Manhattan 2060 - Infiltration - Dan Adams - E-Book

Manhattan 2060 - Infiltration E-Book

Dan Adams

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Beschreibung

Captain Kirkland gerät unter Druck: Mit seinem Lauschangriff auf den Tribeca-Konzern hat er nicht nur seine Frau, sondern auch Commissioner Stafford gegen sich aufgebracht. Und auch bei Tribeca werden mächtige Menschen auf den unbequemen Cop aufmerksam. Währenddessen arbeitet Mike mit Kendra Martin zusammen, um hinter das Geheimnis des Nachtclubs "Don’t look back" zu kommen. Und eine alte Bekannte taucht wieder auf ...

Über Manhattan 2060:

New York in naher Zukunft: In den Straßen tobt ein Krieg zwischen rivalisierenden Drogen-Gangs. Mike Quillan vom Department of Special Operations versucht mit seinem neuen Partner Cole Scott die eskalierende Gewalt einzudämmen. Währenddessen ermittelt Captain Kirkland undercover gegen den mächtigen Konzern Tribeca. Doch sein eigener Vorgesetzter legt ihm Steine in den Weg. Nach und nach stoßen die Cops vom D.S.O. auf einen skrupellosen Plan, der viele Leben kosten wird. Während New York im Chaos versinkt, müssen die Polizisten sich auf ihre eigenen Fähigkeiten und ihre wenigen Verbündeten verlassen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und die Gerechtigkeit wiederherzustellen.

Tauche ein in spannende Cyberpunk-Action von Dan Adams! Alle Bände der D.S.O. Cops:

Manhattan 2058
Manhattan 2059 - Eternity
Manhattan 2060 - Meltdown (1)
Manhattan 2060 - Infiltration (2)
Manhattan 2060 - Masterplan (3)

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über diese Folge

Manhattan 2060

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

In der nächsten Folge

Über den Autor

Impressum

 

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Über diese Folge

Captain Kirkland gerät unter Druck: Mit seinem Lauschangriff auf den Tribeca-Konzern hat er nicht nur seine Frau, sondern auch Commissioner Stafford gegen sich aufgebracht. Und auch bei Tribeca werden mächtige Menschen auf den unbequemen Cop aufmerksam. Währenddessen arbeitet Mike mit Kendra Martin zusammen, um hinter das Geheimnis des Nachtclubs »Don’t look back« zu kommen. Und eine alte Bekannte taucht wieder auf …

Manhattan 2060

New York in naher Zukunft: In den Straßen tobt ein Krieg zwischen rivalisierenden Drogen-Gangs. Mike Quillan vom Department of Special Operations versucht mit seinem neuen Partner Cole Scott die eskalierende Gewalt einzudämmen. Währenddessen ermittelt Captain Kirkland undercover gegen den mächtigen Konzern Tribeca. Doch sein eigener Vorgesetzter legt ihm Steine in den Weg. Nach und nach stoßen die Cops vom D.S.O. auf einen skrupellosen Plan, der viele Leben kosten wird. Während New York im Chaos versinkt, müssen die Polizisten sich auf ihre eigenen Fähigkeiten und ihre wenigen Verbündeten verlassen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und die Gerechtigkeit wiederherzustellen.

DAN ADAMS

TEIL 2INFILTRATION

Kapitel 1

Früher Morgen. Es klopfte. Quillan schrak aus einem traumlosen Schlaf hoch.

»Hallo, ist jemand da?«

In seinem tauben Verstand glaubte er, die Stimme einer Frau zu erkennen. »Moment«, brabbelte er, nicht wissend, ob er überhaupt gehört worden war.

Mit blanken Füßen und nichts weiter bekleidet als Boxershorts schlurfte er zur Tür und vergaß dabei sogar seine übliche Vorsicht, eine Pistole mitzunehmen. Er entriegelte die Tür und öffnete sie einen Spalt.

Shade stand vor ihm und lächelte entschuldigend. »Ist es zu früh?«, fragte sie flüsternd.

»Keine Ahnung. Wie spät ist es denn?«, murmelte er zurück.

»Kurz nach sechs. Ich habe Kaffee mitgebracht«, sagte sie und präsentierte ihm zwei Becher, aus denen es heiß dampfte.

