Pyramidenschiff? Steht das im Orbit?“

„Ja!“, log Klein geistesgegenwärtig. „Na und?“

„Was wollt ihr eigentlich? Wir haben niemandem was getan. Dies ist zwar eine Verbotene Welt, aber es ist schließlich nicht unsere Schuld, dass das Schiff notlanden musste. Ihr habt doch gesehen, dass sie uns sogar in künstliches Koma versetzt haben, weil sie uns nicht mitnehmen wollten. Und dann kommen unsere Retter - und was tun sie? Sie bedrohen uns mit Waffen und behandeln uns wie Schwerstverbrecher.“

In diesem Moment hörte Kevin Klein etwas hinter sich. Er glaubte natürlich, dass Fernandez es vielleicht doch nicht geschafft hatte, den Doc allein nach oben zu bringen. War er zurückgekommen? Und wieso hatte er nichts über Funk gesagt?

Er wandte sich um.

Viel zu langsam. Etwas bohrte sich von hinten mit brachialer Gewalt durch den stabilen Raumanzug in seinen Körper.

Ein grausamer Schmerz, als sich dieses Etwas von hinten in sein Herz bohrte. Er stöhnte auf. Die Augen drohten ihm schier aus den Höhlen zu quellen. Er wollte schreien, aber die Stimme versagte ihm den Dienst.

Aus den Augenwinkeln sah er eine der Frauen. Aber wie war das denn möglich? Waren die fünf denn nicht da vor ihm? Wo kam die andere denn her?

Noch mehr gerieten in sein Blickfeld. Sie fletschten die Zähne wie Raubtiere.

„He, Klein, was ist los mit Ihnen?“

„Was denn, Kapitano?“, hörte er sich selbst sagen. Dabei hatte doch soeben noch seine Stimme versagt...

„Na, Sie haben doch gestöhnt oder?“

„Ach, das, Kapitano. Ich bitte um Entschuldigung, aber ich musste gerade daran denken...“

„Woran denn?“

„Na, ich dachte an das Fußballspiel. Gerade jetzt, nach meiner Rechnung sogar auf die Stunde genau, findet auf der Erde das Endspiel statt.“

„Welches Endspiel denn, um alles in der Welt?“

„Fußball, Kapitano, Fußball! Das Endspiel in der Terranischen Meisterschaft!“

Er hatte dies gesagt, ohne auch nur das Geringste dazu beigetragen zu haben.

Ungläubig schaute er an sich herab.

Da war auf einmal Blut in seinem Helm. Das Blut rann ihm aus dem Mund. Trotzdem konnte er völlig normal sprechen, wenn auch nicht willkürlich.

Und dieser grausame Schmerz in der Brust... Da hatte sich etwas durch sein Herz gebohrt, aber er lebte noch - irgendwie!

„Ein Fußballnarr, dieser Kevin Klein. Sie erinnern sich, Kapitano?“, hörte er die Stimme von Enrico Fernandez über Funk. Er war ein wenig außer Atem. Anscheinend schleppte er immer noch den Doc mit sich.

„Ja, ich erinnere mich. Und dafür muss er so herzzerreißend stöhnen, dass man sonst etwas annehmen möchte?“

„Was denn?“, fragte die Stimme von Kevin Klein.

Dieser hörte es selber - und wunderte sich nach wie vor.

„Außer ihn interessiert es keinen Menschen an Bord der TIPOR-1, Kapitano, aber wenn man es durchschnittlich nimmt: Er ist so fanatisch, dass es für uns alle reicht. Durch seine Anwesenheit allein schon hebt sich das durchschnittliche Interesse der gesamten Besatzung auf ein normales Niveau!“ Fernandez fand das so witzig, dass er sich mal wieder ausschütten wollte vor Lachen.

Außer ihm lachte niemand. Auch Kevin Klein nicht. Er tat gar nichts mehr, außer vor sich hin zu starren.

Ein Gesicht tauchte vor ihm auf. Er konnte es deutlich sehen. Es war ein weibliches Gesicht, das er noch nicht kannte.

Eine von den zehn Frauen, die ebenfalls im Koma lagen!, konstatierte er. Ja, das musste eine von denen sein. Aber wieso war sie erwacht? Der Doc hatte doch denen gar nichts gegeben...

„Brauchte er auch gar nicht!“, belehrte ihn die Frau.

Und dann schaute er durch ihre Augen. Es war wie ein Wunder. Er sah, dass sich der rechte Unterarm dieser Frau in einen spitzen, stahlharten Dorn verwandelt hatte, und dieser Dorn steckte von schräg hinten tief in seinem Körper und kam fast wieder vorn heraus - dort, wo sich sein Herz befand.

„Ich lebe trotzdem!“, sagte er verwundert - und wusste gleichzeitig, dass diese Worte nicht wirklich über seine Lippen gekommen waren. Er hatte sie nur gedacht, aber die Frau verstand sie einwandfrei. Genauso wie er auch sie verstehen konnte, obwohl sie die Worte nicht laut aussprach.

„Wir sind in einer Weise miteinander verbunden, Kevin, wie es noch keiner aus Deiner Rasse der Menschen jemals erlebt hat, wie ich vermute. Es ist wichtig, dass wir eine Weile miteinander so innig vereint bleiben, ehe du stirbst.“

„Wichtig?“

„Ja, ich habe inzwischen viel gelernt. Ich habe gelernt, wie ich eure Gedanken nicht nur übernehmen kann, sondern sie auch verstehe. Denn ich habe die Gedanken von den Wesen, die ich vorher verschlungen habe, nicht verstanden. Das war mein Fehler. Wenn ich mich mit dir gedanklich unterhalte, während unsere Körper vereint sind, lerne ich alles von dir, was von Wichtigkeit ist.“

„Und dann?“

„Du wirst sterben - und gleichzeitig weiterleben. Aber du wirst nicht mehr du selber sein. Es wird allerdings niemand merken.“

„Du willst mich übernehmen!“, begriff Kevin Klein und wunderte sich nach wie vor: Vor allem wunderte er sich über seine eigene Kaltschnäuzigkeit. Hatte ihm diese „Frau“ nicht soeben erklärt, dass er sterben musste?

Aber irgendwie... war es ihm fast egal.

