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Das posthum herausgegebene Werk "Gedanken", franz.'Pensees', entstand aus über 1000 Notizzetteln, die in Pascals Nachlass gefunden wurden und die wahrscheinlich zur Vorbereitung eines Werkes über den christlichen Glauben dienen sollten.
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Seitenzahl: 472
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1. Teil
Erster Abschnitt. Von der Autorität in Betreff der Philosophie.
Zweiter Abschnitt. Betrachtungen über die Mathematik im Allgemeinen.
Dritter Abschnitt. Von der Kunst zu überzeugen.
Vierter Abschnitt. Allgemeine Kenntnis des Menschen.
Fünfter Abschnitt. Eitelkeit des Menschen. Wirkungen der Eigenliebe.
Sechster Abschnitt. Schwäche des Menschen.
Siebenter Abschnitt. Elend des Menschen.
Achter Abschnitt Gründe einiger Volksmeinungen
Neunter Abschnitt Zerstreute Gedanken über Moral
Zehnter Abschnitt Verschiedene Gedanken über Philosophie und Literatur.
Elfter Abschnitt Über Epiktet und Montaigne
Zwölfter Abschnitt. Über den Stand der Großen.
2. Teil
Erster Abschnitt. Auffallende Widersprüche in der Natur des Menschen
Zweiter Abschnitt Notwendigkeit die Religion zu studieren.
Dritter Abschnitt. Das Dasein Gottes durch natürliche Geisteskräfte zu beweisen
Vierter Abschnitt. Kennzeichen der wahren Religion.
Fünfter Abschnitt. Die wahre Religion bewiesen durch Widersprüche
Sechster Abschnitt. Unterwerfung und Gebrauch der Vernunft.
Siebenter Abschnitt. Bild eines Menschen, der müde geworden ist Gott zu suchen
Achter Abschnitt. Die Juden, mit Bezug auf unsre Religion betrachtet.
Neunter Abschnitt. Von den Vorbildern; dass das alte Gesetz vorbildlich war.
Zehnter Abschnitt. Von Jesu Christo.
Elfter Abschnitt. Beweise für Jesum Christum aus den Weissagungen.
Zwölfter Abschnitt. Verschiedene Beweise für Jesum Christum.
Dreizehnter Abschnitt. Vom Ratschluss Gottes sich zu verbergen oder zu offenbaren.
Vierzehnter Abschnitt. Wahre Christen und wahre Juden haben nur eine Religion
Fünfzehnter Abschnitt. Man erkennt Gott nicht anders als durch Jesum Christum.
Sechzehnter Abschnitt. Gedanken über die Wunder.
Siebzehnter Abschnitt. Verschiedene Gedanken über die Religion.
Achtzehnter Abschnitt. Gedanken über den Tod.
Neunzehnter Abschnitt. Gebet zu Gott um den rechten Gebrauch der Krankheiten.
Zwanzigster Abschnitt. Vergleichung der alten Christen mit den heutigen.
Einundzwanzigster Abschnitt. Bruchstück einer Schrift über die Bekehrung des Sünders.
Gedanken, die sich auf Philosophie, Moral und schöne Wissenschaften beziehen
Die Achtung vor dem Altertum ist heut zu Tage, in den Gegenständen, bei welchen sie am Wenigsten gelten sollte, auf dem Punkt, dass man aus allen seinen Gedanken Orakel macht und selbst aus seinen Dunkelheiten Geheimnisse, dass man nicht mehr ohne Gefahr etwas Neues vorbringen kann und dass die Worte eines (alten) Autors hinreichen die stärksten Gründe zu zerstören.
Meine Absicht ist nicht einen Fehler durch den andern zu bessern und den Alten gar keine Achtung zu beweisen, weil man ihnen zu viel beweist und ich will nicht ihre Autorität verbannen um ganz allein das Selbstdenken zu erheben, obgleich man ihre Autorität allein zum Nachtheil des eignen Vernunftgebrauchs aufrichten will. Aber man muss erwägen, dass unter den Dingen, die wir zu kennen streben, einige allein vom Gedächtnisse abhängen und rein historisch sind, indem dann nur unser Zweck ist wissen zu wollen was die Autoren geschrieben haben; die andern aber hängen allein von dem Forschen der Vernunft ab und sind gänzlich dogmatisch, indem wir dann zum Zweck haben die verborgenen Wahrheiten zu entdecken. Nach dieser Unterscheidung muss man abmessen, wie weit die Achtung vor den Alten gehen darf.
In den Gegenständen, wo man allein erforschen will was die Autoren geschrieben haben, wie z.B. in der Geschichte, Geographie, Sprachen, Theologie, endlich in alle denen, die entweder die einfache Tatsache oder eine göttliche oder menschliche Anordnung zur Grundlage haben, muss man notwendiger Weise auf ihre Bücher zurückgehen, weil alles, was man darüber wissen kann, in diesen enthalten ist, und es leuchtet ein, dass man nur da die vollkommne Erkenntnis von diesen Dingen finden kann und dass es nicht möglich ist noch etwas hinzu zu setzen. Also wenn die Frage ist, wer der erste König der Franzosen war, auf welchen Ort die Geographen dem ersten Meridian verlegen, welche Worte in einer toten Sprache vorkommen u. d. m. welche andre Mittel gibt es das zu erfahren als die Bücher? Und wer könnte irgendetwas Neues zu dem, was sie uns darüber lehren, hinzufügen, da man ja eben nur wissen will, was sie enthalten? Die Autorität allein kann uns darüber aufklären.
