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Die Verschwörer haben die Kontrolle übernommen ... was kann sie jetzt noch aufhalten?
Dag, Kaylah und die anderen sind über die ganze Galaxis verstreut. Noch immer eint sie der Kampf gegen die grausamen Mankrii. Doch jetzt tritt ein neuer Feind aus dem Schatten und lässt seinem aufgestauten Hass auf die Konföderation freien Lauf. Inmitten des Chaos, ohne Hoffnung und umzingelt von Feinden finden Dag und Kaylah ungewöhnliche Verbündete. Auch Att‘Khur ist auf der Suche nach Thatt‘Dau gezwungen, ein fragwürdiges Bündnis einzugehen. Doch wem können sie trauen? Und wer spielt nach seinen eigenen Regeln in diesem grausamen Spiel um Rache, Macht und Gier?
Galaxy of Shadows - die neue epische Space-Opera-Trilogie von Dan Adams!
Die anderen Bände:
1. Die graue Zone
2. Das Erwachen der Finsternis
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Seitenzahl: 480
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Grußwort des Verlags
Über dieses Buch
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Epilog
Über den Autor
Weitere Titel des Autors
Impressum
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Die Verschwörer haben die Kontrolle übernommen … was kann sie jetzt noch aufhalten?
Dag, Kaylah und die anderen sind über die ganze Galaxis verstreut. Noch immer eint sie der Kampf gegen die grausamen Mankrii. Doch jetzt tritt ein neuer Feind aus dem Schatten und lässt seinem aufgestauten Hass auf die Konföderation freien Lauf. Inmitten des Chaos, ohne Hoffnung und umzingelt von Feinden finden Dag und Kaylah ungewöhnliche Verbündete. Auch Att’Khur ist auf der Suche nach Thatt’Dau gezwungen, ein fragwürdiges Bündnis einzugehen. Doch wem können sie trauen? Und wer spielt nach seinen eigenen Regeln in diesem grausamen Spiel um Rache, Macht und Gier?
DAN ADAMS
IM SCHATTENDER HOFFNUNG
Science-Fiction
Die Drathos war wenige Tage nach der Schlacht nach Rav’Kathor zurückgekehrt. Das war die gute Nachricht. Doch in der Schlacht mit den Mankrii hatte sie schwere Schäden erlitten, die sich nicht so einfach beheben ließen. Eine weitere Konfrontation würde sie nicht überstehen. Zwischen Deck C und D klaffte ein großes Loch in der Außenhülle. Der Ionenantrieb lief nur noch mit sechzig Prozent Leistung, und die Hälfte der Geschütze war entweder zerstört worden oder musste gewartet werden. Das Schiff brauchte ein Raumdock, und Crea wusste, wo sie eins bekommen konnte.
Nicht nur die Drathos hatte gelitten. Die Kämpfe um Rav’Kathor hatten auch den Clans schwere Verluste zugefügt. Es gab kaum noch Q’rai, die kämpfen konnten oder wollten. Viele hatte der Schrecken der Schlacht desillusioniert und in die unwegsamen Wälder oder in die zerklüfteten Gebirge zurückgetrieben. Das Hauptquartier in den Höhlen der Ta existierte nicht mehr, große Teile waren bei dem Bombardement eingestürzt. Außerdem war die Gefahr zu groß, dass die Mankrii zurückkehrten, um zu beenden, was sie begonnen hatten.
Die wenigen, die es weiterhin mit den Mankrii aufnehmen wollten, waren auf die Drathos gekommen, in deren medizinischer Station es keine freien Betten mehr gab. Viele Verwundete lagen auf den Gängen oder in den nahen Quartieren. Für den KI-Arzt in der Medical Bay und seine Roboter-Assistenten gab es genug zu tun.
*
Dag hatte zu den ersten Verwundeten gehört, die nach der Evakuierung von Rav’Kathor an Bord gebracht worden waren.
Schon kurz darauf hatte man ihn ins künstliche Koma versetzt. Von einem Moment auf den anderen gab es keine Gedanken, keine Erinnerungen und keine Sorgen mehr. Sein Gehirn funktionierte nur noch im Notfallmodus.
Dann war er wieder aufgewacht. Zuerst nahm er den Geruch der Medical Bay wahr, die zu sauber roch, um natürlich zu sein. Die Luftfilter und Desinfektionsbestäuber, die alles in einen hauchfeinen Nebel hüllten, schluckten den Gestank von Blut, Eingeweiden und verbranntem Fleisch. Was sie nicht verdecken konnten, waren das Stöhnen, die Schmerzensschreie und das Geräusch der Beatmungsgeräte, die denen halfen, die nicht mehr selbstständig atmen konnten.
Eine Melodie des Leids, die Dag in den letzten Monaten zu oft gehört hatte.
Auch auf seinem Gesicht saß eine Atemmaske, die seine Lungen mit reinem Sauerstoff versorgte.
Sein Kopf lag etwas zur Seite geneigt. Das kunststoffbeschichtete Kopfkissen hatte sich seiner Kopfform angepasst und stützte sein Genick. Er fühlte sich so unendlich müde. Am liebsten wäre er gleich wieder eingeschlafen, aber er wehrte sich dagegen, indem er die Augen aufschlug, was ihn genauso erschöpfte, als wäre er einen steilen Berg hinaufgeklettert. Das grelle, grünliche Licht in der Medical Bay blendete ihn. Aus einem Reflex heraus wollte er die Augen mit der Hand verdecken. Doch stattdessen schlug er sich die Hand ins Gesicht. Aus Gewohnheit hatte er seinen rechten Arm benutzt, den amputierten. Überrascht sah er an sich herab. Statt eines Arms aus Fleisch und Blut trug er eine Prothese aus Kunststoff, Titan, Platinen und Transistoren. Dag erschrak vor sich selbst. Dabei bewegte er unwillkürlich seine Finger, die Gelenke surrten leise, bis sie die Hand zur Faust ballten.
»Ah, Sie sind wach. Gut, gut, gut.«
Die künstliche Stimme kam aus einem Lautsprecher in der Decke über ihm. Eine rot leuchtende Linse löste sich aus einer Verankerung, senkte sich zu Dag hinab und erfasste seinen künstlichen Arm mit einem Scannerstrahl.
»Die Komponenten wurden sauber implementiert, die Heilungsrate liegt im grünen Bereich. Eine Wundinfektion liegt nicht vor, erhöhte Temperatur ist nicht messbar. Ich gebe Ihnen noch ein Vitaminpräparat, dann können Sie die Medical Bay in einer Stunde verlassen.«
Zu viele Informationen in zu kurzer Zeit. Dag hatte nur die Hälfte verstanden und war nur zu einem »Was?« fähig.
»Reduzierte Wahrnehmung, das ist nach so einem Eingriff normal.« Durch den Zugang in seinen verbliebenen Arm bekam Dag etwas gespritzt.
»Haben Sie noch Fragen?«, fragte der KI-Doc.
»Fragen? Ja, eine. Wird das so bleiben?« Er konzentrierte sich darauf, den künstlichen Arm zu heben, und hätte sich fast ein weiteres Mal selbst geohrfeigt.
»Sprechen Sie von den Koordinationsschwierigkeiten? Das ist der übliche Verlauf. Sie müssen lernen, damit umzugehen. Sie werden sehen, in einer Woche wird dieser Arm ein Teil von Ihnen sein.«
»Ich meine eher, wie das aussieht.«
»Es ist nicht das neueste Modell, aber es ist effektiv und wenig fehleranfällig.«
Dag verlor die Geduld und tippte mit dem Finger nach der Linse, die vor ihm zurückwich. »Jetzt schauen Sie doch mal. Es sieht nicht aus wie mein linker Arm.«
»Ah, jetzt verstehe ich. Die Ästhetik entspricht nicht ihren Vorstellungen.«
»Ja. Genau das.«
»Es tut mir leid. Kosmetische Operationen werden auf der Drathos nicht durchgeführt. Wie Sie sicher bemerkt haben, befinden Sie sich an Bord eines Kriegsschiffs. Für Veränderungen der Optik müssen Sie einen anderen Arzt kontaktieren. Ich möchte Sie bitten, Ihr Bett bis zum Ende der nächsten Stunde zu räumen. Es gibt zahlreiche Verwundete, die auf Hilfe warten.«
»Die brauchen nicht zu warten. Ich bin schon weg.« Dag zog sich die Sauerstoffmaske vom Gesicht, und ihm wurde sofort schwindelig.
»Ich beordere einen Medic hierher. Er wird Ihnen helfen. Ich wünsche Ihnen weiterhin eine gute Genesung.«
Die KI-Stimme verstummte, und die rote Linse verschwand in der Decke.
Ein Medic-Roboter kam, um ihn von den Kontakten, Anschlüssen und Zugängen zu befreien.
So klobig die Dinger auch aussahen, so feinfühlig waren sie in dem, was sie taten. Dag sah trotzdem nicht hin.
Stattdessen schaute er auf das bleiche Gesicht einer Frau, die ihm bekannt vorkam. Sie hatte die Augen geschlossen, war kahlköpfig und rührte sich nicht. Nur das leichte Heben ihres Brustkorbs verriet ihm, dass sie überhaupt noch lebte. Dann dämmerte es ihm, und ein Schrecken durchzuckte ihn. Das war die Attentäterin, die mit Brist O’Conn Nolis-Cappa überfallen hatte.
