4 Science Fiction Abenteuer Sonderband 1020 - Wilfried A. Hary - E-Book

4 Science Fiction Abenteuer Sonderband 1020 E-Book

Wilfried A. Hary

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Beschreibung

Dieser Band enthält folgende SF-Romane: (499) Bio-G.A.U. (Wilfried A. Hary) Der verlorene Krieg (Wilfried A. Hary) Die sterbende Welt (Wilfried A. Hary) Mission Sternenstaub (Jo Zybell) Seit Tausenden von Jahren bekämpfen sich zwei Völker, ohne dass ein nennenswerter Vorteil für eine Seite erlangt werden kann. Erst als durch Zufall ein Raumschiff des Kelradan-Imperiums auftaucht, eskaliert die Lage, denn das Schiff wird von einer automatischen Station beschossen und zur Notlandung gezwungen. Die Kelradan versuchen die Station zu erobern und finden Alien-Technik. Die Kämpfe alarmieren auch das Raumschiff Sternenstaub unter Ryan Whittaker. Aus dem kleinen begrenzten Konflikt droht eine intergalaktische Auseinandersetzung zu werden, denn die Kelradan wollen nicht einfach abziehen. Die Menschen müssen nicht nur gegen die Außerirdischen kämpfen, sondern auch die Yuparen retten, denen im wahrsten Sinne des Wortes der Himmel auf den Kopf zu fallen droht.

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Wilfried A. Hary, Jo Zybell

4 Science Fiction Abenteuer Sonderband 1020

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Inhaltsverzeichnis

4 Science Fiction Abenteuer Sonderband 1020

Copyright

Bio-G.A.U.

Der verlorene Krieg

Die sterbende Welt

Mission Sternenstaub

4 Science Fiction Abenteuer Sonderband 1020

Wilfried A. Hary, Jo Zybell

Dieser Band enthält folgende SF-Romane:

Bio-G.A.U. (Wilfried A. Hary)

Der verlorene Krieg (Wilfried A. Hary)

Die sterbende Welt (Wilfried A. Hary)

Mission Sternenstaub (Jo Zybell)

Seit Tausenden von Jahren bekämpfen sich zwei Völker, ohne dass ein nennenswerter Vorteil für eine Seite erlangt werden kann. Erst als durch Zufall ein Raumschiff des Kelradan-Imperiums auftaucht, eskaliert die Lage, denn das Schiff wird von einer automatischen Station beschossen und zur Notlandung gezwungen. Die Kelradan versuchen die Station zu erobern und finden Alien-Technik. Die Kämpfe alarmieren auch das Raumschiff Sternenstaub unter Ryan Whittaker. Aus dem kleinen begrenzten Konflikt droht eine intergalaktische Auseinandersetzung zu werden, denn die Kelradan wollen nicht einfach abziehen. Die Menschen müssen nicht nur gegen die Außerirdischen kämpfen, sondern auch die Yuparen retten, denen im wahrsten Sinne des Wortes der Himmel auf den Kopf zu fallen droht.

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Alles rund um Belletristik!

Bio-G.A.U.

1

Merrin-kläck, der Adept der Psychonauten-Mannschaft der Bahrns auf Clarks-Planet, empfing den Weltpräsidenten persönlich. Man hatte erst Minuten zuvor eine Mitteilungssonde von der Erde geschickt. Sie war im Gaarson-Gate an Bord des Schiffes materialisiert und sofort aktiv geworden, um über den Bordcomputer Mitteilung zu machen.

Merrin-kläck war vom Bordgehirn informiert worden: telepathisch, damit nur er es erfuhr. Das hatte er sich ausbedungen, denn Bahrns und die Drillinge waren an Besuchern nicht interessiert.

Obwohl die Sonde um die Anwesenheit von Bahrns gebeten hatte, um den Präsidenten zu empfangen, entschied sich Merrin-kläck dagegen.

Breitbeinig stand er zum Empfang. Er ballte die sehnigen, blaugeäderten Hände zu Fäusten. Niemand wußte, wie alt der Wissenschaftler und Adept war. Er hatte den sehnigen Körper eines bei schwerer körperlicher Arbeit ergrauten Mannes, doch wenn er sich bewegte, tat er dies mit der Geschmeidigkeit einer Katze. Die grauen Haare und die tiefen Kerben in seinem rauhen, graubärtigen Gesicht waren die sichtbaren Folgen eines leidvollen Lebens.

Das FluoreszenzFeld zuckte für eine Nanosekunde auf, und danach war der engmaschige Gitterkäfig nicht mehr leer.

Sie waren zu zweit. Der Weltpräsident war Merrin-kläck bereits bekannt. Seine Begleiterin war eine hochgewachsene, schmutzigblonde Frau mit ungewöhnlichen Augen, die einen zu durchdringen schienen. Sie war schlank und wirkte sehr sportlich. Als sie gemeinsam mit dem Präsidenten den Gitterkäfig verließ, bewegte sie sich wie eine geübte Kämpferin, aber Merrin-kläck war überzeugt davon, daß sie nicht zur Bodyguard des Präsidenten gehörte. Dieser war völlig ohne gekommen. Wieso eigentlich? Nur, weil er vollstes Vertrauen in die Sicherheit des Schiffes und seiner Restbesatzung hatte?

Merrin-kläck vermutete vielmehr, daß der Besuch einen wichtigen Anlaß hatte, bei dem es keine Zeugen geben durfte. Das hatte von der Sonde nicht extra betont werden müssen.

Welche Angelegenheit war denn so wichtig - und vor allem so geheim?

Die Verschollenen? durchzuckte es Merrin-kläck.

Aber dann fragte er sich: Wieso sollte Bahrns mit anwesend sein?

Ehe der Präsident ihn begrüßte, schaute er sich suchend um.

»Wo ist Bahrns?« erkundigte er sich.

Merrin-kläck blieb die Antwort schuldig. Er ließ die Frau nicht aus den Augen. Diese erwiderte ruhig seinen Blick.

Merrin-kläck spürte einen Schauer über seinen Rücken rieseln. Diese Augen... Merrin-kläck war telepathisch begabt, und seine Neugierde war so groß, daß er seine telepathischen Fühler ausstreckte, ganz unbewußt.

Sie trafen auf einen Block.

Sie blinzelte überrascht.

»Das sollten Sie nicht tun, Merrin-kläck!« tadelte sie, aber es klang gutmütig. »Sie sollten nicht in den Gedanken von fremden Menschen herumschnüffeln. Das gehört sich nicht.«

Tipor Gaarson gab sich erschrocken. Er faßte sich in einer Reflexbewegung an den Kopf, als könnte er damit feststellen, ob auch schon jemand darin herumspionierte.

Er verzog das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse, als es ihm bewußt wurde.

»Nein, das sollten Sie wirklich nicht!« Aus seinem Munde klang es schon ernster.

Merrin-kläck deutete eine Verbeugung an.

»Ich bitte um Vergebung. Es war keine Absicht, und es betraf auch nicht Sie, verehrter Sinjoro Präsident, sondern nur Ihre Begleiterin.« Er wandte sich voll an die Frau: »Ich habe einen PSI-Block bemerkt. Sind Sie eine Psychonautin?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein, keine PSI-Begabung! Das weiß ich definitiv, weil ich schon einmal mit meinem PSI-Block aufgefallen bin. Aber es ist nicht einmal ein echter PSI-Block, mein lieber Merrin-kläck. Es ist einfach so, daß ich meine Gedanken im Griff habe. Sonst nichts. Wenn ich weiß, daß ich einem Telepathen begegne, richte ich mich darauf ein. Es ist eine Frage der Konzentrationsfähigkeit. Mit PSI hat das im Grunde genommen überhaupt nichts zu tun.«

»Ach ja?« Jetzt hielt sich Merrin-kläck nicht mehr länger zurück.

Er wollte es genauer wissen. Er wollte nicht nur wissen, wer diese Frau war und wieso der Präsident mit ihr allein hierher kam, sondern er wollte wissen, ob sie wirklich keine Mutantin war. Er konnte sich nur davon überzeugen, wenn er keinerlei Zurückhaltung mehr übte. Er war ein trainierter Adept, ein Spezialist, der die Gedanken der Besatzung im Psychonauteneinsatz koordinierte. Ihm konnte kein Mensch etwas vormachen. Wenn jemand auch nur latente PSI-Begabung besaß, fand er das heraus.

Sein Extrasinn griff rücksichtslos zu.

Nein, sie hatte recht: Das war kein PSI-Block! Sie beherrschte die Fähigkeit der Leere. Sie verbannte jeden bewußten Gedanken von der Oberfläche hinunter ins Unterbewußtsein, wo kein Telepath mehr Zugriff darauf hatte.

Merrin-kläck war höchst beeindruckt. »Das ist mir noch niemals begegnet!« gab er zu. »Sie sind eine ganz und gar ungewöhnliche Frau. Wie schaffen Sie das? Nur durch Konzentrationsfähigkeit? Dann sind Sie ein Genie, wie es nur selten eins gibt. Ich habe jedenfalls noch niemals ein solches erlebt wie Sie!«

»Soll ich das jetzt als Kompliment auffassen oder was?« fragte sie mißtrauisch.