Wo aber diese Autorität die größte Stärke hat, das ist in der Theologie, weil sie da unzertrennlich von der Wahrheit ist und wir diese nur durch jene kennen, so dass es, um den Dingen, die für die Vernunft die unbegreiflichsten sind, die volle Gewissheit zu geben, hinreicht in der heiligen Schrift nach zu weisen, wie man auch, um die Ungewissheit der wahrscheinlichen Dinge zu zeigen, nur nach zu weisen braucht, dass sie nicht darin enthalten sind. Denn die Prinzipien der Theologie sind über der Natur und Vernunft und der Geist des Menschen, zu schwach und dazu durch eigne Anstrengung zu gelangen, kann diese hohen Einsichten nicht erreichen, wenn er nicht zu ihnen erhoben wird durch eine allmächtige und übernatürliche Kraft.
Anders ist es mit den Gegenständen der Sinne oder der Vernunft. Die Autorität ist hier unnütz, die Vernunft hat allein das Recht sie zu erkennen; beide haben ihre getrennten Rechte. Jene war so lange ganz im Vorteil, hier nun kommt diese an die Reihe zum Herrschen. Und da die Gegenstände dieser Art der Fassungskraft des Geistes angemessen sind, hat er vollkommne Freiheit sich hier aus zu breiten; seine unerschöpfliche Fruchtbarkeit bringt unaufhörlich hervor und seine Erfindungen können zugleich ohne Ende und ohne Unterbrechung sein.
Auf diese Weise müssen die Geometrie, Arithmetik, Musik, Naturlehre, Arzneikunde, Baukunst und alle die Wissenschaften, welche von Erfahrung und Nachdenken abhängig sind, erweitert werden um vollkommen zu werden. Die Alten fanden sie bloß aus dem Groben gearbeitet von denen, die ihnen vorangingen und wir werden sie denen, die nach uns kommen, in einem vollendeteren Zustande nachlassen, als wir sie empfangen haben. Da ihre Vervollkommnung von Zeit und Arbeit abhängt, so ist klar, dass, wenn auch unsre Arbeit und Zeit uns weniger erworben hätte als ihre Bestrebungen von den unsren getrennt, doch alle beide mit einander verbunden mehr Wirkung haben müssen als jede für sich besonders.
Die Aufhellung dieses Unterschiedes muss uns lehren die Blindheit derer beklagen, die in Sachen der Naturlehre die einzige Autorität zum Beweise aufführen statt der Vernunft und der Erfahrung und muss uns Abscheu einflößen vor der Schlechtigkeit derer, die in der Theologie allein die Vernunft anwenden statt der Autorität der Schrift und der und der Kirchenväter. Man muss aufrichten den Muth jener furchtsamen Seelen, die in der Naturkunde nichts Neues zu erfinden wagen und niederwerfen den Übermut der Vermessenen, die in der Theologie Neues aufbringen.
Aber das ist das Unglück des Jahrhunderts, man sieht in der Theologie viele neue Meinungen, die dem ganzen Altertum unbekannt waren und die mit Hartnäckigkeit behauptet, mit Beifall angenommen werden; dagegen die Meinungen, die man in der Physik, wenn auch nur in kleiner Anzahl neu aufstellt, scheinen der Falschheit bezichtigt werden zu müssen, sobald sie auch nur ein wenig gegen die angenommenen Meinungen anstoßen; gleich als wenn die Achtung, die man für die alten Philosophen hat, Pflicht wäre und als wenn die Achtung, welche man vor den ältesten Vätern hegt, bloß Höflichkeit wäre.
Ich überlasse es den Verständigen die Wichtigkeit dieses Missbrauchs zu beachten, welcher die Ordnung der Wissenschaften auf so ungerechte Art umkehrt und ich glaube, dass wenige unter ihnen sein werden, die nicht wünschen, dass unsre Forschungen einen andern Gang nehmen möchten, da die neuen Erfindungen unfehlbar Irrtümer sind in theologischen Gegenständen, die man ungestraft entweihet, und dagegen unbedingt notwendig sind zur Vervollkommnung so vieler anderer Gegenstände einer untergeordneten Gattung, die man jedoch nicht an zu rühren wagt.
Wir müssen unser Glauben und unser Misstrauen gerechter verteilen und unsre Achtung vor den Alten einschränken. Wie die Vernunft sie erzeugt, so muss sie ihr auch Maß und Ziel setzen. Wir müssen bedenken: wenn sie die Zurückhaltung geübt hätten nichts zu den empfangenen Kenntnissen hinzu zu fügen oder wenn die Leute zu ihrer Zeit eben solche Schwierigkeit gemacht hätten das Neue, was sie ihnen boten, an zu nehmen, so würden sie sich und ihre Nachkommen der Früchte ihrer Entdeckungen beraubt haben.