Quillan machte einen Schritt beiseite und ließ sie eintreten. Erst da wurde ihm klar, dass er Shade nicht gesagt hatte, wo er wohnte. »Wie haben Sie mich gefunden?«

Sie stellte einen Rucksack neben den Wohnzimmertisch. »Dummerchen. Ich bin eine Sliderin, schon vergessen? Adressen ausfindig zu machen gehört zu meinen leichtesten Übungen.« Sie drückte ihm einen Becher in die Hand.

»Haben Sie was von Miss Martin gehört?«, fragte er.

»Mmh. Noch nicht.«

Er nahm einen Schluck, um munter zu werden. »Tut gut.«

Ein wenig unschlüssig blieb sie im Raum stehen und sah sich um. »Darf ich mich setzen?«

»Oh. Ja, sicher.« Schnell räumte er ein paar unordentlich hingeworfene Sachen beiseite und zog sich selbst einen Morgenmantel über, ehe er ihr gegenüber in dem Sessel mit der Retrofransendeko Platz nahm. »Also? Wollten Sie mich nur wecken, oder gibt es einen anderen Grund, warum Sie hergekommen sind?« Er trank noch etwas Kaffee.

»Zuerst mal könntest du das mit dem Siezen lassen. Da komme ich mir echt alt vor. Kriegst du das hin?«

»Klar. Und jetzt raus mit der Sprache.«

»Ich wollte dich fragen, ob ich ein paar Tage bei dir pennen kann.«

Quillan sah sie verwundert an, und sie beeilte sich zu sagen: »Zwei, höchstens drei. Dann bin ich wieder weg.«

»Hast du kein eigenes Zuhause?«

Kopfschüttelnd verneinte sie. »Ist nicht gut, was Festes zu haben, wenn man ein Slider ist. Du weißt nie, wem du auf die Füße trittst und ob dir nicht einer ein paar Killer auf den Hals hetzt.«

Quillan runzelte die Stirn. »Sind denn Killer hinter dir her? Bevor ich Ja sage, wüsste ich das gern.«

»Nein … zumindest nicht, dass ich wüsste. Aber ich wechsle mein Quartier immer alle paar Tage, einfach nur, um sicherzugehen. Und weil wir uns gut unterhalten hatten, dachte ich … ich könnte bei dir unterkriechen. Ich kann dich auch bezahlen!«, fügte sie mit leuchtenden Augen hinzu.

»Das ist nicht nötig. Das hier ist kein Hotel.«

»Das heißt dann – nein?«

»Du kannst bleiben, aber du musst dafür nichts bezahlen.«

»Oh danke.« Sie warf sich ihm an den Hals und umarmte ihn. »Du wirst es nicht bereuen.« Schon war sie in der Küche und durchsuchte die Schränke. »Hast du was zu essen?«

»Im Schrank ist Käfermüsli, und im Kühlschrank findest du noch ein Paket Stand-by-Nahrung, glaube ich.«

»Von so was wie Selber-Kochen hältst du wohl nicht viel, was?«

»Doch schon, aber ich habe kaum die Zeit dazu.« Er stand auf und ging zu ihr.

»Du quartierst dich bei mir ein, weil du pleite bist, hm?«

Beschämt senkte sie den Kopf. »Ja«, gab sie kleinlaut zu.

»Wie war das noch mit dem Ghostnet? Reichtümer, Schätze?«

»Ich habe in letzter Zeit Pech gehabt. Ich war da an was dran. Was Großem. JJ sollte mir helfen, und dann verschwindet der Mistkerl einfach.«

Sie schüttete sich Käfermüsli in eine Schale. »Willst du auch?«

Quillan lehnte ab. »Ist mir zu früh. Wie gut kennst du Kendra und JJ eigentlich?«

»Wir laufen uns immer wieder über den Weg. JJ hat mich ausgebildet, wenn man das so sagen kann. Er hat mir beigebracht, was ein Slider können muss. Hat meinen Companion programmiert. Inzwischen bin ich aber viel besser als er.«

»Und Kendra?«

»Sie kenne ich durch JJ. Wir haben ihr mal bei einem Fall geholfen. Undercover, keiner durfte was mitkriegen. Das mag ich am liebsten. Man kommt sich so spionisch vor.«

»Spionisch?« Quillan musste schmunzeln.

»Ach, du weißt, was ich meine.«

»Seitdem seid ihr befreundet?«

»Wir hängen nicht ständig zusammen ab, wenn du das meinst, aber ja, wenn wir uns sehen, gehen wir auch mal was trinken.« Sie zog die Schuhe aus. Ihre Füße müffelten.