»Es ist die Wahrheit, kein Kompliment. Wozu sollte ich Ihnen Komplimente machen? Auch noch bevor ich erfahre, was Sie hier wollen? Nein, ich bin ehrlich beeindruckt. Nicht mehr und auch nicht weniger!«

»Wo ist Bahrns?« erkundigte sich der Weltpräsident erneut.

Die beiden schienen sich jetzt erst wieder an ihn zu erinnern.

Merrin-kläck entschuldigte sich: »Ich bitte um Vergebung, Sinjoro Präsident, wenn ich unaufmerksam war. Aber ich habe Bahrns noch nicht in Kenntnis gesetzt. Mit Verlaub, Sinjoro Präsident, Sie wissen ja, daß er sehr menschenscheu ist. Ich wollte ihn erst in Kenntnis setzen, wenn ich ihm sagen kann, wozu man ihn sprechen will.«

Tipor Gaarson runzelte die Stirn und überlegte kurz. »Ein Telepath, Sie?« Er nickte vor sich hin. »Natürlich, ich bin ja im Bilde. Also ist es eigentlich unsinnig, vor Ihnen etwas verheimlichen zu wollen.« Er schaute die Frau an. »Weißt du, Doris, schon die nächste Seance würde es an den Tag bringen. Einmal abgesehen davon...

Wenn Bahrns einwilligt, wird es wohl kaum vor der Mannschaft zu verbergen sein.«

»Sie sind so eine Art Captain hier auf dem Schiff, nicht wahr?« fragte Doris. »Sie müssen entschuldigen, aber ich weiß nicht sehr viel über die Psychonauten-Raumfahrt, weil es eigentlich mich bisher nicht interessiert hat. Interessant ist es dennoch.«

»Sie liegen mit Ihrer Vermutung schon richtig... Doris?«

»Schon gut, Sie können ruhig Doris zu mir sagen. Mit Nachnamen heiße ich Markwort, aber das ist eigentlich unwichtig. Ich nehme an, daß wir in Zukunft öfter miteinander zu tun haben werden, wenn ich die Situation an Bord richtig einschätze. Eine Mannschaft, die zusammenhält. Sie bleiben hier, bis das Schicksal der verschollenen Besatzungsmitglieder geklärt ist. Weil es irgendwie eine Verbindung zwischen den Besatzungsmitgliedern gibt - normalerweise - und keinerlei Geheimnisse. Eine verschworene Gemeinschaft - mehr noch sogar. Denn alle sind während ihrer ungewöhnlichen Arbeit miteinander telepathisch verbunden und bilden eine Einheit - sogar gemeinsam mit dem Schiff. Die Besatzung ist das Schiff, einschließlich Bordgehirn. Absolut faszinierend!«

Das war ehrlich gemeint, und jetzt hätte Merrin-kläck in ihren Gedanken forschen können, denn sie war so angetan von der Situation, daß sie sich nicht mehr länger beherrschen konnte. Aber er hielt sich zurück, weil er überzeugt war, daß sie es gemerkt hätte, und das wäre ihm jetzt peinlich gewesen.

»Gut, daß ihr euch so gut versteht, aber könnten wir jetzt trotzdem zur Sache kommen, Doris?«

»Oh, Tipor, wir tun nichts anderes als zur Sache zu kommen! Glaubst du nicht auch, daß es wichtig ist, eine gewisse Vertrauensbasis zu schaffen?«

Tipor Gaarson mußte lachen. »Das ist die Doris, wie ich sie kenne und schätze. Merrin-kläck hat recht: Du bist eines der größten Genies, die die Menschheit jemals hervorgebracht hat.«

»Nur nicht übertreiben!« bat sie lächelnd. »Mir sind in meinem Leben schon einige Menschen begegnet, denen ich nicht das Wasser reichen konnte.«

»Das glaube ich dir gern: Eben auf gewissen Gebieten, die dich bis dato nicht interessiert haben und auf denen du daher bis dato schwach geblieben bist...«

Tipor Gaarson wandte sich an Merrin-kläck. »Also gut, ich will es Ihnen kurz erklären, und Doris wird mich unterbrechen, wenn ich mich vielleicht auf falsche Fährte begeben sollte: Sie ist die neue Chefin von FEDERAL PUPPET. Es hat eine Katastrophe gegeben wegen dieser Firma. Sie stellt Cyborgs in Kindergestalt her, sogenannte Puppen, als Kinderersatz für kinderlose Ehepaare, und diese Puppen sind durchgedreht und haben Chaos erzeugt. An ihnen war nämlich genau zu diesem Zweck in verbrecherischer Absicht manipuliert worden. Zur Zeit haben wir das Problem allerdings wieder im Griff.«

»Ich habe davon gehört«, sagte Merrin-kläck abwartend.

»Kurz und gut: Sie hat nicht nur den Konzern übernommen, sondern leitet vor allem die Entwicklungsabteilung, und wir hatten die Idee, einen Erwachsenen-Cyborg zu konstruieren.«

»Und was hat Bahrns damit zu tun?« erkundigte sich Merrin-kläck mißtrauisch.

Tipor schickte einen hilfesuchenden Blick zu Doris. Diese zuckte nur mit den Achseln und schürzte die Lippen.

Jetzt hätte Merrin-kläck gern in den Gedanken des Präsidenten spioniert, aber der Respekt vor dem mächtigsten Mann der Erde verbot es ihm.

Tipor Gaarson schaute ihn an. In seinen Augen flackerte es. »Ich will es kurz machen und bitte Sie dabei, es nicht gleich Bahrns zu erzählen. Er soll es von Doris persönlich hören. Nun denn: Bahrns wäre der ideale Mutant, um einen solchen Cyborg auf PSI-Ebene zu steuern. Mehr noch: Er ist klein genug, um selber in diesem Cyborg-Körper zu hocken! Er wird jederzeit den Körper verlassen können, und der Cyborg ist so konstruiert, daß er die Wohlfühlbedingungen von Bahrns für längere Zeit befriedigt. Sozusagen maßgeschneidert. Zu diesem Zweck jedoch müßte er das Schiff verlassen und mit uns zur Erde kommen. Die entsprechende Anpassung und auch das Training, um den Cyborg steuern zu lernen, können nur dort im Entwicklungslabor erfolgen. - Glauben Sie, wir könnten ihn dazu überreden?«

»Nein!« antwortete Merrin-kläck wahrheitsgemäß.

»Aber bedenken Sie nur die Möglichkeiten für ihn: Er wird den Körper... nun, sagen wir mal: wie eine Maske benutzen! Ein großer, stattlicher Mann, und er wird sich mit diesem Mann identifizieren, ja, er wird dieser Cyborg selber sein! Ist das denn nicht absolut faszinierend?«

»Sie haben recht, Sinjoro Präsident: Es ist besser, wenn Sie ihm das selber sagen! Einen Augenblick bitte.«

Es geschah nichts, was der Präsident hätte sehen können, denn Merrin-kläck nahm telepathisch Kontakt auf mit Bahrns. Auf diesem Wege erfuhr Bahrns jedoch nur, daß der Weltpräsident ihn dringend sprechen wollte - gemeinsam mit seiner Begleiterin. Daß es sich um eine hochbrisante Angelegenheit handelte, die nur ihn, Bahrns, etwas anginge.

Nur die Tatsache, daß der Präsident persönlich mit ihm reden wollte, sorgte dafür, daß er überhaupt auftauchte. Er kannte den Präsidenten bereits von dessen letztem Besuch auf Clarks-Planet und konnte sich noch genau daran erinnern, daß der Präsident keineswegs über seine Erscheinung schockiert gewesen war.

Es gab den Ausschlag.

2

Bahrns war wirklich eine äußerst ungewöhnliche Erscheinung, wie Doris zugeben mußte: Ein Fleischklumpen mit wässrigen Augen, Ohren und einem Mund, aus dem jedoch nur gutturale oder glucksende Laute kamen. Er bewegte sich auf vier Gliedmaßen fort, wie eine Spinne, aber mit ziemlichem Geschick. Tipor Gaarson hatte ihn Doris wirklich anschaulich beschrieben.

Drei Schritte vor den Gästen von der Erde blieb Bahrns stehen und ließ sich zu Boden sinken. Seine wässrigen Augen starrten. Es war nicht genau erkennbar, wen sie direkt anschauten. Die vorderen Gliedmaße hob er wie zwei Arme.

»Willkommen auf Clarks-Planet, Sinjoro Präsident!« Die Worte waren nicht aus seinem Mund gekommen, sondern waren direkt in den Köpfen der Anwesenden aufgeklungen. Bahrns war stumm. Er konnte sich nur auf PSI-Ebene unterhalten, und das konnte er auch mit Menschen, die nicht PSI-begabt waren.

Für die meisten Menschen absolut erschreckend - mehr noch als die Erscheinung von Bahrns.

Doris war froh, daß Tipor Gaarson Bahrns so anschaulich beschrieben hatte. Sie erschrak also nicht, sondern zeigte sich sehr fasziniert. So fasziniert, daß es Bahrns auffiel.

»Gehe ich recht in der Annahme, daß eher Sie etwas von mir wollen, werte Frau?«

Eine eigenartige Formulierung, die zu Bahrns und seiner ungewöhnlichen Erscheinung paßte.