Wie sie sich der Entdeckung, die ihnen hinterlassen waren, nur als Mittel bedient haben um neue zu machen, und wie diese glückliche Kühnheit ihnen den Weg zu großen Dingen geöffnet hat, so müssen wir die, welche sie uns erworben haben, auf dieselbe Weise nehmen und daraus nach ihrem Beispiel die Mittel und nicht den Zweck unsers Studiums machen und so streben sie zu übertreffen, indem wir sie nachahmen. Denn was wäre unbilliger, als wenn wir unsre Vorfahren mit mehr Zurückhaltung behandelten, als sie gegen ihre Vorfahren gehabt haben und vor ihnen den unglaublichen Respekt hegten, den sie sich von uns nur darum verdient, weil sie nicht einen gleichen vor denen hegten, die denselben Vorzug vor ihnen besaßen?
Die Geheimnisse der Natur sind verborgen. Obgleich sie immer handelt, entdeckt man nicht immer ihre Wirkungen. Die Zeit offenbart sie von Geschlecht zu Geschlecht und wenn auch immer gleich an sich, ist sie doch nicht immer gleich gekannt. Die Erfahrungen, die uns die Kenntnis davon geben, vervielfältigen sich unaufhörlich und wie sie die einzigen Grundlagen der Naturlehre sind, so vervielfältigen sich die Folgerungen im Verhältnis.
In dieser Weise darf man heut zu Tage andre Meinungen und neue Ansichten ergreifen, ohne die Alten zu verachten und ohne Undankbarkeit gegen sie. Die ersten Kenntnisse, die sie uns gegeben, sind zu Stufen geworden für die unsrigen und wenn wir so im Vorteil sind, verdanken wir ihnen den Vorsprung, den wir vor ihnen haben; denn sie haben sich bis zu einer gewissen Stufe erhoben und uns bis dahin gebracht und so bringt die geringste Anstrengung uns höher und mit weniger Mühe und weniger Ehre befinden wir uns über ihnen. Von da aus können wir Dinge entdecken, die sie unmöglich gewahr werden konnten. Unser Blick ist ausgedehnter und obgleich sie alles, was sie von der Natur zu bemerken vermochten, ebenso gut kannten als wir, so kannten sie doch nicht so viel und wir sehen mehr als sie.
Es ist merkwürdig, wie man ihre Meinungen verehrt. Es wird zum Verbrechen gemacht ihnen zu widersprechen und zum Frevel etwas hinzu zu fügen, als hätten sie nicht Wahrheiten hinterlassen zu erkennen.
Heißt das nicht die Vernunft des Menschen unwürdig behandeln und sie mit dem Instinkt der Tiere in eine Reihe stellen? Man nimmt den Hauptunterschied weg, der darin besteht, dass die Leistungen der Vernunft ohne Aufhören zunehmen, wogegen der Instinkt immer in gleichem Zustande bleibt. Die Stöcke der Bienen waren vor tausend Jahren ebenso wohl abgemessen als heute und jede bildet jenes Sechseck ebenso genau das erste Mal wie das letzte. Ebenso ist es mit allem, was die Tiere durch diesen verborgenen Trieb hervorbringen. Die Natur unterrichtet sie, je nachdem die Notwendigkeit sie drängt; aber diese schwache Kunst verliert sich, sobald sie sie nicht mehr brauchen. Sie empfangen sie ohne Studium und sind nicht so glücklich sie erhalten zu können und jedes Mal, wenn sie ihnen gegeben wird, ist sie ihnen neu. Die Natur, welche nur den Zweck hat die Tiere in einer beschränkten Vollkommenheit zu erhalten, flößt sie ihnen jene einfach notwendige und immer gleiche Kunst ein, damit sie nicht verkommen und gestattet nicht, dass sie etwas hinzutun, damit sie nicht die Grenzen überschreiten, welche sie ihnen vorgeschrieben hat.
Anders ist es mit dem Menschen, der nur für die Unendlichkeit geschaffen ist. In der ersten Zeit seines Lebens ist er in Unwissenheit, aber wie er fortschreitet, unterrichtet er sich ohne Aufhören, denn er zieht nicht bloß von seiner eignen Erfahrung Nutzen, sondern auch von den Erfahrungen seiner Vorgänger, weil er die Kenntnisse, die er sich einmal erworben, immer im Gedächtnis bewahrt und weil die Kenntnisse der Alten immer in den Büchern, die sie darüber nachgelassen haben, vorhanden sind. Und wie er seine Kenntnisse bewahrt, so kann er sie auch leicht vermehren, so dass die Menschen heute in gewisser Art auf demselben Standpunkt sind, worauf jene alten Philosophen sich befinden würden, wenn es möglich gewesen wäre, dass sie bis jetzt fortgelebt und zu den Kenntnissen, die sie hatten, noch die hinzugefügt hätten, welche ihre Studien in so vielen Jahrhunderten ihnen würden erworben haben. So kommt es denn durch ein besonderes Vorrecht der Menschen, dass nicht allein jeder von ihnen Tag für Tag in den Wissenschaften fortschreitet, sondern dass alle zusammen darin einen ununterbrochenen Fortschritt machen, je älter die Welt wird; denn ein Gleiches geschieht in der Folge aller Menschen wie in den verschiedenen Altersstufen des einzelnen. Die ganze Reihenfolge der Menschen im Lauf so vieler Jahrhunderte, muss angesehen werden als ein und derselbe Mensch, der immer besteht und fortwährend lernt. Daraus sieht man, wie unbillig es ist, wenn wir das Altertum in seinen Philosophen respektieren. Das Alter ist die Zeit, die am Weitesten von der Kindheit abliegt, und wer sieht nicht, dass also das Alter jenes Universalmenschen nicht in den Zeiten, die seiner Geburt am Nächsten stehen, sondern in denen, die am Meisten von ihr entfernt sind, gesucht werden muss?