»Wie lange hast du nicht mehr geduscht?«, fragte Quillan.

»Keine Ahnung. Ist das wichtig?«

»Wenn du hierbleiben willst, ja. Da vorne ist das Badezimmer.«

»Du willst mich doch nur nackt sehen.«

»Keine Sorge, ich komme nicht rein.«

»Schade!« Schulterzuckend verschwand sie im Bad, ließ die Tür aber offen, um weiter mit ihm reden zu können.

Quillan nutzte die Zeit, um sich anzuziehen und ihre Schuhe mit einem Raumspray ausgiebig einzunebeln.

»Wohnst du alleine hier?«, rief Shade aus dem Bad.

»Ja.«

»Okay.« Wie sie das Okay betonte, kam ihm komisch vor.

»Wieso fragst du?«

»Na ja, du hast hier ziemlich viel Frauenkram. Stehst du auf so was?«

Jetzt musste er lachen. »Das gehört der Vorbesitzerin. Ich hab’s nur nicht weggeräumt.«

»Wieso nicht?«

Die Dusche sprang an, zum Glück, denn nun musste er an Liberty denken, und ihm wäre keine Antwort eingefallen, die nicht schräg oder verzweifelt geklungen hätte.

Nachdem er sich angezogen hatte, war auch Shade mit Duschen fertig.

Mit einem Arm streckte sie einen rosa Morgenmantel mit New-York-Aufdruck aus dem Badezimmer und winkte damit. »Kann ich den anziehen?«

»Sicher. Fühl dich wie zu Hause.«

Sie kam zu ihm. Das kurze Haar noch tropfnass, ließ sie sich neben ihn auf die Couch fallen, sodass er einen guten Blick auf die Datenanschlüsse unter ihrem linken Ohr hatte.

Das brachte ihn dazu zu sagen: »Ich verstehe immer noch nicht so richtig, wie das mit dem Ghostnet funktioniert.«

»Ich kann’s dir zeigen. Jetzt. Ich habe alles dabei.«

»Sagtest du nicht, es ist gefährlich?«

»Nicht für dich. Nur für mich.« Sie lachte über Quillans fragende Miene und begann damit, ihren Rucksack auszupacken. Ein paar Kleidungsstücke, ein paar Hygieneartikel, ein zweites Paar Schuhe und ein Set aus unscheinbar aussehenden Technikteilen, von denen ihn eins an eine Brille erinnerte, wie sie in 3-D-Simulationen verwendet wurde.

»Dauert das lange?«, fragte er.

»Wir machen nur einen kurzen Ausflug. Ein paar Minuten höchstens. Willst du’s versuchen?«

»Warum nicht«, erwiderte er, mit der Schulter zuckend.

»Cool. Ich brauch nur einen Dataport, in den ich mich einstöpseln kann.«

»Da vorne, neben dem TV Panel.«

Shade nahm ein Gerät, dessen Form Quillan an einen Lightpen erinnerte, mit dem man in die Luft schreiben konnte. Sie klappte es auseinander und teilte es in zwei Hälften. Ein Ende steckte sie in den Dataport, das andere in die Buchse unter ihrem Ohr.

»Was passiert jetzt?«, fragte Quillan fasziniert.

»Ich logge mich ein. Mit der Brille kannst du sehen, was ich sehe.«

»Kann ich auch irgendwas tun?«

»Nein, du bist nur Passagier. Aber du kannst mit mir reden. Die Brille hat ein Mikro. So, jetzt setz sie auf und entspann dich.«

Die Brille drückte ihm auf Stirn und Nasenbein, der Monitor, der für ihn die Leinwand sein würde, war noch schwarz. Die Kopfhörer schlossen so dicht ab, dass er nichts mehr um sich herum wahrnehmen konnte.

»Kannst du mich hören?«, fragte er, nur um sich zu vergewissern, dass er nicht plötzlich taub geworden war.

»Ja, ich hör dich gut. Fertig? Jetzt geht’s los.«

Zuerst einmal geschah gar nichts, außer dass Quillan vor Anspannung die Luft anhielt.

Plötzlich erschienen Licht und bunte Punkte, die vor ihm herumtanzten. Er brauchte einen Moment, um zu erfassen, dass Shade mit ihm sprach. »Na, was sagst du?«

Quillan sah sich um und staunte über die Höhe, aus der er auf eine fremde Welt sah. Er schien zu fliegen, und obwohl er wusste, dass er mit dem Hintern auf der Couch saß, wurde ihm mulmig und schwindelig.