Doris Markwort lächelte ihn an. »Ich heiße Doris Markwort - und Sie haben recht, Bahrns: Es geht um uns beide - sozusagen. Eine Idee auch des Präsidenten, wenn ich das so sagen darf, aber ich soll sie in die Wirklichkeit umsetzen. Das wäre ohne Sie unmöglich.«

Sie öffnete ihr Denken - ganz bewußt. Und sie sah vor ihrem geistigen Auge einen hochgewachsenen, muskulösen Mann mit Blondschopf. Ein wahrer Hüne, ziemlich beeindruckend.

»Ich heiße Bahrns!« sagte er mit tieftönender, wohlklingender Stimme. Seine Augen blitzten. Er drehte sich um. Da öffnete sich in seinem Rücken der Overall, in den er gekleidet war. Darunter kam nackte Haut zum Vorschein. Über der Wirbelsäule befand sich eine Narbe. Sie reichte von der Taille bis fast hoch zum Nacken.

Aber es war keine richtige Narbe, denn sie öffnete sich jetzt ebenfalls. Dahinter war... niemand anderes als der echte Bahrns.

Bahrns nahm teil an dieser plastischen Vorstellung, sozusagen von Doris dazu eingeladen.

Ein gutturaler Laut entrang seiner unmenschlichen Kehle. Seine vorderen Gliedmaßen klatschten zu Boden. Er vollführte einen Satz rückwärts, als wollte er fliehen. Doch dann verharrte er wieder.

»Das...« Er brach ab. Er zitterte wie Espenlaub. »Ich verstehe nicht recht, Doris Markwort.«

»Oh, Bahrns, Sie verstehen sogar recht gut, wie ich an Ihrer Reaktion sehe«, sagte Doris freundlich, aber absolut ohne jegliche Diplomatie. »Na, wie finden Sie es denn?«

Tipor Gaarson war sprachlos. Er hatte natürlich nicht mitbekommen, was tatsächlich geschehen war, aber er konnte es sich denken - und das machte ihn halt eben so sprachlos. Er hätte nie gedacht, daß Doris so vorgehen würde.

Und auch Merrin-kläck, der die Vision genauso gesehen hatte wie Bahrns, war sichtlich perplex.

Er schaute nach Bahrns, auf das Schlimmste gefaßt, was dessen Reaktionen betraf.

Aber Bahrns zitterte nur wie Espenlaub und reagierte ansonsten überhaupt nicht mehr.

Und dann schickte er den Gedankenimpuls: »Sie sind sehr beeindruckend, Doris Markwort. Sie sind überhaupt keine Mutantin, haben nicht die geringsten PSI-Fähigkeiten und wurden wohl kaum öfter in Ihrem Leben mit PSI-Menschen konfrontiert, und dennoch handeln sie wie eine geübte Psychonautin. Eine Vision in einer solchen Eindringlichkeit, vergleichbar mit einem dreidimensionalen Film... Wieso können Sie das?« »Klang« es mißtrauisch oder bewundernd?

Sicher beides! dachte Merrin-kläck bestürzt.

Und auch Tipor Gaarson hatte den Gedankenimpuls aufgenommen. Er hielt unwillkürlich den Atem an und wagte schon gar nicht, auch nur einen Ton von sich zu geben. Er wollte sich heraushalten, als sei er gar nicht vorhanden, um Doris alles zu überlassen. Dabei ahnte er, daß das weibliche Genie Doris Markwort genau das Richtige getan hatte, um Bahrns auf ihre Seite zu bringen.

»Ich bin Wissenschaftlerin und an Ungewöhnlichem interessiert, Bahrns. Und dazu gehört es, visionär zu denken. Ich bin sozusagen darauf trainiert.«

»Sie sind ganz einfach ein Genie, kein gewöhnlicher Mensch. Ein solcher könnte das nie, auch mit dem umfassendsten Training nicht. - Darf ich es noch einmal sehen?«

»Details, Bahrns? So zum Beispiel?«

Er »sah« sich selbst aus dem Körper des »Mannes« klettern.

»Ein Cyborg, von einem Menschen nicht zu unterscheiden!« kommentierte er beeindruckt. Geschickt turnte der Bahrns in der Vision aus dem Körper heraus, so daß man das Innere besser sehen konnte. Es war ziemlich kahl, schien aber bequem zu sein.

»Nun, das ist meine Vision in ihrer vorläufigen Fassung, sozusagen, denn wie es dort drinnen aussehen soll, das liegt in erster Linie an Ihren Bedürfnissen, Bahrns. Sie werden vielleicht ziemlich lange an einem im Inneren des Körpers stecken. Dabei werden Sie sich vollkommen damit identifizieren. Ja, Sie werden dieser Körper sein. Sie sind nicht mehr der alte Bahrns, sondern ein neuer.

Und Sie bestimmen, wie es innen aussehen soll, damit Sie jedwede Bequemlichkeit haben.«

»Anschluß meines Kreislaufs an den Kreislauf des Cyborgs, um die Aufnahme von Nahrung zu vermeiden - beispielsweise!« sagten die Gedanken von Bahrns. »Wie das Embryo im Mutterleib. Das ist für mich kein Problem, denn ich habe meine Körperfunktionen unter Kontrolle. Ich könnte das also selbständig steuern.«

»Oh, umso besser noch! Das wußte ich gar nicht - und kommt der Sache enorm entgegen.«

»Sicher doch, aber einmal was ganz anderes: Sie sagten, ich hätte sozusagen Mitspracherecht, was das INNERE des Körpers betrifft?«

»Ja, so meinte ich das.«

»Und was ist mit dem Äußeren?«

»Wieso?«

»Blondy gefällt mir nicht. Ein Schönling... Das ist wohl eher Ihr Geschmack betreffend einer männlichen Erscheinung. Aber ICH werde das sein - und nicht nur um Ihnen zu gefallen, Doris Markwort.«

»Oh!« machte sie überrascht - und als würde sie sich ertappt fühlen. »An was hätten Sie denn da gedacht, Bahrns?« Schon hatte sie sich wieder voll im Griff.

Bahrns konnte nicht lächeln, aber er konnte einen Gedanken erzeugen, der den Eindruck vermittelte, als würde er jetzt verschmitzt lächeln. Und dann erzeugte er seinerseits eine Vision, an der diesmal allerdings auch der Präsident teilhaben konnte.

3

Der Hüne hatte langes, ungepflegt wirkendes Haar. Er war altertümlich in Leder gekleidet, mit blanken Armen, die den Umfang von kräftigen Männeroberschenkeln hatten. Das Gesicht des Mannes wirkte irgendwie primitiv. Er schaute grimmig drein und hob mit beiden Händen ein mächtiges Schwert. Damit verstand er sehr gut umzugehen, wie er nach einem Ausfallschritt und ein paar Scheinattacken mit dem Schwert bewies.

Szenenwechsel. Eine Art Tempel. Eine breite Treppe führte hoch hinauf zum Eingang.

Dort stand ein Mann, offenbar der Anführer von vielen tausend Menschen am Fuße der Treppe. Und jetzt trat der Hüne von hinten an ihn heran, schwang das Schwert und köpfte den Mann vor den Augen seiner Anhänger. Der Kopf wurde glatt vom Rumpf getrennt, fiel auf die Treppe und sprang wie ein Ball wieder hoch, fiel tiefer, sprang und hüpfte. Die Menge schrie entsetzt.

»Conan, der Barbar!« riefen die Gedanken von Bahrns begeistert. »So hieß der Film - der erste Film, den ich mit ihm sah.«

»Conan?« echote Doris verständnislos.

»Ein Film aus dem zwanzigsten Jahrhundert!« belehrte Bahrns sie nachsichtig. »Ich bin ein absoluter Fan von solchen alten Filmen.«

»Ach ja?« wunderte sich Merrin-kläck, dem das neu zu sein schien - tatsächlich.

»Ich habe sämtliche Filme von Arnold Schwarzenegger gesehen und auch ansonsten seine Biographie studiert. Eine absolut ungewöhnliche Figur der Menschheitsgeschichte, nicht nur als Schauspieler und Bodybuilder.«

»Body... was?« Tipor Gaarson hatte das Wort noch nie zuvor gehört. Er konnte sich zumindest nicht daran erinnern.

»Nun, egal«, sagte Bahrns leichthin. »Aber der wäre es: Arnold Schwarzenegger. Nicht nur in seiner Rolle als Conan, der Barbar. Ich kann die alten Filme besorgen, damit Sie sich im wahrsten Sinne des Wortes das richtige Bild machen können, Doris Markwort. Und dann werden Sie Arnold Schwarzenegger zu neuem Leben erwecken - zumindest seinen Körper - weit über vierhundert Jahre nach den Höhepunkten seines Lebens! Ja, gewiß, Sie sind wirklich das größte Genie nach Tipor Gaarson, dem Entdecker des Gaarson-Effektes.«

Tipor Gaarson war da zur Zeit anderer Meinung, denn auch er erinnerte sich an einen alten Film, den er irgendwann einmal gesehen hatte. Dieser Film hieß: »Frankenstein«. Und dieser Name schien ihm viel besser zu dem Vorhaben zu passen als der Name Conan oder Schwarzenegger.