„Bewundernswert - nein, beneidenswert!“, sagte die Frau und schaute ihn beinahe andächtig an. „Mein Überlebenswille macht mir arg zu schaffen, musst du wissen. Aber sobald ich mit einem von euch so innig verbunden bin, fürchtet ihr euch vor nichts mehr. Ihr sterbt sozusagen mit offenen Augen, ohne Gegenwehr. Das bewirke ich bei euch - und dafür solltet ihr mir eigentlich dankbar sein. Meine Schöpfer waren nicht so gnädig mit mir. Sie haben mich geschaffen, um zu töten, zu kämpfen, zu erobern - und zu sterben. Aber sie haben mir gleichzeitig Angst vor diesem Sterben einprogrammiert. Ich nenne es zwar Überlebenswille, aber es ist anders ausgedrückt ganz erbärmliche... Feigheit! Und diese Feigheit zwingt mich zu übervorsichtigem Vorgehen, seit meinem endgültigen Erwachen, als ich die fliehenden Wissenschaftler in mich aufnehmen wollte. Ich habe dabei gelernt, dass ich dies nie wieder tun darf, und durch die Frauen der AMAZON weiß ich, dass ich damit rechnen muss, von euresgleichen vernichtet zu werden, wenn ich nicht vorsichtig genug bin.“

„Der Kapitano hat eine Notsonde mit genauem Vorabbericht losgelassen vor der Landung. Außerdem sind wir nur mit einem Shuttle hier. Damit kann man nicht die fernen Sterne erreichen, sondern nur mit einem Pyramidenraumer. Unser Pyramidenraumer ist weit draußen, in einem sicheren Abstand von dieser Verbotenen Welt. Das ist Sicherheitsvorschrift! Also bedenke: Wenn du uns alle tötest, kommst du damit nicht durch!“, warnte Kevin Klein sie. Als seine Gedanken das sagten, war er selber fest überzeugt davon, die reine Wahrheit zu verkünden. Denn außer seiner im Vergleich zum Doc eher schwach ausgeprägten Empathie hatte er eine Spezialbegabung, die ihn erst recht zum Psychonauten hatte werden lassen: Er war ein sogenannter Hypno, der anderen seinen Willen aufzwingen konnte, wenn er es darauf anlegte. Auch sich selber! Das hieß: Er konnte bestimmen, was er selber für richtig hielt und was nicht. Bis ihn jemand aktiv aus diesem Zustand befreite. Zum Beispiel der Kapitano mit seiner Telepathie und vor allem mit seiner Begabung als Adept, mit der er eine Seance perfekt führen konnte, um das Raumschiff TIPOR-1 von Stern zu Stern springen zu lassen.

Aber der Kapitano war jetzt nicht hier - und das war gut so, denn wenn er selber davon überzeugt war von dem, was er behauptete, dann war es auch... das Wesen, hier verkörpert von der Frau, die sich in einer geradezu abscheulichen Art und Weise mit ihm vereint hatte.

Er lauschte, wie die Frau auf seine Worte reagierte:

„Ja, ja, ich weiß es schon, weil ich den Start der Notsonde mitbekommen habe - und den letzten Funkspruch des Beibootes zur Sonde. Dieses Schiff hier ist dazu nicht mehr in der Lage gewesen. Es ist zwar voll funktionstüchtig..., außer eben der Energieerzeugung. Die Gaarson-Meiler haben sozusagen ihren Geist aufgegeben. Aber ich werde sie wieder hinkriegen, sobald ich euer Schiff habe und daraus lerne, wie man das macht.“

„Die vierundzwanzig Stunden Frist, die wir uns mit unserer eigenen Notsonde ausgebeten haben, sind schnell um, und dann wird der ganze Planet vernichtet - und du mit ihm!“

„Wieso habt ihr überhaupt eine Notsonde losgeschickt, wenn doch euer Mutterschiff sich hier im System befindet?“ War da etwa plötzliches Misstrauen?

„Deine Frage zeigt, wie wenig du über uns weißt“, entgegneten Kevin Kleins Gedanken abfällig. „Die Notsonde ist nur eine flankierende Maßnahme - Sicherheitsvorschrift vom Flottenoberkommando. Nicht unser Mutterschiff wird diesen Planeten hier vernichten, sondern die Flotte. Sie wird nach vierundzwanzig Stunden erscheinen und es vollziehen mit ihren ultimativen Waffen, die wir auf unserem Mutterschiff gar nicht haben.“

Eine äußerst kluge Behauptung.

„Ah, schade!“, antwortete die Frau nämlich prompt. „Dann würde es wohl nichts nutzen, euer Mutterschiff zu suchen und zu vereinnahmen?“

„Würdest du sowieso nicht schaffen. Nicht nur wegen der Entfernung, sondern auch wegen dem Ortungsschutz. Der ist perfekt.“

„Sicher nicht perfekt genug, Kevin Klein: Du unterschätzt meine Möglichkeiten!“

„Keineswegs, denn du hast den ganzen Planeten erschaffen, innerhalb kürzester Zeit. Du bist mithin so eine Art... Gott!“ Das hatte er voller Ehrfurcht gedacht.

Die Frau lachte.

„Ich werde weniger als vierundzwanzig Stunden brauchen, glaube mir.“

„Und dann wirst du uns alle klonen? Die Experten auf der Erde werden es merken, wenn alle in Quarantäne sind. Dann wird der Planet doch noch vernichtet. Du hast keine Chance.“

„Doch, habe ich, wenn ich es richtig anstelle.“

Kevin Klein lächelte. „Ein schlauer Fuchs, unser Kapitano. Er hat das genau kalkuliert, das mit seinem Bericht. Gut, ich werde sterben. Vielleicht kannst du alle in meiner Gestalt täuschen, aber es wird dir nichts nutzen und wenn du dir noch so sehr Mühe gibst. Du willst die Energieversorgung studieren und dann das Schiff hier wieder völlig flott kriegen? Das wirst du niemals schaffen, denn dazu müsstest du die gesamte Besatzung der TIPOR-1 übernehmen.“

„Ach was: Wenn ich nicht die Besatzung kriege, habe ich immer noch euer Schiff. Es ist ein Anfang.“

„Du hast die Gedanken der Frauen, ihre Erinnerungen, auch meine, sogar die geheimsten, weil sich kein Mensch dir widersetzen kann, und du glaubst wirklich, alles dies zu verstehen inzwischen? Hoffentlich täuschst du dich darin nicht gewaltig.“