Diejenigen, welche wir Alte nennen, waren in Wirklichkeit jung in allen Dingen und bildeten eigentlich die Kindheit der Menschen und da wir mit ihren Kenntnissen die Erfahrung der Jahrhunderte, die auf sie gefolgt sind, verbunden haben, so kann man eigentlich in uns jenes Altertum finden, was wir an den andern verehren. Sie müssen bewundert werden in den Schlüssen, welche sie vortrefflich aus den wenigen Grundgesetzen, die sie hatten, gezogen haben und sie müssen entschuldigt werden in denen, bei welcher ihnen mehr das Glück der Erfahrung als die Stärke des Denkens fehlte.
Waren sie zum Beispiel nicht zu entschuldigen in der Vorstellung, die sie von der Milchstraße hatten, wenn die Schwäche ihrer Augen noch nicht die Hilfe der Kunst empfing und sie diese Farbe einer größeren Dichtigkeit in dem Teil des Himmels, der das Licht stärker zurückstrahlt, zuschrieben? Würden wir aber zu entschuldigen sein, wenn wir in derselben Vorstellung bleiben, jetzt da wir unterstützt von den Vorteilen, welche uns das Fernglas gibt, in der Milchstraße eine Unzahl von kleinen Sternen entdeckt haben, deren stärkeres Licht uns erkennen lässt, was die wahre Ursache jener weißen Farbe ist?
Hatten sie nicht auch Grund zu sagen, dass alle Körper, die dem Verderben unterworfen sind, in den Kreis des Mondes am Himmel eingeschlossen wären, weil sie während so vieler Jahrhunderte weder ein Untergehen noch ein Entstehen außer diesem Raume bemerkt hatten? Müssen wir aber nicht das Gegenteil versichern, weil die ganze Erde deutlich Kometen hat sich entzünden und weit außerhalb jener Sphäre verschwinden sehn?
Ebenso ist es mit der Lehre vom leeren Raum. Sie hatten Recht zu sagen, die Natur leide keinen leeren Raum, weil alle ihre Erfahrungen ihnen immer gezeigt hatten, dass sie ihn fliehe und nicht leiden könne. Aber wenn die neuen Versuche ihnen bekannt gewesen wären, so würden sie vielleicht Veranlassung gefunden haben, das zu bejahen, was sie Veranlassung hatten zu verneinen aus dem Grunde, weil das Leere noch nicht zum Vorschein gekommen war. Auch in dem Schluss, welchen sie machten, dass die Natur nichts Leeres leide, haben sie doch nur von der Natur, insoweit sie sie kannten, zu sprechen gemeint, da es, ganz im Allgemeinen gesagt, nicht genug wäre sie in zehn oder in tausend Fällen oder in irgend einer andern noch so großen Zahl von Fällen beharrlich beobachte zu haben, denn wenn ein einziger Fall übrig bliebe zu erforschen, so würde dieser einzige hinreichen die allgemeine Entscheidung zu verhindern. In der Tat bei allen den Gegenständen, deren Beweis in Erfahrungen und nicht in Demonstrationen besteht, darf man daraus keine andre allgemeine Behauptung aussprechen als nur durch allgemeine Aufzählung aller Theile und aller verschiedenen Fälle.
So, wenn wir sagen, der Diamant ist der härteste von allen Körpern, so meinen wir von allen den Körpern, die wir kennen und wir können und dürfen darunter nicht die mit begreifen, die wir nicht kennen, und wenn wir sagen, das Gold ist der schwerste von allen Körpern, so wäre es vermessen, wenn wir in diesen allgemeinen Satz auch die mitbegriffen, die uns nicht bekannt sind, obgleich es nicht unmöglich ist, dass sie in der Natur seien.
Also ohne den Alten zu widersprechen, können wir das Gegenteil behaupten von dem, was sie sagten und welches Ansehen auch das Altertum hat, die Wahrheit muss immer den Vorzug haben, wenn sie auch kürzlich erst entdeckt worden ist; denn sie ist immer älter als alle Meinungen, die man je über sie gehabt und es hieße die Natur gar nicht kennen, wenn man sich einbilden wollte, sie hätte angefangen zu sein zu der Zeit, da sie anfing bekannt zu werden.
Bei Erforschung der Wahrheit kann man drei Hauptzwecke haben, erstens sie zu entdecken, wenn man sie sucht, zweitens sie zu beweisen, wenn man sie besitzt, drittens sie vom Falschen zu unterscheiden, wenn man sie untersucht.
Ich spreche nicht von dem ersten, sondern behandle besonders den zweiten, welcher den dritten einschließt; denn wenn man die Methode kennt die Wahrheit zu beweisen, so hat man zugleich die Methode sie zu unterscheiden, denn indem man untersucht, ob der Beweis, den man gibt, den Regeln, die man kennt, gemäß ist, sieht man auch, ob er genau geführt ist.