»Arnold Bahrns!« riefen die Gedanken von Bahrns indessen begeistert.

Doris zuckte mit den Achseln und meinte:

»Wieso eigentlich nicht? Blondy hätte mir persönlich zwar besser gefallen - und er hätte auch freundlicher ausgesehen... Aber wenn Sie wirklich solchen Wert darauf legen...«

»Wann reisen wir zur Erde, Doris Markwort?«

Merrin-kläck verschlug es erneut die Sprache. Hätte er noch vor Minuten jeden Eid geschworen, daß Bahrns niemals einwilligen würde, so wurde er jetzt in einem Maße eines Besseren belehrt, daß es ihm schier schwindlig wurde.

»Gleich, wenn Sie wollen - und wenn Tipor Gaarson oder Ihr Captain nichts dagegen hat.«

»Ach, Merrin-kläck hat nichts dagegen. Ich werde ja nicht aus der Welt sein. Mit dem Gaarson-Gate bin ich so schnell wieder zurück, als wäre ich nur nebenan gewesen. Und der Präsident?«

»Er hat auch nichts dagegen!« seufzte Tipor Gaarson ergeben. Eigentlich hätte Triumph in ihm aufkommen sollen, aber er dachte jetzt nur noch mit äußerst gemischten Gefühlen an die Angelegenheit. Wohl, weil ihn die Szene mit der Enthauptung so sehr schockiert hatte.

Bahrns schien seine Gedanken belauscht zu haben - oder er erriet sie nur: »Es war nur ein Film, Sinjoro Präsident! Wirklich nur ein Film! Der Schauspieler, der den Enthaupteten gespielt hat, machte danach noch einige Filme - und erschien darin putzmunter. Und im Conan hat er den absoluten Bösewicht gespielt, dem jeder Zuschauer dieses spektakuläre Ende doppelt und dreifach gönnte. Wie gesagt: Nur ein Film!«

Das beruhigte Tipor Gaarson nur wenig. Vielleicht stellte er sich dabei auch vor, diesem Conan in persona zu begegnen, wenn das Projekt gelungen war?

Unwillkürlich betastete er seinen Hals.

Doris sah es und mußte lachen. Sie tat es jedoch sehr beherrscht. Schließlich wollte sie den Präsidenten nicht provozieren.

»Nur noch eines«, meldete sich Bahrns ein letztes Mal vor ihrer Abreise zu Wort.

»Ja?«

»Laß dieses blöde Siezen, Doris. Ich meine, wenn wir ein Team werden wollen, dann finde ich das unangebracht. Tut mir leid, aber ich bin sowieso nicht gewöhnt, unter fremden Menschen zu sein. Aber ich bin nun mal so.«

»Tre bone, Bahrns! Allerdings unter einer Bedingung.«

»Die wäre?«

»Sage niemals mehr Doris Markwort zu mir, sondern einfach nur Doris. Doris Markwort finde ich als Anrede einfach zum Kotzen!«

»Du bist nicht nur ein Genie, sondern die sympathischste Frau, die ich jemals kennengelernt habe. Schade, daß ich nicht dein Typ bin. Ich werde es auch nicht werden können - als Arnold Bahrns. Hm, ich hätte es mir wirklich überlegen sollen. Wo dir doch Blondy so gut gefällt...«

Es war ein Scherz gewesen. Jeder begriff es, auch Tipor Gaarson, und er konnte endlich wieder lachen. Der Alpdruck wich von ihm.

Na ja, dachte er im stillen, war ja wirklich nur ein Film. Da gibt es kein Blut und wird die Gewalt sowieso nur gespielt. Und wenn der Typ ein Bösewicht war, dann spielte Arnold Schwarzenegger ja wohl den Guten. Also gut, Arnold, du sollst meinetwegen wieder leben. Aber nur, wenn du das mit der Köpferei endgültig sein läßt!

Er mußte abermals lachen, und diesmal wußte niemand warum. Es sei denn, man hatte seine Gedanken belauscht, was er nicht hoffte...

Und dann dachte er an etwas anderes: Er dachte an die Verschollenen. Sie waren irgendwo dort draußen im Universum, möglicherweise Tausende von Lichtjahren entfernt, vielleicht sogar Millionen von Lichtjahren... und niemand wußte um ihr Schicksal. Drei davon hießen Cora Stajnfeld, John Millory und Petro Galinksi. Was erlebten sie gerade? Ja, lebten sie denn überhaupt noch?

4

»Draußen ist es dunkel!« Petro Galinksi deutete auf die Panoramagalerie in der Empfangsstation. Der Ausgang aus der Gitterpyramide, in der sie materialisiert waren, hatte sich automatisch geöffnet, so daß keine Entmaterialisierung mehr möglich war. Um diese Empfangsstation wieder zu verlassen, mußten sie erst einmal hinaus und den Stationscomputer dazu auffordern.

Aber erst einmal wollten sie wissen, wo sie hier gelandet waren. Sie vermuteten schon: Nicht auf Vetusta, ihrem ursprünglichen Startpunkt!

Sie verließen vollends die Pyramide. Sie erschien kleiner als in der Sendestation. Aber das war eine Täuschung - mußte es sein, denn wäre diese Pyramide wirklich kleiner, hätten sie nicht hier materialisieren können. Soviel war zumindest klar.

Die Panoramagalerie zeigte außer den Dunkelheit zeigenden Monitoren nur glimmende Kontrollichter. »Wäre schön, wenn mal jemand Licht machen würde!«

Zwar waren diese Worte in der Sprache gesprochen, die ihnen der Stationscomputer auf Vetusta beigebracht hatte - und waren eindeutig an den Stationscomputer hier gerichtet, der offensichtlich aktiviert war, sonst hätten sie hier nicht auftauchen können -, aber: »Nur gut, daß du deinen Obersklaven John Millory in Reichweite hast«, brummte John und drückte ein paar Kontakte, ohne wirklich zu wissen, woher er die Informationen hatte, um solches überhaupt zu wagen. Offensichtlich hatte der Stationscomputer auf Vetusta ihnen außer der nötigen Sprache noch einiges andere in das Unterbewußtsein gepflanzt, von dem sie vielleicht noch gar nichts ahnten. Eine solche Hypnoschulung hatte seine Vor- und Nachteile: Man war eigentlich nie sicher, ob man es wirklich so gelernt hatte oder ob es purer Lichtsinn war, seinen »inneren Eingebungen« zu folgen...

Aber erstens reagierte der Computer überhaupt nicht auf Franks Worte, und zweitens wirkte es, was John tat: Die Dunkelheit auf den Monitoren erhellte sich.

Cora Stajnfeld überprüfte die Anzeigen und bereitete sich innerlich schon auf das Verlassen der Station vor: Nichts schien dagegen zu sprechen. Aber konnte sie wirklich sicher sein, die Anzeigen richtig zu interpretieren? Jedenfalls war die Empfangsstation in einigen Punkte der auf Vetusta ziemlich ähnlich...

John und Petro blickten auf die Bildschirme. Die Station umschloß das Gate so eng, daß kaum Platz zwischen dem Gitternetz und der Panoramagalerie blieb - und schien sich doch tatsächlich mitten in einer Art Höhlengang zu befinden.

Ein recht eigenartiger Gang war das. Die Wände waren mit einer steinharten grauen Substanz überzogen, die sie am Einstürzen hinderten.

»Künstlich?« fragte Cora nach einem Seitenblick.

Petro zuckte die Achseln. »Möchte ich zunächst einmal bejahen. Vielleicht hat man neue Verfahren entdeckt?«

John zog den Kopf zwischen die Schultern. »Hoffentlich befinden wir uns nicht in einem Verkehrstunnel. Wenn wir aussteigen und überrollt werden...«

Cora Stajnfeld runzelte die Stirn und tippte auf ihren Radartimer am Handgelenk. »Wir haben keine Zeit zu verplempern. Wie weit seid ihr?«

»Fix und fertig!« sagte John zweideutig.

Petro Galinksi knurrte nur.

»Was ist das?« rief Cora.

Die beiden hielten lauschend inne.

Jetzt hörten auch sie es: ein Schaben, Rasseln und Gleiten.

»Verkehrstunnel!« rief John Millory erneut

John erhob die Stimme: »He, Computer, hörst du mich? Wo bleibt die Begrüßung? Du bist aktiviert, also antworte gefälligst! Was ist los hier? Wo sind wir?«

Sie lauschten. Allerdings vergeblich.

Dann schielten sie nach der einladend offenen Tür des Gitterkäfigs. Vielleicht hatten sie mit dem Gedanken gespielt, einfach wieder dieser Szene den Rücken zu kehren? Aber wie - ohne die Unterstützung des Stationscomputers? Und die war nun einmal nötig, um das Gate entsprechend programmieren zu können. Denn wenn sie im Innern waren, konnten sie es nicht mehr bedienen. Es sei denn, einer von ihnen wäre zurückgeblieben...

»Verdammt!« entfuhr es Cora Stajnfeld. Ihr war egal, daß sie damit gegen ihre Gewohnheit verstieß, nie zu fluchen - oder nur selten. »Wir müssen raus hier!«

»Und wenn John recht hat und wir tatsächlich...?« warf Petro ein.