Shade ahnte wohl, was in ihm vorging, denn sie sagte: »Das ist normal, daran gewöhnst du dich schnell.«

Unter ihnen zog etwas vorbei, das Quillan in der realen Welt als Wolken definiert hätte, hier aber waren es … Konstrukte aus geometrischen Formen, die sich verbanden und wieder voneinander lösten. In manchen erkannte er Zahlenreihen aus binären Codes. Das Ganze schien bis in die Unendlichkeit zu reichen, und obwohl um ihn herum ein seltsames Dämmerlicht herrschte, konnte er alles genau erkennen. Erst als ihm das bewusst wurde, bemerkte er, dass es keineswegs still war, wie er im ersten Augenblick angenommen hatte. Vielmehr hörte er nun Musik, Stimmen und rätselhafte Laute, die kamen und wieder verschwanden.

»Was ist das?«, fragte er und vergaß über die vielen Eindrücke, dass ihm schwindelig war.

»Das ist das Ghostnet. Was du da siehst und hörst, ist das, was nach dem Cyberkrieg übrig geblieben ist.«

Ihre Stimme klang warm und angenehm in seinem Kopf, als wäre es seine eigene Stimme, die zu ihm sprach. »Verlorene Daten, die keinen festen Platz mehr haben und wie Geisterschiffe für alle Zeit endlos umhertreiben.«

»Shade, wohoo. Du bist zurück. Wurde auch Zeit.«

Vor ihnen schwebte ein armlanger roter Comicteufel mit flatterndem Cape, plüschigen Beinen, muskelbepackten Armen, kleinen Teufelshörnchen und einem riesigen Raketenwerfer in den Händen. Sein breites Grinsen reichte von einem Stummelohr zum anderen. »Wer’s ’n das?«, fragte der Teufel.

»Das ist Mike. Ein Freund, sei also nett zu ihm. Ich zeig ihm das Ghostnet. Mike, das ist Norman.«

»Bietest du jetzt auch Sightseeing Trips an?«, fragte Norman grummelnd.

»Er war neugierig und … ach, was diskutiere ich denn hier mit dir rum? Du bist mein Companion, nicht meine Mutter. Also los jetzt.«

»Wo geht es denn hin?«

»Du kannst unbesorgt sein, Mike. Wir sehen uns nur ein bisschen um.« An den kleinen Teufel gewandt sagte sie: »Bring uns zu dem Punkt, an dem wir das letzte Mal waren.«

»Ein kleines Bitte wäre wohl zu viel verlangt, was?« Norman klang beleidigt, was Quillan zum Lachen brachte.

»Is’ was lustig?«, fragte der Teufel, wobei kleine Dampfwolken aus seinen Nasenlöchern kamen.

»Ich habe eine Cis-Einheit, die ist genauso zickig drauf wie du.«

»Der bin ich begegnet, als ich deine Adresse gesucht habe«, meinte Shade. »Die ist hübsch.«

»Du … du hast sie gesehen?«

»Na klar. Fast jede KI wird mit einem Körper programmiert oder zumindest mit einem Gesicht. Du kannst sie mit jedem Holoprojektor sichtbar machen, oder mit so einer Brille, wie du sie jetzt trägst. Hast du das noch nie gemacht?«

»Nein, noch nie. Wozu soll das gut sein?«

»Zur gemeinsamen Interaktion zum Beispiel. Zudem ist es ein Schutzmechanismus. Er verhindert, dass sich die KI ungehindert ausbreiten kann. Der Körper ist das Gefäß sozusagen.«

»Ja, und Shade hat sich entschieden, mein Gefäß so aussehen zu lassen.« Norman rümpfte die schwarze Nase und zog an seiner Haut wie an einem zu engen Kleidungsstück.

»Er hat auch andere Formen, aber die gefällt mir am besten«, erklärte Shade mit der Andeutung eines Schulterzuckens. »Jetzt haben wir aber genug gequatscht. Würdest du jetzt tun, um was …«

»Könntest du mir Cis zeigen?«, fragte Quillan aufgeregt.