Die Mathematik, die in diesen drei Stücken ausgezeichnet ist, hat die Kunst entwickelt die unbekannten Wahrheiten zu entdecken, das nennt man Analyse und es wäre überflüssig darüber zu sprechen nach so vielen vortrefflichen Werken, die geschrieben worden sind.
Die Methode die schon gefundenen Wahrheiten zu beweisen und dieselben so auf zu hellen, dass der Beweis davon unwiderleglich sei, das ist die einzige, die ich angeben will und ich brauche dazu nur den Gang zu entwickeln, welchen die Mathematik dabei beobachtet; denn sie lehrt es vollkommen.
Indessen vorher muss ich einen Begriff von einer noch höheren und vollendete Ren Methode geben, welche aber die Menschen nie erreichen (denn was über die Mathematik geht, übersteigt uns) und doch ist es nötig etwas über sie zu sagen, obgleich es unmöglich ist sie auszuüben.
Diese wahre Methode, welche die Beweise in der höchsten Vollkommenheit bilden würde, wenn es möglich wäre sie zu erreichen, würde in zwei Hauptsachen bestehen, erstens sich keines Ausdrucks zu bedienen, ohne zwar genau seinen Sinn zu entwickeln, und zweitens nie einen Satz auf zu stellen ohne ihn durch schon bekannte Wahrheiten zu beweisen, das heißt mit einem Wort, alle Ausdrücke zu definieren und alle Sätze zu beweisen.
Aber um der Ordnung, die ich entwickle, selbst zu folgen, muss ich erklären, was ich unter Definition verstehe. In der Mathematik erkennt man allein die Definitionen, welche die Logiker Namenerklärungen nennen, das heißt, allein die Benennungen, die man den Dingen gibt, nachdem man sie vollkommen durch bekannte Ausdrücke bezeichnet hat, und nur von diesen allein spreche ich.
Ihr Nutzen und ihr Gebrauch ist Aufhellung und Abstützung der Rede, indem man mit dem bloßen Namen, den man beilegt, das ausdrückt, was sich nur mit mehreren Worten sagen ließe; doch so, dass der beigelegte Namen von allem andern Sinn, wenn er einen hat, entkleidet bleibt um keinen andern mehr zu haben als den, wozu man ihn einzig bestimmt. Ein Beispiel ist folgendes. Wenn man benötigt ist unter den Zahlen diejenigen, die durch zwei in gleiche Theile zu teilen sind, von denen, die das nicht sind, zu unterscheiden, so gibt man, um die öftere Wiederholung dieser Bedingung zu vermeiden, einen Namen in der Art: ich nenne jede durch zwei gleich teilbare Zahl eine gerade Zahl. Das ist eine mathematische Definition, denn erst hat man eine Sache klar bezeichnet, nämlich jede Zahl, die durch zwei gleich teilbar ist, und darauf gibt man ihr einen Namen, den man aller andern Bedeutung, wenn er eine hat, entkleidet um ihm die Bedeutung der bezeichneten Sache zu geben.
Daraus ist ersichtlich, dass die Definitionen sehr frei sind und nie dem Widerspruch unterworfen, denn es ist nichts mehr erlaubt als einer Sache, die man klar bezeichnet hat, einen Namen zu geben, wie man will. Man muss sich bloß in Acht nehmen, dass man die Freiheit, die man hat, Namen bei zu legen, nicht missbraucht, indem man denselben an zwei verschiedene Sachen gibt. Nicht dass das nicht erlaubt wäre, wenn man nur die Folgerungen daraus nicht vermengt und nicht eine auf die andre ausdehnt. Verfällt man aber in diesen Fehler, so kann man ihm ein sehr sicheres und unfehlbares Mittel entgegen setzen, nämlich dass man die Definition in Gedanken an die Stelle des Definierten setzt und die Definition immer so gegenwärtig hat, dass man jedes Mal, wenn man z.B. von der geraden Zahl spricht, genau bedenkt, das sei das, was in zwei gleiche Theile zu teilen ist, und dass diese beiden Dinge in der Vorstellung unzertrennlich verbunden seien und dass sobald die Rede das eine ausspricht, der Geist unmittelbar damit das andre verknüpfe. Denn die Mathematiker und alle, die methodisch zu Werke gehen, legen den Dingen nur Namen bei um die Rede ab zu kürzen und nicht um den Begriff der Dinge, von denen sie reden, zu verkleinern oder zu verändern und sie verlangen, dass der Geist immer die ganze Definition bei dem kurzen Ausdruck ergänze, den sie nur gebrauchen um die Verwirrung zu meiden, welche die Menge von Worten hervorbringt.
Nichts entfernt schneller und mächtiger die verfängliche List der Sophisten als diese Methode, die man immer gegenwärtig haben muss und die allein hinreicht alle Arten von Schwierigkeiten und Zweideutigkeiten zu verbannen.
Ist dies zu gut verstanden, so komme ich wieder auf die Erklärung der wahren Ordnung zurück, die, wie gesagt, darin besteht, dass man alles definiert und alles beweist.
Gewiss wäre diese Methode schön, aber sie ist absolut unmöglich, denn es ist einleuchtend, dass die ersten Ausdrücke, die man definieren möchte, andre vorhergehende voraussetzen würden, die zu ihrer Erklärung dienen müssten und dass ebenso auch die ersten Sätze, die man beweisen möchte, andre voraussetzen würden, die ihnen vorangingen und auf die Art ist klar, dass man nie zu den ersten gelangen würde.