Cora winkte ab. »Der Luftdruck verändert sich draußen nicht. Also kein heranschießender Gegenstand. Wir werden wohl ausweichen können.«

»Ihr Wort in das weite Ohr der Götter«, sagte John zu Petro. »Hoffentlich verliert es sich darin nicht und wird gehört!«

»Raus!« sagte Cora nur wieder. Sie befand sich schon an der aufschwingenden Luke. Elegant sprang sie hinaus. Weniger elegant landete sie unten. Das Zeug, mit dem die Wände überzogen waren, erwies sich als ziemlich glatt. Sie verlor den Halt und krachte auf ihr Hinterteil.

Solchermaßen gewarnt waren Petro Galinksi und John Millory vorsichtiger. Hinter ihnen schloß die Luke automatisch.

Draußen war es stockdunkel. Die Station machte kein Licht. Das hatten sie nicht erwartet, nachdem die Monitore ihnen Helligkeit simuliert hatten. Das einzige Licht hier draußen war durch die vorher offene Luke gefallen.

Sie schalteten ihre Körperlampen ein. Das Licht reichte, die Umgebung gutzuerkennen.

Trotzdem versuchte es John: »He, Computer der Station! Mach mal Licht hier draußen!« Es war sinnlos. Der Computer reagierte einfach nicht. Als hätte ihn jemand auf ein Minimum gedrosselt und so etwas wie eine Handsteuerung in der Station eingeschaltet - außer der Schließungsautomatik für die Luke, die dieser Jemand aktiviert gelassen hatte. Wieso eigentlich?

Sie hatten keine Zeit, weiter darüber nachzudenken: Das Schaben, Rasseln und Gleiten näherte sich immer noch. Die Akustik des Höhlenganges erschwerte es, die Richtung zu bestimmen.

»Das ist das Reparaturkommando«, vermutete John, »und wir sind die Fremdkörper, die es zu beseitigen gilt!« Niemand lachte über den ziemlich lahmen Versuch, einen Scherz anzubringen.

»Komisches Kommando, das solche Geräusche verursacht«, sagte Petro trocken. »Ich für meinen Teil ziehe es vor, in Deckung zu gehen. Hat jemand Lust, mich zu begleiten?«

Er schickte sich an, die Luke wieder zu öffnen. Es mißlang! Die Bedienungselemente waren tot!

»Nach rechts!« schlug Cora vor. Sie nahm an, daß die Geräusche von der anderen Seite kamen.

Zu dritt rannten sie davon. Die Geräusche waren bereits bedrohlich nahe.

Weit kamen sie nicht.

Coras Annahme war falsch. Sie liefen dem Reparaturkommando direkt in die Arme.

Nur, daß das Kommando keine Arme besaß!

Es handelte sich auch nicht um Menschen, wie sie automatisch angenommen hatten - animiert dazu dank ihrer bisherigen Erfahrungen.

Das Insekt war groß genug, um den Gang fast zur Gänze auszufüllen.

Es schabte und rasselte und glitt direkt auf sie zu.

5

So schnell hatte Petro Galinksi selten in seinem Leben den Paralyser gezogen, seinen Betäubungsstrahler.

Auch John Millory und Cora Stajnfeld erwiesen sich in dieser Beziehung als wahre Geschwindigkeitsrekordler.

Das Insekt war offenbar über den Besuch überrascht, oder aber es wurde vom Licht der Körperlampen geblendet. Es hielt in der Bewegung inne.

»Mein Gott!« Johns Stimme bebte. »Das ist ja eine Ameise - eine rote Waldameise!«

»Hoffentlich verwechselt sie uns nicht mit Blattläusen und versucht uns zu melken!« sagte Petro Galinksi trocken.

»Achtung!« schrie Cora Stajnfeld.

Aber ihre beiden Begleiter hatten es selber gesehen.

Die Riesenameise, wesentlich größer als ein Mensch, hatte ihre Erstarrung überwunden. Sie kroch auf den sechs eingeknickten Beinen weiter auf sie zu.

Fast hatte sie die drei Männer erreicht. Ihr Hinterleib krümmte sich, um Säure zu spritzen, doch kam kein Tropfen.

Entsprechend der Größe der Ameise hätte die Säure eine kleine Überschwemmung verursacht.

John Millory, Petro Galinksi und Cora Stajnfeld schossen gleichzeitig mit ihren Betäubungsstrahlern.

Für einen Sekundenbruchteil befürchteten sie, damit gegen das Insekt keine Chance zu haben.

Aber dann fiel die Ameise in sich zusammen - übergangslos.

Die geknickten Beine rutschten über den Boden und kamen in gefährliche Nähe.

Jetzt wirkte das Insekt nur noch wie eine übergroße Nachbildung - ein lebloses Modell.

Die drei unfreiwilligen GAARSON-GATE-Reisenden sahen sich an.

»Begreifst du das?« fragte Petro Galinksi John Millory. Gleichzeitig ärgerte er sich über die seiner Meinung nach dumme Frage, die ihm entschlüpft war.

»Was ich begreife«, antwortete John tonlos, »ist zunächst einmal, daß wir unmöglich an unserem ursprünglichen Zielort, nämlich auf dem Planeten Vetusta, gelandet sind. Dort gibt es nämlich keine Waldameisen.«

»Du Witzbold!« regte sich Petro auf. »Normalerweise darf es auch diese niedlichen Tierchen nicht in solcher Größe geben!«

Coras Interesse an dem wahrhaft gigantischen Insekt war erwacht. Sie ging näher heran.

»Moment, Cora!« rief Petro. »Bleib lieber hier! Wer weiß, wann das Biest zu sich kommt...« Er sah sich um. »Möglicherweise warten seine Artgenossen bereits im Hintergrund.«

»Möchte wissen, was das für ein Gang ist«, überlegte John laut. »Ich weigere mich entschieden, an ein Ameisennest zu glauben!«

»Wie wäre es mit deiner alten Theorie vom Verkehrstunnel?« schlug Petro spöttisch vor. »Nein, das hier mag bei der Erbauung der Station alles ganz anders gewesen sein. Aber inzwischen: Wir befinden uns wahrscheinlich in einem Ameisenhaufen, der irgendwann nach Erbauung der Station entstanden ist! Vielleicht hat sich der Stationscomputer deshalb gegen die Außenwelt abgeschirmt? Vielleicht auch wurde er von den Ameisen attackiert - und beschädigt? Der Haufen jedenfalls muß die Ausmaße eines kleinen Berges haben!«

John runzelte die Stirn. Näher betrachtet, war der Gedanke gar nicht so abwegig. Die Riesenameise war ein unübersehbarer Beweis. Und warum sollte es hier so etwas nicht geben?

»Unfaßbar!« ließ Cora Stajnfeld hören.

Sie näherten sich ebenfalls, die Paralyser schußbereit. Kein Risiko wollten sie eingehen. Sie hatten keine Ahnung, wie lange die Wirkung ihrer Waffen auf das Insekt anhielt.

Cora Stajnfeld verriet nicht, was sie für so unfaßbar hielt. Da sie sich aber mit dem Hinterleib der Ameise beschäftigte, meinte sie offenbar die Säuredrüsen.

»Was ist mit ihnen?« fragte Petro Galinksi.

»Noch vorhanden zwar, aber nicht mehr funktionsfähig. Das Krümmen des Hinterleibs angesichts unserer Anwesenheit war ein Urreflex ohne Folgen. Sonst wäre es für uns wohl tödlich verlaufen.«

»Aber wie sind diese Biester entstanden?« begehrte John Millory auf. »Die Tatsache, daß es diesen Gang hier gibt, läßt auf mehr als nur eine Riesenameise schließen.«

»Schon mal was von anderen Planeten und anderen Sitten gehört?« frotzelte Petro.

»Nein, ich bin nämlich nicht von heute, sondern von gestern - und außerdem: Das Ding IST EINE WALDAMEISE, obwohl ins Riesenhafte vergrößert, wie eine besondere Mutation. Aber eine Original-Waldameise auf einem wer weiß wie fernen Planeten?«

Petro hob dozierend den Zeigefinger. »Lieber John, da hat man uns mal wieder ein ganz dickes Ei ins Nest gelegt. Ich nehme nämlich ganz und gar nicht an, daß wir plötzlich auf der Erde herausgekommen sind. Für eine natürliche Entwicklung dieser Dinge hätte dort sowieso nicht die Zeit ausgereicht. Die hätte Millionen Jahre gedauert.«

»Außerdem hat sich der Riesenkörper an die Größe und an das daraus resultierende Gewicht noch gar nicht ganz angepaßt«, fügte Cora Stajnfeld hinzu. »Ein Indiz dafür sind die eingeknickten Beine. Die schaffen einfach die ungeheure Last nicht. Diese Riesenameisen leben zwar, aber mehr schlecht als recht. Ihre Lebenserwartung ist wohl ziemlich kurz.«

»Sie braucht auch gar nicht länger zu sein, denn sie pflanzen sich inzwischen mehr als zehnmal im Jahr fort«, sagte eine männliche Stimme aus dem Hintergrund.

Die drei Zeitreisenden wirbelten herum.