»Sicher. Warum nicht. Norman, du hast ihn gehört.«

»Also nehm ich jetzt auch noch Befehle von Anhaltern entgegen? Phh! Mit mir kann man es ja machen.«

»Norman!«

»Ja, schon gut, schon gut.« Während er lamentierte, fasste er sich mit einer Hand an die Stirn, schloss die Augen, und aus dem Nichts tauchte ein Strudel aus Licht vor ihnen auf, dessen Ende sich in der Endlosigkeit verlor.

Quillan konnte spüren, wie er in den Strudel eingesaugt wurde. Nur wenige Wimpernschläge später hatte sich die Umgebung vollständig verändert.

Sie standen vor den Umrissen eines Hauses, das beleuchtete Leiterbahnen wie Adern in einem menschlichen Organismus durchzogen. Er erkannte es als das Haus, in dem er wohnte.

Hier schien alles geordnet und an seinem Platz zu sein. »Sind wir noch im Ghostnet?«, musste er dann auch fragen, was Shade mit dem Kopf schütteln ließ. »Das ist ein kleiner Teil des Webspace. Ein Cube.«

»Was heißt das?«

»Du hast dich mit so was noch nie beschäftigt, stimmt’s?«

»Noch nie.«

»Puh, wie soll ich dir das mit ein paar Worten erklären? Ich versuch’s mal. Nach der Zerstörung des alten Datennetzwerkes hatte man erkannt, dass es weder reaktiviert noch deaktiviert werden konnte. Also überließ man es sich selbst. Daraus wurde das Ghostnet. Der Webspace ist die Neuauflage und umspannt die gesamte Welt. Doch um den Schäden eines neuen Cyberkriegs vorzubeugen, wurden die Cubes geschaffen. Es gibt Milliarden davon. Cubes sind beschränkter Raum. Wird darin zum Beispiel ein Virus freigesetzt, kann der Cube vom großen Ganzen abgetrennt werden. So bleibt der Schaden begrenzt und kann schneller bekämpft werden. Hier, wo deine Wohnung liegt, befinden wir uns im Cube Brooklyn. Dein Haus ist ein kleiner Teil davon, der dann noch mal in die einzelnen Wohnungen aufgeteilt wird. Es gibt nur wenige Schnittstellen, an denen Daten transferiert werden können. Die werden dann meist von Sicherheitsprogrammen überwacht.« Sie machte ein mitleidiges Gesicht. »Bei dir im Haus gibt es allerdings kein einziges davon. Wir können also einfach reinspazieren.«

Sie gab ihrem Companion einen Wink, der sofort mit den Fingern schnippte.

Nun standen sie in einem Raum, dessen Maße nur durch leuchtende Linien an Wänden und Decke auszumachen waren. In dessen Mitte schwebte ein weiblicher Körper, der von innen heraus zu strahlen schien.

»Ist das Cis?«

Shade nickte. »Sie befindet sich im Stand-by-Modus. Warum hast du sie nicht aktiviert?«

Er hörte gar nicht zu, denn sein Blick haftete an ihrem Gesicht. Ein Schauer überkam ihn, der ihn sprachlos machte.

»Was ist?«, fragte Shade.

»Das ist Emilia. Meine … Verlobte. Aber … das kann nicht sein. Sie ist tot. Sie wurde ermordet.«

»Cis ist eine KI mit einer eigenen Persönlichkeit. Ich vermute, sie hat sich dazu entschlossen, Emilia zu sein.«

»Jetzt verstehe ich auch ihre Eifersucht. Aber warum tut sie mir das an?«

»Frag sie. Ich kann sie sofort aufwecken, wenn du willst.«

»Nein, lass … uns gehen. Ich habe genug gesehen.«

»In Ordnung, wie du willst. Aber es gibt da noch einen anderen Ort, den ich dir unbedingt zeigen will.«

Er konnte seine Augen nicht von Cis’ Gesicht nehmen, das dem Emilias bis ins Kleinste glich. Sie schien zu schlafen. Er bräuchte sie nur zu berühren, um aus dem grausamen Albtraum aufzuwachen, in dem er wusste, dass sie tot war.

»Okay. Zeig mir, was du willst. Nur lass uns von hier verschwinden.«

Gleich darauf befanden sie sich wieder in dem Lichttunnel, der sie an einen gänzlich anders aussehenden Ort brachte.

Um ihn herum herrschte das Fauchen eines Sturms, der dem Heulen gigantischer Wölfe glich. Doch es war nur das Geräusch, nichts, was er im Haar oder auf der Haut hätte spüren können.