Treibt man auch die Nachforschungen weiter und weiter, so kommt man notwendig auf primitive Wörter, die man nicht mehr definieren kann und auf Grundsätze, die so klar sind, dass man keine andern findet, die es mehr wären um ihnen zu Beweise dienen.
Hieraus geht hervor, dass die Menschen ein natürliches und unveränderliches Unvermögen haben irgendeine Wissenschaft in einer absolut vollendeten Methode zu behandeln; aber es folgt nicht daraus, dass man deshalb jede Art von Methode aufgeben soll.
Denn es gibt eine, nämlich die der Mathematik, die allerdings niedriger steht darin, dass sie weniger überzeugend, nicht aber darin, dass sie weniger gewiss ist. Sie definiert nicht alles und beweist nicht alles und darin steht sie niedriger; aber sie setzt nur Dinge voraus, die durch den natürlichen Verstand klar und ausgemacht sind und daher ist sie vollkommen wahr, denn die Natur unterstützt sie, wo die Rede es nicht tut.
Diese Methode, die vollkommenste bei den Menschen, besteht nicht darin alles zu definieren und alles zu beweisen auch nicht darin nichts zu definieren und nichts zu beweisen, sondern darin sich in der Mitte zu halten, nicht zu definieren die klaren und von allen Menschen verstandene Dinge und alle übrigen zu definieren, nicht zu beweisen die bekannten Dinge und alle übrigen zu beweisen. Gegen diese Methode sündigen ebenso gut diejenigen, die alles zu definieren und alles zu beweisen versuchen als auch die, welche das versäumen in den Dingen, die nicht von selbst einleuchten.
Dies lehrt die Mathematik vollkommen. Sie erklärt nichts von solchen Dingen als Raum, Zeit, Bewegung, Zahl, Gleichheit und dergleichen weiter, deren es sehr viele gibt; weil diese Ausdrücke die Dinge, die sie bedeuten, für die, welche die Sprache verstehen, so natürlich bezeichnen, dass die Erklärung, die man davon machen wollte, mehr Dunkelheit als Belehrung schaffen würde.
Nichts ist schwächer als das Gerede derer, die solche primitive Wörter definieren wollen. Welche Notwendigkeit gibt es z.B. zu erklären, was man unter dem Wort Mensch versteht? Weiß man nicht zur Genüge, was für ein Ding das ist, welches man mit diesem Ausdruck bezeichnen will? Und welchen Vorteil meinte Plato uns zu verschaffen, da er sagte: der Mensch wäre ein Tier auf zwei Beinen ohne Federn? Als wenn der Begriff, den ich natürlich davon habe und den ich nicht ausdrücken kann, nicht viel schärfer und sicherer wäre als der, welchen er mir durch seine Erklärung gibt, die unnütz und sogar lächerlich ist, da ein Mensch nicht die Menschheit verliert, wenn er die beiden Beine verliert und ein Kapaun sie nicht erlangt, wenn er seine Federn los wird.
Es gibt Leute, die treiben es bis zu der Absurdität ein Wort durch das Wort selbst zu erklären. Ich weiß Menschen, die das Licht in folgender Art definiert haben: »das Licht ist eine leuchtende Bewegung der leuchtenden Körper; « als wenn man das Wort leuchtend verstehen könnte ohne das Wort Licht.
Ebenso kann man auch das Sein nicht definieren ohne in denselben Fehler zu verfallen; denn man kann kein Wort erklären ohne zu sagen »es ist,« man möge das nun ausdrücklich sagen oder es doch dabei sagen, um also das Sein zu definieren müsste man sagen »es ist« und also in der Definition das zu definierende Wort gebrauchen.
Daraus sieht man hinlänglich, dass es Worte gibt, die nicht definiert werden können und wenn die Natur diesen Mangel nicht durch einen gleichen Begriff, den sie allen Menschen gegeben hat, ersetzt hätte, so würden alle unsre Ausdrücke verworren sein, statt dass man sie jetzt mit derselben Sicherheit und Gewissheit gebraucht, als wenn sie auf eine vollkommen unzweideutige Weise erklärt wären. Die Natur hat uns von selbst ohne Worte einen Begriff davon gegeben, der genauer ist als der, welchen die Kunst uns durch unsre Erklärungen verschafft.
Nicht alle Menschen haben denselben Begriff von dem Wesen der Dinge, welche zu definieren, wie ich behaupte, unmöglich und unnötig ist. Z.B. die Zeit ist von der Art. Wer kann sie definieren? Und warum soll man es versuchen, da alle Menschen verstehen, was man sagen will, wenn man von der Zeit spricht, ohne dass man sie weiter bezeichnet? Und doch gibt es viel verschiedene Meinungen über das Wesen der Zeit. Einer behauptet: sie sei die Bewegung eines geschaffenen Dinges, der andre: sie sei das Maß der Bewegung usw. Auch behaupte ich nicht, dass die Natur dieser Dinge allen bekannt ist, sondern nur die Beziehung des Namens und des Dinges, so dass bei diesem Ausdruck Zeit alle die Gedanken auf denselben Gegenstand richten. Das reicht hin es unnötig zu machen, dass dieses Wort definiert werde, obgleich man nachher, wenn man untersucht, was die Zeit ist, zur Verschiedenheit der Meinung kommt, sobald man angefangen hat weiter darüber nach zu denken, denn die Definitionen sind dazu da die Dinge, die man nennt, zu bezeichnen und nicht ihre Natur zu zeigen.