In einem weiteren Anfall von Galgenhumor stellte Petro Galinksi die Vermutung an, daß es sich um eine sprechende Ameise handelte. Aber hinter ihnen stand eine Gruppe Männer.

Die Zeitreisenden hatten keine Chance, die Paralyser einzusetzen. Sie wären nicht zum Schuß gekommen.

Die Fremden waren bis an die Zähne bewaffnet, und es bestand kein Zweifel daran, daß sie gewillt waren, diese Waffen auch einzusetzen.

Das zeigte allein schon ihr entschlossener Gesichtsausdruck.

Mutierte Waldameisen und - Wesen, die ganz typisch wie Menschen aussahen. Wie irgendwo auf der Erde. Als wäre jede Welt, auf der sie materialisierten, mehr oder weniger eine Kopie der Erde. Aber das war doch schlicht und ergreifend unmöglich!

Oder?

Diese Frage beschäftigte die drei beinahe mehr als die offensichtliche Gefahr, in der sie sich befanden...

6

Cora Stajnfeld Cora fragte sich, nachdem sie ihre Gedanken wieder einigermaßen geordnet hatte, woher die Männer gekommen waren und wie lange sie sich schon hier befanden. Was suchten sie in diesem gigantischen Ameisenberg? Scheuten sie nicht die Gefahren durch die Riesenameisen?

Der Sprecher der Gruppe deutete mit einem offensichtlichen Energiestrahler auf die Ameise.

»Wie gesagt, sie pflanzen sich unglaublich schnell fort. Von Generation zu Generation schneller. Dabei werden sie immer größer. Natürlich geschieht das nicht gegen die Naturgesetze. Das haben Sie inzwischen sehr richtig erkannt. Manche Probleme lösen sich gewissermaßen von selbst. Die Riesenameisen vernichten in ihrer Beutegier die vorangegangene Generation und erzeugen ein neue. Es geht immer weiter so, bis eine Körpergröße erreicht wird, die sie ihrer Lebensfähigkeit beraubt. Die letzte Generation stirbt aus.«

Petro gab einen Schuß ins Blaue ab:

»Trotzdem sind Sie hier, um die Ameisen zu vernichten?«

Der Sprecher der Gruppe nickte.

»Gewiß! Wir können es uns nicht leisten, darauf zu warten, bis sich das Problem von alleine löst. Wir müssen nachhelfen, denn die Ameisen sind nicht nur eine Plage, sondern darüber hinaus äußerst gefährlich. Sie wurden in diesem Landstrich eingesetzt, um für eine gewisse Hygiene zu sorgen. Sehr nützliche Tiere, die sonstwo früher die Wälder sauberhielten. Um hier eingesetzt werden zu können, veränderte man ihre Gene. Außerdem sorgte man dafür, daß sie sich schneller vermehrten.«

»Unfaßbar!« murmelte John erschrocken. »Wie können Wissenschaftler so leichtsinnig und unverantwortlich handeln? Man hat also die neue Zucht einfach in freier Natur ausgesetzt, ohne über die Folgen nachzudenken und ohne ausgiebige Vorversuche?«

Der Mann legte den Kopf schief und bedachte John mit einem sehr mißtrauischen Blick.

»Sagen Sie mal, Fremder, wieso fragen Sie das eigentlich?«

Die drei Gatereisenden sahen sich an.

Was hatten die Fremden gesehen? Etwa ihre Ankunft in der Station? Was hatte diese hier überhaupt für eine Bedeutung?

John wurde es unwillkürlich heiß. Er wußte nicht, was er antworten sollte.

Petro und Cora Stajnfeld halfen ihm nicht aus der Klemme. Er mußte die von ihm eingebrockte Suppe auch selber auslöffeln.

John zwang sich zu einem Lächeln.

»Wir sind eben erst angekommen«, antwortete er lahm. Es entsprach haargenau der Wahrheit, konnte jedoch verschieden ausgelegt werden.

Der Sprecher nickte. »Das ist uns klar.«

»Haben Sie etwas gesehen?«

»Was sollte ich gesehen haben?«

Die Augen Coras flehten John an, das Spiel nicht zu weit zu treiben. John ließ sich aber nicht beirren.

»Sie hielten sich im Hintergrund, warteten erst einmal ab, was es mit uns drei auf sich hat, stimmt's?«

Der Sprecher lächelte entwaffnend. »Ich glaube, es ist an der Zeit, mit offenen Karten zu spielen. Wurden Sie von der Regierung geschickt?«

»Nein«, antwortete John schnell.

Sein Gesprächspartner zuckte die Achseln.

»Schade, wir dachten es zunächst.«

»Blieben Sie deshalb in Deckung?«

Der Mann wurde etwas unsicher. »Hören Sie, das können Sie uns nicht in die Schuhe schieben! Gut, wir haben einige Beschwerden losgelassen, weil uns die Staatsgewalt im Stich ließ. Erst hat man uns diese Riesenameisen beschert und dann hat man die ganze Sache sich selbst überlassen. Wir forderten Militär an. Nichts geschah. Wir mußten die Dinge selber in die Hand nehmen. - Und die GG-Station ließ keinen hinein, nachdem das ganze Tunnelsystem hier unten von den Ameisen für ihre eigenen Zwecke umgewandelt worden war. Sie war sowieso nur teilaktiviert, weil die Planetenregierung das so für alle GG-Stationen verfügte. Und daß Sie hier sind, beweist uns, daß sie sogar noch funktionieren. Aber jeder Unbefugte wird automatisch aufgehalten. Daß Sie das GG überhaupt benutzen konnten, beweist uns, daß Sie keine Unbefugten sein können.«

John war dem Mann für soviel Information sehr dankbar. Die Fortführung des Gesprächs erfolgte nun unter ganz anderen Gesichtspunkten. Außerdem war eines halbwegs klar geworden: Der Computer der Station hatte tatsächlich etwas abbekommen. Sonst hätte er sie als Unbefugte erkannt. Oder lag es nur an der Ausrüstung, die ihnen der Stationscomputer von Vetusta mitgegeben hatte? An den Radiotimern gar, die entsprechende Impulse absendeten, sobald sie irgendwo materialisierten?

Aber wieso hatte der Stationscomputer hier perdu auf nichts reagiert?

Es gab keine Gelegenheit, das näher zu erörtern. Deshalb beeilte er sich zu sagen:

»Vielleicht hat man von amtlicher Seite her das Ganze als Ammenmärchen abtun wollen? Außerdem durften die Verhältnisse hier nicht in der Öffentlichkeit bekannt werden.«

»Auch dazu erklärten wir uns bereit!« antwortete der Mann heftig. »Wir versprachen Stillschweigen.«

»Nun, es ist doch etwas durchgesickert. Deshalb sind wir hier«, erläuterte John. »Eine Privatinitiative.

Wir wollen euch unterstützen. In die Amtsstuben muß endlich Licht kommen. Wir müssen handfeste Beweise liefern und mit Veröffentlichung drohen. Dann wird die notwendige Hilfe auch gegeben.«

Der Mann winkte ab. »Das sind genau unsere Gedanken, aber die verstehen es, uns abzuwimmeln. Es geschieht gewissermaßen nach dem Motto, daß nichts existiert, was es von Amts wegen nicht geben darf! Und wir müssen es ausbaden.«

»Wie hat die ganze Sache begonnen?«

»Mit Versprechungen! Wir sind für die Landwirtschaft in diesem Gebiet tätig. Durch die Schädlingsbekämpfung gelang es weltweit, die Ernteerträge zu steigern. Zunächst einmal. Aber auch nützliche Insekten blieben dabei auf der Strecke. Ich weiß, daß man das in der Presse größtenteils totschwieg. Man wollte keine Panik erzeugen. Und die wäre in der Tat gerechtfertigt gewesen. Unsere grandiosen Wissenschaftler, die sich als so perfekte Insektenkiller erwiesen, wurden mit einem neuen Problem konfrontiert, das rasch die Ausmaße einer Katastrophe annahm. Es fehlten plötzlich nämlich die Insekten, die für die Blütenbestäubung notwendig sind!

In einigen Reservaten auf dem Planeten haben zwar gewisse Insektenstämme überlebt, aber die reichten natürlich nicht aus. Zunächst löste man das Ganze auf technischem Weg. Doch das war nicht mehr als bloße Augenwischerei. Es erwies sich einfach als zu kostenaufwendig. Die durch den höheren Ernteertrag erarbeiteten Gewinne wurden in einer einzigen Wachstumsperiode aufgebraucht. Inzwischen arbeitete man fieberhaft an billigeren Methoden. Kein Wunder, daß man wieder auf die in der Ökologie so wichtigen Insekten zurückgriff!

Doch man ging noch einen Schritt weiter. Die Zeit drängte. Eine handfeste Wirtschaftskrise und weltweite Hungersnot standen vor der Tür. Man veränderte die Gene der in den Insektenreservaten gefangenen Tiere, um möglichst schnell wieder den ursprünglichen Zustand zu erreichen. Bereits die nächste Generation sollte sich statt zweimal im Jahr fünfmal fortpflanzen - bei Bienen noch öfter. Durch eine Unachtsamkeit wurden die Gene der Waldameisen gleich mehrfach verändert. Eine praktische Erprobung unterblieb aus Zeitmangel. Das Ergebnis stellte sich als verhängnisvoll heraus. Die Ameisen vermehrten sich zwar wie gewollt und hielten die Umgebung auf natürlichem Wege sauber, doch waren sie auch dem Großwuchs unterworfen.«

»Wie ist es mit den anderen Insekten?« fragte Cora Stajnfeld interessiert.