„Hoffentlich?“

„Nein, falscher Ausdruck: Ich weiß es! Denn die Frauen hatten keine Ahnung, wie man beispielsweise einen Gaarson-Meiler in Gang bekommt - und ich auch nicht, als absoluter technischer Laie.“ Noch dicker hätte keine Lüge sein können - von ihm als quasi das technische Genie überhaupt an Bord der TIPOR-1 -, doch das Wesen war nicht in der Lage, seine perfekt getarnte Spezialbegabung als Hypno zu erkennen. Es hielt so etwas einfach nicht für möglich nach seinen bisherigen Erfahrungen mit Menschen. Es war ja auch noch nie eine Psychonautenbesatzung hier gewesen, seit seinem Erwachen, wie es das endgültige Bewusstwerden nannte. Außer Anna, aber das war ja vorher gewesen und außerdem war sie eine Art Sonderfall, wie die Berichte verrieten, denn sie war keine Psychonautin im üblichen Sinne, sondern besaß ein ganz speziell gezüchtetes Greekho, mit dem gemeinsam sie eine Seance für den Raumsprung ersetzen konnte. Das Wesen schien nichts darüber zu wissen. Oder die vagen Andeutungen, die es vor seinem endgültigen Erwachen aufgeschnappt hatte, waren nicht ausreichend verwertbar.

Ein Glück für sie!

„Danke für den guten Tipp, Kevin Klein. Was glaubst du, wieso ich dich so lange noch am Leben und als Kevin Klein denken ließ? Ich wollte noch mehr lernen, und es ist mir sogar geglückt. Ich weiß jetzt, dass ich anders vorgehen muss als geplant. Aber mein Plan wird gelingen, verlasse dich darauf. Dafür wurde ich schließlich geschaffen: Ich werde Krieg führen und alle besiegen. Meine Schöpfer sind nicht mehr, aber ich werde in ihrem Namen, an ihrer Stelle das ganze Universum vereinnahmen. Sie wären sehr stolz auf mich, würden sie noch leben...“

Es war das Letzte, was Kevin Klein in diesem Leben noch mitbekam.

3

„Kapitano, Komandanto?“

Es war ganz offensichtlich und unmissverständlich die Stimme von Kevin Klein, die aus dem Lautsprecher drang.

Müller schaute auf.

„Was ist?“, meldete er sich.

„Mit Verlaub, Kapitano, ich hätte da einen Vorschlag.“

„Dieser wäre?“

„Der Doc hat die Frauen nur geweckt, weil wir mehr erfahren wollten von ihnen.“

„Ja, stimmt, und wieso sagen Sie das jetzt?“

„Na, ich halte die fünf Frauen hier in Schach. Aber was wird weiter? Wir können ihnen nicht trauen - in dieser Situation. Vielleicht tun wir ihnen ja Unrecht, aber wir müssen dennoch auf Nummer Sicher gehen.“

„Würden Sie endlich auf den Punkt kommen?“

„Der Punkt ist der, Kapitano: Wie wärs denn, wenn wir sie wieder in das künstliche Koma zurückversetzen? Ich meine, dann braucht sie niemand mehr in Schach zu halten. Sie könnten dann hier noch Wochen in diesem Zustand bleiben, ohne dass sie Gefahr laufen...“

„Und wer soll das tun? Sie vielleicht? Wegen Ihrer medizinischen Ausbildung?“

„Nein, Kapitano, das sicher nicht, denn ich kann nicht in einer Hand den Schocker halten und mit der anderen Hand fünf Frauen die richtige Spritze verabreichen. Und wenn ich sie vorher schocke, wirkt das Mittel für das künstliche Koma nicht im richtigen Maße.“

„Genau!“

„Aber wenn die Frauen das nun selber tun? Ich meine, Kapitano, diese Doc Clair oder wie sie auch immer heißen mag... Ich zwinge sie, den anderen die Spritze zu geben. Bevor die einschlafen, geben sie dann auch ihr die Spritze. Ich überwache das alles sachkundig. Anschließend sperre ich sie hier ein. Das würde ich zwar sowieso gern tun, aber sie würden ohne Lufterneuerung im wachen Zustand nicht lange überleben, fürchte ich. Genauso fürchte ich, wird es ihnen in spätestens einer Stunde ziemlich schlecht gehen hier drin, wenn ich sie nicht zurück ins Koma versetze. Da habe ich es ja leichter mit meinem Raumanzug.“

„Gute Idee, Klein. Falls Ihnen das gelingt...“

„Na, ich werde den fünf Frauen erklären, dass es dabei um ihr Leben geht. Die sind intelligent genug, um zu verstehen, dass es für sie das Beste ist, wenn sie sich wieder Schlafen legen.“

„Da haben Sie sicher recht.“

„Ich soll es also so machen wie vorgeschlagen?“

„Ja, hiermit haben Sie grünes Licht, und wenn die fünf schlafen, sperren Sie sie ein und kehren zur TIPOR-1 zurück.“

„Ist Planetologe Enrico Fernandez mit dem Doc inzwischen auch schon oben?“

„Sie sind in der Schleuse. Dort werden sie leider noch eine Weile bleiben müssen. Es geht nicht anders. Die Sicherheit des Schiffes ist wichtiger als das Leben eines Einzelnen und sei dieser Einzelne auch so wichtig wie unser Doc!“

„Verstanden, Kapitano!“

Kapitano Müller kappte kurz die Verbindung, ohne dass Klein das merkte. Er schaute sich in der Runde um.“

„Was halten Sie davon?“

„Seltsam!“, kommentierte Sobran Emtus. „Vorhin erst hat er ergreifend aufgestöhnt, weil er sich an ein wichtiges Fußballspiel erinnerte, das er nun leider versäumen muss - und jetzt macht er Vorschläge, die...“

„...die man nicht unbedingt von ihm erwartet?“, ergänzte Kapitano Müller den Satz. „Schließlich ist er ein Hypno. Selbst wenn er seine Spezialbegabung unterdrückt, um den Moloch nicht darauf aufmerksam zu machen, genauso wie wir es alle machen, außer dem Doc...“

