Gaslicht 32 - Mary Cotten - E-Book

Gaslicht 32 E-Book

Mary Cotten

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Beschreibung

In dieser neuartigen Romanausgabe beweisen die Autoren erfolgreicher Serien ihr großes Talent. Geschichten von wirklicher Buch-Romanlänge lassen die illustren Welten ihrer Serienhelden zum Leben erwachen. Es sind die Stories, die diese erfahrenen Schriftsteller schon immer erzählen wollten, denn in der längeren Form kommen noch mehr Gefühl und Leidenschaft zur Geltung. Spannung garantiert! Ein Schauder durchlief Glorias Körper, als sei ihre Bluse völlig durchnäßt. Das aber war Unsinn, sagte sie sich und fuhr mit der Hand über ihre Schulter, weil es sich dort besonders kalt anfühlte. Vor Entsetzen glaubte sie zu erstarren. Ihre Bluse war tatsächlich völlig durchnäßt. Als sie wenig später an ihrem klebrig nassen Ärmel schnupperte, hatte sie mit einemmal den intensiven salzigen Geruch nach Meerwasser in der Nase. Da lief sie wie von Furien gehetzt in ihr Zimmer, um sich umzuziehen. Mit zitternden Fingern legte sie das verdorbene Kleidungsstück auf den Badewannenrand, um es trocknen zu lassen. Da entdeckte sie unter dem Kragen ein grünliches Etwas, das glänzend hervorlugte. Vorsichtig hob sie den Kragen an und sah, daß es Seetang war, frisch vom Boden des Meeres. Lautlos sank sie zu Boden… Denise Cromwell stand am Fenster ihrer gemütlichen Wohnung und starrte nach draußen. Es dämmerte bereits, und der Nebel, der um diese Jahreszeit London fest in der Hand hatte, ermöglichte ihr nur die Sicht bis zur Straße hinunter. Das Haus auf der gegenüberliegenden Seite konnte sie lediglich schemenhaft wahrnehmen. »Muß ich wirklich schon zu Bett gehen, Mum? Ich bin doch gar nicht müde. Außerdem fehlt mir Daddy so sehr. Wann kommt er wieder?« Lucie Cromwell, die neunjährige Tochter der jungen Frau, stand an der Tür und blickte die Mutter bittend an. Sie war ein hübsches Mädchen, dessen langes goldblondes Haar in weichen Wellen über die schmalen Schultern fiel. Sowohl in der Feinheit ihres Gesichtchens als auch in ihren graziösen Bewegungen war sie fast genau

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Mary Cotten

Ein Schauder durchlief Glorias Körper, als sei ihre Bluse völlig durchnäßt. Das aber war Unsinn, sagte sie sich und fuhr mit der Hand über ihre Schulter, weil es sich dort besonders kalt anfühlte. Vor Entsetzen glaubte sie zu erstarren. Ihre Bluse war tatsächlich völlig durchnäßt. Als sie wenig später an ihrem klebrig nassen Ärmel schnupperte, hatte sie mit einemmal den intensiven salzigen Geruch nach Meerwasser in der Nase. Da lief sie wie von Furien gehetzt in ihr Zimmer, um sich umzuziehen. Mit zitternden Fingern legte sie das verdorbene Kleidungsstück auf den Badewannenrand, um es trocknen zu lassen. Da entdeckte sie unter dem Kragen ein grünliches Etwas, das glänzend hervorlugte. Vorsichtig hob sie den Kragen an und sah, daß es Seetang war, frisch vom Boden des Meeres. Lautlos sank sie zu Boden…

Denise Cromwell stand am Fenster ihrer gemütlichen Wohnung und starrte nach draußen. Es dämmerte bereits, und der Nebel, der um diese Jahreszeit London fest in der Hand hatte, ermöglichte ihr nur die Sicht bis zur Straße hinunter. Das Haus auf der gegenüberliegenden Seite konnte sie lediglich schemenhaft wahrnehmen.