Es ist ganz erlaubt mit dem Namen Zeit die Bewegung eines geschaffenen Dinges zu benennen, denn wie gesagt, nichts ist freier als die Definitionen. Aber wenn man diese Definition aufstellt, so gibt es dann zwei Dinge, die man Zeit nennen muss, eins ist das, was alle Welt natürlich unter diesem Wort versteht und was alle die, welche unsre Sprache sprechen, mit diesem Ausdruck nennen, und das andre ist dann die Bewegung eines geschaffenen Dinges, denn die muss man nun mit diesem Namen nennen in Folge jener neuen Definition. Man muss dann aber auch die Zweideutigkeiten meiden und nicht die Folgerungen vermengen, denn es folgt nicht daraus, dass die Sache, die man natürlicher Weise unter dem Wort Zeit versteht, auch wirklich die Bewegung eines geschaffenen Dunges ist. Es stand frei diese beiden Sachen gleich zu nennen, aber es steht nicht frei sie ebenso wie im Namen auch in dem Wesen gleich zu setzen.
Wenn man also das Wort ausspricht: die Zeit ist die Bewegung eines geschaffenen Dinges, so muss gefragt werden, was man unter dem Worte Zeit versteht, das heißt, ob man dem Wort den gewöhnlichen und von allen angenommenen Sinn lässt oder ob man demselben den nimmt um ihm für diesen Fall den Sinn: Bewegung eines geschaffenen Dinges zu geben. Wenn man das Wort alles andern Sinnes entkleidet, so ist nichts dagegen zu sagen, es wird eine freie Definition, in Folge deren, wie gesagt, zwei Dinge diesen Namen führen werden. Aber lässt man dem Wort seine gewöhnliche Bedeutung und behauptet dennoch, dass das, was man unter diesem Wort versteht, die Bewegung eines geschaffenen Dinges sei, dann kann widersprochen werden. Das ist dann nicht mehr eine freie Definition, es ist eine Behauptung, die beweisen werden muss, wenn sie nicht von selbst sehr einleuchtet, und dann ist sie auch ein Grundsatz und ein Axiom, aber niemals eine Definition, denn wenn man sich so ausdrückt, meint man nicht, dass das Wort Zeit eben so viel bedeutet als die Bewegung eines geschaffenen Dinges, sondern man meint, dass das, was man unter dem Worte Zeit sich denkt, die angenommene Bewegung sei.
Wenn ich nicht wüsste, wie nötig es ist dieses vollkommen zu verstehen und wie alle Augenblicke in den vertraulichen Gesprächen und in den Verhandlungen der Wissenschaft Fälle vorkommen, die dem gegebenen Beispiel gleich sind, so würde ich mich nicht hierbei aufhalten. Aber nach der Erfahrung, die ich von der Verwirrung beim Streiten habe, scheint es mir, dass man nicht tief genug eindringen kann in diesen Sinn für Genauigkeit, um deswillen ich diese ganze Abhandlung schreibe mehr als um des Gegenstandes willen, den ich hier abhandle.
Denn wie viele Menschen glauben die Zeit definiert zu haben, wenn sie sagen: sie sei das Maß der Bewegung, und doch dem Wort seinen gewöhnlichen Sinn lassen? Und doch haben sie einen Lehrsatz gemacht, nicht eine Definition. Wie viele glauben ebenso die Bewegung definiert zu haben, wenn sie sagen: Motus nec simpliciter motus non mera potentia est; sed actus entis in potentia (die Bewegung ist weder einfach Bewegung noch reine Kraft, sondern die Tat eines Wesens in Kraft)? Und doch wenn sie dem Worte Bewegung seinen gewöhnlichen Sinn lassen, wie sie thun, so ist es nicht eine Definition, sondern ein Lehrsatz. Sie vermengen so die Definitionen, die sie Namenerklärungen nennen, die die wirklichen freien, erlaubten und mathematischen Definitionen sind, mit denen, die sie Sacherklärungen nennen, die eigentlich Sätze und als solche keineswegs frei, sondern dem Widerspruch unterworfen sind. Sie nehmen sich die Freiheit eben so gut als die andern welche zu bilden und indem jeder dieselben Dinge auf seine Weise definiert mit einer Ungebundenheit, die in dieser letzten Art von Definitionen ebenso verboten ist wie in der ersten Art erlaubt, so verwirren sie alles; sie verlieren alle Ordnung und alle Einsicht und verlieren sich selbst und verwickeln sich in unauflöslichen Schwierigkeiten.
Dahin wird man nie geraten, wenn man die Methode der Mathematik befolgt. Diese verständige Wissenschaft ist weit davon entfernt jene primitiven Ausdrücke Raum, Zeit, Bewegung, Gleichheit, Wahrheit, Verminderung, Alles und die übrigen, welche jedermann von selbst versteht, zu definieren. Aber außer diesen sind alle übrigen Ausdrücke, deren sie sich bedient, in ihr so erklärt und definiert, dass man kein Wörterbuch braucht um einen zu verstehen, mit einem Wort, alle ihre Ausdrücke sind vollkommen verständlich entweder durch das natürliche Licht oder durch die Definitionen, die sie davon gibt.