»Was tut die hier?«, fragte er den Medic, der gerade eine Nadel aus Dags Arm zog.
»Sie ist verwundet und liegt im Koma. Wo sollte sie sonst sein? Das ist die Medical Bay.« Der Medic verstand die Frage nicht. Dag erklärte es. »Sie ist ein Feind. Sie hat versucht, alle umzubringen, die mir irgendwie wichtig sind.«
»Ich verstehe. Aber sie ist verwundet und benötigt medizinische Versorgung«, wiederholte der Medic, der einen Blutstropfen von Dags Arm wischte und einen Spritzer Heilgel auf die winzige Wunde gab, um sie zu versiegeln. »Ich bin fertig. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tag.« Er wandte sich ab und einem anderen Patienten zu.
Dag erhob sich, er stand wackelig auf den Beinen, die sich butterweich anfühlten. Sein Kopf war wattig. Als hätte er eine ganze Nacht lang durchgesoffen. Dann, als er sich ein bisschen sicherer auf den Füßen fühlte, trat er an die Bahre, auf der die Frau lag.
Die Medics hatten sie an Monitore angeschlossen, die gute Werte anzeigten. Um den Hals trug sie einen Verband, und ein geteilter Luftschlauch steckte in ihren Nasenlöchern.
Er hätte sie jetzt töten können, eine Überdosis Schmerzmittel, dafür hätte er nur auf ein paar Knöpfe drücken müssen. Aber so kaltblütig und abgebrüht war er nicht.
Seltsamerweise empfand er auch keinen Hass auf sie. Vielmehr war er besorgt. Was passierte, wenn sie aufwachte? Nach einem langen Moment, in dem er nur dastand und sie anstarrte, verließ er die Medical Bay, ohne zu wissen, wohin er gehen sollte.
Wie alle Patienten trug er nur eine dünne grüne Hose und eine ebenso dünne grüne Tunika. Mit unsicheren Schritten, die ihn dazu zwangen, sich an der Wand abzustützen, machte er sich auf den Weg zur Bar. Die Schäden der vergangenen Kämpfe waren unübersehbar. Die Eleganz des Schiffes wurde durch verbrannte Flursegmente, heraushängende Kabel oder gesperrte Bereiche getrübt.
Die Quartiere quollen über. Die Drathos hatte mehr Q’rai an Bord genommen, als Platz für sie war.
Dag ging ohne irgendein Ziel, in der Hoffnung jemanden zu treffen, der ihm seine Fragen beantworten konnte. Wie lange war er ohne Bewusstsein gewesen? Gab es Neuigkeiten von Tess oder Kaylah? Als er ihr Gesicht in seinen Gedanken vor sich sah, musste er lächeln, und gleichzeitig fühlte er einen unangenehm stechenden Schmerz, der ihm die Brust zusammenkrampfte. Wusste sie von den Mankrii, ihrem Angriff auf Rav’Kathor, seiner Verwundung?
Die künstlichen Finger krampften sich in seinen Oberschenkel. Er keuchte, wieso passierte das? Wieso hatte er keine Kontrolle darüber? Er brauchte einen ruhigen Platz zum Üben. Aber gab es auf der Drathos so einen Platz überhaupt?
Sein zielloser Weg führte ihn an der Bar vorbei. Hier sah es nicht anders aus als auf dem Rest des Schiffs. Es gab kaum einen freien Platz, und er schaute nur in unbekannte Gesichter.
Er beschloss, was zu trinken, und drängte sich zur Theke durch. Er war froh, einen Hocker zu finden, den kein anderer beanspruchte. Erschlagen ließ er sich darauf nieder.
Zu trinken gab es nur varanisches Bier, Wasser oder einen uringelben Vitamincocktail, den der Serviceroboter zusammenmixte. Die härteren Sachen waren aufgebraucht.
Dag nahm das Bier. Als er den ersten Schluck trank, sah er aus einem der Fenster. Schwärze. Sie befanden sich im Hyperraum.
Neben Dag saß ein Mann, dessen Gesicht von frischen Brandnarben entstellt wurde.
»Wohin fliegen wir?«, fragte er ihn.
»Keine Ahnung.«
»Weißt du, wo Crea steckt?«
»Hab sie nicht gesehen.« Sein Blick fiel auf Dags künstlichen Arm. »Auch was abgekriegt, hm?«
»Auf Rav’Kathor.«
»Hab gehört, dass es da ziemlich heiß gewesen ist.«
»Kann man wohl sagen.« Dag grinste freudlos in sein Bier.
Der andere wies auf sein Gesicht. »Bei mir ist die Geschützsteuerung explodiert. Hab mitten im Feuer gestanden. Kann von Glück reden, dass ich überhaupt noch hier sitze.« Er hob sein Glas, und Dag stieß mit ihm an. »Auf die Toten und die, die so aussehen wie wir«, sagte der Mann.
Sie tranken. »Ich bin Dag.«
»Ich bin Droll. Geschützmannschaft.«
»Ich habe gesehen, wie ihr gegen die Mankrii-Schiffe gekämpft habt.«
»Die haben uns ganz schön eingeschenkt. Hätte nicht viel gefehlt, und die hätten uns fertiggemacht. Aber mit uns hatten sie auch kein leichtes Spiel. Die haben richtig was einstecken müssen. Aber am Ende blieb uns nichts anderes übrig, als in den Hyperraum zu springen. Was ist dir passiert?« Er zeigte auf Dags Arm.
»Ich bin abgeschossen worden. Ein Mankrii wollte mir den Rest geben. Crox hat mich gerettet.«
»Crox, hm? Der ist in Ordnung.«
»Hast du eine Ahnung, wo ich was zum Anziehen finden kann?«
Mit kritischer Miene zupfte Dag an seiner grünen Tunika.
»Klar, komm mit.«
Sie tranken aus, und Droll führte ihn in eines der Unterdecks. Dort lagen kleinere Depots, in denen alles gelagert wurde, was nicht Fracht, Munition oder Verpflegung war.
Dag fand einen Overall und Stiefel, die passten. Dazu eine Technikerweste mit zahlreichen Taschen.
Beim Anziehen machte sein neuer Arm wieder nicht, was er wollte, und zuckte wild herum.
»Hat ja ein ganz schönes Eigenleben, das Ding«, meinte Droll.
»Muss mich dran gewöhnen, sagt euer Doc.«
»Der ist gut. Obwohl er nur eine KI ist.«
Dag schloss die Schnallen der Weste und sah an sich hinab. Er war zufrieden. »Danke, Droll.«
»Nicht der Rede wert.«
Danach ging er zur Brücke. Die Chance, Crea dort anzutreffen, war groß. Auf dem Weg dorthin musste er an Guus denken, der auf Rav’Kathor gestorben war. Dag hatte sich nicht mal von ihm verabschieden können. Das betrübte ihn, und er beschloss, es irgendwann nachzuholen. Jetzt aber ging es um Kay und Tess. Er musste wissen, ob es ihnen gut ging. Crea würde es ihm sicher sagen können.
Er hatte sich nicht geirrt und fand sie auf der Brücke. Neben der üblichen Crew war auch Crox bei ihr.
Über dem Tisch mit dem integrierten Holoprojektor schwebte eine dreidimensionale Sternenkarte, in der die Planeten blau und die Transferrouten rot markiert waren. Dazwischen flog die Drathos, die auf einen einsamen, leuchtenden Punkt zusteuerte.
Als Dag dazustieß, nickte Crea ihm zu, und Crox brummte mit tiefem Bass. »Sieh mal an, wer uns da besucht. Du bist ja wieder vollständig – sehr schön.«
»Danke, dass du mir den Arsch gerettet hast.«
»Gern geschehen.«
»Wie lange war ich weg?«
»Drei Tage«, antwortete Crox.
Dag stellte sich neben ihn, und gemeinsam schauten sie auf die Sternenkarte. »Wohin fliegen wir?«
»Zu einem Rendezvouspunkt«, erklärte Crea. »Wir treffen uns mit Yafneth. Er wird uns dabei helfen, die Drathos wieder flottzukriegen.
»Du hättest sicher nicht gedacht, ihn so schnell wiederzusehen.«
»Es geht um die Drathos. Da ist mir jede Hilfe recht.«
»Kann ich verstehen. Ist in der Zwischenzeit was passiert? Gibt es Neuigkeiten von Tess oder Kay?«
Crea nickte.
»Geht es ihnen gut?«
»Kaylah schon. Mein Com-Offizier kann eine Verbindung zu ihr herstellen, und du kannst mit ihr reden. Falls sie Zeit hat. Sie hat bestimmt alle Hände voll zu tun.«
»Hat sie mit Vrash geredet?«
»Ja. Sie hat jetzt eine Armee.«
»Das sind … wirklich … gute Neuigkeiten.« Dag war hin- und hergerissen. Einerseits freute er sich über ihren Erfolg, andererseits zeigte es ihm wieder einmal, dass sie ihn nicht brauchte. Er verfiel in Schweigen und Nachdenklichkeit, bis Crea fragte: »Willst du jetzt mit ihr reden oder nicht?«
»Ja, bitte.« Dags Herz schlug vor Aufregung sofort etwas schneller.