»Muß ich wirklich schon zu Bett gehen, Mum? Ich bin doch gar nicht müde. Außerdem fehlt mir Daddy so sehr. Wann kommt er wieder?« Lucie Cromwell, die neunjährige Tochter der jungen Frau, stand an der Tür und blickte die Mutter bittend an.

Sie war ein hübsches Mädchen, dessen langes goldblondes Haar in weichen Wellen über die schmalen Schultern fiel.

Sowohl in der Feinheit ihres Gesichtchens als auch in ihren graziösen Bewegungen war sie fast genau das Abbild ihrer Mutter, die jedoch ihre langen Haare meist im Nacken zusammengebunden hatte.

Lächelnd drehte sich Denise zu ihrer Tochter um. Mit liebevollem Blick umfaßte sie das schlanke Mädchen, das ihr ganzer Stolz war. »Wir beide werden uns leider eine ganze Woche gedulden müssen, Darling. Dieses Mal hat Daddy länger in Amerika zu tun. Zuerst hatte ich noch gehofft, daß wir ihn begleiten dürfen. Dann jedoch hat es sich anders ergeben.« Sie trat zu ihrer Tochter und legte liebevoll einen Arm um deren Schultern.

Lucie schmiegte sich an ihre Mutter. »Warum muß Daddy immer wegfliegen? Ich will nicht, daß er uns verläßt. Nun kann er mich morgen nicht einmal zur Schule bringen.«

»Das wird auch nicht nötig sein, Lucie. Hast du vergessen, daß morgen die Ferien beginnen? Außerdem wirst du ohnehin die Schule wechseln, so daß du nicht mehr so einen weiten Weg hast. Dann muß Daddy nicht immer mit dem Auto fahren.« Denise Cromwell begleitete ihre Tochter zu deren Zimmer und wartete, bis sie sich im Bett zusammengerollt hatte wie ein kleines Mädchen. »Du wirst jetzt schön schlafen, Lucie, nicht wahr?«

»Ist schon gut, Mum. Vielleicht ist er ja morgen wieder zurück. Dad weiß, wie sehr wir ihn brauchen.« Man konnte Lucie ansehen, wie müde sie inzwischen geworden war. »Dad hat uns schon oft überrascht. Vielleicht klappt es diesmal auch wieder.« Liebevoll legte das Mädchen die Hand der Mutter an seine Wange.

Denise nickte. Mit einem Mal empfand sie eine unerträgliche Angst wie noch nie zuvor. »Vielleicht hast du recht, Darling. Allerdings sollten wir uns nicht zuviel Hoffnung machen. Daddys Reise war nicht mehr aufzuschieben. Er wird mindestens eine Woche dafür benötigen, alles zu regeln. Etwas anderes zu glauben wäre Unsinn.«

Lucie war bereits am Einschlafen. Sie hatte Mühe, die Augen noch einmal zu öffnen. »Wir werden es schon schaffen, Mum. Bis jetzt haben wir es immer geschafft. Zum Glück kann ich bei dir bleiben. Dann bist du nicht allein. Wann fahren wir zu der neuen Schule, um sie anzusehen?«

Denise zuckte die Schultern. »Dad kennt sie, hat selbst einige Jahre dort zugebracht«, antwortete sie ausweichend. »Jetzt sollten wir erst einmal schlafen. Morgen haben wir einen schweren Tag vor uns. Du weißt, daß Daddy uns eine Menge aufgetragen hat, das wir erledigen müssen. Immerhin muß in der Firma alles so weiterlaufen, als wäre er überhaupt nicht weg. Daddy verläßt sich auf uns.«

Mit einem zufriedenen Seufzer drehte sich Lucie von einer Seite auf die andere. »Das ist gut so, findest du nicht auch, Mum? Daddy braucht uns. Wir werden uns also sehr bemühen.« Die letzten Worte waren kaum mehr zu verstehen, und als das Mädchen ausgesprochen hatte, schlief es bereits.