Er drehte sich halb um: „Sie haben es mitbekommen, Ingenieur Vladimir Kroskov?“

„Ja, habe ich!“

„Was halten Sie davon?“

„Ich kenne Kevin Klein gut genug: Es gibt keinen Grund zum Misstrauen meines Erachtens. Es hat nicht so geklungen, als wäre er in irgendeiner Weise beeinflusst. Welchen Sinn sollte das denn auch haben? Außerdem dürfte es schwer fallen, einen echten Hypno zu beeinflussen, mit Verlaub gesagt, obwohl der Moloch uns bewiesen hat, dass er noch zu ganz anderen Dingen fähig ist. Aber wir dürfen auch vermuten, dass er in uns sowieso keine PSI-Menschen sieht, weil er offensichtlich gar nicht weiß, dass es so etwas überhaupt gibt.“

„Wer weiß?“, orakelte Kapitano Müller. „Wir müssen misstrauisch bleiben, Männer. Dieses Wesen lauert um uns herum. Ja, Kroskov hat recht, es darf nicht einmal ahnen, dass wir Mutanten sind. Das war der Hauptgrund, wieso ich bisher noch keine Seance durchführen ließ und lieber die Notsonde losschickte. Aber das ist euch sowieso klar. Und wir sind es ja ein Leben lang gewohnt, unsere PSI-Begabung geheim zu halten und sie eher zu unterdrücken als anzuwenden... Weiter: Ich bin überzeugt davon, dass es für die Bewusstlosigkeit vom Doc gesorgt hat. Es hat ihn sozusagen mit Gefühlen so sehr überflutet, dass er ausgeschaltet war. Das geschah mit Sicherheit nicht ohne Absicht. Als sich Klein bei mir meldete, wurde mir das erst richtig bewusst, dass möglicherweise die Absicht gewesen war, Klein zu isolieren.“

„Und wenn wir uns irren?“, warf der Erste Offizier ein.

„Sie haben in Mehrzahl gesprochen, also sind Sie meiner Meinung!“

„Ja, Kapitano, aber falls wir uns nun irren sollten?“

Kapitano Müller grinste auf einmal. „Wir werden in weniger als einer Minute definitiv wissen, ob wir uns irren oder nicht. Passen Sie mal gut auf, Sobran Emtus.“

Er stellte die Funkverbindung mit Klein wieder her.

„Wie weit sind Sie?“

„Das geht leider doch nicht so reibungslos. Die Weiber sind einfach zu uneinsichtig und widerspenstig“, klagte Kevin Klein.

„Lassen Sie sich ruhig Zeit, Klein.“

„Ja, soll ich?“

„Umdisponiert, Klein: Sie schicken die Frauen wieder ins sichere Koma, aber bleiben an Bord der AMAZON. Es kann Ihnen nichts passieren. Sie übernehmen sozusagen höchstpersönlich das Schiff. Obwohl Sie ja technisch gesehen die absolute Null sind. Tut mir leid, wenn die Wahrheit weh tun sollte...“

„Was - was soll das heißen, mit Verlaub, Kapitano, Komandanto? Klar bin ich eine technische Null. Na und?“

„Das soll heißen, dass wir uns auf die Suche nach dem Boot machen und sie dabei entbehrlich sind. Sie bleiben stattdessen zurück auf dem Meeresgrund. Das werden sie gar nicht mitbekommen. Für Sie wird sich gar nichts ändern. Sie bleiben an Bord der AMAZON, bis wir unsere Mission beendet haben. Keine Bange, wir werden Sie nicht vergessen, wenn wir diesem Planeten hier den Rücken kehren.“

„Aber der Doc... Er ist ohne Bewusstsein - und ich mit meiner medizinischen Ausbildung... Ganz so unnötig werde ich nicht sein.“

„Sie haben meine Entscheidung gehört, also nerven Sie jetzt nicht!“, brummte der Kapitano unwillig.

„Sie - Sie wollen mich tatsächlich... zurücklassen?“

„Nein, sagte ich das denn, Klein?“

„Äh, nicht ganz, zugegeben, aber - aber ich soll allein hier...? Und Sie nehmen mich nicht an Bord?“

„Nein, jetzt noch nicht!“, bekräftigte Kapitano Müller noch eine Spur brummiger. „Und jetzt muss ich leider die Verbindung unterbrechen. Wir sind dann weg. Sauerstoff haben Sie genügend dort unten, und wenn der in Ihrem Raumanzug nicht reicht... Es gibt Sauerstoffreserven an Bord, mit Sicherheit. Die konnten in der Rettungskapsel ja nicht viel mitnehmen und atmen sowieso wahrscheinlich lieber die Luft über dem Meer.“

„Kamandanto! Kapitano!“, schrie Klein entsetzt, aber im nächsten Moment war die Verbindung schon gekappt.

„Was halten Sie davon, Vladimir Kroskov?“

„Das war nicht typisch für ihn!“, sagte der Ortungsingenieur erschüttert. „Das - das klang einfach nicht nach ihm. Einmal abgesehen davon... Was sollte das mit der technischen Null?“

„Das diente dem Test. Wir wissen doch, Klein ist ein Hypno. Er kann seine eigene Erinnerung beeinflussen, wenn er will. Nur ich könnte ihn aus diesem Zustand erwecken. Das Wesen offensichtlich nicht.“

„Sie meinen, das klingt eben nicht nach ihm, sondern...“

„...sondern nach einem, dessen großartiger Plan nicht aufgeht!“, ergänzte der Erste Offizier Sobran Emtus. „Wir hatten also recht. Irgendwas oder irgendwer hat den armen Klein in der Gewalt.“

„Der Moloch! Diesmal hat er nur einen einzigen Mann aus unserer Besatzung erwischt und noch lange nicht das ganze Schiff.“

„Und wenn er jetzt in seiner Enttäuschung das Meer über uns einstürzen lässt? Wenn der gesamte Planet sich um uns schließt wie eine gigantische Falle, um uns zu zerquetschen?“, murmelte Peredito Vendez.

„Wollte unser Gegner das, hätte er es längst schon getan. Dass er dazu fähig und in der Lage wäre, wissen wir!“, belehrte ihn der Kapitano, und der Erste Offizier fügte hinzu: „Er wird stattdessen eine neue Strategie ersinnen müssen!

„Wir haben die Rettungskapsel in der Ortung!“, rief in diesem Augenblick Vladimir Kroskov.