Crea gab ihrem Com-Offizier einen Wink, und der sagte: »Stelle eine Verbindung nach Da-Ganis her. Das wird ein paar Minuten dauern.«
Ohne den Blick von der Sternenkarte zu nehmen, wies Crea auf einen verwaisten Computer. »Du kannst den da benutzen.«
Er setzte sich, und während er wartete, fragte er: »Was ist mit Tess?«
»Da gab es Schwierigkeiten. Skroker hat sie verraten und versucht, sie umzubringen.«
»Ich wusste es. Dieser Dooner.« Dag wurde der Mund trocken.
»Es ist ihm nicht gelungen. Aber da ist noch etwas, das du wissen solltest. Dein Vater ist tot.«
Das traf Dag unvorbereitet. Für einen kurzen Moment war er geschockt, wusste dann aber nicht, was er fühlen oder sagen sollte. Er hatte erwartet, dass es ihm gleichgültig wäre, aber zu seiner Überraschung war es das nicht. Sein Vater hatte ihm zweimal das Leben gerettet, wofür er sich nicht einmal bedankt hatte. Tess hatte vorgeschlagen, dass sie miteinander reden sollten. Irgendwann vielleicht mal, hatte er geantwortet. Jetzt war irgendwann zu spät.
»Wie ist es passiert?« Seine eigene Stimme klang heiser und kam ihm fremd vor.
»Ich habe das Gespräch aufgezeichnet.« Crea hatte sich von der Sternenkarte abgewandt und zeigte erneut auf den Computer. »Ich schicke es dir rüber.«
Dag sah auf den Monitor und setzte die Kopfhörer auf.
Der Bildschirm zeigte lediglich ein paar allgemeine Flugdaten und Schiffsinformationen, bis Tess’ Gesicht auftauchte.
Sie sah müde und erschöpft aus. Dag erschrak vor ihren glanzlosen Augen, ihrer blassen Haut und den eingefallenen Wangen.
Dann hörte er Crea in seinen Kopfhörern. Sie begrüßte Tess, was ihr ein schmales Lächeln entlockte.
»Es ist lange her. Wir hatten befürchtet, dir wäre was zugestoßen«, sagte Crea.
»Mir geht es gut. Aber es gab Momente, da wäre es fast so weit gewesen.« In ihren Augen schimmerten Tränen. Dag hatte seine Schwester noch nie weinen sehen. »Vater ist tot. Skroker hat ihn erschossen.«
Tess fuhr sich über die Augen und nahm Haltung an. Ganz die Schwester, die er kannte. »Ich habe Informationen für dich. Ich schicke sie dir über diesen Kanal.«
»Was hast du rausgefunden?«
»Sieh dir die Infos an, das wird all deine Fragen beantworten. Ich muss jetzt gehen.« Tess streckte die Hand aus, um die Verbindung zu kappen.
»Warte! Wo bist du? Wir kommen dich holen.«
»Nein, ich kann nicht. Ich habe hier noch ein paar Dinge zu erledigen.«
»Pass auf dich auf.«
»Und du auf dich.« Tess schaltete ab, die Systeminfos kehrten auf den Bildschirm zurück. Das Gespräch hatte nicht einmal eine Minute gedauert.
Dag wandte sich Crea zu. »Taugen die Infos was?«
»Das muss sich noch herausstellen.« Sie zeigte auf die Sternenkarte. »Es gibt Hinweise darauf, dass das Kaiserreich mit den Mankrii gemeinsame Sache macht. Und es ist Tess gelungen, die erbeuteten Daten auslesen zu lassen. Dabei wurden verdächtige Koordinaten gefunden.«
Dag stand auf und trat an den Holoprojektor heran. Crea schaltete eine weitere Ansicht hinzu, die ein halbes Dutzend Punkte anzeigte. Vier davon lagen weit verstreut in der grauen Zone.
Ein Schauer stellte ihm die Nackenhaare auf. »Weißt du, was dort ist?« Er zeigte auf einer der Punkte.
»Nein, wir haben nur die Koordinaten. Ich habe alles an Kaylah weitergeleitet. Sie will sich darum kümmern. Wenn es dort noch etwas gibt, wird sie es finden.«
»Das ist doch eine Aufgabe für den konföderierten Rat. Wieso tut der nichts?«
»Der Rat ist wie ein zahnloser Gnarl. Er kann laut fauchen, aber nicht beißen. Ist andererseits auch gut so. Wenn die entschlossener wären, hätte ich in meinem Geschäft kein so leichtes Spiel. Und soll ich dir noch was verraten? Ein paar von denen bezahlen mich sogar, wenn ich Schiffe der anderen Fraktionen angreife. So sieht es nämlich mit der Einigkeit des Rates aus. Glaub mir, es ist besser, wenn sich Q’rai um Q’rai-Angelegenheiten kümmern. Dann ist uns auch niemand im Weg, der stören würde.«
Dag hatte so etwas geahnt, es aus Creas’ Mund bestätigt zu hören, überraschte ihn daher nicht. »Geben die Infos sonst irgendwas her?«
»Es gab da einen Agenten. Brom Cahalan. Er hatte Kontakt zum Kaiserreich und war wohl in ein Komplott verwickelt, das das Ziel hatte, den Rat zu stürzen.«
»Der Geheimdienst wird ihn sich vornehmen.«
»Das geht nicht. Cahalan ist tot. Man hat ihn erschossen.«
Dag nickte. Dann musste er an Tess denken, und er sagte leise: »Ich habe Tess noch nie weinen sehen.«
»Ich bedauere das mit deinem Vater«, sagte Crea.
»Danke. Aber wir standen uns nicht sehr nah.«
»Ich mochte ihn. Er hat offen gesprochen. Anders als andere Menschen. Das hat mir gefallen.«
»Mh«, machte Dag.
»Ich verstehe das Konzept der Familie nicht. Vater, Mutter, Kinder, diese Begriffe haben bei den Q’rai keine Bedeutung.«
»Ist bei uns auch manchmal so. Mein Vater und ich …«
Der Com-Offizier unterbrach ihr Gespräch. »Die Verbindung nach Da-Ganis steht«, sagte er, was Dag nur recht war. Das Thema Mardon Peyda musste warten, bis … ja, bis wann? Selbst jetzt, nach dessen Tod, gab es für Dag keinen richtigen Zeitpunkt, um über seinen Vater zu reden.
Er konzentrierte sich auf den Monitor. Die Verbindung hatte Bildfehler. Die Tonübertragung wurde von Rauschen und Interferenzen überlagert.
Aber da war sie. Kay. Sie zu sehen ließ ihn erleichtert aufatmen. Er wollte die echte Hand ausstrecken, um den Monitor zu berühren, tat es aber nicht. Er hatte sich von ihr getrennt, wie würde sie reagieren, wenn er so tat, als wäre das nicht passiert?
Ihr Bild fror ein, und ihre Stimme verzerrte sich. Langstreckenkommunikation im Hyperraum hatte ihre Tücken. Dann stabilisierte sich die Verbindung.
»Hi!«, sagte er und zwang sich zu einem nervösen Grinsen.
»Hi! Es ist schön, dich zu sehen.«
»Ich freu mich auch.«
»Crea hat mir gesagt, du wurdest verletzt.«
Er wollte den künstlichen Arm heben, der auf seine gedankliche Nervenstimulation nicht reagierte. Er musste ihn mit der gesunden Hand anheben. »Funktioniert noch nicht so richtig«, sagte er entschuldigend. »Crox und Riff haben mir den Hals gerettet.«
»Das ist gut.« Auch Kay wirkte nervös. Irgendwie fand Dag das witzig. Sie hatte sich mit Mankrii herumgeschlagen, hatte mit ihrem Bruder gekämpft, hatte Raumschiffe geflogen, und nun gehörte ihr eine Söldnerarmee. Eigentlich hatte sie genug Herausforderungen überstanden, um nicht mehr nervös zu sein.
»Ich habe gehört, was auf Rav’Kathor passiert ist«, sagte Kaylah. »Ihr habt gewonnen.«
»Das war kein Sieg. Wir haben nur Glück gehabt. Die Mankrii waren überall, und es hätte nicht mehr lange gedauert, dann wäre es aus gewesen. Ich weiß nicht, warum sie sich zurückgezogen haben.«
»Wichtig ist nur, dass sie es getan haben.«
»Ist Att’Khur noch bei dir?«
»Nein. Sie ist aufgebrochen, um Thatt’Dau zu suchen. Sie ist schon vor einer Woche losgeflogen.«
»Dann hoffe ich, dass sie sie findet.« Danach schwieg er. Kaylah auch.
Er hätte sich für seine Feigheit ohrfeigen können. Wieso rückte er nicht mit der Sprache heraus und sagte, was ihn wirklich beschäftigte? Stattdessen hörte er sich fragen: »Wie steht es mit Vrash? Kommst du mit ihm klar?«
»Es klappt. Wir verstehen uns. Er bringt mir einiges bei.«
»Freut mich, zu hören.« Endlich fasste er sich ein Herz. »Bevor die Verbindung abbricht, muss ich dir noch was sagen.«
»Ja?« Sie bekam neugierig große Augen.
