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Dieser Sammelband beinhaltet die besten Kriminal- und Gänsehautgeschichten des deutschen Schriftstellers. Inhalt: Bella Der Handkuss Die Kröten-Mühle. Der Taubstumme. Der Henker Ein Mord in Riga
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Seitenzahl: 529
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Gänsehautgeschichten
Karl von Holtei
Inhalt:
Karl von Holtei – Biografie und Bibliografie
Bella
Der Handkuss
Die Kröten-Mühle.
Der Taubstumme.
Der Henker
Ein Mord in Riga
Gänsehautgeschichten, Karl von Holtei
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849638573
www.jazzybee-verlag.de
Dichter und Schriftsteller, geb. 24. Jan. 1798 in Breslau, gest. daselbst 12. Febr. 1880, besuchte das Magdalenen-Gymnasium seiner Vaterstadt, gab aus Neigung zum Theater die akademische Laufbahn, für die er sich vorbereiten wollte, auf und debütierte 1819 als Mortimer in Schillers »Maria Stuart« auf der Breslauer Bühne. Schon 1821 entsagte er nach einem in Dresden erlebten Unfall der ausübenden Kunst wieder, heiratete die Schauspielerin Luise Rogée und wurde Theatersekretär und Theaterdichter in Breslau. 1823 siedelte er nach Berlin über, wo seine Frau am Hoftheater ein Engagement erhielt. H. verfaßte hier die mit größtem Beifall aufgenommenen Liederspiele: »Die Wiener in Berlin« und »Die Berliner in Wien« und gab auch »Gedichte« (Berl. 1826; 5. Aufl., Bresl. 1861) heraus. Für die Königsstädtische Bühne, der er sich nach dem frühen Tode seiner Gattin anschloss, lieferte er eine große Anzahl von Stücken, darunter die allbekannten: »Der alte Feldherr« und »Lenore«, die teils in den von H. herausgegebenen Bänden 8–10 des »Jahrbuches deutscher Bühnenspiele«, teils in seinen »Beiträgen für das Königsstädter Theater« (Wiesb. 1832, 2 Bde.) gedruckt erschienen. Gleichzeitig gab er die Sammlung »Schlesische Gedichte« (Berl. 1830, 21. Aufl. 1899) in schlesischer Mundart heraus und trat öffentlich als Vorleser klassischer Dramen (besonders Shakespeares) auf. Mit seiner zweiten Frau, Julie Holzbecher (s. unten), nahm er ein Engagement in Darmstadt an, kehrte aber 1830 nach Berlin zurück, schrieb hier: »Das Trauerspiel in Berlin«, in dem er den Berliner Jargon zu tragischen Zwecken benutzte, dichtete den Text zu Gläsers längere Zeit beliebter Oper »Des Adlers Horst« und schrieb das Schauspiel »Der dumme Peter«. Auch betrat er 1833 selbst wieder die Bühne und machte mit seiner Gattin eine Kunstreise, für die er unter anderem die Dramen: »Lorbeerbaum und Bettelstab« und »Shakespeare in der Heimat« (beide Schleusingen 1840) schrieb. Seit 1837 führte er die Direktion des Rigaer Theaters, legte sie aber nach dem Tode seiner zweiten Gattin (1839) nieder und trat von neuem ein Wanderleben durch Norddeutschland an, bis er die Direktion des Theaters in Breslau übernahm. In dieser Zeit ließ er außer seinen »Briefen aus und nach Grafenort« (Altona 1841) und dem autobiographischen Werk »Vierzig Jahre« (Berl. 1843–50, 8 Bde.; 4. Aufl. von Max Grube, Bresl. 1898, 2 Bde.). dem sich später als Anhang »Noch ein Jahr in Schlesien« (Berl. 1864, 2 Bde.) anschloss, seine dramatischen Werke in einem Band als »Theater« (Bresl. 1845; Ausg. letzter Hand, das. 1867, 6 Bde.) erscheinen. Seit 1850 lebte er abwechselnd in verschiedenen deutschen Städten, längere Jahre in Graz, zuletzt wieder in Breslau, wo er im Kloster der Barmherzigen Brüder starb. Zwei Jahre nach seinem Tode wurde ihm auf der sogen. Ziegelbastion daselbst (jetzt Holteihöhe genannt) ein Denkmal errichtet, ein andres (bronzenes Relief) 1902 auf der »Holteihöhe« am Kirschberg bei Obornigk. Außer den genannten Schriften hat H. auch eine Reihe von Romanen geschrieben, wie: »Die Vagabunden« (Bresl. 1851, 4 Bde.; 8. Aufl. 1894), »Christian Lammfell« (das. 1853, 5 Bde.; 4. Aufl. 1878), »Die Eselsfresser« (das. 1860, 3 Bde.), »Noblesse oblige« (Prag 1857), »Ein Schneider« (Bresl. 1854, 3 Bde.; 2. Aufl. 1858), »Ein Mord in Riga« (Prag 1855), »Schwarzwaldau«[487] (das. 1856), »Haus Treustein« (Bresl. 1866, 3 Tle.), »Der letzte Komödiant« (das. 1863) u. a., die sämtlich in seinen »Erzählenden Schriften« (das. 1861–66, 39 Bde.) gesammelt erschienen. Diese Romane entbehren nicht liebenswürdiger Züge, leiden aber an Lockerheit der Komposition und Flüchtigkeit der Darstellung. Dagegen gebührt H. das unbestreitbare Verdienst, das Vaudeville in Form des deutschen gemütlichen Liederspiels in Deutschland eingebürgert zu haben. Viele seiner Lieder, von denen er u. d. T.: »Deutsche Lieder« (Schleusing. 1834, 2. Aufl. 1836) eine Sammlung herausgab, sind volkstümlich geworden. Auch die »Schlesischen Gedichte«, deren Wert man erst in neuerer Zeit erkannte, müssen als eine der schönsten Gaben der Holteischen Muse betrachtet werden. Der Krieg 1870/71 begeisterte den greifen Dichter zu einer Sammlung seiner »Königslieder« (Berl. 1870, 3. Ausg. 1878). Außerdem nennen wir von seinen Veröffentlichungen der letzten Zeit: »Charpie« (Bresl. 1866, 2 Bde.); »Nachlese. Erzählungen und Plaudereien« (das. 1871, 3 Bde.); »An Grabes Rande. Blätter und Blumen« (2. Ausg. 1876) und »Fürstbischof und Vagabund« (das. 1882), worin H. sein Verhältnis zum Fürstbischof Förster schildert. Auch gab er in den letzten Jahren aus seinen Autographenschätzen mehrere Sammlungen von Briefen heraus. Zu seinem 100. Geburtstag veröffentlichte Nentwig aus der Schaffgotschschen Bibliothek Holteis 1818 geschriebene »Reise ins Riesengebirge« (Warmbr. 1898). Vgl. »Karl v. H., Biographie« (Prag 1857); Kurnik, Karl v. H., ein Lebensbild (Bresl. 1880); F. Wehl, Zeit u. Menschen (Altona 1889); O. Storch, Karl v. H. (Waldenb. 1898); Lindau, K. v. Holteis Romane (Leipz. 1904). – Holteis erste Gattin, Luise, geborene Rogée, geb. um 1800, betrat zuerst 1820 die Breslauer Bühne und starb als Mitglied des königlichen Theaters in Berlin 1825. Sie war in naiven und sentimentalen Rollen, besonders als Käthchen von Heilbronn, ausgezeichnet. H. feierte sie durch eine Sammlung von Gedichten: »Blumen auf das Grab der Schauspielerin H.« Seine zweite Gattin, Julie, geborene Holzbecher, geb. 1809 in Berlin, seit 1823 Mitglied des Königsstädter Theaters daselbst, 1830 des Theaters in Darmstadt, kehrte 1831 nach Berlin zurück und starb 1839 in Riga. Sie war im Lustspiel, namentlich in Berliner Lokalstücken, durch Keckheit und Anmut bezaubernd.
Am Gesundbrunnen zu R. stellte sich vor einigen Jahren ein junges Paar ein, welches die Aufmerksamkeit sämmtlicher Badegäste auf sich zog. Der Mann ein bleicher, düsterer Dreißiger mit scheuem Blick und verlegenem Benehmen! die Frau vielleicht zehn Jahre jünger, ein Bild der sittsamsten Anmuth, doch sicher und frei in ihrem Wesen.
Beide waren sichtbar krank, auch trotz einer gewissen Zierlichkeit in Tracht und Haltung ziemlich dürftig. Man sah sie nur des Morgens am Brunnen, sonst in keinem geselligen Kreise. Desto höher steigerte sich das Interesse, welches Männer und Frauen für Frau und Mann nährten. Diesem Interesse gesellten sich bald Neugierde und – Argwohn. Die jungen Leute schienen sich sehr zu lieben; ja, oft glich ihr Verhältniß mehr einer eben geschlossenen glühenden Verbindung, als einer seit Monaten bestehenden Ehe. Dann aber sah man sie wieder verstimmt, kalt und unfreundlich neben einander her gehen.