Lächelnd erhob sich Denise Cromwell und strich ihrer Tochter noch einmal über das goldblonde Haar. »Schlaf gut, mein Schätzchen. Morgen sieht bestimmt wieder alles anders aus. Wenn Daddy angekommen ist, ruft er an. Erst dann werde ich beruhigt sein.«

Denise Cromwell erhob sich seufzend. So schwer wie dieses Mal war ihr der Abschied von Paul noch nie gefallen. Sie liebte ihren Mann über alles, hatte sogar ihre Heimat Wales für ihn aufgegeben und war zu ihm in das rauhe Klima des schottischen Hochlands gezogen. Als sie angefangen hatte, sich einzuleben, hatte sie Pauls überraschende Entscheidung, nach London zu ziehen, dennoch ohne Murren akzeptiert.

Ehe Denise das Kinderzimmer verließ, blieb sie noch einen Augenblick an der Tür stehen und blickte zu ihrer Tochter. Lucie war der sichtbare Beweis ihrer Liebe, die zwar irgendwo seinen Anfang hatte, die jedoch niemals enden würde.

Mit einem wehmütigen Gefühl im Herzen ging Denise nach draußen in ihr eigenes Schlafzimmer. Ein langer Abend lag vor ihr, mit dem sie nichts anzufangen wußte.

Sie trat ans Fenster, lehnte die Stirn an das kühle Glas, während ihre Gedanken auf Wanderschaft gingen. Mit einem Mal war in ihrer Erinnerung wieder das alte Castle, wo sie die ersten glücklichen Jahre ihrer Ehe verbracht hatte.

Ob Andrew, Pauls jüngerer Bruder, inzwischen geheiratet hatte? Manchmal noch dachte Denise mit leiser Wehmut im Herzen an den Schwager, den sie von Anfang an sehr gemocht hatte. Es mußte wohl eine unüberbrückbare Differenz zwischen Paul und Andrew gegeben haben, denn plötzlich hatte Paul das angenehme Leben auf Madison Manor einfach hinter sich gelassen, um einen neuen Anfang in London zu wagen.

Leider hatte Denise nie erfahren, was damals vorgefallen war. Pauls Entschluß war ganz plötzlich gekommen. Von heute auf morgen hatte er entschieden, seine Zelte in der geliebten Heimat einfach abzubrechen und war seitdem nie wieder, nicht einmal für einen kurzen Besuch, zurückgekehrt.

Nur ein einziges Mal hatte Denise gewagt, ihn zu fragen, was der Auslöser gewesen sei. Paul jedoch hatte sie nur ernst und nachdenklich angesehen, dann hatte er sich umgedreht und war einfach weggegangen. Seitdem hatte Denise nie wieder gefragt.

Das Gefühl des Verlassenseins wurde immer stärker in der jungen Frau. Sie wußte, daß es das beste war, wenn sei eine von ihren leichten Schlaftabletten einnahm und zu Bett ging. Auf diese Weise würde sie die Trennung von dem geliebten Mann am einfachsten überstehen.

Sie ging ins angrenzende Badezimmer, wusch sich, bürstete ihr langes Haar, bis es glänzte, dann füllte sie ihren Zahnputzbecher mit Wasser und nahm einen der gelben Kügelchen aus dem Glas. Es schmeckte süß und versprach eine angenehme Nachtruhe.

Seufzend setzte sich Denise wenig später auf den Bettrand und spürte mit einem Mal, wie bleierne Müdigkeit ihren Körper lähmte. Das konnte noch nicht die Wirkung der Tablette sein. Überrascht legte sich die junge Frau hin und schloß die Augen.

Ihre Gedanken wanderten wieder zurück in jene Zeit, als sie Paul eben erst kennengelernt hatte. Wunderbare Jahre lagen hinter ihr voller Liebe und Glück. Kaum ein halbes Jahr nach ihrem Kennenlernen hatten sie bereits geheiratet. Wenig später kündigte sich Lucie an, die ihnen von Anfang an große Freude bereitete.