»Es ist so viel passiert. So viel Mist. Und es tut mir leid, was ich zu dir gesagt habe. Ich war … ein dämlicher … Dooner. Guus hat mir das klargemacht. Kurz bevor …«
»Ja, ich weiß. Crea hat es mir erzählt. Sprich weiter.«
»Ja, also … ich … ich habe dir Vorwürfe gemacht und Dinge zu dir gesagt, die ich nie hätte sagen dürfen. Aber du kennst mich, ich habe gequatscht, ohne nachzudenken.«
Kaylah musste lachen, während Dag schwer atmete. »Was ich dir … sagen will. Ich … ich möchte dich zurückhaben. Und egal was du tust, ich werde dich unterstützen. Puh! Das war jetzt schwerer, als ich dachte.« Er starrte sie an und wartete auf ihre Reaktion. Hatte sie ihn überhaupt gehört? »Kay? Was sagst du?«
Sie schwieg.
»Kay« Sein Herz raste, und er spürte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Erst dann bemerkte er, dass die Verbindung abgebrochen und das Bild eingefroren war.
»Sie ist weg«, hörte er den Com-Offizier in seinen Kopfhörern sagen. Dag starrte auf den Monitor. Kaylahs hübsches Gesicht war im Moment ihrer Antwort eingefroren. Sie zog eine Schnute und kräuselte die Nase. Ein hübsches Bild, aber eine Antwort wäre Dag lieber gewesen.
»Versuchen Sie es noch mal«, forderte er den Com-Offizier auf.
»Bin schon dabei. Aber gerade komme ich nicht durch. Zu viele Störungen.«
»Dabb-Scheiße!« Mit hängenden Schultern verließ Dag seinen Platz, in der Hoffnung, dass Kay seine Entschuldigung angenommen hatte und zu ihm zurückkehren würde.
Kaylah saß in ihrer Unterkunft im Hauptquartier von Ulan Vrash. Kurz zuvor war ein Shuttle auf dem Dach des festungsartigen Gebäudes gelandet. Zeitgleich war die Verbindung zu Dag abgerissen und kam auch nicht wieder zustande. Ganz gleich wie sehr sie auch auf der Tastatur herumhämmerte.
Vor den schmalen Fenstern tobte ein Schneesturm, dessen Heulen selbst durch die meterdicken Mauern zu hören war.
Kaylah schaltete den Computer ab und starrte noch einen Moment auf den leeren Monitor. Es hatte gutgetan, Dag zu sehen, und sie war froh über das, was er gesagt hatte, denn sie empfand genauso. In dieser verrückten Zeit, in der sich so vieles so schnell für sie geändert hatte, war er ihr Fels, wenngleich Dag es selbst nicht so empfand.
Fast zärtlich berührten ihre Fingerspitzen den Monitor. »Wir sehen uns bald wieder«, flüsterte sie.
Auf dem Korridor hörte sie schwere Schritte, die sich ihrem Quartier näherten. Außer Glegg kannte sie nur einen, der einen derartigen Krach beim Gehen machte. Vrash.
Sie griff nach ihrem Waffengürtel, der neben ihr auf dem Tisch lag und schnallte ihn sich um die Hüften. Im Spiegel prüfte sie den Sitz der dunkelgrauen Uniformjacke. Sie gehörte jetzt als Offizierin zu Vrashs Söldnerarmee. Vorübergehend, solange sie für seine Dienste zahlte.
Vor der Tür gab es einen Wortwechsel, der schnell laut wurde. Glegg bewachte den Zugang und ließ niemanden einfach so zu ihr rein, nicht einmal Vrash. Bevor es endgültig zum Streit kommen würde, trat sie hinaus.
Vrash wandte ihr den Kopf zu und musterte sie. Sein bärtiges Gesicht blieb unbewegt. Auch er trug eine Uniform und dazu einen schweren Wintermantel, der ihm bis zu den Knöcheln reichte. Den gleichen Mantel hielt er über dem Arm. »Hier, der ist für dich. Den wirst du brauchen.«
Sie schlüpfte hinein und schloss den Reißverschluss.
»Wie geht’s dir?«, fragte er.
»Alles in Ordnung.« Das stimmte nicht ganz. Vrashs Training war knallhart und hatte sie in den letzten Tagen mehr als einmal an den Rand der Erschöpfung gebracht. Doch Kaylah hatte darauf bestanden. Sie wollte keine Privilegien. Sie wollte ein Teil des Ganzen sein, nicht so wie andere Auftraggeber, die Vrash anheuerten und danach die Hände in den Schoß legten. Ihr war es wichtig, Einfluss nehmen zu können, und dafür nahm sie alle Strapazen in Kauf. Vrash respektierte das, was aber nicht bedeutete, dass er sie deswegen schonte.
»Komm mit!«, befahl er.
Kaylah schloss sich ihm an. Glegg trottete den beiden nach. Sie war froh, dass er da war. Seine Anwesenheit hatte etwas Beruhigendes. Glegg musste nicht laut werden, um jemanden zu beeindrucken, seine Erscheinung reichte dazu völlig aus. Kaylah kannte ihn, seit sie und ihr Bruder Kinder waren, und nachdem er sich von Draydan abgewandt hatte, folgte er nun ihr. Es hatte eine Zeit lang gedauert, doch inzwischen konnte Kaylah dem Uh-Phaar wieder vertrauen. Auf gewisse Weise gehörte Glegg zur Familie.
Sie stiegen die Stufen zur Landeplattform auf dem Dach hinauf. »Wo gehen wir hin?«, fragte Kaylah.
»Warte es ab.« Mehr sagte Vrash nicht. Dann öffnete sich die Tür ins Freie. Die schneidend kalten Windböen zerrten an ihnen. Kaylah schlug den Kragen hoch, um ihr Gesicht vor den nadelspitzen Eiskristallen zu schützen, die wie Geschosse auf sie einprasselten.
Vor ihnen stand das Shuttle, das vom Wind durchgerüttelt wurde. Auf den Tragflächen verwirbelte Schnee. Die Triebwerke liefen im Stand-by-Modus. Die Rampe wurde abgesenkt, und sie gingen an Bord.
Kaum hatten sie auf den spartanischen Sitzbänken Platz genommen, hoben sie ab.
Kaylah schnallte sich an und sah aus einem der Fenster.
Das Land blieb unsichtbar unter einem weißen Schleier verborgen.
Der Sturm griff nach dem Shuttle und warf sie in den Sitzen hin und her. Im Inneren herrschte eine Lautstärke, die eine Unterhaltung unmöglich machte.
Dann verließen sie die Atmosphäre und durchstießen die Wolken. Mit einem Mal wurde es so still, dass Kaylah glaubte, taub geworden zu sein. Dann aber hörte sie das gleichmäßige Brummen der Antriebsaggregate und Vrash, der mit ihr sprach. »Solange wir unterwegs sind, will ich dir noch was zeigen. Das interessiert dich bestimmt. Das kommt von den Aufklärern, die wir losgeschickt haben.«
Mit seinem Handgelenkscomputer projizierte er zwei Planquadrate einer Sternenkarte in den Raum. Darin leuchteten zwei Punkte mit Koordinatenangaben. Sie stammten aus den Datenbanken, die Crea ihnen übermittelt hatte. Vrash deutete auf das linke Quadrat.
»Aufklärer eins hat sein Ziel vor zwei Stunden erreicht. Das hier hat er übermittelt.«
Das Bild schaltete um. Im weißen Licht mehrerer Scheinwerfer tauchte die Silhouette eines gewaltigen Frachters auf, der in einem Meer aus Dunkelheit gestrandet zu sein schien.
Das Licht strich die Außenhülle entlang. Kaylah sah Rohrleitungen und geschlossene Versorgungsschotts. Um den Rumpf herum hingen riesige Container. Das Cockpit auf der Oberseite lag verwaist da. Die Scannerdaten, die mit der Kameraaufzeichnung hereinkamen, zeigten keinerlei Lebenszeichen.
Der Aufklärer umrundete den Frachter zweimal, mit dem gleichen Ergebnis. Das Schiff war aufgegeben worden.
Kurz danach dockte der Aufklärer an einem der Zugangsports an. Zur Besatzung gehörten sechs Männer, die von Vrash und Kaylah persönlich ausgesucht worden waren. Jeder trug einen Raumanzug und war bewaffnet.
Der Anführer öffnete die beiden Schotts und war der Erste, der auf den Frachter überwechselte. Die anderen folgten ihm und sicherten in alle Richtungen.
Kaylah sah gebannt zu. Die Bildübertragung war fehlerhaft und wurde von Artefakten verzerrt.
»Geh auf Minute fünfunddreißig, sieben Sekunden«, befahl er seinem Computer, der in der Aufzeichnung vorsprang und sie danach gleich wieder fortsetzte.
Die Söldner betraten ein großes Frachtsegment, in dem sich Hunderte Brutkammern befanden. Auf den ersten Blick schien alles leer und verlassen zu sein. Kaylah hielt die Luft an.
»Du hast so was schon mal gesehen«, stellte Vrash fest.