„Na, wer sagt es denn?“, meinte Kapitano Müller, aber es klang keineswegs erleichtert.

4

Die TIPOR-1 stieg langsam empor, während Kroskov mit Hilfe des Biogehirns die Pressorstrahler so einrichtete, dass die Wassermassen eher betulich auf die AMAZON flossen, um sie allmählich einzuhüllen. Erst als dies geschehen war, stieg die TIPOR-1 schneller und stürzten die Wassermassen heftiger in sich zusammen. Die Lücke schloss sich.

„Halt, wartet! Kapitano! Sie können mich doch nicht einfach hier im Stich lassen!“

„Es ist nur vorübergehend, Klein. Beherrschen Sie sich, Mann!“, bellte Kapitano Müller ins Mikrophon und gab sich dabei Mühe, seinem heimlichen Spitznamen „Käptn Hook“ alle Ehre zu machen. „Sehen Sie endlich die Notwendigkeit ein und tun Sie, was getan werden muss. Wenn Sie so schreckhaft und ängstlich sind, hätten Sie der Flotte fernbleiben müssen. Denken Sie an Fußball. Wenn dort solche Memmen wären...“

„Entschuldigung, Kapitano, Sie haben recht. Ich benehme mich unmöglich. Es ist schon richtig so, wie es ist.“

„Dann ist das ja auch endlich erledigt. Prima!“, kommentierte der Kapitano und kappte die Verbindung erneut.

„Ob der Gegner etwas ahnt?“, sinnierte Sobran Emtus. „Ob er ahnt, dass wir ihm auf die Schliche gekommen sind mit Klein?“

„Es besteht immer noch die vage Hoffnung, dass wir uns irren und Klein sozusagen noch echt ist!“, gab Kroskov vorsichtig zu bedenken.

Kapitano Müller schüttelte nur den Kopf. Er glaubte längst nicht mehr an diese Möglichkeit.

Sie sahen zu, wie die TIPOR-1 emporstieg wie ein Fahrstuhl und unter ihr die Wassermassen brüllend zusammenschlugen. Bis sie oben waren. Das Meer machte einen aufgewühlten Eindruck, aber nur an der Stelle, über der sie schwebten.

„Gehen Sie auf Kurs, Emtus!“, befahl der Kapitano seinem Ersten. Der setzte den Befehl sogleich um.

Kapitano Müller blieb untätig. Er stand am Kommandopult, und seine Hände hatten sich so fest um den Rand geklammert, dass seine Knöchel schneeweiß hervortraten.

„Im Grunde genommen haben wir nicht die geringste Chance bei diesem grausamen Spiel, aber wir spielen es trotzdem. Unser Einsatz ist unser Leben. Was anderes bleibt uns denn auch übrig?“, murmelte er, eher zu sich selbst als zu einem anderen gewandt.

Niemand ging darauf ein. Er hatte nur ausgesprochen, was sowieso jeder dachte.

Die TIPOR-1 bewegte sich im Tiefflug über das Meer, das völlig normal aussah, wie ein Meer der Erde eben in Äquatornähe. Über ihnen waren wenig Wolken. Strahlender Sonnenschein ließ die Wasseroberfläche glitzern.

Die Sonne war ein wenig anders als die Sonne SOL. Aber das waren nur Nuancen, die keinem nicht in diesen Dingen spezialisierten Menschen aufgefallen wären.

Ihr Blick richtete sich nach vorn, denn dort tauchte jetzt das Eiland auf, das ihr Ziel war.

„Weiter ist die Rettungskapsel nicht geflogen?“, fragte Müller, aber auch diese Frage war rein rhetorischer Natur und bedurfte keinerlei Antwort.

Die TIPOR-1 bezog Position über dem Eiland, das außer an den Stränden dicht bewachsen war. Es gab nur eine einzige Lichtung, und auf dieser entdeckten sie die Rettungskapsel, die tatsächlich eher die Ausmaße eines Rettungsbootes hatte.

„Es sind nicht alle dort unten“, bemerkte Sobran Emtus in seiner gelassenen Art. „Fünfzehn haben sie zurückgelassen - falls es stimmt. Es könnte ja sein, dass uns der Gegner in dieser Hinsicht etwas vormacht.“

Auch darauf ging niemand ein.

„Außenlautsprecher!“, befahl Müller. Dann sagte er in das Mikrophon: „Hallo, ihr da unten, zeigt euch!“

Ein Geräusch hinter ihm lenkte ihn ab. Er warf einen flüchtigen Blick zurück.

Jemand hatte die Geistesgegenwart, die Außenlautsprecher wieder auszuschalten, bevor Kapitano Müller sagte: „Verdammt, Doc, Sie schon wieder?“

Doc Steinmann war nicht allein. Planetologe Enrico Fernandez war bei ihm. „Tut mir leid, Kapitano, wir hatten gerade die Schleuse passiert, da kam er zu sich. Ich habe ihn aus dem Raumanzug geschält, beziehungsweise ihm geholfen dabei... Und dann ging er schnurstracks hierher.“

„Es war nur eine Finte des Unbegreiflichen!“, sagte der Doc. „Er hat für meine Bewusstlosigkeit gesorgt, damit Klein allein blieb.“

„Ist schon klar, Doc“, meinte der Kapitano. „Jeder weiß das inzwischen.“

„Ach ja?“, wunderte sich der Doc. Er schaute sich in der Zentrale um. Jeder begegnete seinem Blick. Ihre Gesichter waren unnatürlich bleich. Da war keiner dabei, der wirklich auch nur annähernd so ruhig war, wie er sich gab. Auch Sobran Emtus nicht. Der Doc spürte es deutlich genug, auch wenn er sich dagegen wehrte.