Die Umgebung erinnerte ihn an eine Ruinenstadt nach einem vernichtenden Bombardement. Einzelne Gebäudeteile hatten sich abgelöst, wurden von dem seltsamen Wind aber nicht fortgetragen, sondern schwebten auf der Stelle.

In diesem Chaos erkannte er Gestalten, die nur aus Rauch zu bestehen schienen. Nur mit viel Fantasie konnte er in ihrer Form etwas Körperliches erkennen.

»Das sind Creeps«, erklärte Shade, die seinem aufmerksamen Blick folgte. »Companions, die ihre Slider verloren haben. Irgendwann vergessen Sie ihre Gestalt und werden zu denen da. Sie sind unberechenbar und können jederzeit angreifen. Das hier ist ein gefährlicher Sektor.«

Quillan glaubte, in der Ferne die schroffe Silhouette eines Berges zu erkennen. »Was ist das?«

»Das ist das große Ding, von dem ich gesprochen habe und bei dem JJ mir helfen sollte, bevor er verschwunden ist. Ich nenne es eine Datenfestung.«

»Und da willst du rein.«

»Wenn ich wüsste wie, ja. Aber die Programme, die ich habe, sind zu schwach. Ich würde mir die Zähne daran ausbeißen. Wir können uns umsehen, das war’s dann aber auch schon.«

»Wie machen wir das? Tarnen wir uns?«

»Das sind wir längst, sonst hätten die Creeps uns schon gewittert. Ich hab da was anderes. Invisible Eye.«

Kaum hatte sie es ausgesprochen, erschien eine kleine transparente Kugel aus dem Nichts, die in der Luft schwebte und gleich in die Richtung losflog, in die Shade zeigte.

»Jetzt warten wir, dass sie uns Aufnahmen liefert.«

»Wie lange dauert das?« Er hatte noch nicht ausgesprochen, da stand er bereits inmitten einer Dreihundertsechzig-Grad-Aufnahme, die ihnen die Kugel zusandte.

»Als würde man in die Hölle sehen«, war sein Kommentar.

Das Gebilde, das er als Berg wahrgenommen hatte, schien jeder physikalischen Regel zu widersprechen. Geometrische Formen und abstrakte Gebilde, die sich in-, über- und miteinander verbanden, streckten sich in die Höhe und verloren sich in der Endlosigkeit eines nicht existenten Himmels. Dazwischen erhoben sich Mauern mit Fenstern, Säulen, Kuppeln und Dächer. Überreste menschlicher Fantasie, mit der die Realität in der virtuellen Welt nachgebaut worden war. Alles befand sich in ständiger Bewegung. Nichts blieb an seinem Platz. Dieses Etwas in seinem Gigantismus zu sehen ließ Quillan das Atmen vergessen. Er fühlte sich an einen lebenden Organismus erinnert, der in seiner Gier niemals zufrieden sein würde.

Zwischen diesem Chaos liefen, krochen und flogen bizarre Kreaturen umher.

Für manche konnte er einen Vergleich in der realen Welt finden. Shade erklärte, was er sah. So waren die Bluthunde gigantische Kreaturen von der Größe eines Autos, mit leuchtenden Augen und stählernen Körpern. Andere glichen fetten Maden, in deren glatten, durchscheinenden Leibern grüne Zahlenreihen binärer Codes illuminierten.

»Das sind Sammler. Sie saugen alle Daten auf, die ihnen in den Weg kommen. Wenn du sie angreifst, können sie Viren freisetzen und dich infizieren.«

»Klingt übel.«

»Ist es. Wenn du Pech hast, zerstören sie dir die Implantate.«

Quillan rang mit sich, ob ihn der Anblick dieser fremden Welt faszinieren oder ängstigen sollte. Vermutlich war es eine Mischung aus beidem. So hatte sich das seltsame Bauwerk in den wenigen Sekunden, die er es betrachtete, immer wieder gewandelt, waren Teile in sich zusammengefallen, um dann mit neuen Auswüchsen anders zu entstehen.

In diesem Augenblick tat es einen Schlag. Ein Erdbeben riss den Boden auf. Gesichtslose Kreaturen, in ihrer Form einem Menschen ähnlich, krochen aus den entstandenen Spalten hervor. Unter der weißen Haut stachen die Knochen deutlich hervor. Sie waren an die zwei Meter groß, spindeldürr und geschlechtslos. Ihre Arme reichten fast bis zum Boden und endeten in klauenartigen Händen.