»Ja, in der grauen Zone. Aber die hier schauen anders aus.«
»Und was ist das?« Vrash kniff die Augen zusammen. In der Aufzeichnung waren kaum Details zu erkennen, und die Schulterlampen blieben nicht ruhig auf einer Stelle. Vrash wurde es zu bunt. »Bild anhalten!«, befahl er, als das Licht auf einer der Kammern ruhte.
»Wozu wird das benutzt?«, wollte er wissen.
»Sie haben die Q’rai-Brüterinnen da reingesteckt, um sie am Leben zu halten. Dann haben sie ihnen die Eier aus dem Bauch geschnitten und Mankrii daraus gezüchtet. Das haben sie so lange getan, bis die Brüterinnen verbraucht waren. Dann haben sie sie getötet.«
»Ich mach mir nicht viel aus Q’rai, aber das ist absolut widerlich.«
»Dann verstehst du ja jetzt, warum ich ihnen helfen muss.«
»Hm«, machte Vrash. »Übertragung fortsetzen!«
Die Männer folgten den Gängen, die über Treppen auf höher gelegene Ebenen führten. Weiter hinten kamen sie in einen Bereich, in dem ein Feuer gewütet hatte. Bei der entstandenen Hitze war das Metall geschmolzen, die gläsernen Abdeckungen der Brutkammern hatten Risse bekommen oder waren zersprungen. In manchen lagen verkohlte Leichen. Kaylah schluckte. Ihr Tod musste furchtbar gewesen sein. In ihrem Gefängnis eingesperrt waren die Brüterinnen bei lebendigem Leib verbrannt.
Die entstandenen Schäden waren gewaltig und umfassten auch angrenzende Sektionen. Wie sich herausstellte, waren auch die Lebenserhaltungssysteme und die Antriebe betroffen. Darum war das Schiff auch aufgegeben worden. Vrash sprang in der Aufzeichnung weiter vorwärts, doch außer weiterer Zerstörung und der bedrückenden Leere, die ein Geisterschiff ausstrahlte, fanden die Männer nichts mehr von Interesse. Nach zwei Stunden kehrten sie zu ihrem Aufklärer zurück. Die Aufzeichnung endete, als der Anführer das Schott hinter sich schloss.
»Hat dich das weitergebracht?«, fragte Vrash, der sich in seinem Hartschalensitz zurücklehnte.
»Wir wissen zumindest, dass es weitere Zuchtstationen gegeben hat. Hoffen wir, dass wir bei den anderen Koordinaten mehr Glück haben und was finden.«
Vrash machte ein besorgtes Gesicht.
»Was ist?«, fragte Kaylah.
»Mir gefällt nicht, dass wir dazu in die graue Zone fliegen müssen. Da kann verdammt viel schiefgehen.«
»Hast du Angst?« Sie schmunzelte.
»Mach dich nur über mich lustig. Aber wer die graue Zone auf die leichte Schulter nimmt, geht drauf. Das ist was anderes, als im freien Weltraum herumzufliegen.«
»Denkst du, das weiß ich nicht. Ich war auch drin, zweimal. Und wie du siehst, lebe ich noch.« Sie spürte, wie Ärger in ihr aufstieg. »Willst du jetzt den Schwanz einziehen? Daraus wird nichts. Ich habe dich angeheuert.«
»Daran brauchst du mich nicht zu erinnern. Ein Vertrag ist ein Vertrag. Aber nach dem, was du mir erzählst hast, ist Crea auch nicht einfach reingeflogen und hat auf das Beste gehofft.«
»Nein, sie hat den Asteroidenräumer bauen lassen.«
»Genau das. So ähnlich müssen wir auch vorgehen, nur dass wir erst aufklären müssen. Ihr wusstet, was euch erwartet. Wir nicht.«
»Willst du Sonden reinschicken? Das klappt nicht. In dem Nebel funktionieren weder Sensoren noch Signale. Wir würden den Kontakt verlieren.«
»Doch, es könnte klappen. Nicht mit Sonden, aber mit getarnten Aufklärern und Com-Punkten.«
»Das verstehe ich nicht«, musste Kaylah zugeben.
»In Ordnung. Ich erklär’s dir. Ich werde vier Fregatten in Richtung graue Zone verlegen. Die bleiben weit genug weg, um nicht bemerkt zu werden. Von dort aus schicken wir Aufklärer in die graue Zone. Die sind so konstruiert, dass sie für das Radar unsichtbar bleiben. Mit ihnen dringen wir dann weiter vor. In bestimmten Abständen werden sie Com-Bojen platzieren. Damit sollte es uns gelingen, die Störungen zu minimieren und Kontakt zur Flotte zu halten.«
»Sollte?«
»Es wurde noch nie versucht.«
»Aber können die Signale der Com-Bojen nicht geortet werden?«
»Doch, natürlich. Aber erst dann, wenn sie aktiviert werden. Darum schalten die Aufklärer sie auch erst ein, wenn es was zu berichten gibt. Das gibt uns genug Zeit, um reagieren zu können, bevor der Feind die Bojen zerstören kann.«
»Das klingt nicht übel, aber was ist, wenn es zum Kampf kommt? Wie willst du Jäger und Truppen unbeschadet durch den Asteroidengürtel bringen?«
»Ich will eigentlich nicht, dass es so weit kommt. Aber sollte es nicht zu vermeiden sein, hatte deine Piratenfreundin mit dem Asteroidenräumer wirklich eine gute Idee. Meine Techniker haben sie übernommen, aber größer gedacht. Sie haben eine Fregatte damit ausgestattet. Ihre Frontschilde sind stark genug, um alles aus dem Weg zu räumen.«
»Ein guter Plan, wenn es funktioniert.«
»Wenn es nicht funktioniert, riskieren wir nur ein paar Aufklärer.«
»Lass mich einen davon fliegen.«
»Ist das dein Ernst? Das ist gefährlich. Für den Einsatz bekommen meine Männer einen Bonus.«
»Ich will trotzdem dabei sein. Ich weiß, wonach ich suchen muss.«
Vrash zuckte mit den Achseln. »Na gut. Wenn du unbedingt willst. Du hast für den Spaß bezahlt, also kannst du auch deinen Hals riskieren.«
»Sir?« Die Stimme des Piloten drang aus den Lautsprechern. »In zwei Minuten erreichen wir unser Ziel.«
»Du hast mir immer noch nicht verraten, wohin wir fliegen«, sagte Kaylah.
»Schau aus dem Fenster. Dann findest du es raus.«
Kaylah wandte sich um und spähte aus einem der schmalen Fenster. Die rote Sonne von Yuna durchdrang die Finsternis des Alls. Mehr war zunächst nicht zu sehen. Dann tauchte ein Schlachtkreuzer in ihrem Sichtfeld auf, danach ein zweiter und ein dritter. Dazwischen flogen klobige Transporter hin und her, die in den Rümpfen der Schlachtschiffe verschwanden. Eine Jägerstaffel sauste vorbei.
Hinter den Schlachtschiffen reihten sich vier schlanke Fregatten der Ganator-Klasse aneinander. Die weißen Rümpfe schienen im Licht der roten Sonne zu glühen. Die spitze Form verlieh ihnen ein pfeilähnliches Aussehen, während die bulligen Schlachtkreuzer jede Eleganz und Schönheit vermissen ließen. Mit ihren gepanzerten Flanken, dem Rotationsring in der Mitte, den gewaltigen Triebwerksgondeln und den unzähligen Geschützbatterien, wirkten sie faszinierend und abschreckend zugleich.
Kaylah durchfuhr ein Schauer, der noch weiter anwuchs, als sie die beiden Trägerschiffe zu Gesicht bekam, die von unzähligen Jägern umschwirrt wurden. Sie wusste, dass Vrash die größte Söldnerarmee führte, die die Galaxis je gesehen hatte, doch dass sie derart riesig war, hatte sie nicht geahnt. Sie wollte etwas sagen, bekam aber keinen Ton heraus.
Vrash beobachtete sie. »Beeindruckt?«
Sie nickte begeistert.
»Und das sind nicht mal alle Schiffe. Die anderen patrouillieren vor Koba-Sigma und sind Teil der konföderierten Flotte.« Mit breiter Brust fügte er hinzu. »Meine Leute stellen aber das größte Kontingent. Die Konföderierten scheißen sich ein, wenn es darum geht, wer was und wie viel zur Verfügung stellen soll. Also bezahlen sie lieber mich. Ich habe nichts dagegen.«
»Du hältst nicht viel von der Konföderation?«
»Oh doch, sehr viel sogar«, widersprach er. »Sie halten sich raus und bezahlen mich gut. Für einen Söldner ist das ein perfektes Arrangement.«
Ihr Shuttle flog eine Kehre und steuerte auf eine Fregatte zu, die den Namen »Schattenvogel« am Rumpf trug. Die Positionslichter an der Backbordseite blinkten im gleichmäßigen Rot-Blau-Rhythmus. Eine Sirene kündigte das bevorstehende Landemanöver an.
Kaylah wandte sich Vrash zu. »Hast du schon mal daran gedacht, dass man dich mitverantwortlich machen könnte, wenn die Anschuldigungen gegen die Kaiserin stimmen?«
Vrashs Miene wurde düster. »Weil sie was mit den Mankrii zu tun haben könnte?«
Kaylah nickte bestätigend.