Das Unglück lag auf ihnen und breitete sich über sie wie ein schwarzer Schleier, durch den, nur umhüllt, die Schönheit der Frau, der unsichere Feuerblick des Mannes strahlte. Wohl fehlte es nicht an jungen Damen, die jenem Feuerblicke gern begegnen und sich unter dem Fremden (wir nennen ihn Hugo) einen sehr geistreichen Mann denken mochten. Aber noch größer war die Zahl junger und älterer Bewunderer, die an Natalien's Bewegungen hingen und im Salon ziemlich unverhohlen gestanden, daß sie den geselligen Zusammenkünften sehr fehle. Jede Bemühung, das Paar dorthin zu locken, blieb fruchtlos. Beide wiesen alle Einladungen zurück, erwiederten keinen Besuch und schnitten so den hoffnungslosen Verehrern die Aussicht auf nähere Bekanntschaft ab. Daß es mir gelang, der Freund Hugo's zu werden, verdank' ich einem Zufall. Ich würde darüber, so wie über das ganze Ereigniß, meinem Worte getreu, ewiges Stillschweigen beobachten, hätte nicht der Tod, dieser Entbinder von so mancher treu bewahrten Pflicht, mich auch meines Versprechens entbunden. Erst vor Kurzem empfing ich aus Paris die Nachricht von Hugo's Tode. Mit ihr zugleich ein Briefchen von ihm, kurz vor seinem Ende geschrieben, in welchem er mich geradezu auffordert, seine Geschichte zu erzählen. Er nimmt in diesen mit zitternder Hand geschriebenen Zeilen einen recht rührenden Abschied vom Leben und mir; deutet, wenn gleich unklar und schwankend, die Hoffnung an, mit geliebten vorangegangenen Wesen wieder vereinigt zu werden, und erinnert mich in tiefer Wehmuth an die Tage, wo wir uns fanden! – In meinem Gedächtniß hatten jene Tage und ihre Begebenheiten nur noch dunkel gelebt. Neuere, frischere Lebensbilder hatten sie schnell verdrängt. Aber Hugo's Zeilen riefen sie mächtig wieder hervor. Das Blatt war von seinen Händen gefaltet, diese Züge von seiner Feder geschrieben, diese Lettern von seinen Thränen verwischt. Und so sah ich ihn denn vor mir, wie damals in R., als ich sinnend und schwermüthig über strauchbewachsene Felsen kletternd plötzlich mit ihm zusammen traf. Wir hatten uns seit drei Wochen täglich in der Brunnen-Allee gesehen; jetzt staunte ich ihn an, als kämen wir uns zum ersten Male entgegen.
Retten Sie mich, rief er mir zu, retten Sie mich vor dem Alten, er verfolgt mich noch immer! Und mit diesen in höchster Angst ausgestoßenen Worten warf er sich in meine Arme.
Welcher Alte?
Der Mann mit dem grauen Barte, sprach er und deutete in den Abgrund hinab, aus dem er emporgeklettert war. Ich folgte seiner Hand mit den Augen und erblickte Niemand.
Unter dem Namen "der Alte mit dem Barte" war ein Franzose im Bade bekannt, der sich schon früher dort eingefunden hatte, als irgend Jemand von der ganzen Gesellschaft.
Man sagte, er halte in einem abgelegenen Bauernhäuschen eine kranke Tochter verborgen; doch wußte Niemand etwas Genaues von ihr, und Niemand hatte sie gesehen. Sein Aeußeres war nur abschreckend, deshalb bekümmerte man sich nicht um ihn; auch ihm schien es gleichgültig, was im Orte vorgehe; ja er verweigerte der Gesellschaft sogar recht absichtlich die gewöhnlichsten Höflichkeitsbezeugungen. Was er mit diesem Alten zu schaffen habe, war natürlich meine erste Frage an Hugo.
Was ich mit ihm zu schaffen habe? Was ich mit ihm zu schaffen habe? Weiß ich's, den er verfolgt wie ein Gespenst? – Was haben Sie mit einem Traume zu schaffen, der Nacht für Nacht Sie ängstigt und endlich sogar am Tage, in Gottes heiterm Sonnenlichte vor Ihnen aufsteigen will? – Ich kenne ihn nicht, ich weiß Nichts von ihm! und doch wird mir bange, wenn ich ihn sehe. Heute, von häuslichem Kummer belastet – meine arme Frau ist wieder krank – benütze ich einen ruhigen Augenblick, wo sie sanfter schlief, um frische Bergluft zu schöpfen. Kaum bin ich im Freien, seh' ich ihn hinter mir, und je schneller ich laufe, desto näher ist mir der Widerwärtige. Zuletzt muß es nur sein Schatten gewesen sein, der zauberhaft an den meinen gebunden ist; denn eben, als ich Sie sah, glaubte ich ihn dicht hinter mir – und nun sind wir zu Zweien. O verlassen Sie mich nicht und erlauben Sie mir, mit Ihnen zurückzukehren.
Ich faßte den Arm des Geängstigten, und wir traten langsam den Rückweg an. Welche Besorgniß, nahm ich endlich das Wort, kann Sie, einen starken jungen Mann, zur Flucht vor dem thörichten Greise anspornen? Haben Sie Gründe zu glauben, daß er Ihnen ein Leid zufügen will? Kennen Sie ihn denn gar nicht? Haben Sie niemals in einem Verhältniß mit ihm gestanden? – Ich muß, begann Hugo mit mehr Fassung als zuvor, ich muß ihn schon einmal im Leben gesehen haben. Aber fragen Sie nicht wie, wann und wo? Ich selbst würde glauben, daß auch eine Schuld gegen ihn auf mir laste, deren Bewußtsein mich in Furcht jagt, wenn ich mich nur auf irgend einen, auch den kleinsten Umstand besinnen könnte. In Frankreich war ich allerdings früher; – dort habe ich meine Frau kennen gelernt. Dort auch kann ich das Schreckbild, welches mich hier peinigt, schon gesehen haben. Aber niemals bin ich mit ihm in Berührung gekommen. Ich müßte es ja wissen! Ich bin ja noch nicht wahnsinnig! Ich weiß ja zu genau, was um mich her, fühle, ach! zu tief, was in mir vorgeht! Mein Gedächtniß ist nur zu gut; denn oft würde ich mein halbes Leben darum geben, daß die Vergangenheit minder hell vor mir läge! Warum also schreckt mich der Alte? Sein Blick ist mir drohend. Wenn er vor meiner Wohnung auf- und abgeht, wag' ich nicht aus der Thür zu treten. Wenn er hinausblickt, zieh' ich mich vom Fenster zurück. Und Natalie – –
Kennt diese vielleicht ihren Landsmann?
Meine Frau ist eine Deutsche. Aber auch sie fühlt sich beängstigt, wenn er uns begegnet.
Hier brach er ab. Es schien ihm in diesem Augenblick unangenehm, Natalien genannt zu haben, und unser Gespräch stockte. Wir gingen einen schmalen Bergsteig, im tiefsten Schatten dichtbelaubter Buchen, aus denen einzelne Tannen und Fichten emporstiegen. Die Einsamkeit der Gegend erweckte noch düsterere Gefühle in meiner Seele, und der Anblick meines Begleiters war nicht geeignet, mich umzustimmen. Ich hatte nun recht lange Zeit, ihn zu beobachten. Das bleiche, verlebte Gesicht war reich an Ausdruck von Sanftmuth und Güte. Nur der Schmerz lag auf diesen edlen Zügen; kein Hohn, keine Bitterkeit. Sollte er wahnsinnig sein? fragte ich mich, und als er nun mich freundlich ansah, als unsere Augen sich begegneten, mußte ich mir sagen: nein!
Gleichsam um das Unrecht gut zu machen, welches ich stillschweigend gegen ihn begangen, reichte ich ihm die Hand. Er hielt sie lange und fest. Endlich sprach er mit bebenden Lippen: Sollte mir der heutige trübe Tag in Ihnen zugeführt haben, was ich vergebens suche, einen Freund?
Es hängt nur von Ihnen ab, mich dazu zu machen.
O das sagen Sie nicht; in diesen Worten liegt eine schwere Grausamkeit. Ja, Sie fühlen sich zu mir gezogen, das fühle ich, indem ich Ihre Hand fasse, indem ich Ihrem Blicke vertraue. Aber es ist mein Schicksal, mein altes Schicksal, meine Freunde noch schneller zu verlieren, als ich sie gewann. Auch Sie werden sich von mir wenden, wenn Sie mich kennen, wenn Ihnen meine Erscheinung nicht mehr neu sein wird. Der zerstörte Unglückliche, der Sie jetzt noch interessirt, wird Ihnen lästig werden, wenn er Ihnen erst Gelegenheit gab, zu bemerken, daß der Kern seines Lebens von einem Wurme durchnagt ist. Ja, auch Sie werden sich von mir wenden, und wenn Sie das thun wollen, so thun Sie es jetzt! Lassen Sie mich hier allein, im tiefsten Walde. Stoßen Sie mich zurück, ehe ich noch zu hoffen beginne, daß ich Sie Freund nennen darf.
Und lastete ein Mord auf Ihrem Gewissen, Sie könnten nicht wüster, nicht verzweifelter sprechen. Ich würde lügen, wenn ich Ihnen verschweigen wollte, daß dies Zusammentreffen, daß diese halben Bekenntnisse mir peinlich sind. Auch gehöre ich nicht zu den Menschen, die als Vermittler, Tröster und Berather der Schwachen auftreten wollen. Wer so wie ich mit sich selbst und seinem eignen Leben nur zu oft uneinig ist, nur zu oft den stützenden Stab, den sichern Weg verloren hat, der würde einem mit sich Zerfallenen gegenüber ebenso oft in Verlegenheit gerathen. Deshalb rufe ich den Genius der Freundschaft, die Sie von mir wünschen, ich rufe Ihr Vertrauen auf. Sagen Sie mir, was Sie quält, und erwarten Sie von mir volle Aufrichtigkeit. Ich werde Ihnen den Eindruck nicht verheimlichen, den Ihre Geständnisse auf mich machen. Dann wird es sich bald erklären, ob wir Freunde werden können.