„Der Angriff kam einfach zu überraschend für mich. Ich hätte niemals damit gerechnet, dass ihm das überhaupt gelingen könnte. Dumm von mir, ich weiß: Bei der demonstrierten Allmacht... Jedenfalls: Er überflutete mich mit Gefühlen. Das warf mich um.“

„Auch das weiß jeder, Doc“, beruhigte ihn Müller. „Und was noch?“

„Sind Sie sicher, dass dort unten tatsächlich der Rest der Besatzung der AMAZON sich befindet?“

„Ja, das bin ich. Allerdings glaube ich kaum, dass diese selbsternannten Amazonen wirklich noch Herren... Oder Herrinnen? Blödes Wort. Ach was, egal: ...Herren ihrer Sinne sein werden.“

„Ich auch nicht!“ Der Doc nickte. „Es war seltsam an Bord der AMAZON. Ich spürte gar nichts. Erst als dem Unbegreiflichen klar wurde, dass ich überhaupt Gefühle aufnehmen kann, bekam ich die Gefühle der fünf Frauen mit. Vorher war es, als würde es sie gar nicht geben.“

„Wie erklären Sie sich das, Doc? Was hat der Moloch mit denen gemacht? Sind sie einfach nur beeinflusst?“

„Nein, Kapitano: Sie sind tot, definitiv tot!“

„Tot?“, echote Müller und schaute sich in der Runde um.

„Hallo, ihr da oben!“, rief es aus dem Lautsprecher.

Sie schauten zum Hauptschirm. Bei dem Rettungsboot war eine Gruppe von Frauen erschienen, die jetzt wild heraufwinkten und riefen: „Hallo, TIPOR-1! Seid ihr die Rettung?“

Diesmal schaltete Müller die Außenlautsprecher selber ein.

„Euer Notruf wurde aufgenommen. HAVENO GAARSON auf dem Mars schickt uns. Ein moderneres Schiff stand leider nicht zur Verfügung.“

„Dann holt uns herauf! Wir haben schon sehnsüchtig gewartet!“, rief eine der Frauen. Sie hatte so etwas wie eine Uniform an.

Müller schaltete kurz die Außenlautsprecher aus. „Das ist wohl der Kapitano oder besser: der Oberguru dieses illustren Weiberhaufens. Aber nein, wie nennt man denn überhaupt einen weiblichen Guru? Sagt man da auch Guru?“

Niemand beantwortete ihm diese Frage. Er zuckte die Achseln und schaltete die Außenlautsprecher wieder ein.

„Ich fürchte, ihr müsst euch noch ein wenig gedulden. Ist ja nicht weiter schlimm, denn ihr habt da unten ideale Verhältnisse. Betrachtet es einfach als prima Urlaub im Grünen.“

„Sie Witzbold, wieso holen Sie uns nicht einfach an Bord?“

„Dies ist eine Verbotene Welt, wie Sie sicher wissen. Ihre Landung hier war kriminell. Sie haben keinerlei Anspruch auf Rettung.“

„Und wieso sind Sie dann hier?“

„Keinerlei Anspruch heißt noch lange nicht, dass ihr nicht trotzdem gerettet werden dürft. Aber das braucht sein Zeit.“

„Zeit? Wieso?“

„Ganz einfach: Dies ist nicht umsonst eine Verbotene Welt! Sie ist eine tödliche Falle, und ihr befindet euch viel zu lange mittendrin, als dass ich euch noch trauen könnte.“

Jetzt war es heraus. Eine andere Möglichkeit hatte es nicht mehr gegeben. Sie konnten nicht mehr einfach so tun, als würden sie das Spiel des Molochs nicht durchschauen - wieso auch immer er dieses Spiel überhaupt mit ihnen spielte.

Die Frauen schauten sich gegenseitig an. In der Großaufnahme sahen die Männer an Bord, dass sich Betroffenheit in ihren Gesichtern widerspiegelte.

Und dann wandten sie sich den Aufnahmekameras zu, völlig synchron.

„Fahr zur Hölle, Müller! Jetzt ist es endgültig genug!“ Ihr Chor klang seltsam guttural.

„Was willst du denn gegen uns tun?“, fragte Müller scheinbar gelassen zurück. „Willst du uns vernichten, wie du es mit den fliehenden Wissenschaftlern versucht hast? Wie viele Schiffe hast du eigentlich schon verschlungen inzwischen? War der Prospektor - oder besser gesagt: die Prospektorin - das einzige bislang? Und wieso gibst du dir auf einmal solche Mühe, dein wahres Wesen zu verbergen?“

„Ich habe dazugelernt!“, kreischten die Frauen im Chor, aber es klang nicht mehr menschlich. Allein der Klang des Chores ließ einen Schauer über den anderen über die Rücken der Männer jagen. „Ich habe gelernt, dass ihr nicht nur eine Chance für mich seid, sondern auch eine tödliche Bedrohung. Ihr seid die Gegner, auf die ich programmiert bin.“

„Programmiert?“

„Ich bin eine künstliche Schöpfung, würdet ihr es nennen. Meine Schöpfer lebten vor Jahrhunderten. Sie wurden vernichtet von ihren Feinden, aber ich habe es überlebt. Bis heute.“

„Ich muss dich warnen! Wenn du uns vernichtest, ist damit nichts gewonnen.“

„Ich weiß es längst, weil ich deinen Bericht kenne, den du zur Erde gesendet hast, ehe ich es verhindern konnte - durch Kevin Klein. Das hat er allerdings nicht ganz freiwillig ausgeplaudert. Ein kluger Schachzug, das muss ich wohl zugeben. Außerdem weiß ich von eurem Mutterschiff, das in sicherem Abstand zu GRENDEL IV abwartet, bis ihr mit dem Shuttle zurückkehrt - oder auch nicht.“

„Das weißt du auch von Kevin Klein?“, erkundigte sich Müller und tauschte mit den anderen in der Zentrale Blicke: Also doch!, bedeuteten sie: Kevin hat es geschafft, ihn zu täuschen - mit seiner Sonderbegabung als Hypno. Offenbar ahnte der Moloch noch nicht einmal, dass es so etwas überhaupt unter Menschen gab. Weil die Frauen auch nichts davon geahnt hatten? Die waren anscheinend auch nicht auf dem Laufenden darüber gewesen, dass es die Solzone gab, geschweige denn dass kein normales Pyramidenraumschiff mehr die Erde beziehungsweise den Mars verlassen konnte. Sonst wäre die Erwähnung von HAVENO GAARSON vielleicht ein Fehler gewesen. Andererseits: Wenn sie so schlecht über die derzeitige Lage im Solsystem um Terra informiert gewesen waren, dann kannten sie vielleicht auch diesen neuen Namen nicht, den der marsianische Werfthafen inzwischen hatte - zu Ehren des neuen Weltpräsidenten und späten Nachfahren des gleichnamigen berühmten Genies Tipor Gaarson. Nach den vagen Informationen über das Prospektorenschiff zu urteilen, handelte es sich sowieso nicht um eine Crew von der Erde, sondern von irgendwoher innerhalb des tausend Welten umfassenden Planetenbundes...