»Wieso sollte ich? Meine Aufgabe ist es, Schmuggler aufzubringen, mögliche Angriffe abzuwehren und Industriestandorte zu sichern. Das tue ich. Ich muss mir nichts vorwerfen lassen.«
Kaylah lächelte milde. »Das interessiert den Rat doch nicht. Wenn es darum geht, eigene Fehler zu vertuschen, dann sind die schnell dabei, einem anderen die Schuld zu geben.«
»Sie können es ja gern versuchen«, gab sich Vrash kämpferisch. »Aber danke für die Warnung.«
Ihr Shuttle erreichte den Hangar und setzte zur Landung an.
»Wir brechen heute noch zur grauen Zone auf. Alles, was wir brauchen, ist hier.«
Kaylah sagte nichts. Sie atmete nur tief durch und genoss die Aufregung, die sie bis in die Fingerspitzen hinein fühlen konnte.
Ein schwerer Plastikgeruch war das Erste, was er roch, als ihm bewusst wurde, dass er noch lebte. Um ihn herum herrschte Enge und absolute Dunkelheit. Nolan Skroker lag in einem Leichensack. Das wurde ihm schnell klar, denn die Erinnerung an den Moment seines Todes war ihm sofort gegenwärtig. Er hatte sich selbst eine scheinbar tödliche Dosis Gift verabreicht, die die Tätigkeit seiner Organe auf ein nicht mehr messbares Minimum abgesenkt hatte. Durch die künstlichen Lungen hatte er weiterhin Sauerstoff bekommen, ohne atmen zu müssen.
Nie zuvor hatte er diesen letzten Ausweg gewählt, denn die Chancen, es zu überleben, standen bei sechzig zu vierzig.
Er fror, eine Folge der niedrigen Körpertemperatur.
Doch sein Kopf arbeitete klar, auch wenn ihm der Plastikgeruch Kopfschmerzen bereitete. Skroker wusste nicht, wo er war, nur dass er hier so schnell wie möglich rausmusste. Er lauschte – da war nichts, nur absolute Stille.
Mit den Händen tastete er den Leichensack ab und fand einen Reißverschluss, der am Kopf endete. Es gelang ihm, den Verschluss so weit zu öffnen, dass er eine Hand hindurchschieben konnte, und schon war er frei.
Mit den Händen umfasste er die Aluminiumbahre, auf der er lag. Hinter ihm fiel Licht durch zwei kleine Fenster in einer Stahltür. Das genügte, um zu erkennen, dass acht gefüllte Leichensäcke auf Bahren um ihn herumlagen. Das bereitete ihm Unbehagen, und er schlich eilig zur Tür. Zum Glück hatte man ihm die Kleidung gelassen. Nur seine Ausrüstung fehlte.
An der Tür angelangt spähte er durch eines der Fenster. Dahinter lag ein Gang mit diffuser Beleuchtung, an dessen Ende er einen kleinen Raum ausmachen konnte, aus dem leise Musik erklang. Ein Wächter, vielleicht auch zwei. Nichts, womit er nicht fertigwerden würde.
Skroker drückte den Taster an der Tür. Nichts passierte. Verschlossen. Er musste die Wache also herauslocken und dafür machte er ordentlich Krach, indem er eine der Bahren umstürzte. Das Metall knallte auf den Boden. Der Leichensack rollte bis an die Wand. Wenn die Wache nicht taub war, würde sie gleich auftauchen.
Skroker presste sich neben der Tür an die Wand und wartete.
Lange musste er sich nicht gedulden, dann hörte er Schritte, die eilig näher kamen.
Im nächsten Moment glitt die Tür auf. Ein Mann stand dort, dessen Körper einen langen Schatten in den Kühlraum warf, ehe er das Licht einschaltete.
Der Schrecken über den plötzlichen Lärm stand ihm ins Gesicht geschrieben.
Dann trafen sich ihre Blicke. Schnell und kaltblütig packte Skroker den Mann und brach ihm mit einem harten Ruck das Genick.
Der Tote sackte ihm in die Arme, und er ließ ihn vorsichtig zu Boden gleiten. Mit einem schnellen Blick in den Korridor vergewisserte er sich, dass es keine weitere Wache gab.
Skroker tauschte die Kleidung mit dem Leichnam, der gleich darauf seinen alten Platz im Kühlraum einnahm. Dann räumte er auf und sorgte dafür, dass alles wieder so aussah wie zuvor.
Mit der Schlüsselkarte, die an der Uniform hing, öffnete er alle verschlossenen Türen. Die Sicherheitsmaßnahmen waren ein Witz. Was andererseits verständlich war. Wer brach schon in ein Leichenschauhaus ein? Niemand. Und bestimmt war zuvor auch noch nie jemand ausgebrochen.
Vor dem Gebäude erwartete Skroker eine milde, sternenklare Nacht. Nach der Kälte empfand er es fast als zu warm und begann zu schwitzen.
Auf dem Parkplatz stand ein einsamer Gleiter, der dem Wachtposten gehören musste. Auch dafür fand Skroker eine Schlüsselkarte in der Uniformjacke, mit der er die Fahrertür öffnete und die Startautomatik entsperrte.
Er ließ sich auf dem Pilotensitz nieder und checkte den Bordcomputer. In der Zwischenzeit waren vier Tage vergangen. Da wunderte es ihn nicht, dass er sich mies fühlte. Vier Tage, in denen er scheintot herumgelegen hatte. Kein Körper machte so etwas mit, ohne dass es Spuren hinterließ. Jeder Muskel schmerzte, während die Körpertemperatur langsam anstieg.
Die integrierte Nav-Anzeige verriet ihm, dass er sich zwar noch auf Angon, aber außerhalb von New Freedom befand.
Er musste wissen, was mittlerweile passiert war und wie die Dinge nun standen. Und er brauchte einen Platz, um wieder zu Kräften zu kommen. Seine eigenen Verstecke waren ihm zu heiß geworden. Es gab da einen Kontakt in New Freedom, mit dem er früher häufiger zusammengearbeitet hatte. Der würde ihm helfen, aber wie immer war es gut, wachsam zu bleiben.
*
Eine Stunde später erreichte Skroker die Zone, in der sein Kontaktmann lebte. Pence Fallon gehörte offiziell zum diplomatischen Corps des Kaiserreichs. Inoffiziell war er einer ihrer Agenten und erledigte auch die schmutzigsten Aufgaben. Genau wie Skroker. Dafür wurden sie auch gut bezahlt.
Er parkte den Gleiter ein paar Straßen entfernt und ging den Rest des Weges zu Fuß. Es war noch immer mitten in der Nacht. Unterwegs traf er niemanden. Als er das Haus erreichte, betätigte er gleich den Schalter neben der Tür. Sofort fuhr ein Scanner aus der Wand, der sein Gesicht abtastete.
Ein langer Moment verstrich, ehe die Tür endlich entriegelt wurde. Er trat ein, blieb stehen und wartete, während die Tür leise ins Schloss zurückglitt.
Fallon kam von oben. Er sah verschlafen aus, sein Haar stand am Hinterkopf wild ab. Er trug nur eine kurze Hose und einen weichen Überwurf, der an seinem hageren Körper herabhing.
»Nolan!«, sagte er überrascht. »Ich habe gehört, du wärst tot.«
»Da hast du was Falsches gehört.«
Fallon kam die Treppe hinunter und schüttelte ihm die Hand.
»Siehst mies aus.«
»Ich fühl mich auch so.«
»Brauchst du ’n Drink?«
»Warum nicht.«
»Erzählst du mir, was passiert ist?«
»Ich war unvorsichtig. Ein Job ist schiefgegangen.«
»Hat das mit Jandosh Davallian zu tun?«
Skroker stutzte, während er Fallon ins Wohnzimmer folgte. »Du hast davon gehört?«
»Klar. Er hat’s jedem erzählt.«
Sie betraten das Wohnzimmer, und Fallon bot ihm einen Platz an, ehe er Drinks einschenkte. »Beantwortest du mir eine Frage?«
»Sicher.«
»Hast du das Kaiserreich verraten?«
»Natürlich nicht. Wie kommst du darauf?«
Fallon hatte ihm den Rücken zugewandt und warf ihm nur einen Schulterblick zu, während er mit den Gläsern klimperte. »Du warst spurlos verschwunden, und Davallian verbreitet das Gerücht, du hättest die Seiten gewechselt und würdest nun gegen die Kaiserin aussagen.«
»Das ist Schwachsinn. Ich habe den Notfallcode benutzt. Ich war scheintot. Darum war ich so lange weg. Dieser Dooner Davallian lügt.« Er zupfte an seiner Uniform. »Heute bin aus der Leichenhalle ausgebrochen. Warum sonst bin ich wohl so angezogen?«
»Um mir eine glaubwürdige Geschichte aufzutischen?«
»Du glaubst mir nicht?« Skroker sprang auf.
»Setz dich wieder hin«, meinte Fallon und reichte ihm das halb gefüllte Glas.