Hugo's Antlitz verfinsterte sich; Auge und Mund zuckten unwillkürlich. Mit einem ganz veränderten Tone sagt er: Sie halten mich für einen Verbrecher, der vor der Polizei flieht und Sie in Verlegenheit setzen könnte durch seinen Umgang. Sorgen Sie nicht. Meine Papiere sind in der besten Ordnung, und die Gensd'armen sind mir nicht so peinlich, als der Alte mit dem Barte. Er wendete sich ab und wollte gehen. Ich hielt ihn nicht zurück. Aber nachdem er einige Schritte von mir war, kehrte er aus eigenem Antriebe um.
Halten Sie mich für einen Verbrecher?
Ich schwieg und schlug die Augen nieder.
Oder für einen Wahnsinnigen?
Ja, erwiederte ich, für einen zerstörten Menschen, auf dessen Seele ein finsteres Bewußtsein lastet, welches ihm die Freiheit des Willens, die Klarheit des Denkens raubt, die wir als höchstes Gut des gebildeten Menschen bezeichnen.
Ich gebe Ihnen Recht, sagte Hugo mit schwerem Athemzuge, dieses höchste Gut habe ich verloren. Aber das Bewußtsein des Frevels gilt nur als Anklage gegen mich selbst. Ich bin Thäter und Erdulder in einer Person. Nur gegen mich habe ich gesündigt, nur mir habe ich Böses zugefügt. Eine edle Natur, begabt mit allen Vorzügen des Körpers und Geistes, trat ich in's Leben; früh entwickelten sich die schönsten Keime zu frischen Blüthen; – – ich habe sie gebrochen, ehe sie mir oder der Welt Früchte tragen konnten, mit wildem Uebermuthe hab' ich an den kräftigen Stamm Hand gelegt, habe ihn gerüttelt, daß er bis in's innerste Mark es büßte. Ich habe mein Dasein in Nichts aufgelöst, habe in eitlem Leichtsinn das Schicksal eines liebenden Weibes an das meine gekettet. Weil ich sie liebte, hab' ich sie unglücklich gemacht; weil sie ohne mich unglücklich wäre, ist sie durch mich elend geworden. Das ist mein Leiden. Verpfuscht und verdorben ist mir die Zukunft. Regellos liegen meine Talente um mich her, wie ein verwilderter Garten, den das Unkraut nun einmal erstickt hat. Zur Erhebung fehlt mir der Muth, zur Verzweiflung die Kraft. Natalie zieht mich mit Liebesbanden in die Wirklichkeit zurück, der mich die wehmüthige Erinnerung an frühere Zeiten oft entführen möchte. – – Der Tag verschleicht in nächtlichen Träumen, in halber Thätigkeit und fauler Sehnsucht. Die Nacht bringt glühende Thränen, grauenhafte Ungeduld. Ja, ich bin auf dem Wege, wahnsinnig zu werden – und würde es schon sein, wenn Natalie mich nicht umgäbe. So lange sie mich erheitert, ist mir wohler. Jetzt, wo sie kränkelt, weiß ich mir keinen Rath.
Warum aber ziehen Sie sich so geflissentlich von der Welt zurück, von dem Umgange mit Menschen, der sie zerstreuen würde?
Sie kennen nicht, war seine Antwort, das Schicksal eines Mannes, der eine schöne Frau hat. Ich bin wahrhaftig nicht zur Eifersucht geneigt, und gegen Natalien wäre sie Frevel. Aber ich kann die Art der jungen Leute nicht ertragen, die jeder Schönheit mit mehr oder minder versteckten Ansprüchen nahen. Kommt nun gar ein Paar, wie ich und Natalie, in die schöne Welt, in die gute Gesellschaft, so heißt es: der Mann ist ein Träumer, ein Genie, er vernachläßigt die arme kleine Frau, und jeder Laffe glaubt ein Recht auf sie zu haben. Es würde mit Mord und Todtschlag enden. Und dann kommen die Zierlichen, die mit frühem Morgen nach dem Befinden der "Gnädigen" fragen, und wenn sie des Mittags mit noch Gnädigeren promeniren, die Gnädige von diesem Morgen kaum noch zu kennen scheinen. Natalie ist zu gut, ich bin zu heftig – –
Und so wäre Ihre Frau Schuld, daß Sie keinen Freund haben – – ?
Beinahe. Aber auch sie ist Schuld, daß sie keine Freundin hat, denn sie ist eifersüchtig.
Weiß sie vielleicht, daß sie Ursache dazu hat, und weiß sie es vielleicht ebenso gewiß, als Sie von ihr das Gegentheil? fragte ich halb scherzend.
Hugo wurde feuerroth. Sie sollen sie kennen lernen, sagte er. Ich werde Sie bei uns einführen, sobald Natalie sich wohler fühlt. Wenn Sie wollen, setzte er gleich darauf argwöhnisch hinzu; wenn Sie den Umgang eines Paares nicht fürchten, dessen eine Hälfte körperlich – – die andere geistig krank ist.
Ich erwiederte: so passe ich vollkommen zu Ihnen, denn daß ich körperlich krank bin, dafür bürge Ihnen mein Aufenthalt an diesem langweiligen Badeorte; daß ich es geistig bin, werden Sie zeitig genug erfahren. Vielleicht können wir uns gegenseitig erheitern.
Ich hütete mich wohl, in der Gesellschaft von dieser neuen Bekanntschaft Etwas laut werden zu lassen. Hugo schien dies Benehmen zu billigen; denn wenn wir uns vor Zeugen sahen, war er so fremd und gleichgültig, wie früher. Als ich ihn aber nach einigen Tagen an Natalien's Arm erscheinen sah, gab er mir einen Wink, der mir deutlich sagte, daß er nun meinen Besuch wünsche. Ich machte mich von einer Lustpartie, welche die ganze Gesellschaft an diesem Tage nach einem benachbarten Berge unternahm, durch nichtigen Vorwand los und ging, nicht ohne Besorgniß, dem entlegenen Häuschen zu, an dessen Thür mich Hugo schon erwartete. Gottlob, daß Sie mich verstanden haben, rief er mir entgegen, Sie sind mir heute doppelt willkommen; seit einer Stunde streift der Alte mit dem Barte hier auf und ab, und einmal machte er schon eine entschiedene Bewegung, in die Thür zu treten.
Natalie empfing mich sehr freundlich. Ich muß Ihnen danken, sagte sie, daß Sie Hugo's Bitten Gehör gegeben, und will nur um unser Aller Willen wünschen, daß Sie es nicht sehr bald bereuen mögen, in ein Haus getreten zu sein, dessen Bewohner wunderliche Leute sind. Es giebt übrigens eine Art von stillem Wahnsinn, der sich noch am leichtesten ertragen läßt. Von einer solchen ist der unsrige, und bis auf einen gewissen Punkt werden Sie mich, denk' ich, ziemlich vernünftig finden.
Ich wußte nicht recht, was ich antworten sollte, stotterte endlich Etwas von längst gehegten Wünschen einer solchen Bekanntschaft.