»Ach, Paul, warum nur können wir nicht so leben wie andere Familien auch?« fragte sie seufzend, obwohl sie wußte, daß er sie nicht hören konnte. »Warum mußt du ständig unterwegs sein? Es wäre mir viel lieber, wenn wir nicht wohlhabend wären, dafür jedoch mehr Zeit miteinander verbringen könnten.« Erleichtert bemerkte Denise, wie ihr die Augen zufielen. Bald würde der Schlaf sie umfangen haben und ihr für wenige Stunden Vergessen bescheren.

Nur ein einziges Mal noch öffnete Denise die Augen und stellte fest, daß sie vergessen hatte, den Fernseher, den Paul liebevoll im Schrank eingebaut hatte, auszuschalten. Jetzt jedoch war sie zu müde dafür, um dies noch zu erledigen.

Dank der Tablette waren es wunderbare Träume, die Denise sanft entführten. Sie sah sich über eine blühende Wiese laufen, Hand in Hand mit ihrem Mann, nach dem sie große Sehnsucht empfand. Immer wieder drehte sie den Kopf zu ihm, um sein Gesicht erkennen zu können, doch jedesmal, wenn sie ihn anlächelte, verschwammen seine Konturen vor ihren Augen, ehe er zurücklächeln konnte.

Zuerst dachte sich die junge Frau nichts dabei, denn in ihrem Unterbewußtsein wußte sie ja, daß sie alles nur träumte. Noch fester hielt sie Pauls Hand in der ihren, fest entschlossen, ihn nie wieder loszulassen. Plötzlich jedoch merkte sie, wie sich etwas veränderte. Der Himmel bedeckte sich mit unnatürlich schwarzen Wolken, ein Wind kam auf, und als die ersten Regentropfen fielen, fühlte sich Pauls Hand eiskalt an.

Entsetzt blieb sie stehen. »Was ist mit dir, Darling?« Entsetzt versuchte sie, in seinem Gesicht zu lesen. Doch da war nichts. Paul war verschwunden. Sie befand sich inmitten eines düsteren, trostlosen Waldes, der keinen Anfang und kein Ende zu haben ­schien. Wie war sie nur in diese einsame Gegend geraten? Sie konnte sich nicht daran erinnern. Offensichtlich hatte sich der schöne Traum von eben in einen regelrechten Alptraum verwandelt. Sie mußte ganz einfach versuchen, aufzuwachen.

»Paul, wo bist du?« Sie spürte, wie sich ihr Mund bewegte, wie ihr Körper plötzlich kraftlos wurde, und wie sie umzusinken drohte. Nur wenige Augenblicke noch, dann würde eine gnädige Ohnmacht sie in die Arme nehmen. Sie schloß die Augen. Nichts geschah!

Plötzlich spürte Denise eine sanfte Berührung an ihrem Arm. Erschrocken drehte sie sich um. »Paul!« Vor Entsetzen preßte sie die Hände an den Mund, um nicht laut aufzuschreien. Vor ihr stand Paul, doch er hatte sich auf eine furchtbare Weise verändert. Seine Augen waren weit aufgerissen, schienen fast aus den Höhlen quellen zu wollen, und sein dunk­les Haar glänzte vor Nässe und klebte an seinem Kopf. Seine Lippen waren ein wenig geöffnet, und aus einem Mundwinkel quoll ein dünner Blutfaden.

»Nein, es ist nicht wahr… Paul! Es ist nicht wahr! Sag etwas, Paul!« Langsam nahm sie die Hände vom Mund, ohne den Blick von der entsetzlichen Erscheinung zu wenden. Sie wich einen Schritt zurück, bereit, jeden Moment zu flüchten.

Jetzt hob der Mann beide Arme und versuchte, nach ihr zu greifen. Sein eben noch verloren wirkender Blick kehrte aus weiter Ferne zurück und starrte sie durchdringend an. »Denise…«, flüsterte er mit einer Stimme, die wie gesplittertes Glas klang. »Hilf mir, Denise. Ich…«

Plötzlich begann die Erscheinung sich langsam aufzulösen. Pauls Blick wurde traurig und wirkte wieder verloren wie vorhin. Noch immer hatte er seine Hände erhoben, als wollte er sich an Denise festklammern.