Skroker blieb stehen, griff aber nach dem Glas. Fallon nahm Platz. »Warum sollte Davallian lügen?«
»Weil er ein Ex-Geheimdienstmann ist. Weil er uns nervös machen und zum Handeln zwingen will.«
»Durchaus möglich.« Fallon wirkte nachdenklich. »Warum bist du zu mir gekommen?«
»Ich wusste nicht, wo ich hinsollte. Ich fürchte, meine Verstecke sind aufgeflogen. Außerdem habe ich immer noch einen Auftrag zu erfüllen. Dazu brauche ich Ausrüstung und den Zugang zu Informationen.«
»Und da hast du sofort an mich gedacht?«
Skroker verstand die Frage nicht. »Wir haben oft zusammengearbeitet. Also ja, deswegen bin ich zu dir gekommen.«
Irgendwas an Fallons Verhalten gefiel ihm nicht, ohne dass er genau hätte sagen können, was ihn störte. »Fallon. Wir kennen uns jetzt seit zehn Jahren. Gibt es irgendwelche Probleme zwischen uns?«
»Na schön, ich sag’s dir. Sie misstrauen dir. Und … es ist ein Exekutionsbefehl für dich im Umlauf.«
Skroker schluckte. »Soll das ein Witz sein? Ich habe mir nie was zuschulden kommen lassen.«
»Das sieht die Ehrwürdige leider anders. Wie ich erfahren habe, hast du in letzter Zeit ziemlich oft Mist gebaut. Du hast die Peydas nicht töten können. Du hast zugelassen, dass sensible Daten aus Cahalans Haus geraubt wurden, und du hast es nicht geschafft, in Davallians Heim einzudringen, ohne geschnappt zu werden. Für einen Profi wie dich ist das ziemlich … ungewöhnlich.«
»Erbärmlich, willst du doch sagen.«
Fallon zuckte mit den Schultern. »Jetzt mal ehrlich. Wenn es bei jemandem anders wäre, wärst du doch genauso misstrauisch.«
Da hatte Fallon recht. Skroker beugte sich vor und fuhr sich mit den Händen über das Gesicht. »Ich habe die Kaiserin nicht verraten, das würde ich niemals tun.«
»Angenommen, ich glaube dir. Jeder andere Agent würde es nicht tun.«
»Besorg mir eine Verbindung zur Ehrwürdigen. Ich werde das wieder geradebiegen. Bitte.« Sein Mund wurde trocken, und er musste einen Schluck trinken.
»Ihr Befehl war eindeutig.«
Skroker erstarrte, in seinem Inneren rumorte es, er bekam Schweißausbrüche, und ihm wurde schwindelig. Er versuchte sich nichts anmerken zu lassen, als er mit gefasster Stimme sagte: »Lass mich mit ihr sprechen. Wenn ich sie nicht überzeugen kann, kannst du mich immer noch töten.«
»Das hab ich gerade schon.« Fallon stellte sein Glas unberührt auf den Tisch.
Skroker taumelte und fiel in die Polster des zu weichen Sofas. »Gift. Ph. Hab ich vergessen. Das war immer deine Masche.« Ein Lächeln verzerrte sein angestrengtes Gesicht.
»Tut mir leid.«
»Das … kannst du mir nicht … antun. Gib mir die eine Chance … komm schon … du musst das für mich … tun. Lass mich nicht … einfach krepieren.«
Fallon starrte ihn an. Er haderte mit sich, Skroker sah es ihm an. Sein Blickfeld verdüsterte sich und wurde immer schmaler. Das, was links und rechts war, nahm er schon nicht mehr wahr.
»Dabb-Scheiße. Hätte ich dich nur erschossen, dann wäre es jetzt vorbei.« Fallon kniete sich zu ihm aufs Sofa und flößte ihm ein kleines Fläschchen ein. Die Flüssigkeit schmeckte zuerst bitter, dann so scharf, dass sie in seiner Speiseröhre brannte. Skroker war bereits zu schwach zum Schlucken. Doch die Flüssigkeit – mit dem darin enthaltenen Gegengift – fand von allein ihren Weg.
»Du kriegst deine Chance.« Fallon packte ihn unter den Armen und zog ihn aus dem Wohnzimmer in einen angrenzenden Raum ohne Fenster und Mobiliar, wo er ihn auf dem Boden liegen ließ. »Du bleibst erst mal hier. Ich werde die Ehrwürdige kontaktieren. Wenn sie den Exekutionsbefehl bestätigt, war’s das für dich. Mehr kann ich nicht für dich tun.«
»Danke«, gelang es Skroker zu stöhnen, »mehr verlange … ich auch gar nicht.«
Die Tür fuhr zu und verriegelte sich.
Auf Da-Ganis hatte das Wetter umgeschlagen. Für die nächsten Tage blieb es dunkel. Es begann zu schneien, und Wind war aufgekommen, der schon bald auf Sturmstärke anwachsen würde.
Der Flugverkehr im Raumhafen schrumpfte in der Zeit auf ein Minimum zusammen.
Der kleine Ort, der sich an das Gelände anschloss, hatte nicht viel zu bieten, womit man sich amüsieren konnte. Es gab ein paar Spielhallen, ein paar Bars, ein paar Bordelle. Für jemanden, der blank war, sah die Sache noch beschissener aus.
Draydan Daar saß in einer der billigeren Bars und hielt sich seit Stunden an einem Drink fest. In der dunklen Ecke, in die er sich verkrochen hatte, achtete niemand auf ihn. Und er achtete nicht darauf, was um ihn herum vorging.
Er hörte weder die schräge Musik, noch bekam er etwas von dem Streit am Nachbartisch mit, bei dem es um Geld und ein Mädchen ging.
Draydan war in seinem Hass auf Kaylah versunken und brütete vor sich hin. In den düstersten Farben malte er sich aus, wie er sich an ihr rächen würde. Erschießen oder erstechen erschienen ihm viel zu harmlos. Er würde sie ausweiden und dann dabei zusehen, wie sie langsam ausblutete und verreckte. Der Gedanke gefiel ihm, und er musste grinsen.
Wenn er nur wüsste, wie er es anstellen sollte? Er konnte nicht einfach zu ihr gehen. Sie hatte ihn zweimal gehen lassen. Ein drittes Mal würde das nicht passieren. Nicht nachdem sie rausgefunden hatte, dass er Vrash eigentlich angeheuert hatte, um sie zu ermorden. Vrash war irgendwann auch noch dran – dieser elende Verräter.
Zwei Gestalten kamen an seinen Tisch, die er erst bemerkte, als sie vor ihm standen. Es waren zwei Männer in langen Wintermänteln, denen Schneeflocken auf den Schultern schmolzen. »Suchen Sie sich einen anderen Tisch! Der hier ist besetzt«, raunzte Draydan schroff.
»Wir haben Sie gesucht Mr Daar«, erwiderte einer der Männer, der sich ihm nun ungefragt gegenübersetzte.
»Wer sind Sie?« Draydan war unbewaffnet. Alles, was er zur Verteidigung hatte, war sein halb leeres Glas.
»Das tut nichts zur Sache.« Nur einer redete. Draydan musterte ihn und schaute in ein glatt rasiertes Gesicht mit scharf geschnittenem Kinn, spitzen Wangenknochen und Kurzhaarschnitt. Der andere sah ähnlich aus, sagte aber keinen Ton, stand nur da und blickte grimmig.
»Wir arbeiten für jemanden, der sich für die Aktivitäten Ihrer Schwester interessiert.«
»Dann reden Sie doch mit ihr.«
»Wir glauben, dass ein Gespräch mit Ihnen erfolgversprechender wäre. Hier … das ist für Sie.« Der Mann schob einen Unitstick über den Tisch. »Zweitausend Units. Nur dafür, dass wir hier sitzen und miteinander reden.«
Draydan schielte auf den Stick, ohne ihn anzurühren. »Für wen arbeiten Sie?«
»Das ist momentan nicht wichtig. Doch sollten Sie sich dafür entscheiden, mit uns zu kooperieren, würden Sie ihn natürlich kennenlernen.«
»Und wer sind Sie beide? Oder ist das auch geheim?«
»Wenn Sie unbedingt Namen brauchen, dann nennen Sie mich Norn, und das ist Sallec.«
Jetzt legte Draydan die Hand auf den Stick. »Wenn ich mitkomme, dann sind zweitausend doch sicher nur eine Anzahlung?«
»In der Tat.«
»Ihnen gefällt wohl nicht, was meine Schwester tut.«
»Sagen wir es so. Was sie tut, ist … unerfreulich. Sind wir uns darin einig?« Norn reichte die ausgestreckte Hand über den Tisch.
»Dass wir uns recht verstehen. Sie wollen keine Geschäfte mit ihr machen?«
»In dem Fall wären wir sicher nicht zu Ihnen gekommen.«
»Kaylah hat mir alles weggenommen, was mir gehörte. Dafür muss sie bezahlen.«
Norn lächelte böse, wie jemand, der immer das bekam, was er wollte. »Sie wird bezahlen, das verspreche ich Ihnen.«
Draydan ergriff die ausgestreckte Hand, die ihm Norn immer noch entgegenstreckte. »Gut, dann sind wir uns ja einig.«
»Steh auf, Nolan.« Fallon stand in der Tür zu Skrokers fensterlosem Gefängnis und zielte mit einem Blaster auf ihn.