Hugo lachte höhnisch. Ja, sie wünschen es Alle hier, die charmanten Leute. Läßt man sich doch, wenn man einmal in Pirna ist, gern auf den Sonnenstein locken. Nun, fürchten Sie Nichts, wir wollen uns heute recht gut aufführen. Dies, liebe Natalie, ist der Mann, den ich eben im Walde kennen lernte, als Du neulich krank warst und der Alte mich verfolgte. Ich bin diesem Herrn für seine Güte und Geduld viel Dank schuldig. Unterhalte ihn, so gut Du kannst, ich muß mich zur Ruhe legen. Diese ganze Nacht (fuhr er zu mir gewendet fort) hab' ich kein Auge zugethan; die Hitze ist drückend. In einer Stunde bin ich wieder hier! – Er ging. Ich war allein mit Natalien. Es herrschte ein langes Stillschweigen. Nachdem sie mich einige Male fragend angesehen, nahm sie das Wort:
Was mögen Sie nur von uns denken, mein Herr? – Rechnen Sie es nicht einem Mangel an Zartgefühl, rechnen Sie es vielmehr der Seltsamkeit unserer Lage zu, wenn ich unsere Bekanntschaft damit eröffne, Ihnen von mir und meinen Verhältnissen zu sprechen. Ich weiß, es ist wider die Formen der großen Welt. Es ist in einem Bade am wenigsten angebracht, wo man sich nur begegnet, um sich bald wieder, oft für immer, zu trennen. Da pflegen nur die oberflächlichsten Erörterungen zu erfolgen, und man ist gegenseitig damit zufrieden. Bei mir trifft das nicht zu. Wer allen Bekanntschaften aus dem Wege geht, sucht, wenn er einmal eine schließt, mehr als eine augenblickliche Unterhaltung. Hugo hat Sie zum Opfer ausersehen; Sie sind so großmüthig gewesen, ihm nicht zu widerstreben – nun ist kein Entrinnen mehr. Bedenken Sie, daß ich ein Weib bin, ein Weib, welches Mondenlang über ihr Schicksal geschwiegen; denn mit Hugo'n darf ich nicht besprechen, was in mir vorgeht; und wenn ich es dürfte, wenn er es duldete, ich würde es nicht, um ihn zu schonen. Er ist krank; ja, daß ich es Ihnen bekenne: er ist dem Wahnsinn nahe, und oft glaub' ich es auch zu sein, wenn ich so mit ihm allein bin. Daher meine nur halb scherzhaft gemeinte Begrüßung von vorhin. Ich bin, was Ihnen ein Blick auf meine Umgebung schon gesagt haben wird, Malerin. Als Lehrerin ihrer Töchter war ich mit einer vornehmen Dame nach Paris gegangen. Dort lernte ich Hugo kennen und lieben. Wir konnten unsere Bekanntschaft nur heimlich fortsetzen. Meine Gräfin übte eine Art von Mutterrecht über mich, die, eine Waise, ihren Wohlthaten viel zu verdanken hatte. Diese war vom ersten Moment an gegen Hugo eingenommen. Unsere Verbindung war eine heimliche, und unsere Abreise könnte Flucht genannt werden. Nur zu bald kehrte uns die Besinnung zurück, als die Wirklichkeit und der mit ihr verbundene Mangel uns drückte. Hugo ist ein gebildeter, kenntnißreicher Mann, Dilettant in allem Schönen, aber in Nichts vollendeter Künstler und, wie es sich später fand, jetzt ganz arm. Ich suchte Pinsel und Palette hervor, um durch meine Kunst und die Eitelkeit der Menschen bestehen zu können. Bald störte mich die Krankheit, die Hugo's unerklärliches Benehmen vermehrt. Von dem Tage unserer Verbindung an ist ein anderer Geist über ihn gekommen. Er fühlt sich unglücklich – ich sehe ihn nur mit Grauen an. Von allen Menschen hat er sich bisher zurückgezogen. Sie sind der Erste, den er mir zuführt. Ich beschwöre Sie, mein Herr, nehmen Sie sich unserer an. Entreißen Sie durch das Uebergewicht, welches Sie gegen einen unglücklichen Freund haben, entreißen Sie ihm sein Geheimniß; denn daß ein Geheimniß, daß eine verborgene Last ihn drückt, ist keinem Zweifel mehr unterworfen. Vielleicht, daß seinem Herzen die Ruhe wiederkehrt, wenn er sich Luft gemacht hat. Besonders suchen Sie zu erforschen, warum er den Alten, den unheimlichen Franzosen, fürchtet und flieht; warum dieser mir völlig unbekannte Mensch ihn sichtbar verfolgt und beobachtet. O, ich bitte, ich beschwöre Sie, handeln Sie männlich und entschieden und seien Sie meiner ewigen Dankbarkeit gewiß.
Die Besorgniß, in welche mich eine so stürmische Anrede, ein so unbedingtes Zutrauen versetzte, wurde durch den Anblick der Sprechenden gemildert, deren bleiches Gesicht, jetzt feurig und roth, den schönsten Ausdruck gewonnen hatte. Ich äußerte mein Befremden, daß hier noch Nichts von ihrer Portraitmalerei in's Publikum gekommen, da doch eben hier für sie ein bedeutender Gewinn zu hoffen sei.
Wenn ich recht viel gewinnen wollte – unbesorgt um das, was dabei zu verlieren ist, wo häusliche Ruhe und Ehre au dem Spiele stehen – so müßte ich nur meine Wenigkeit in Farben vervielfältigen, erwiederte sie verschämt. Die Anträge der jungen Herren verfolgen mich von allen Seiten und peinigen mich nicht minder, als der Alte mit dem Barte den armen Hugo. In den verschiedensten Gestalten und Formen gelangen sie an mich. Ich heuchle oft Schwäche und Uebelbefinden, um nur nicht mit an den Brunnen gehen zu dürfen, und will lieber die segensreichen Heilkräfte dieser Quelle entbehren, als sie zu einer Quelle der Eifersucht für Hugo machen. Auch darin können Sie uns ein gütiger Freund sein, wenn Sie dazu beitragen wollen, die Ansichten zu berichtigen, die über uns umlaufen mögen, und die ich am Ende Niemand übel nehmen kann, weil unsere Lebensart sie zum Theil erzeugt.
Eben deshalb, sagte ich, sollten Sie eine Zurückgezogenheit aufgeben, die Sie der Welt – verzeihen Sie den harten Ausdruck – verdächtig machen muß. Erscheinen Sie mit ihrem Gemahl im Salon, machen Sie von der edlen und feinen Sicherheit Ihrer Erscheinung den schönsten Gebrauch, indem Sie durch Ihre eigene gesellige Ruhe auch den unruhigen Hugo erheben und ihm den Platz in unserem Kreise anweisen, auf den ein so gebildeter Mann vollen Anspruch machen darf. Ich kann mich nach dem, was ich an ihm gesehen und von Ihnen gehört habe, ganz in seine Lage versetzen. Ein verpfuschtes Leben, eine Reihe unerfüllt gebliebener Hoffnungen, eine Beschränktheit äußerer Mittel – das Alles erzeugt der Welt gegenüber jene melancholische Schüchternheit, die, mit Argwohn und Mißtrauen gegen sich und alle Menschen gepaart, zu einer Art von einsiedlerischem Wahnsinn führt. Aber das eben ist das hohe Vorrecht, ist die heilige Pflicht einer Frau wie Sie, daß sie die Ueberlegenheit des Geschlechts zum Vortheil Ihres Mannes geltend mache. Die Mythen, in welche Sie Ihre Abgeschiedenheit gleichsam gehüllt hat, werden in Nichts zerfließen bei dem prosaischen Lichtschein unserer ärmlichen Abendbeleuchtung, und ein Gespräch Hugo's mit irgend einer armen Dame von Adel, in welchem er ihr die Ahnen für Majoratsgüter anrechnet, stellt ihn in die Zahl der angenehmen jungen Männer, bei denen nur zu bedauern bleibt, daß sie nicht von Familie sind! Ich kann Ihre Aufforderung, zur geistigen Genesung beizutragen, nur dann annehmen, wenn Sie mir das Wort geben, Ihrerseits nicht unthätig zu bleiben. Wir wollen vereinigt wirken, und es sei unser erstes Geschäft, den Eigensinnigen noch heute unter Menschen zu bringen.
Natalie versprach mir, was ich bat, mit Mund und Hand.
Die segensreichen Folgen dieses Versprechens für Hugo und seine Frau zeigten sich sehr bald. Schon nach Verlauf einiger Tage hatte sich aus staunendem Anstarren der neuen Gäste ein ihnen freundliches Entgegenkommen gebildet, und binnen einer Woche war Natalie von der Blüthe der Männerwelt umgeben. Hugo führte im schönen Damenkreise das Wort. Ich, der ich diese für alle Theile angenehme Veränderung als mein Werk betrachten durfte, begnügte mich, halb aus der Ferne den frohen Beobachter zu machen und dann in seiner Behausung mich an den guten Folgen zu ergötzen, die sie bei Hugo hervorbrachte. Aus der Befriedigung, die seiner Eitelkeit zu Theil wurde, entsprang Heiterkeit, welche den talentvollen Mann zunächst veranlaßte, sich zu beschäftigen, und die sich dann aus dieser Beschäftigung wieder neu erzeugte. Natalie gewann Zeit, von der trüben Laune des Mannes ungestört, ihre Farben zu mischen, und ein gelungenes Bildchen nach dem andern ging aus ihren zarten Händen. Wenn sonst junge Herren von Künstlern als höchste Aufgabe verlangen, daß sie ihnen die Gesichter junger Damen auf Leinwand zaubern sollen, so nahm hier Niemand Bedenken, sich selbst malen zu lassen, nur daß er stundenlang der Malerin gegenüber sitzen konnte. Das Geheimniß, welches nach ihrer Meinung den Gemahl belasten, von dem seine Zerstörtheit ausgehen sollte, war jetzt ganz vergessen, und Natalie Weib genug, zu übersehen, daß Hugo, nur äußerlich verändert, jede Minute noch einem Rückfall ausgesetzt sei. Ich sah den Augenblick mit banger Ahnung voraus. Diese Ahnung wurde noch vermehrt, als ich den oben erwähnten, räthselhaften Franzosen jetzt häufiger, doch vorsichtiger als sonst, auf den Spuren meines Paares fand, welches glücklicherweise in dieser Stimmung ihn kaum der Aufmerksamkeit würdigte. Und gerade mir kam er jetzt bedeutender vor. In seinem widrigen, aber beredten Gesichte lag der Ausdruck eines Anspruchs auf Hugo, eines Vorwurfs gegen Natalie. Er schien mir nur auf eine Gelegenheit zu lauern, wo er beide geltend machen könnte, und da ich nun einmal den lebhaftesten Antheil an Jenen nahm, da meine Anhänglichkeit vielleicht sogar auf einer tiefer liegenden Neigung ruhte, so war es mir willkommen, daß ich einst auf schmalem Fußpfade mit dem Alten zusammentraf. Ich redete ihn in der Sprache seines Landes an, so gut ich vermochte, und es entspann sich ein Gespräch, dessen Haupt-Inhalt etwa folgender war:
Wir begegnen uns so oft, mein Herr, und haben uns noch nicht mit freundlichen Worten begrüßt. An einem Gesundbrunnen pflegt solche Zurückhaltung sonst nicht statt zu finden.
Nein, mein Herr!
Es würde mich sehr glücklich machen, mit einem Manne, wie Sie, näher bekannt zu werden, insoweit Sie mir diese Ehre gönnen wollen.