Einer von ihnen schnappte mit blitzartiger Schnelligkeit nach dem Invisible Eye und zerquetschte es. Die Dreihundertsechzig-Grad-Ansicht verschwand im gleichen Augenblick.

»Wer sind die?«, rief Quillan erschrocken.

»Die … die hab ich … noch nie zuvor gesehen.«

Zu ihrem Entsetzen erhob sich eine weitere Kreatur, größer als die anderen, mit der Andeutung eines Mundes, den sie zum Schrei öffnete. Die Haut zog dabei Fetzen wie verwehender Nebel. Der Schrei glich nichts, was Quillan je zuvor gehört hatte. Eine Mischung aus dem Jaulen eines Tieres, statischen Interferenzen und dem schrillen Pfeifen eines überlasteten Lautsprechers. Es gab kein An- oder Abschwellen, der Ton bohrte sich gleichbleibend schmerzhaft in sein Gehirn.

Die Kreatur hob den Arm, streckte die Hand aus und zeigte auf sie, was die anderen Wesen dazu brachte, augenblicklich loszustürmen. Wie jagende Raubtiere gingen sie dabei auf alle viere, machten weite Sätze über Spalten hinweg und würden ihr Ziel schon bald erreichen. Mit ihnen gemeinsam rannten die Bluthunde, die ihrer Spur folgen und sie hetzen würden, bis es kein Entkommen mehr gab.

»Scheiße! Wir müssen verschwinden. Norman! Glue Guns!«, rief Shade ihrem Companion zu. »Verschaff mir Zeit!«

Der Raketenwerfer änderte sein Bild in etwas, das einem Flammenwerfer ähnelte. Doch statt Feuer schossen Kugeln aus Klebstoff auf die Angreifer, die über ihnen explodierten und sie umhüllten. Der Ansturm der Gesichtslosen kam für einen Moment zum Erliegen, nur die Bluthunde ließen sich nicht aufhalten. Sie rissen die klebrigen Fäden einfach entzwei.

Shade tat drei Dinge gleichzeitig in einer Bewegung. Sie erschuf eine dichte Rauchwolke, die sie unsichtbar machte, und vier Kopien von sich, die sie in alle Himmelsrichtungen davonschickte, um falsche Fährten zu legen. Zuletzt öffnete sie ein wirbelndes Portal aus flackerndem Licht zu ihren Füßen, in das sie hineinsprang.

Quillan konnte nichts tun, außer die Augen zu schließen, um die wiederaufkommende Übelkeit zu bekämpfen. Dass er immer noch auf seinem Sofa saß und sich alles nur in seinem Kopf abspielte, nahm er schon nicht mehr wahr. Zu echt wirkte die Welt, und zu echt war die Angst vor ihren Verfolgern.

Der Sturz durch das Portal dauerte nur einen Wimpernschlag, als sie einen anderen Ort des Ghostnets erreichten. Doch sie blieben nicht lange, schon hatte Shade weitere Kopien von sich losgeschickt, wieder eine Rauchwolke produziert und wieder ein Portal geöffnet.

Ein einziger Bluthund hatte sich nicht abschütteln lassen. Quillan erinnerte sich daran, das Shade etwas von einer Signatur erzählt hatte, die ein Slider hinterlässt. Das musste es sein, was den Bluthund auf ihrer Spur hielt.

Die nächsten Kopien, der nächste Rauch, das nächste Portal. Die wilde Jagd ließ ihn nicht mehr zu Atem kommen.

Um ihn herum wirbelten Farben und Geräusche. Oben, unten, links, rechts, das hatte keine Bedeutung mehr.

Dann sah er ein geöffnetes Maul, Reißzähne, blutrote Augen und einen Körper aus Stahl. Der Bluthund hatte sie eingeholt.

»Schieß!« War das Shade? Norman? Er konnte die Stimmen nicht mehr auseinanderhalten.

Ein Blitz, begleitet von einem Krachen wie ein Schuss.

Plötzlich … Stille. Quillan schmeckte seinen Schweiß auf den Lippen. Er blinzelte, um ihn herum … Dunkelheit.

Endlich hörte er etwas. Seinen eigenen Atem und dazwischen die Stimme einer Frau, flüsternd, weit weg. Shade? Hatte er ihren Namen laut gesagt oder nur daran gedacht, es zu tun?