»Es betrifft gottlob nur die Ameisen. Sie sollten den allgemeinen Insektenhaushalt auf natürlichem Wege begrenzen, denn Nutzinsekten können sehr schädlich werden, gibt es sie in zu großem Maße. Sehr schnell passen sie sich an und verändern ihre Freßgewohnheiten.«

Na, hoffentlich hat er recht, dachte Petro bei sich. Er war gar nicht so überzeugt davon, daß die Wissenschaftler ausgerechnet nur bei der roten Waldameise gepfuscht haben sollten. Möglicherweise gab es ähnliche Ergebnisse auch bei anderen Insekten - nur daß die großwüchsigen Ameisen in ihrer Freßwut da noch für einen guten Ausgleich gesorgt hatten. Nur sie waren somit in den Vordergrund getreten.

Und jetzt waren die Riesenameisen am Aussterben.

Petro Galinksi bekam eine Gänsehaut, wenn er in Betracht zog, daß die Ameisen nur der Anfang waren.

Monster aus der Retorte! dachte er bestürzt. Am Ende stand eine Katastrophe.

Er erinnerte sich an einen Ausdruck aus dem zwanzigsten Jahrhundert: G.A.U. Eigentlich hieß das »größter anzunehmender Unfall« - ein Begriff der hier möglicherweise bestens paßte. Mit einer kleinen Ergänzung: Bio-G.A.U.

Wieder einmal hatte die Wissenschaft eine Menschheit an den Rand eines Abgrunds lanciert.

Ja, EINE MENSCHHEIT! Denn diese Planetarier waren typische Menschen - in ihren Bewegungen, in ihrer Mimik, ihren Gesten...

Petro brauchte nur an die künstlich erzeugte Eiszeit zu denken, die sie erlebt hatten - auf einem anderen Planeten. Auf dem, von dem sie gekommen waren, um hier zu materialisieren. Auch dort - eine zweite Erde. Wie hier. Vielleicht wurde es hier tatsächlich sogar noch schlimmer?

Der Sprecher betrachtete John.

»Wie gesagt, ich versprach, mit offenen Karten zu spielen. Ich habe meine Erklärungen gegeben. Jetzt sind Sie dran. Wir haben Sie die GG-Station verlassen sehen und zogen uns in Deckung zurück. Kann man jetzt die Station wieder benutzen?«

»Nein, sie hat sich sofort wieder abgeschottet. Wir sitzen hier sozusagen fest. Aber das war ein Risiko, das wir eingehen mußten. Ansonsten: Sie haben recht. Es hat keinen Zweck, Ihnen etwas vorzumachen. - Vorhin sprach ich von einer Privatinitiative. Es gehören auch Wissenschaftler dazu.«

»Warum haben Sie das nicht gleich gesagt?«

John winkte mit beiden Händen ab. »Ich wußte um die Vorurteile, die Sie inzwischen gegen die Wissenschaft hegen. Aber es hat keinen Sinn, damit hinterm Berg zu halten. Wir sind ein geschultes Team, das sich mit der Angelegenheit beschäftigen will - allerdings inoffiziell. An die Öffentlichkeit soll erst etwas dringen, wenn die Zeit dazu reif ist. Wir hoffen, bei Ihnen Unterstützung zu finden. Es geht letztlich um Sie!«

Der Mann blickte mißtrauisch. »Ich vermisse Ihre Individualmarken!«

John lächelte wissend.

»Mit Recht! Unterstreicht es nicht den inoffiziellen Charakter?«

Er hoffte, daß die Ausrede nicht zu lahm klang.

Die Männer sahen sich an. Offenbar waren sie bereit, diese Erklärung vorerst zu akzeptieren. Doch ein gewisses Mißtrauen würde bleiben.

Die drei Gatereisenden warteten ab.

Da trat der Sprecher der Gruppe vor und reichte John die Hand.

»In Ordnung. Sie können mit uns rechnen. Wenn Sie wollen, liefern wir Ihnen Material. Es gefällt mir zwar nicht, daß Sie hier gewissermaßen inkognito arbeiten wollen, denn damit haben Sie stets sauber den Kopf aus der Schlinge, während wir vielleicht am Ende die Dummen sind, aber dafür werden wir Ihnen gehörig auf die Finger sehen. Darauf können Sie sich verlassen!«

John ergriff die ihm dargebotene Rechte.

Der Sprecher fügte hinzu: »Übrigens ist es hierzulande üblich, sich zu duzen!«

Die Gatereisenden schlossen mit der Menschengruppe zwar keine Freundschaft, aber eine Art Waffenstillstand.

Es war in ihrer Situation das Äußerste, was sie erreichen konnten.

Petro Galinksi dachte wieder an seinen Verdacht, daß die eigentliche Insektenplage erst bevorstand.

Möglicherweise waren sie tatsächlich für die Männer und Frauen in diesem Landstrich - oder sogar auf dem ganzen Planeten? - eine wichtige Hilfe?

7

Die um die drei Gatereisenden angewachsene Gruppe teilte sich. Einer der Männer ging mit den drei Freunden den Weg zurück. Sie wollten den Ameisenberg verlassen. Die anderen begaben sich weiter ins Innere. Sie wollten die letzten Riesenameisen im Berg ausrotten.

Kaum hatten sie den Ausgang erreicht und traten ins Freie, als etwas den Himmel verdunkelte.

Sie dachten zunächst an einen Vogelschwarm.

Die Luft wurde erfüllt von einem zornigen Brummen, als nähere sich ein Bombergeschwader.

Irgend etwas stimmte hier nicht.

Vögel, die Geräusche wie alte Propellerflugzeuge erzeugten?

»Achtung!« schrie Petro Galinksi. Er ließ sich zu Boden fallen.

Die anderen folgten seinem Beispiel.

John sah ein hühnergroßes Flugtier auf sich zuschwirren, das vertrackte Ähnlichkeit mit einer Biene hatte.

Auch der Stachel war noch vorhanden! In dieser Beziehung hatten die Genmanipulatoren nichts wegretuschiert.

Der Stachel erinnerte an einen gezogenen Dolch, war nadelspitz. Am Ende hing ein glitzernder Gifttropfen. Damit hätte man bestimmt zwei Elefanten töten können.

John gingen die Haare zu Berge.

Es handelte sich nicht um eine einzelne Biene, sondern um einen Schwarm, den irgendein Ereignis aufgescheucht hatte.

Im letzten Augenblick warf sich John beiseite. Der ausgefahrene Stachel verfehlte ihn knapp und furchte die Erde auf.

Ein gellender Schrei hinter John. Er wandte blitzschnell den Kopf.

Gleich zwei Bienen stürzten sich auf ihren Begleiter.

Doch Petro Galinksi griff schon ein. Er hatte den Paralyser gezogen und schoß. Die Bienen purzelten über den Boden, als habe sie plötzlich der Schlag getroffen. Doch die Stachel blieben gezückt.

Jetzt schoß auch Cora. Sie hatte die Betäubungswaffe auf breite Fächerung gestellt und bestrich den Schwarm.

Das hätte sie besser bleiben lassen, denn die Bienen kamen heruntergefallen wie überreifes Obst.

Die vier mußten sich sputen, um nicht unter den abstürzenden Tieren begraben zu werden.

John erwischte etwas am Hinterkopf. Er stolperte und fiel auf den Bauch. Im letzten Augenblick riß er geistesgegenwärtig die Arme hoch. Dabei verlor er jedoch den Paralyser.

Das Etwas in seinem Nacken entpuppte sich als Biene. Der Stachel zuckte an seinem linken Ohr vorbei. Offenbar war das Tier von dem Strahlenschauer nur gestreift worden. Es war halb gelähmt und gebärdete sich wie irrsinnig.

John wollte das Monster abschütteln. Das Biest krallte sich fest.

In seiner Panik griff John nach dem Stachel.

Er hatte Glück und erwischte das gefährliche Ding nicht ausgerechnet an der giftigen Spitze.

Es fühlte sich kalt und spröde an. Ekel schnürte John die Kehle zu. Doch die Todesangst überwog.

Niemand kam ihm zu Hilfe. Jeder hatte genug mit sich selbst zu tun.

Und John hatte seinen Paralyser außer Reichweite.

Der Stachel zuckte. Er verfehlte John ein zweites Mal.

Noch eine Biene segelte auf ihn zu. Der Stachel zielte auf seinen Kopf.

Verzweifelt machte John einen Buckel und kroch auf den Paralyser zu.

Die zweite Biene war heran.

Johns Glück war, daß er sich bewegt hatte. So traf der Stachel nicht ihn, sondern das Insekt in seinem Nacken.

Tief drang der Stachel ein.

Die Biene verlor den Halt. Sie schüttelte sich wild. Ihr Hinterleib peitschte.