Ja, mein Herr!
Sie werden mich nicht verkennen und mir die freimüthige Aeußerung nicht übel deuten, wenn ich gestehe, daß Ihre Erscheinung etwas Seltsames und Fremdartiges für mich hat.
Nein, mein Herr!
Aber sehr oft verbirgt sich hinter einer zurückschreckenden Person die liebenswürdigste gesellige Unbefangenheit, und besonders bei Ihren Landsleuten soll dies öfter der Fall sein.
Ja, mein Herr!
So redete ich eine lange Weile fort, ohne ein anderes Wort, als Ja oder Nein aus ihm hervorzulocken, und schon wollte ich ungeduldig und beleidigt abbrechen und ihm den Rücken kehren, als plötzlich ein Gedanke ihn zu beleben und gesprächig machen zu wollen schien.
Sie kennen die junge Malerin?
Ja, mein Herr!
Sie würden mir eine kleine Gefälligkeit nicht versagen?
Nein, mein Herr!
So dürft' ich Sie bitten, mich dort einzuführen?
Ja, mein Herr! – Aber nur unter der Bedingung, daß Sie mir Grund und Ursache Ihres Wunsches anvertrauen.
Sehr gern, nahm er mit französischer Lebendigkeit das Wort, und es ist meine Schuldigkeit. Ich bin alt, wie Sie sehen. Mit dem Leben hab' ich abgeschlossen, oder vielmehr das Leben mit mir. Ich habe keine Wünsche mehr, denn ich wüßte manche nicht zu befriedigen – und die leicht erfüllbaren sind, auch gewährt, langweilig. Daß ich von Adel war, hab' ich vergessen; daß meine Verwandten guillotinirt wurden, ist mir jetzt wie ein Traum; daß die alte Dynastie hergestellt worden, ist mir um der guten Familie willen lieb, die ohne diese Her- und Anstellung manche Sorge um ihren Unterhalt haben würde, während sie jetzt nur für ihre Unterhaltung besorgt sein darf, und wenn deshalb der König von Frankreich selbst seine Messe lieset, so macht er eben von einem alten Rechte seiner Vorfahren Gebrauch. Daß die Deputirten sich zanken, thut mir Leid um ihre Lungen; daß die Minister sich ärgern, mag ihrer Verdauung nützlich sein, wenn sie nicht zu viele Galle absetzen; daß Benjamin Constant Zuckerwasser trinkt, interessirt mich weniger, als die Pariser. Daß man die Emigrirten entschädigt, würde mich vielleicht zum Satyriker gemacht haben, wenn ich dadurch nicht selbst zu einem kleinen Sümmchen gelangt wäre – und was übrigens in der Welt vorgeht, ist mir gleichgültig – ganz gleichgültig, mein Herr! Ich habe es nur mit meiner Tochter zu thun. Nun sehen Sie, meine Tochter ist ein schwächlich kränkliches Ding; wer weiß, wie lange sie's treibt? Auch die hiesige Quelle will ihr nicht mehr munden. Sie hat Launen und Grillen wie eine kleine Prinzessin. Meine Phantasie ist sehr ausgetrocknet. Was werd' ich haben, wenn die Tochter mir stirbt? Nicht einmal die Erinnerung, wie sie ausgesehen. Nun wünsch' ich, daß die junge Malerin, der Sie und alle Herren hier am Orte den Hof machen, sich entschließen wolle, meine Tochter zu malen. Sie soll trefflich treffen. So hätt' ich doch wenigstens ein Bild von dem Kinde, wenn es zum Aergsten käme. Seitdem ich hier bin, lauf ich dem Gatten der Malerin nach; der Eigensinnige flieht vor mir, als ob er ein böses Gewissen hätte, und hält mir nicht so lange Stand, daß ich mein Gesuch anbringen könnte. Ohne vorgestellt zu sein, darf ich der Dame doch nicht in's Zimmer laufen! Und meine Bella ist ein schönes Mädchen, führt ein sanftes Gesicht, trägt zartere Mienen mit sich herum, als all' die bärtigen Stutzer, die Madame tagtäglich abschreibt, schlechten Büchern gleich, und auf Leinwand so sorglich überträgt, wie Ihre deutschen Bühnenschriftsteller, mein Herr, die Werke unserer Boulevard-Dichter auf Ihre Theater. Sie sind, wenn mich eine alte Praxis nicht täuscht, der Begünstigtste unter vielen Gunstsuchenden. Deshalb wende ich mich an Sie mit der Bitte: meinen Wunsch und mich bei der Malerin einzuführen. Bezahlen will ich sie, als ob sie ein weiblicher Gérard wäre, aber zwei Bedingungen muß man mir im Voraus zugestehen. Erstens, daß sie sich nicht weigert, mein Kind zu malen, wenn ich es ihr zuführe und der erste Eindruck vielleicht nicht günstig ist; daß sie ohne Ausflucht sogleich die Arbeit beginne. Zweitens, daß bei den Sitzungen ihr Gemahl nicht gegenwärtig sei! Sie, mein Herr, will ich um die schönen Stunden nicht bringen; vielleicht sind Sie mir dankbar, daß ich Ihnen zu einer vertrauten Unterredung verhelfe: denn ich bin, wenn Sie deutsch mit ihr sprechen, so gut als nicht da, und mein Kind achtet auf gar Nichts.
Was ich von seinen Aeußerungen hätte übel nehmen können, überging ich gern und froh bei dem Gedanken, daß der confuse Alte Nichts weiter von meinem Paare gewollt habe, als das eben Mitgetheilte. Ich sah eine erwünschte Auflösung des drückenden Räthsels und freute mich im Voraus, dem guten Hugo nach Beendigung des Bildes sagen zu können, daß die geschickte Hand seiner Natalie ihn von der kindischen Furcht vor einem französischen Narren befreit habe. Ich ging also auf den Vorschlag ein und versprach, ihn am andern Morgen um elf Uhr, als um eine Zeit, wo Hugo Besuche zu machen pflegte, abzuholen; dies wies er jedoch entschieden zurück und erbot sich, um diese Stunde bei mir zu sein. Wir schieden im Ganzen Beide befriedigt.
Bei Natalien fand ich außer ihrem Gatten einen jungen Edelmann, der es sich vorzugsweise angelegen sein ließ, ihr Schönheiten zu sagen. Schon drei Mal hatte sie ihn malen müssen, und jedes Mal gab er nicht undeutlich zu verstehen, daß diese Portraits für Freundinnen bestimmt wären. Vielleicht ging er darauf aus, Natalie solle sich die Erlaubniß erbitten, auch für sich ein Abbild machen zu dürfen; denn er war auf seine Schönheit ebenso eingebildet, als auf seine Geburt und seinen Reichthum, und da er uns so oft und so viele Geschichten erzählte, in denen er als unwiderstehlicher Eroberer glänzte, so hatten ihm einige Spottvögel den Beinamen des zweiten Casanova gegeben, den er nun trug, ohne es zu wissen, der ihn aber auch nicht beleidigt haben würde, wenn er ihm zu Ohren gekommen wäre; denn die Figur der Ironie war ihm ziemlich fremd; wer ihn für einen beschränkten Kopf gehalten, hätte ihm kein schweres Unrecht zugefügt. Die Sorge für seine Kleidung überwog jede andere. Von der Literatur wußte er so viel, als man aus schlechten Zeitschriften erfährt, also genug, um überall mitreden zu können; er war hinreichend hinter den Coulissen gewesen, um zu beurtheilen, wie sich die Toilette mittelmäßiger Schauspielerinnen zu dem Beifall verhält, den der erste Rang ihr spenden soll; er besaß ein Reitpferd und zwei Wagenpferde, von denen das eine auch geritten werden konnte; er hatte seinem Bedienten an der Thüre des Salons zwei Zähne eingeschlagen; er war schon in Paris gewesen; sprach stark von einer Reise nach England; unterhielt lebhafte Correspondenz mit einem Freunde in Neapel; hatte sechs Louisd'or an der Bank verloren (er selbst behauptet, es seien sechshundert); hatte einmal mit fünf Andern ein Frühstück im Casino gegeben; konnte eine Melodie aus Oberon singen, den robin adair recht leidlich pfeifen; trug Schnupftücher mit dem Bilde der Sonntag; silberne Sporen auch beim Tanze; eine Reitgerte immer, und seine Beine waren so lang, daß sie jede mäßige Stube sperrten und wie der Riesenstamm beim Hamburger Baumhaus die Passage ohn' Erbarmen hemmten. Was Wunder, wenn er sich für unwiderstehlich hielt! Casanova hatte seine dreizehnte Sitzung überlebt und die vierzehnte eben auf dem Sopha Nataliens begonnen, bei welcher jedoch er der Maler sein zu wollen schien, so frech und starr faßte er die Malerin in's Auge. Hugo ward ungeduldig, das Gespräch stockte. Den Eheleuten schien mein Eintritt willkommen. Ich erzählte sogleich, daß ich den Alten mit dem Barte gesprochen und ihn gar nicht so übel gefunden hätte. Hugo sah mich staunend an, Natalie unterdrückte, mit einem Seitenblick nach ihrem schönen Nachbar, eine Frage, und dieser schlug ein Gelächter auf, welches ich für herzlich dumm zu halten mich versucht fühlte.