Eine Berührung an der Stirn ließ ihn zusammenzucken. Jemand nahm ihm die Brille ab. Licht, ein verzerrtes Gesicht, das ihm zulächelte.

Er lag auf dem Boden neben seiner Couch. Shade stand über ihm und half ihm aufzustehen. »Was für ein Trip«, sagte sie mit einem Lachen, das den Schrecken, der ihr im Gesicht stand, nicht überdecken konnte.

Quillan sah noch immer den Bluthund vor sich, die roten Augen, das geöffnete Maul. »Wir sind entkommen, oder?«

»Ja, sind wir. Aber es war eng. Ich habe noch nie so viele falsche Fährten legen müssen.«

»Und du bist dir sicher, dass er nicht weiß, wo wir hin sind?«

»Sagen wir zu achtzig Prozent sicher.«

Das war weniger, als Quillan gehofft hatte. Eine enthusiastischere Shade hätte ihm besser gefallen. »Hoffen wir mal, dass es reicht. Was ist mit Norman?«, fragte er und sah sich um, in der Erwartung, den kleinen Teufel irgendwo zu entdecken, was nicht der Fall war.

»Den habe ich sicher in meinem Speicher verwahrt«, erwiderte sie und gönnte sich einen Energydrink, den sie in ihrem Rucksack mitgebracht hatte.

Während sie geräuschvoll trank, legte sie die nackten Beine auf den Tisch und entspannte sich langsam. »Wie war’s für dich?« Ihr Grinsen verriet, welche Antwort sie von ihm erwartete.

Quillan suchte nach Worten, die dem Erlebten annähernd gerecht wurden. »Überwältigend«, war das Einzige, was ihm zunächst einfiel. Er brauchte weitere lange Minuten, bis er endlich das Chaos seiner Gedanken sortiert hatte. »Dieses … Konstrukt …«

»… du meinst die Datenfestung.«

»Ja, das war die Hölle. Warum willst du da unbedingt rein?«

»Stell dir nur mal vor, was darin zu finden sein muss.«

»Keine Ahnung.«

»Geld natürlich. So viel, dass ich mir nie wieder Gedanken um die Zukunft machen muss. Essen, was ich will, schlafen, wo ich will. Coole Klamotten und immer die beste Tech.«

»Bei mir kriegst du immerhin einen Platz zum Schlafen und Käfermüsli.«

Sie lachte und verschüttete was von dem Energydrink auf dem Morgenmantel, was gelbe, wenig ansehnliche Flecken zurückließ.

*

Jemand war an der Tür und hämmerte mit der Faust dagegen.

Shade schrak hoch und flüchtete sich in die Küche. Quillan schnappte sich seine Pistole. Dann erkannte er die Stimme. »Mike. Mach auf! Ich hör doch, dass du da bist.«

»Cole?«

»Nein, Präsident Stoddard. Klar, bin ich es!«

Quillan öffnete seinem Partner. Cole platzte herein. »Sag mal, bist du taub? Ich versuch schon seit einer halben Stunde dich zu erreichen.« Er stutzte, als er Shade im Bademantel bemerkte. Sofort hatte er sein übliches Grinsen auf den Lippen, wenn er etwas Schlüpfriges vermutete.

»Es ist nicht so, wie es aussieht.« Gott, klingt das lahm, dachte Quillan, kaum dass er es ausgesprochen hatte.

»Sicher.« Das Grinsen wurde breiter. »Schön, dass ihr ’ne nette Nacht hattet.«

»Sie hat mich ins Ghostnet mitgenommen.«

»So nennt man das inzwischen also. Wieder was gelernt.«

»Ach, du bist unmöglich.« Quillan gab auf und fragte: »Was ist denn so dringend?«

Cole hob Zeige- und Mittelfinger. »Zwei Sachen. Wir haben Tadestus Cobb.«

»Der Typ aus der Werkstatt! Das sind tolle Neuigkeiten.«

»Wie man’s nimmt. Er ist den State Troopern in die Arme gelaufen und hat sich zur Wehr gesetzt. Die haben nicht lange gefackelt. Ich habe die Aufnahmen gesehen. Von dem ist nicht mehr viel übrig.«

»Hm. Typisch State Trooper. Was ist mit dem Geld, das Cobb dabeihatte?«

»Verschwunden.«

»Ob er es jemandem übergeben hat?«