»War’s das? Legst du mich jetzt um?« Um seine Nervosität zu überspielen, klopfte Skroker den nicht vorhandenen Staub von seiner Hose.
»Ist nur eine Vorsichtsmaßnahme.« Fallon trat beiseite.
»Ich muss mal pinkeln«, sagte Skroker.
»Verkneif’s dir. Da lang!« Er wies in einen Korridor, der an einer Treppe endete. »Geh rauf!«
»Und dann?«
»Ich habe mit der Ehrwürdigen gesprochen und sie überzeugen können, mit dir zu reden.«
»Ähm, danke.«
»Dank mir nicht zu früh. Sie entscheidet, wie es mit dir weitergeht.«
»Verstehe.«
Sie betraten einen leeren Raum, in dem ein Holoprojektor von der Decke hing. Skroker kannte das bereits aus Cahalans Haus. Der Aufbau war immer derselbe.
Genauso wie das Warten darauf, dass die Ehrwürdige endlich erschien.
Fallon warf einen Blick auf seine Uhr. »Noch zwei Minuten.«
»Wie würdest du es tun?«, fragte Skroker plötzlich. »Wieder mit Gift?«
»Nein, ich würde dich hier erschießen. Damit die Ehrwürdige deinen Tod sehen kann.«
»Ich könnte das nicht.«
»Was? Jemanden töten? Das machst du doch andauernd.«
»Du weißt, was ich meine. Wir haben oft genug zusammengearbeitet. Ich kann keinem in die Augen sehen, wenn ich’s tue.«
»Stimmt, das hatte ich ganz vergessen. Das unterscheidet uns beide. Im Gegensatz zu dir sehe ich das als meine Pflicht an. Der, der stirbt, soll schließlich wissen, wer ihn tötet. Und wenn er mich anschreit, bettelt oder verflucht, dann ist das sein gutes Recht. Die Zeit lasse ich ihm, zumindest meistens.«
»Du spielst nur mit deinen Opfern, das tue ich nicht.«
Das Licht schaltete sich ein, und die Ehrwürdige erschien als deckenhohes Hologramm.
»Ehrwürdige.« Skroker verbeugte sich tief. »Ich danke Euch für Euer Erscheinen.«
»Dass ich hier bin, verdankt Ihr nur Fallon. Erklärt Euch.«
»Ich war auf der Suche nach Tess und Mardon Peyda. Eine Spur führte mich zum Haus von Jandosh Davallian. Aber es war eine Falle. Er wollte mich verhaften lassen, aber dazu kam es nicht. Ich habe den Notfallcode benutzt und es so aussehen lassen, als hätte ich mich selbst getötet. Wie Ihr seht, habe ich überlebt, aber ich war mehrere Tage fort.« Er machte ein ernstes Gesicht und fuhr noch ernster fort. »Mein Leben gehört der Kaiserin und dem Kaiserreich, niemals würde ich es verraten.«
Die Ehrwürdige betrachtete ihn lange, zu lange für Skrokers Empfinden. Zu gerne hätte er gewusst, was ihr gerade durch den Kopf ging.
»Wenn ich etwas sagen darf, Ehrwürdige.« Fallon hatte einen zaghaften Schritt vorwärts getan.
»Sprecht.«
»Ich habe Nolan, niemals illoyal erlebt. Ich glaube ihm. Seine Treue ist unerschütterlich.«
»Ihr verbürgt Euch für ihn?«
Fallon warf einen kurzen Blick zu ihm, dann sagte er: »Ja, das tue ich.«
Die Ehrwürdige schwieg einen Moment lang, indem sie die beiden abwechselnd betrachtete. Bei Skroker hielt sie schließlich inne. Ihre gebeugte Gestalt ragte überlebensgroß über ihm empor. »Ihr tragt Schuld daran, dass Tess Peyda noch immer lebt. Gefährliche Informationen sind nicht vernichtet worden, sondern an die Öffentlichkeit gelangt und belasten nun die Kaiserin schwer. Das zwingt uns dazu, Operation Martyrium verfrüht zu starten. Deshalb brauchen wir jetzt jeden unserer Agenten, um erfolgreich zu sein. Ansonsten würdet Ihr Euer Versagen mit dem Leben bezahlen. Nur die Dringlichkeit der vor uns liegenden Aufgaben rettet Euch nun das Leben.«
»Ich danke Euch, Ehrwürdige. Ich werde meine Fehler wiedergutmachen.«
»Nein, das werdet Ihr nicht. Dafür ist es zu spät. Tess Peyda ist unwichtig geworden. Wir verschwenden keine weitere Zeit mit ihr. Operation Martyrium wird sie ohnehin hinwegfegen. Ihr beide erhaltet eine andere Aufgabe. Begebt euch nach Da-Ganis. Benutzt falsche Identitäten und nehmt eine offizielle Fähre. Sobald ihr angekommen seid, meldet Euren Standort. Ihr werdet dann dort weitere Befehle erhalten.«
»Ja, Ehrwürdige«, sagten die beiden Männer gleichzeitig.
Das Licht wurde abgeschaltet. Fallon steckte die Waffe ein. »Du hast Glück gehabt, würde ich sagen.«
»Ja, sieht ganz danach aus. Danke für deine Hilfe.«
»Gern geschehen. Wir arbeiten also wieder zusammen. Ganz wie in alten Zeiten.«
Zum ersten Mal erlaubte sich Skroker ein erleichtertes Lächeln, ehe er Fallons ausgestreckte Hand schüttelte.
Draydan fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Die beiden Agenten, die ihn in der Bar auf Da-Ganis angesprochen hatten, waren mit ihm nach Koba-Sigma geflogen und hatten ihn ohne Umwege auf dieses Landgut außerhalb der Stadt gebracht.
Nun stand er in diesem hellen, freundlichen Raum mit dem Dach aus buntem Glas, in dessen Mitte ein vier Meter hoher Springbrunnen plätscherte, der nackte Männer und Frauen beim Ballspiel zeigte.
Um ihn herum standen hohe Palmen, die mit ihren Blättern das Glasdach berührten. Vögel zwitscherten im Geäst eines ausladenden Fardani-Baumes, der mit seinen federartigen Blättern einen weiten Schatten warf.
Unter dem Baum befand sich eine Sitzgruppe mit einem roten Marmortisch.
Eigentlich ein Ort der Ruhe und des Friedens, doch Draydan konnte sich nicht entspannen. Die Ungewissheit vor dem, was ihn hier erwartete, sorgte für einen erhöhten Puls. Er lief ein wenig herum, um sich abzulenken. Doch nach fünf Minuten setzte er sich wieder auf die Bank, um dort weiter ungeduldig zu warten. Die Minuten zogen sich endlos.
Die feuchtwarme Luft sorgte dafür, dass er müde wurde, doch gerade als ihm die Augen zufielen und ihm der Kopf auf die Brust zu sinken drohte, öffnete sich die Tür, durch die er hereingebracht worden war.
Ein halbes Dutzend Soldaten in Rüstung und Visierhelm marschierte in den Raum und nahm links und rechts des Eingangs Haltung an.
Ihnen folgten die beiden Agenten Norn und Sallec, die sich im Hintergrund hielten. Zum Schluss kam eine dürre, gebeugte ältere Frau herein, die ihr Gesicht hinter einem schwarzen Schleier verbarg. Sie trug ein schwarzes Kleid und schien beim Gehen über dem Boden zu schweben.
Draydan kannte sie. Er hatte sie oft im Gefolge von Kaiserin Neyhanma gesehen, wenn die Medien über sie berichteten.
Manieren waren nicht seine Stärke, aber er wusste, dass es hier besser war, aufzustehen und sich zu verbeugen.
»Es ist mir eine … Ehre, Sie … kennenzulernen«, bekam er stotternd heraus.
Sie ging achtlos an ihm vorbei und nahm an dem Tisch Platz.
»Setzt Euch«, forderte sie ihn auf, und Draydan setzte sich. »Ich habe mich über Euch informiert. Ihr seid ein Krimineller.«
»Eher ein Geschäftsmann«, korrigierte er sie vorsichtig.
»Wie auch immer. Ihr seid hier, weil ich mit Euch über Eure Schwester sprechen möchte, und ich glaube, dass wir uns gegenseitig helfen könnten. Wie ich hörte, hasst Ihr sie.«
»Ja, ich hasse sie. Sie hat mir alles weggenommen.«
»Ihr sprecht von Eurem kleinen Verbrecherimperium.«
Die herablassende Art der Ehrwürdigen ärgerte Draydan, doch auch hier war er klug genug, seine Verärgerung nicht zu zeigen. »Und von sehr viel Geld«, fügte er nur hinzu.
»Wir könnten uns gegenseitig behilflich sein.«
»Wollen Sie sie loswerden? Sagen Sie es ruhig. Ich würd’s liebend gern selbst tun.«
»Eure Schwester hat sich Verbündete erkauft, an denen Ihr kaum vorbeikommen würdet. Für diese Art von Aufgaben habe ich meine Agenten.«
»Die beiden?« Draydan zeigte auf die zwei Männer im Mantel. »Reichen die denn aus?«
»Wagt Ihr es etwa, mich infrage zu stellen?«