„Genau!“, antwortete der Chor.

„Was hast du mit den Frauen gemacht?“, schoss Müller die nächste Frage ab.

„Sie sind alle tot. Ich habe sie nur geklont. Ich übernahm sowohl ihren Geist als auch ihren Körper - und somit all ihr Wissen - und habe sie zu neuem Leben erweckt - sozusagen. Ich kann jedwedes Leben kopieren. Schaut euch um. Seht die Pflanzen, die Tiere... Es gibt keinerlei Beschränkungen für mich.“

„Dann bist du so etwas wie ein Gott von GRENDEL IV?“

„So würdest du als Mensch es wohl ausdrücken. Es ist mir egal. Auch wenn ich mich selber eher als GRENDEL IV persönlich bezeichnen würde.“ Der Chor lachte schauerlich wie über einen üblen Witz.

„Was geschah mit der AMAZON? Wieso liegt sie als Wrack am Meeresgrund?“

„Ein Fehler meinerseits. Nachdem ich sie erfolgreich angelockt hatte mit der Idylle dieser Welt und sie nahe genug kam, saugte ich ihr Energie ab, damit sie nicht mehr fliehen konnte.“

„Ich verstehe endlich: Du hast ihr Schiff haben wollen! Dieses eine Schiff wolltest du nicht einfach knacken wie eine Nuss, sondern du wolltest es heil übernehmen. Es gibt sonst keine Möglichkeit für dich, deine Welt zu verlassen.“

Keine Antwort. Die Gesichter der Frauen verzerrten sich synchron zur abweisenden Maske. Es war gespenstisch anzusehen.

„Er ist aufgewühlt - im wahrsten Sinne des Wortes!“, berichtete Doc Steinmann leise. „Er fühlt sich irgendwie... ertappt!“

Müller schaltete wieder die Außenlautsprecher ab und winkte den Doc näher. „Kommen Sie an meine Seite. Ich brauche Ihren Rat. Sie müssen mir genau berichten, was sie spüren.“

„Er versucht, seine Gefühle vor mir zu verbergen!“, schränkte der Doc ein.

„Das zeigt uns zweierlei: Erstens, dass er überhaupt zu Gefühlen fähig ist, und zweitens, dass er im gewissen Sinne Sklave dieser Gefühle ist. Er handelt nicht vernünftig, mit anderen Worten. Seine Emotionen bestimmen in erster Linie seine Handlungen. Deshalb erscheint einiges davon so unlogisch. Aber ein Wesen, das von seinen Emotionen bestimmt wird, kann manipuliert werden.“

„Schließlich sind Sie Kapitano und Kommandant dieses Schiffes aufgrund Ihrer Führungseigenschaften, nicht wahr, Kapitano Müller?“, meldete sich Emtus wie gewohnt naserümpfend zu Wort. „Es ist sozusagen Ihre besondere Stärke, Menschen in Extremsituationen zu führen.“

„Nicht nur Menschen, wie ich hoffe!“, entgegnete Müller zerknirscht und schaltete die Außenlautsprecher wieder ein. Er hob seine Stimme: „Ich verstehe: Du wolltest eigentlich ein heiles Schiff, aber als du die Energie zu heftig abgeleitet hast, brach die Energieversorgung zusammen. Keine der Frauen wusste, wie das zu reparieren wäre. Wenn sie es gewusst hätten, wüsstest du es jetzt auch. Und dann Kevin Klein, die absolute technische Nulll. Der weiß ja noch nicht einmal, wie man eine Glühbirne auswechselt.“ Im Gedanken fügte er hinzu: Wohl eher deshalb nicht, weil es seit Jahrhunderten gar keine Glühbirne mehr gibt.

Keine Antwort.

Müller hakte nach: „Was geschah außerdem? Wie bist du ihrer habhaft geworden?

Lass mich raten: Das Meer, das bist du selber. Es ist nur dort ein scheinbar völlig normales Meer, wo wir Messungen vornehmen, nur in einem bestimmten Umkreis eben. Die Messungen, die weiter reichen, können von dir gefälscht werden, weil du Macht über unsere Energien hast - bis zu einem gewissen Grad jedenfalls. So könntest du uns jetzt einfach abstürzen lassen. Aber das wäre kein Vorteil für dich. Als die AMAZON tot war, blieb der Besatzung nichts anderes übrig, als das Außenschott zu öffnen. Sie kamen freiwillig. Du hast die ersten sozusagen übernommen. Der Rest ergab sich dann zwangsläufig. Dabei hast du erfahren, dass es auch noch die Rettungskapsel gibt. Eine relativ große Rettungskapsel sogar. Damit unternahm die Crew wahrscheinlich sonst Exkursionen auf neuentdeckten Planeten, um Verwertbares zu finden. Sie lebten schließlich davon.“

„Genug!“, brüllten die „Frauen“ infernalisch im Chor. Sie erschienen außer sich vor Zorn.

„Er kann sich kaum noch zügeln!“, warnte der Doc mit zum Flüstern gedämpfter Stimme. „Sie dürfen ihn nicht zu sehr provozieren, sonst tut er etwas Unüberlegtes - und das wäre das Ende von uns allen.“

Müller nickte vor sich hin.