Der alte Franzose, sagte oder vielmehr näselte er, ist auf Ehre eine recht komische Badefigur, eins von den köstlichen Originalen, die leider immer seltner werden heut zu Tage, und die man, Gott straf' mich, in Spiritus conserviren sollte, weil sie echt poetisch sind. Wenn Hoffmann noch lebte, würd' er uns ein köstliches Phantasiebild von diesem Alten gegeben haben! Kennen Sie Hoffmann? Ein köstlicher Schriftsteller. Er ist der Erste, der Mozart's Don Juan ganz erfaßt hat. Sie kennen Don Juan! Köstlich! Auf Ehre, so tief Shakespeare und Correggio. Kennen Sie Correggio? Köstlich. In Dresden hängen vier. Besonders spricht mich die Nacht an. Schade, daß sein größtes Werk nicht dort ist: wo er den Sack voll Kupfer trägt. Ich will auf Ehre nach Italien reisen, um das Bild zu sehen, sobald ich aus England zurückkomme.
Wählend der Jüngling in diesem Tone fortfuhr, ging ich mit mir zu Rathe, ob ich Hugo'n den Inhalt meines Gesprächs mit dem Franzosen mittheilen, oder die Sache mit Natalien allein abmachen sollte. Jedes Für und Wider reiflich erwogen, fand ich rathsam, den letzten Weg einzuschlagen, und ich war deshalb recht zufrieden, als Hugo, dem Nataliens Verstimmung nicht entging, unserem Casanova den Vorschlag machte, mit ihm eine Partie Billard zu spielen, und ihn mit sich führte.
Ich erzählte, was der Leser schon weiß. Wir waren bald einig, daß Hugo den Vorgang nicht eher erfahren sollte, als bis das Bild der jungen Französin vollendet und abgeliefert wäre, damit er dann auch zugleich das Lächerliche seiner Furcht einsehen und wie von einem finstern Traume aufwachen möge. Es trifft sich gut, sagte, mich beruhigend, Natalie, daß Hugo morgen sehr früh in's Freie gehen und erst gegen Abend wiederkehren will; er bildet sich ein, das Gedicht, mit dem er sich acht Tage quält, werde nur so zur Vollendung kommen. Es ist eine Thorheit, aber morgen können wir sie brauchen. Uebrigens bin ich neugierig auf die Französin! Hören Sie, Freund, wenn es nur nicht gar eine alte Pariser Liebschaft ist, die der Papa uns auf eine so listige Weise in's Haus bringen will. Ich besinne mich aus der ersten Zeit unserer Bekanntschaft, daß Hugo in dieser Beziehung nicht ganz frei schien, und daß die ersten Wochen unserer Liebe durch einige unangenehme Vorfälle gestört wurden.
Ich bekenne, erwiederte ich, daß auch ich im ersten Augenblick eine solche Ahnung nicht unterdrücken konnte, aber bei näherer Beleuchtung muß sie alle Wahrscheinlichkeit verlieren. Wäre Hugo sich eines Verhältnisses mit einer Französin bewußt, so würde die Erscheinung des Alten ihn sogleich und zuerst daran erinnert haben; er müßte ja wissen, daß dies der Vater ist, und seine Furcht hätte dann einen bestimmten Grund, den er entweder offen gestanden (mir besonders!), oder den er durch irgend ein entschiedenes Mittel aus dem Wege geräumt hätte. Seine Angst hätte ja gar nicht den grauenhaften Charakter bekommen, denn was wäre denn an der Verfolgung von Seiten einer verlassenen Geliebten Wunderbares oder Gespenstisches? Selbst wenn der Alte ihr Vater nicht wäre, oder wenn Hugo ihn nicht kennte, sondern nur argwöhnte, daß er es ist! Nein, hier ist kein Zweifel! Eben weil der Eine gar keine Ursache findet, warum der Andere ihn so seltsamlich verfolgt, geräth er in Angst. Und der Wahnsinn des Verfolgers (denn daß eine Schraube in seinem Kopfe wackelt, mögen Sie mir glauben) fand bei dem Andern einen so fruchtbaren Boden, daß ohne mein Dazwischenkommen Beide sich wahrscheinlich wechselseitig vollkommen verrückt gemacht haben würden. Also danken wir dem Geschick, welches der Sache diese mehr komische Wendung giebt, noch dazu nicht ohne Beimischung von Romantik, was einer Künstlerin von Ihrem Geiste doppelt angenehm sein muß. Hugo anlangend, wollen wir ihm sagen, der Franzose habe mir entdeckt, daß er ihn verkannt, für einen früheren Bekannten unter fremdem Namen gehalten und deshalb so aufdringlich verfolgt habe.
Natalie willigte ein.
Mein Alter, der sich Mortier nannte, war zur sichern Stunde bei mir; wir traten den Weg an, und ich glaubte, er würde mich zu sich zurückführen, um die Tochter dort abzuholen. Aber er deutete stumm und ernst nach Natalien's Wohnung. Will er in aller Förmlichkeit sich erst allein vorstellen lassen, oder ist das Mädchen schon dort? dachte ich und folgte ihm still, um ihn nicht zu erzürnen oder vielleicht von seinem Vorhaben abzubringen, was mir leicht möglich schien. Wir traten ein: Natalie empfing uns mit lächelnder Neugier und freundlicher Ungeduld. Ich stellte Herrn Mortier vor, den ich gestern schon gemeldet.
Unser Freund hat mir Ihren Wunsch mitgetheilt, nahm sie das Wort, den ich mit wahrer Freude, so gut ich kann, erfüllen werde; ich bedaure nur, daß meine Bereitwilligkeit, Ihnen zu dienen, so lange auf die erwünschte Gelegenheit warten mußte. Aber wo ist der geliebte Gegenstand, dessen gewiß anmuthige Züge meine Hand auf Leinwand darstellen soll? Wo ist die Demoiselle, Ihre Tochter?
Hier, Madame! sagte Mortier trocken, ohne eine Miene zu verziehen, und wies mit der Hand auf die Erde. Erst jetzt bemerkten wir, daß ihm ein Thier gefolgt war. Hier, riefen wir Beide erstaunt, die Hündin?
Meine Bella, mein Kind! Ist Ihnen gefällig? Er setzte einen Stuhl vor die Staffelei, winkte dem Thiere, und Bella sprang, ihren Gebieter mit klugen Augen anblickend, sogleich hinauf. Natalie verbarg ihr Lächeln, so gut sie konnte, und sagte mir auf deutsch: Er ist völlig toll, wir wollen die Komödie fortspielen, so lange ich Fassung behalte.
Mortier nahm in einem Winkel Platz und beobachtete seine Bella sehr scharf. Diese gehörte zur Gattung jener kleinen zierlichen Windspiele, deren Gesicht wirklich bisweilen eine Art von menschlichem Aussehn hat.
Natalie malte fleißig fort, ich blätterte in einem Buche, und Bella blickte wechselnd ihren schweigenden Herrn und die emsige Malerin an. So vergingen fast drei Stunden. Bin ich doch erschöpft wie niemals, seufzte sie, Palette und Pinsel weglegend; nun aber auch heute keinen Strich mehr! Sind Sie zufrieden, mein Herr?
Mortier trat zu, ich folgte ihm. Die Künstlerin hatte sich eine lustige Aufgabe gestellt und sie bewundernswürdig gelöset. In den Umriß eines jugendlichen Mädchenkopfes hatte sie Bella's blasses Hundeschnäuzchen gesetzt und die Uebergänge aus dem Thierischen in's Menschliche und wieder umgekehrt so kunstreich verbunden, daß man, trotz der Aehnlichkeit mit Bella, bisweilen wirklich ein weibliches Portrait zu sehen glaubte und dann immer wieder auf das rothe Halsband blicken mußte, um die Täuschung zu zerstören. Das Bildchen war unklar angelegt, die Umrisse schwankend, wie in einem Nebel verschwimmend, und der dunkle Grund trug zur düstern Anschauung das seine bei. Für heute also mag es genug sein! wiederholte sie. – Eben wollte Mortier mit seinem Kinde davon gehen, als der Blick der Malerin von diesem noch einmal auf das Bild glitt und sie plötzlich rief: Nein, ich kann es nicht lassen, das muß ich noch hinein malen; sehen Sie, welch' seltsamen Zug das Thier unter den Augen hat, man könnte ihn schwärmerisch nennen. Den hab' ich ganz übersehen, und er darf nicht fehlen. Besser, als in diesem Augenblicke, werd' ich ihn nicht mehr auffassen; schnell, Bella, noch einmal auf den Stuhl!
Bella blieb unbeweglich. Auch Mortier redete ihr vergeblich zu. Sie kratzte an der Thüre. Ei, sei nicht eigensinnig, dummes Thier! rief in lustiger Aufregung Natalie, faßte das Halsband, Bella aber wüthend und mit einem kreischenden Geheul wehrte sich, vor Wuth schäumend, und schnappte mehrmals nach Natalien. So laß es bleiben, Närrin, lachte diese und rief dem gehenden Mortier nach: vielleicht ist das Fräulein morgen bei besserer Laune?!