Ihre Artgenossin zog den Stachel zurück, doch die Spitze blieb in dem knochenharten Chitinpanzer stecken.

Als die Biene ihre Bemühungen verstärkte, zerplatzte ihr Hinterleib.

Sie kippte um und flatterte mit den Flügeln.

Dreck spritzte auf und deckte John zu.

Er fand endlich seinen Paralyser wieder. Mehr zufällig.

»Paß auf!« hörte er die sich überschlagende Stimme Petros.

Drei der Biester zischten über ihn hinweg.

John schickte ihnen zornig einen Strahl aus dem Paralyser nach. Daraufhin stürzten sie herunter wie Steine.

»John!« brüllte Petro. Die Stimme kam von rechts.

Ein Schwirren, Brummen und Sausen war in der Luft. Der Schwarm, inzwischen stark reduziert, verhielt sich kopflos. Eine einzelne Biene konzentrierte ihre Aufmerksamkeit auf John.

Er trat danach, traf das Biest in die Seite. Es krümmte sich beleidigt.

»Du solltest dich künftig besser umsehen, ehe du mich mit einer Blume verwechselst!« knurrte John und sprintete zu den anderen hinüber. Sie hatten sich in einem Eingang zum Ameisenberg verschanzt.

Der Neuankömmling war der einzige, der in den Gang dahinter sah. Purer Zufall. Die anderen wandten ihre Aufmerksamkeit dem aufgeregten Bienenschwarm zu.

John Millory spürte kein Erschrecken. Dazu war er einfach nicht mehr in der Lage: Im Gang rückten Ameisen an.

Johns Daumen legte sich auf den weißen Feuerknopf des Paralysers.

Eine Hand zuckte vor und schlug seinen Arm nach oben. Der Schuß ging wirkungslos in die Gangdecke.

John wollte protestieren, aber im gleichen Moment begriff er, warum Petro so gehandelt hatte.

Die nicht betäubten Bienen waren bereits auf die Ameisen aufmerksam geworden. Offenbar hatten sie in der Vergangenheit mit denen schlechte Erfahrungen gemacht, denn sie formierten sich und verloren das Interesse an den Menschen.

Das gab den vier Männern Gelegenheit, den Gang zu verlassen.

Sie rannten, als wäre der Teufel hinter ihnen her.

Erst als am Berg hinter ihnen Tumult losbrach, wandten sie den Kopf.

Aus dem Gang, den sie gerade erst verlassen hatten, quollen die Ameisen. Ein ganzes Heer.

Ihr Begleiter schrie gellend auf, denn am zackigen Chitinpanzer einiger Tiere hingen einwandfrei Kleidungsreste.

Es bedurfte keiner großen Phantasie, um an ein gründliches Scheitern der Gruppe zu denken, die ausgezogen war, die Riesenameisen das Fürchten zu lehren.

Waren alle tot?

Petro dachte an die Theorie, daß sich das Problem allein löste und die Riesenameisen zum Aussterben verurteilt waren.

Zunächst war es ihm einleuchtend vorgekommen. Jetzt sah er mit eigenen Augen, wie groß der Irrtum war.

Die nächste Generation von Ameisen war wesentlich kleiner als die vorangegangene. Die Größe pendelte sich also ein. Die Natur sorgte für einen Ausgleich und gleichzeitig für die Erhaltung der Art.

Offenbar waren die Jäger gerade zu dem Zeitpunkt im Bereich der Königin aufgetaucht, als die neue Brut ausschlüpfte.

Und die hier aufgetauchten Ameisen bildeten den Rest. Es waren fünfzehn. Alle anderen waren höchstwahrscheinlich Opfer der Waffen geworden.

Das schmälerte die Möglichkeit gewaltig, daß es noch Überlebende der Gruppe gab.

Die Bienen verharrten unschlüssig in der Luft. Ein Unding, daß sie sich überhaupt den viel größeren Ameisen widmeten, aber die Natur war hier gründlich auf den Kopf gestellt.

Bisher waren die Bienen noch nicht in Erscheinung getreten - nur die dominierenden Ameisen. Das konnte man darauf zurückführen, daß die Ameisen inzwischen an Bienen Geschmack gefunden hatten und für eine ständige drastische Reduzierung der Bienenvölker sorgten.

Jetzt waren die Bienen dabei, den Vorsprung der Ameisen aufzuholen. Und sie konnten sich an deren böse Rolle ihnen gegenüber recht gut erinnern.

Ein Teil löste sich von dem Schwarm und ging zum Angriff über.

Stachel krachten in Chitinpanzer. Es knirschte häßlich.

Das Gift war tödlich für die Riesenameisen.

Die stechenden Bienen verendeten ebenfalls.

Der Rest des Schwarms verhielt sich abwartend.

»Eine Art Kollektivbewußtsein!« sagte Cora mit brüchiger Stimme. »Diese Biester sind ungewöhnlich intelligent. Sie sind gekommen, um sich an den Ameisen zu rächen. Und jetzt tun sie das ausgiebig. Doch nicht alle stechen zu. Der Kampf erfolgt überlegt.«

»Ich bin dafür, daß wir uns weiter zurückziehen, ehe die uns wieder mit einer neuen Ameisengeneration verwechseln!« drängte Petro Galinksi.

Cora nickte. Es bereitete ihr Mühe, sich von dem Geschehen abzuwenden. Aber Petro Galinksi hatte recht. Sie schwebten nach wie vor in Lebensgefahr.

Die Ameisen waren bereits verendet. Ein großer Teil des Bienenschwarms drang in den Berg ein.

Erst jetzt erkannten die Freunde die Größe des gesamten Ameisenbaues. Er erinnerte sie unwillkürlich an eine Pyramide. Die Riesenameisen hatten zur Verstärkung ihres Baues ganze Bäume entwurzelt und verarbeitet.

Ein weiterer Beweis für die ungeheure Anpassungsfähigkeit von Insekten war die graue Masse, mit der die Gangwände im Innern bestrichen waren. Es mußte sich um Ameisenspeichel handeln.

Nicht nur diese neue Fähigkeit unterschied die Insekten von ihren Vorfahren.

Schließlich war es völlig unüblich, daß rote Waldameisen Bienen verspeisten und sogar mit ihnen Krieg führten!

Doch wo hatte es das jemals gegeben, daß Ameisen viel größer als Bienen waren?

Die drei Gatereisenden nahmen ihren sich heftig sträubenden Begleiter einfach mit. Der Mann wollte nicht begreifen, daß es zu spät war, seinen Kameraden zu Hilfe zu eilen, und daß er sein Leben sinnlos opfern würde.

Die Freunde atmeten erst erleichtert auf, als sie genügend Abstand zwischen sich und den Ameisenberg gebracht hatten.

Endlich beruhigte sich der Mann. Sie erfuhren seinen Namen: Tommy Gregg! So ähnlich jedenfalls hörte es sich in dieser fremden Sprache an...

Der Mann war schätzungsweise fünfundzwanzig, groß, vierschrötig, der Urtyp eines gesunden, stämmigen Bauern - und dabei ganz und gar nicht auf den Kopf gefallen. Das zeigte sich, als er verlegen sagte: »Ich bedanke mich. Ich glaube, Sie haben mir das Leben gerettet.«

Petro klopfte ihm auf die Schulter. »Ist schon in Ordnung. Schließlich brauchen wir hier jemand, der sich auskennt.«

Tommys Gesicht verfinsterte sich. »Es ist eine Schweinerei, was passiert ist. Wo soll das noch enden?«

Petro Galinksi kratzte sich am Hinterkopf.

Diese Frage stellte er sich auch schon ununterbrochen. Über die Antwort weigerte er sich nachzudenken. Bis jetzt war die Katastrophe unabsehbar.

Und das Schlimmste daran war, daß die Welt nichts davon ahnte!

In aller Heimlichkeit bereiteten sich die Insekten vor, die Bevölkerung dieses Planeten zu überfallen. Wenn dem nicht Einhalt geboten wurde, gab es diese Rasse Mensch in Kürze nicht mehr!

»Bist du mit dem Gleiter hier oder zu Fuß?« erkundigte sich Cora Stajnfeld.

Tommy Gregg deutete mit dem ausgestreckten Arm. »Diese Richtung. Wir haben unseren Bodengleiter versteckt - weitab der Ameisenstraßen, die in den letzten Tagen wie ausgestorben waren. Wir wollten kein Risiko eingehen.« Er schüttelte den Kopf. »Meine Freunde sind trotzdem tot!«

Cora blickte zum Ameisenberg zurück und fürchtete, daß es nicht die letzten Opfer waren.

Der Bodengleiter war sorgsam versteckt. Man hatte abgebrochene Äste und Zweige darübergedeckt. Diente das wirklich der Tarnung vor Ameisen? Die Freunde nahmen eher an, daß man die Entdeckung durch Regierungsbeamte fürchtete.

Petro Galinksi sprach Tommy darauf an. Der nickte zögernd.

»Man hat uns verboten, etwas zu unternehmen. Die Behörden versprachen, selber nach dem Rechten zu sehen. Wahrscheinlich fürchtete man nur, daß wir vor denen das ganze Ausmaß der Ereignisse überblickten.«

»Gab es denn bereits Ameisenangriffe?«