„Tut mir leid, aber ich wollte dich nicht provozieren. Ich bin mir deiner Macht durchaus bewusst. Du könntest uns im Sekundenbruchteil vernichten, aber du brauchst dieses Schiff! Zwar könntest du damit nicht das Sonnensystem verlassen - du oder eine geklonte Abordnung von dir -, aber du könntest daraus lernen, die Gaarson-Meiler der AMAZON wieder in Gang zu setzen. Sie ist ein Pyramidenraumer, geeignet zum Sternenflug. Wie unser Mutterschiff, an das du unmöglich heran kommst...“

„Ich kenne deinen Bericht. Das habe ich ja schon erwähnt. Die Rettungskapsel ist voll ausgerüstet. Wie ein kleines Raumschiff, allerdings mit sehr begrenzter Reichweite. Außerdem funktioniert auch hier der Gaarson-Meiler nicht mehr, denn er war zwar eingeschaltet, als ich alle Energie absaugte vom Schiff, doch dabei erlosch auch der Meiler im Rettungsboot. Nur die gespeicherte Energie blieb erhalten. Eine Besonderheit bei Rettungskapseln, wie ich weiß: Schließlich sind sie für besondere Notfälle konstruiert worden. Aber ich könnte damit unmöglich das Sonnensystem verlassen.“

„Leider ist die Energieerzeugung eines kleinen Rettungsbootes über die Batteriereserven hinaus sowieso nicht so einfach übertragbar auf die Energieversorgung eines großen Raumschiffs wie die AMAZON oder unser Mutterschiff. Das muss dir klar sein“, sagte Müller suggestiv, obwohl es natürlich Unsinn war, denn ein Gaarson-Meiler funktionierte immer nach demselben Prinzip, basierend auf dem sogenannten Gaarson-Effekt seit rund vierhundert Jahren. Egal, ob er nun in ein Rettungsboot eingebaut war oder sich mit anderen Meilern im Verbund an Bord eines Großraumers befand. „Bist du denn wirklich sicher, dass du anhand unseres Shuttles wirklich lernen kannst, die Gaarson-Meiler der AMAZON neu zu zünden? Vielleicht ist es ja ebenfalls viel zu klein?“ Absichtlich hielt er das offen. Er durfte nicht zu sehr übertreiben, sonst kam ihm der Moloch auf die Schliche.

„Wie auch immer: Eine Pattsituation sowieso, nicht wahr? Das willst du mir doch sagen! Du willst mir sagen: Lass uns am Leben, sonst wirst du vernichtet. Der Bericht ist unsere Rückversicherung.“ Der „Frauenchor“ lachte mal wieder besonders hässlich.

„Nicht ganz.“

„Was denn sonst?“

„Ich hätte ja schon längst die Flucht versuchen können. Aber ich bleibe hier. Der Grund heißt: Verhandlungen!“

„Verhandlungen? Du willst mit mir... verhandeln? Worüber?“

„Es gibt zur Zeit nur zwei Möglichkeiten: Entweder, du vernichtest uns oder du lässt uns ziehen. In beiden Fällen wird die Flotte kommen und diesen Planeten hier von der Sternenkarte verschwinden lassen - für immer.“

„Richtig!“

„Und hier setzen meine Verhandlungen ein: Ich gehe davon aus, dass du die Variante bevorzugst, uns einfach auszulöschen - wenn du so oder so sterben musst. Aber das hast du deshalb bisher nicht getan, weil du selber fieberhaft nach einer dritten Möglichkeit suchst.“

„Und diese heißt dann... Verhandlungen? Was willst du mir vorschlagen? Doch nur etwas, damit ich euch einfach ziehen lasse. Nur damit ihr überlebt. Gewonnen wäre dabei nichts für mich - nur für euch. Versprechen könnt ihr mir viel. Nennt man das nicht auch Strategie bei euch? Ihr seid also Strategen. Es ist zumindest amüsant, deine Vorschläge zu hören.“

„Richtig, und danach kannst du immer noch entscheiden, was für dich zu tun ist. Du kriegst uns jedenfalls nicht lebend. Wenn du an Bord willst, indem du die Energiespeicher entleerst und damit den Gaarson-Meiler zum Erlöschen bringst, wie du es schon bei der AMAZON getan hast, gewinnst du nichts. Das hat dir die Praxis ja schon bewiesen. Wenn du die Schiffshülle aufreißt, um uns zu greifen, wirst du nicht mehr dazu kommen, denn im gleichen Augenblick sprenge ich uns selbst. Der Sprengmechanismus ist eingerichtet und auf höchste Empfindlichkeit gestellt. Also kommst du nicht an uns heran. Und das musst du, um uns zu übernehmen, weil die Abschirmung durch unsere spezielle Außenhülle alles andere unterbindet. Du bist noch nicht einmal in der Lage, aufzunehmen, was hier drin geschieht.“

Der Chor schrie erbost, beruhigte sich aber sogleich wieder. Kapitano Müller hatte richtig kalkuliert: Er hatte die Pattsituation nur zusätzlich unterstrichen.

„Und das mit der Selbstvernichtung...?“, fragte der Chor zögerlich.

„Darauf kannst du dich hundertprozentig verlassen!“, untermauerte Müller seine Behauptung grimmig.

Es war eine glatte Lüge, aber der Moloch schluckte sie endlich: „Was ich über euch weiß, genügt, um dies als sehr wahrscheinlich erscheinen zu lassen. Also gut, ich hatte auch vorher schon mit so etwas gerechnet. Drum habe ich es bisher auch nicht versucht.“

Doc Steinmann spürte die Erleichterung darüber bei den Menschen in der Zentrale.

Müller sprach weiter: „Ja, eine Pattsituation, im wahrsten Sinne des Wortes, und jetzt höre meinen Vorschlag.“

„Ich höre!“, kam es lauernd und im Chor aus den Kehlen der Wesen, die wie irdische Frauen aussahen - weil der Moloch sie nach ihrem Muster erschaffen hatte.

5

Kapitano Müller legte eine Kunstpause ein, während der jeder an Bord unwillkürlich den Atem anhielt. Keiner hatte auch nur die geringste Ahnung, was denn nun Kapitano Müller vorschlagen wollte.

Schließlich sagte er: „Um die Situation noch einmal klar zu machen: Der Selbstzerstörungsmechanismus ist bereit. Ich habe meine Hand auf einem roten Knopf. Er sieht aus wie ein Alarmknopf.“

„Es gibt ihn. Ich - ich kenne diesen Knopf - durch Kevin Klein. Aber der wusste von keinem Selbstzerstörungsmechanismus.“

„Nicht jeder weiß das. Nur höhere Offiziere in der Terranischen Flotte. Das ist auch gut so. Also, weiter: Wenn ich die Hand nur kurz hebe, wird der Mechanismus ausgelöst. Selbst wenn du schlagartig sämtliche Energie vom Schiff abziehst, wird er funktionieren, denn er ist mechanischer Natur, reagiert also auch energieunabhängig.“

„Warum sagst du mir das?“

„Damit dir bewusst wird, welche Alternative du hast, wenn du meinen Vorschlag ablehnst.

---ENDE DER LESEPROBE---