Nun stellte sie das Bild hinter andere, größere in einen Winkel und sandte die Magd nach dem Mittagsessen. Mir ist, sprach sie, als hätt' ich heute ein gutes Werk gethan, und als wäre die Arbeit dieses Morgens, obwohl wahrscheinlich gar nicht einträglich, doch wichtiger und nützlicher für mein häusliches Verhältniß, als jede andere. Ich kann mich von der Hoffnung nicht losmachen, daß die Erzählung des Vorgefallenen und der Anblick dieses Bildes dazu beitragen wird, Hugo zu erheitern, dem immer noch eine Beimischung von Geisteskrankheit geblieben ist, obgleich er sich, seitdem Ihr Rath ihn unter Menschen trieb, viel besser befindet. Ob er es auch nicht eingestand, ich glaube, der alte Franzose war noch immer sein Aergerniß, und wenn dieser nun abreiset (wie er uns hoffen ließ) und wir Nichts von ihm behalten, als die Erinnerung an dies Gemälde, so wird es Hugo ergehen, wie Manchen, die von einer fixen Idee geheilt werden, weil man in ihren stillen Wahnsinn einging und die Komödie bis nach der Heilung mit ihnen spielt.
Ich gab der heitern, liebenswürdigen Frau scheinbar Recht, wenn auch in meinem Innern ihr eine Stimme Unrecht gab. Wir verbrachten die Zeit bis zu Hugo's Rückkehr mit wechselnden und anziehenden Gesprächen. Ich hatte wohl bemerkt, daß Natalie während des Essens einige Male aufstand und ihren Arm mit kölnischem Wasser strich, doch darauf nicht sonderlich geachtet.
Hugo kam und mit ihm neue Heiterkeit in unsere Unterhaltung. Sein Gedicht war glücklich vollendet, er las es uns vor, wir mußten die Fülle der Gedanken, die Klarheit des Ausdrucks, den Reichthum der Bilder, die Gewandtheit des Verses bewundern. Der Antheil, den wir ihm gönnten, und den er von seiner Frau nicht gewohnt zu sein schien, machte ihn so froh, wie ich ihn in der kurzen Zeit unserer Bekanntschaft gar nicht gesehen. Er begehrte Wein, verlangte ihn recht dringend, ganz gegen seine Gewohnheit, die Sorte bezeichnend, die er trinken wollte. Laß es guten Ungar sein! rief er der bestellenden Natalie in die Thüre nach, denn so gut wie hier und so wohlfeil, weil hier drei Grenzen sich schneiden, bekommt man ihn wohl nirgend. Mit jedem Glase wurd' er heiterer. Wir wollen, rief er mir zu, im Weine aller Weine Brüderschaft trinken! Es geschah, und Natalie mußte feierlich mit anstoßen. Wir lachten und scherzten viel. Er trank sogar die Gesundheit sämmtlicher Anbeter Nataliens. O diese jungen Herren, mit ihren Liebschaften und Eroberungen, sagte er, wie viel Geschrei und wenig Wolle. Gott sei Dank, daß ich nicht eifersüchtig bin – und daß ich keine Ursach habe, es zu sein. Bei diesen Worten küßte er Natalien verbindlich die Hand. Diese, von einem Glase des feurigen Weines schon erhitzt, zog sich drohend zurück und sagte im Uebermuth der Laune: Ei, Freund, wie stand es in Paris mit Dir, ehe Du mich kanntest?
Hugo entfärbte sich und wurde plötzlich stumm. Ich erschrak. – Natalie aber nahm es leichter und fuhr scherzend fort: da sieht man das böse Gewissen. Ja, wir sind hinter all' Deine Schliche! Was noch mehr, die verlass'nen Geliebten folgen Dir nach, und eine ist gar hier, Dich auszusuchen.
Nein, sprach Hugo mit bitterm Lächeln, und indem seine Hand über das matte Antlitz fuhr, nein, sie kommt mir nicht nach.
Er schwieg. Natalie beobachtete ihn erstaunt und aufmerksam; mir schien, daß er jetzt keineswegs an den alten Franzosen dachte, sondern daß seine Seele mit etwas ganz Anderem, am wahrscheinlichsten mit einer tiefen Wehmuth erfüllt war.
Laßt diesen Augenblick, liebe Kinder, wo wir unerwartet aus der fröhlichsten Stimmung, ich wenigstens, in eine traurige versetzt worden sind – begann er nach einer Weile – nicht ungenützt vorüber gehen. So lang' ich Dich besitze, Natalie, trag' ich ein Geheimniß auf dem Herzen, welches ich trotz Deinen Fragen Dir niemals zu entdecken vermochte; eine unerklärliche Macht, eine fürchterliche Bangigkeit hielten mich davon ab. Und doch machte mich dieses Schweigen eben unglücklich. Ich fühlte die Pflicht, Dir zu vertrauen; ich fühlte das Bedürfniß, dennoch konnte ich nicht – und das brachte mich dem Wahnsinne nahe. Seit einem Monat bin ich ruhiger, weil ich thätiger bin. Ich bereite mich schon seit einigen Tagen auf die Erzählung vor, die ich Euch Beiden geben will. Heute, in diesem Moment zum ersten Male, ist mir um's Herz, als dürft' ich es wagen. Ich fühle mich rührend bewegt. Ich fühle Trost in meiner Wehmuth, und auf Eure Nachsicht darf ich rechnen. Du, liebes Weib, wirst mir verzeihen, wenn ich Manches berühre, was Du schon weißt, weil Du es mit mir erlebt hast. Ich bin es dem Zusammenhange und unserm Freunde schuldig. Hört geduldig zu. Mir wird besser sein, wenn Ihr Alles wißt, das fühle ich.
Hugo's Erzählung.
In Paris angekommen, fremd, ohne Freund, übermannt von dem großartigen Eindruck, trieb ich mich planlos in jener Weltstadt herum, wie ein junger Mensch, der im wildesten Gewirr ungeregelter Vergnügungen die Befriedigung seines geistigen Strebens sucht und von einer mäßigen Börse voll Goldstücke glaubt, sie sei Fortunatus' unerschöpflicher Säckel, weil beinah' sein ganzes Vermögen darin enthalten ist. Das Herz hatte nicht den geringsten Antheil an den flüchtigen Bekanntschaften, die da geknüpft wurden, um eben so schnell wieder vergessen zu werden; der Geist ging nur halb und oberflächlich auf die bunten Zerstreuungen ein, die sich in den gefälligsten Formen mannichfach darboten, und es war noch kein Monat verstrichen, als ich mitten im Gedränge einer vergnügungssüchtigen großen Masse mich bang und einsam fühlte, sogar mit einer Art von deutschem Heimweh erfüllt war. So ging ich denn mit zwiefach lebendigem Wohlgefallen einem jungen Manne entgegen, mit dem mich der Zufall mehrmals zusammengeführt, und in dessen Pariser Existenz ich eine auffallende Aehnlichkeit mit meiner Lage bemerkt hatte. Gleiches Alter, ähnliches Temperament, Ungebundenheit und das gemeinsame Vaterland machten bald Freunde aus Bekannten; wir wurden unzertrennlich und bewohnten sogar Ein Zimmer. – Ich habe Dir schon früher einmal gesagt, Natalie, daß mich eigentlich Nichts nach Paris gezogen hatte, als der Wunsch, die dortigen Theater, ihre Sitten, Bräuche, Verhältnisse, ihre Dichter und Darsteller kennen zu lernen und dort an der Quelle zu sein, wo jene allerliebsten leichten Dichtungen entspringen, die man so gern und so schlecht für Deutschland übersetzt, und die in bessern Bearbeitungen meinem Vaterlande zuzusenden mir ein würdiges Ziel, ein reichlicher Erwerb schien. Nur zu bald mußte ich mir selbst gestehen, daß dieser Traum ein thörichter sei; daß das Beste, was Scribe und seine minder geistreichen Genossen der Pariser Welt dargeboten, eben in der Lokalfarbe ein Haupt-Verdienst besitzt, und daß es eines deutschen, irgend selbstständigen Talentes unwürdig ist, den Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland auf diese Art zu machen. Je mehr man Paris kennen lernt, je tiefer man sich in das dasige Thun und Treiben einlebt, desto klarer muß es jedem Verständigen werden, wie nur dort so geschrieben, nur dort so gespielt werden kann. Ich mag mich hier nicht auf Entwickelung der Gründe einlassen; es ist mir nicht darnach um's Herz, zu dociren. Auch würde ich diesen Punkt, der in meine Erzählung nicht zu gehören scheint, gar nicht berührt haben, wenn ich ihn nicht zur Bezeichnung meines damaligen und jetzigen Zustandes für nöthig hielte. Mit einem Herzen voll Hoffnung hatte ich die Barrièren von Paris betreten. Entmuthigt, in jeder Beziehung hoffnungslos fand mich schon der zweite Monat. Paris hatte für mich eine Goldgrube werden sollen, – es ward mir eine Grube, in die ich mein Geld warf. Ich mußte meine eitlen Pläne für unausführbar erklären und somit den Gedanken aufgeben, mir durch schnelle, leichte Arbeiten eine glänzende Existenz zu gründen. Ich hatte also meine Lage, im Vergleich zur früheren in Deutschland verlebten Zeit, nur verschlimmert. Dort hatte ich Kraft, Lust und Muth zu eigenen Produktionen gehabt; hier erstarben Muth, Lust und Kraft, theils im zerstreuenden Geräusch, theils im Vergleiche zwischen dem französischen und deutschen Theater. Bei uns: getrennte Städte, genirte Hoftheater, prätentiöse Darsteller, regellose Virtuosität, geschmacklose Anarchie, verletzte Autorrechte, schlechte