Voller Angst versuchte Denise, nach ihrem Mann zu greifen. Immer wieder faßte sie nach seinen Händen, doch sie griffen ins Leere. »Bleib hier, Paul! Ich brauche dich! Was ist nur geschehen? Sag es, sag es mir um Himmels willen!«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Später…«, antwortete er nur und hatte offensichtlich Mühe, noch nicht ganz zu verschwinden. »Denise, ich… liebe dich unendlich«, beteuerte er. »Ich liebe dich, das mußt du mir glauben, dich und Lucie.« Sein Gesicht war vor Verzweiflung zu einer Grimasse verzerrt.

»Warum nur konnte ich nicht bei euch bleiben? Ich verstehe es nicht, noch nicht.« Immer mehr verschwanden die Konturen der Erscheinung. Bald waren die Hände und auch der Leib nicht mehr zu sehen. Geblieben waren lediglich die Augen, die mit einer schier unerträglichen Intensität an der Frau hingen.

Aufschluchzend schlug Denise Cromwell die Hände vors Gesicht. »Paul…«, jammerte sie flehend, während entsetzliche Furcht wie ein Ungeheuer durch ihren Körper kroch. »Paul, was ist nur geschehen?« Noch immer vor sich hin schluchzend nahm sie die Hände wieder vom Gesicht und schaute sich um. Es war dunkel.

Zu ihrer Erleichterung erkannte sie, daß sie sich in ihrem Schlafzimmer befand. Also mußte sie geträumt haben. Es war ein sehr realistischer Traum gewesen. Er hatte sie in Angst und Schrecken versetzt, Gefühle, die sie noch immer empfand. Warum nur hatte sie Paul in solch einer furchtbaren Verfassung gesehen? War es ein Wahrtraum, sollte es bedeuten, daß ihrem Mann etwas zugestoßen war?

»So ein Unsinn, Denise. Du bist eine erwachsene Frau, die mit beiden Beinen fest auf der Erde steht. Du darfst dich nicht in solche Vermutungen verlieren. Paul ist längst in Amerika angekommen, und es geht ihm gut. Du hast also gar keinen Grund, dich verrückt zu machen. Dieser scheußliche Traum entspringt lediglich deinen heimlichen Befürchtungen. Denk also an etwas anderes und versuche zu schlafen.« Die Frau drehte sich auf die Seite und versuchte, die Augen zu schließen.

Bald jedoch mußte sie einsehen, daß alles keinen Sinn hatte. Jedesmal, wenn sie gerade so am Einschlafen war, erschien wieder dieses schmerzverzerrte, verzweifelte Gesicht ihres Mannes vor ihrem geistigen Auge. Es blieb ihr also gar nichts anderes übrig, als die Nachttischlampe einzuschalten und eine Weile zu lesen.

Plötzlich fiel ihr Blick auf den Fernsehapparat. Jetzt erinnerte sie sich wieder, daß sie vergessen hatte, ihn abzuschalten. Das war die Erklärung! Sicher hatte es noch ein Programm gegeben, das ihren Traum beeinflußte. Es war also nichts vorgefallen, worüber sie sich jetzt noch ängstigen mußte.

Sie atmete erleichtert auf und schloß erneut die Augen. Wenig später war Denise eingeschlafen. Kein Alptraum störte mehr ihre Nachtruhe, und sie sah auch nicht, daß der kleine Jasminstrauch, den Paul mit liebevoller Hand selbst zu einem Bonsai zurückgeschnitten hatte, in dieser Nacht eine einzige Blüte öffnete. Auf einem der porzellanweißen Blütenblätter war ein kleiner roter Fleck, der aussah wie ein Blutstropfen.

*

Die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster drangen, kitzelten Denise so lange an der Nase, bis sie niesen mußte. Sie öffnete die Augen und schaute sich um. Jetzt sah das Schlafzimmer wieder hell und freundlich aus, nur das unberührte Bett neben ihr störte die junge Frau sehr.