Honorare, theilnahmlose Zuschauer, leere Bänke; – hier: eine tonangebende Hauptstadt, fünfzehn Bühnen, volle Häuser, lebendiges Publikum, fleißige Schauspieler, strenger Eifer, goldner Lohn! – Ohne neidisch zu sein, fühlt' ich, daß wir armselig dagegen wären, und ich ließ entmuthigt die Flügel hängen. Jeden Abend brachte ich in einem andern Theater zu, jeden Abend lernte ich neue Künstler kennen, jeden Abend kam ich niedergeschlagener in meine kleine, theure Zelle – und mein Freund lachte den deutschen Schriftsteller aus. So vorbereitet fand mich der Abend, dessen Wichtigkeit ich nun beschreiben will, in sentimentaler Stimmung. Louis und ich hatten Plätze zur Porte St. Martin genommen, um den (nun jenseits wandelnden) Affen-Mazurier springen, leiden, sterben zu sehen. Die Loge, in welche wir traten, war bereits durch zwei Damen besetzt, die, den Rücken kehrend, uns die hintern Plätze überließen. Wir waren ungewöhnlich heiter; ich übermüthig, wie ich es immer in der dunklen, düstern Vorahnung schwerer Geschicke zu sein pflege. Louis hatte auf dem Boulevard einen Polichinell gekauft, ein Kinderspielwerk, durch dessen gelenke Vermittelung wir die Bekanntschaft der beiden Damen suchten, von denen die eine jung, groß, schön gestaltet, aber nur mäßig hübsch, die andere älter, jedoch regelmäßig schön war. Der Reihenfolge unserer Platze gemäß schien ich bestimmt, mit der Jüngern ein Gespräch zu beginnen. Auf viele Fragen erhielten wir kurze und trockne Antworten, Scherze von unserer Seite wurden kaum belacht, und erst als Polichinell durch eine zu kühne Lenkung meines Freundes sich der haltenden Hand entwunden und einen Sprung über die Logenbrüstung in den vorderen Balkon gemacht hatte, schienen der Schreck und die Besorgniß über das unter uns entstehende Gemurmel eine Annäherung von Seiten der Damen herbeizuführen, die freilich mit bittern Vorwürfen über unsere Etourderie begann. Die Aeltere zog sogleich das Gitter vor, um uns den Blicken der unzufriedenen Balkonbewohner zu entziehen, und wir saßen nun, mitten im vollen Hause, von aller Welt abgeschieden. Die Darstellung ging zu Ende, die Damen brachen auf, und wir schieden – noch ziemlich fremd. Unser Anerbieten, die Begleiter zu machen, wurde so entschieden zurückgewiesen, daß gerade keine deutschen Fremdlinge dazu gehörten, die Zurückweisung für Ernst zu nehmen; unser anziehendes Paar verlor sich nach einem ziemlich kurzen und kalten "Guten Abend" im Gedränge. Ich hatte Fassung genug, beim Gehen einen Blick nach der Nummer der Loge zu werfen, der Schließerin für den mir bewahrten Hut ein großes Silberstück in die Hand zu drücken und ihr zu sagen, daß wir wieder da zu sitzen wünschten, wenn wir dieselbe Gesellschaft öfter zu finden erwarten dürften.
Das wird die Welt nicht kosten, erwiederte sie schlau, indem sie mich fest in's Auge nahm, und ich war sicher, daß sie mich nun unter Tausenden nicht mehr verkennen würde. Mein Gespräch mit dem Freunde dauerte bis tief in die Nacht und wendete sich immer wieder auf unsere Unbekannten. Wir waren einig darüber, daß Beide weder unzugänglich, noch vom besten Rufe sein konnten; aber es hatte in ihrem Benehmen doch eine gewisse Zurückhaltung gelegen, die sie nach meiner Meinung höher stellte, als Louis zugeben zu wollen schien. Auch gestand er, daß seine Nachbarin milder und zuvorkommender gewesen sein möge, als die meine. Daß der nächste Abend uns wieder in derselben Loge fand, werdet Ihr erklärlich finden; jedoch schon als wir kamen, deutete mir der Blick und das Achselzucken meiner neu erworbenen Gönnerin die fehlgeschlagene Hoffnung an. Wir kamen zwei Abende vergebens. Erst am dritten, wo ein neues Werk voll schauerlicher Verbrechen die halbe Stadt in Bewegung setzte, hatten sich auch die Schönen eingefunden. Aber die Schließerin konnte nicht verhindern, daß außer uns, ihren Schützlingen, noch zwei Neugierige in das Heiligthum unserer Loge drangen. Diese Kühnen hatten das dem neuen vorangehende Stück und die Langeweile desselben dazu benutzt, unsern Damen den Hof zu machen, und waren dabei freilich kühner und sicherer eingeschritten, als wir bescheidene Deutsche. Waren sie aber vielleicht gar zu parisisch gewesen, und hatte ihre edle Dreistigkeit den Frauenzimmern widerstanden – oder wollten diese (was ich am meisten zu glauben geneigt war) uns auszeichnen; – sie blieben fremd und abschreckend gegen die Landsleute und wendeten sich mit so herzlicher Vertraulichkeit zu uns, daß die beiden Schnurrbärte uns Viere für alte Bekannte hielten und ihre Verfolgung aufgaben. Das neue Stück begann, die Pariser waren Ohr und Auge, und wir zwei Paare konnten ungestört unsere Augensprache fortsetzen. Welcher Triumph für mich, daß Bella, so hieß meine Schöne, die Scene und ihre Gräuel ignorirte, nur für mich da zu sein schien! Wir machten Riesenschritte. Schon vor Beendigung des Schauspiels brachen wir auf, begleiteten heute nach kurzer Widerrede die Heimkehrenden bis an ihre Thür, und ich, dem das Herz mächtig schlug, faßte erst dann den Muth einzutreten, als mir Louis an Sophiens Arme mit kühnem Beispiel voranging. Zwei zierliche kleine Zimmer, fünf Treppen hoch, empfingen uns. Louis und Sophie blieben in dem einen; ich hatte zu viel mit mir selbst zu thun, um nach ihnen zu fragen oder mich um sie zu bekümmern. Bella schürte das Feuer im Kamin. Wir saßen in traulichem Gespräche vor der Flamme. Auf meine schüchternen Eingeständnisse zärtlicher Empfindungen lächelte sie mich fragend an, spöttisch und gutmüthig zugleich. Ich konnte nicht länger die Frage zurückhalten, wie ihre Verhältnisse seien, was sie triebe, wovon sie lebe u. s. w. Mit einer fast mitleidigen Güte blickte sie mir staunend in's Gesicht, als wollte sie sagen: wie weit muß man her sein, aus welchem entlegenen Winkel der Barbarei muß man kommen, um das noch zu fragen? Und als ich wiederholentlich, von dunkler Eifersucht getrieben, in sie drang, erzählte sie mir mit einer Unbefangenheit, die mich ganz entwaffnete, sie sei ein Jahr lang die Geliebte (kleine Frau) eines alten Geschäftsmannes, mit dessen Behandlung auch ziemlich zufrieden gewesen; aber nun habe sich die Sache wohl durch beiderseitige Schuld zerschlagen, und sie suche ein neues Engagement. – Und Ihre Eltern? rief ich furchtsam dazwischen. – Ich habe keine, fuhr sie verlegen fort. Mein Vater – ich sehe ihn selten – und meine Mutter hielt ein meublirtes Hôtel. Da wurde ich als fünfzehnjähriges Mädchen von einem reisenden Engländer verführt, betrogen und verlassen. Bald darauf starb auch meine Mutter, hinterließ mir Nichts als Schulden, und da half ich mir seit drei Jahren allein durch die Welt. –
Sie hatte während ihres Berichtes, der höchst umständlich und, die letzten drei Jahre ihres Lebens betreffend, ganz wie die Auseinandersetzung eines geregelten Geschäftsganges abgefaßt war, mir die vier oder fünf Männer geschildert, mit denen sie bis dahin gelebt. Die Feuerzange war nicht aus ihren Händen gekommen; mit eigenthümlicher Anmuth hatte sie Kohlen auf Kohlen gethürmt, die Gluth sorglich unterhalten, als ob sie von den gleichgültigsten Dingen spreche. Ich konnte nicht zu mir selbst kommen. An diesem Abgrund von Verworfenheit, wo ein junges Geschöpf sich ohne Liebe für Geld preisgiebt, noch diese Ruhe, diese Gleichgültigkeit über ihr Schicksal! Und dabei diese Bildung, diese Einsicht in das Leben und seine Verhältnisse; – das ist nur in Paris möglich, dachte ich, und die verschiedenartigsten Empfindungen wechselten in meiner Brust. Ich sah Bella nun mit andern Augen an, mit andern Gefühlen. Die schon aufkeimende Herzensneigung schien neuen Gedanken weichen zu wollen. Aber auch diese zogen sich bei dem Anblick ihrer sittsamen Ruhe wieder scheu zurück. Ich begriff weder sie noch mich. – Es war sehr spät; Gehen schien mir das Rathsamste. Und plötzlich sprang ich auf, so rasch, daß Bella erschrak. Ich klopfte an Sophiens Thür, Louis zu rufen, aber Bella hielt lachend meine Hand und sagte: Stören Sie sie nicht, er geht gewiß nicht mit Ihnen; Sophie hat mir neulich schon gestanden, daß sie den blonden Deutschen liebt, und er schien ihr auch nicht abgeneigt. Auch hat sie den Riegel vorgeschoben, gleich als wir kamen.–
Der Ton, mit dem Bella diese letzten Worte sagte, schnitt mir durch's Herz; sie erschien mir fast gemein.