Auf diese Weise vermeidet sie alle Fehler, die gegen die erste Regel, dass man allein die Sachen, welche es bedürfen, definieren soll, können begangen werden. Ebenso tut sie in Betreff der andern Regel die nicht einleuchtenden Sätze zu beweisen. Denn sobald sie bis zu den ersten bekannten Wahrheiten gelangt ist, bleibt sie stehen und verlangt, dass man sie zugebe, weil sie nichts Klareres hat sie zu beweisen, so dass denn alles, was die Mathematik als Lehrsatz aufstellt, vollkommen demonstriert wird entweder durch die natürliche Einsicht oder durch die Beweise.
Daher kommt es, dass, wenn diese Wissenschaft nicht alle Dinge definiert und demonstriert, das allein aus dem Grunde geschieht, weil uns das unmöglich ist.
Vielleicht wird es befremden, dass die Mathematik keins von den Dingen, die ihre Hauptgegenstände sind, definieren kann; denn sie kann weder die Bewegung, noch die Zahlen, noch den Raum definieren und doch sind es diese drei, was sie ins Besondere betrachtet, und von deren Erforschung hat sie ihre drei verschiedenen Namen Mechanik, Arithmetik und Geometrie, indem dieser letzte Name die ganze Wissenschaft wie den besonderen Teil bezeichnet. Aber man wird sich nicht darüber wundern, sobald man bemerkt, dass diese herrliche Wissenschaft sich nur an die einfachsten Dinge anschließt und dass eben diese Eigenschaft, welche sie würdig macht ihr Gegenstand zu sein, sie auch undefinierbar macht. Der Mangel an Definition ist also mehr eine Vollkommenheit von ihnen als ein Fehler, denn er entsteht nicht aus ihrer Dunkelheit, sondern vielmehr aus ihrer ausnehmenden Klarheit, die so groß ist, dass sie, wenn ihr auch die Überführung der Beweise fehlt, doch alle Gewissheit derselben hat. Die Mathematik setzt also voraus, dass man weiß, was man unter den Wörtern Bewegung, Zahl, Raum versteht und ohne sich mit der unnützen Erklärung derselben aufzuhalten durchdringt sie ihre Natur und entdeckt ihre wunderbaren Eigenschaften.
Diese drei, welche das All begreifen nach dem Wort »Gott hat alles in Gewicht, Zahl und Maß gemacht, « haben eine Verbindung, die gegenseitig und notwendig ist. Denn man kann sich keine Bewegung denken ohne etwas, was sich bewegt, dieses Ding ist eins und diese Einheit ist der Ursprung aller Zahlen. Endlich da die Bewegung nicht ohne Raum sein kann, so sieht man diese drei Stücke in dem ersten eingeschlossen.
Die Zeit selbst ist auch darin begriffen, denn die Bewegung und die Zeit stehen in Beziehung zu einander, da die Schnelligkeit und die Langsamkeit, welche die Unterschiede der Bewegung sind, eine notwendige Beziehung auf die Zeit haben.
So gibt es denn Eigenschaften, die allen diesen Dingen gemein sind und deren Erkenntnis öffnet den Geist den größten Wundern der Natur. Die Haupteigenschaft begreift die beiden Unendlichkeiten, die in allen Dingen vorkommen, die der Größe und die der Kleinheit.
Wie rasch auch eine Bewegung sei, so kann man sich doch eine denken, die noch rascher wäre und auch diese letzte noch beschleunigen und so immer ins Unendliche ohne je zu einer Bewegung zu kommen, die so rasch wäre, dass man nichts mehr hinzufügen könnte. Und so umgekehrt, wie langsam eine Bewegung sei, so kann man sie noch langsamer machen und diese wieder langsamer und so ins Unendliche ohne je zu einem solchen Grade von Langsamkeit zu gelangen, dass man nicht noch von da zu einer unendlichen Menge andrer Grade herabsteigen könnte ohne zur Ruhe zu kommen. Ebenso, wie groß eine Zahl auch sei, kann man sich eine noch größere denken und noch eine, welche diese letzte übersteigt und so ins Unendliche ohne je zu einer zu gelangen, die nicht mehr vergrößert werden kann, und umgekehrt, wie klein auch eine Zahl sei, als der hundertste oder zehn tausendste Teil, kann man sich doch noch eine geringere denken und immer ins Unendliche ohne zur Null oder zum Nichts zu gelangen. Wie groß ein Raum sei, so kann man sich einen größeren vorstellen und wieder einen, der noch größer ist und so ins Unendliche, ohne je einen zu erlangen, der nicht vergrößert werden könnte, und umgekehrt, wie klein auch ein Raum sei, man kann noch einen kleineren sich denken und immer ins Unendliche, ohne je einen unteilbaren zu erreichen, der gar keine Ausdehnung mehr hätte.
Ebenso ist es mit der Zeit. Man kann sich immer eine längere vorstellen ohne letzte und wieder eine kürzere, ohne zu einem Augenblick und zu einem Nichts von Dauer zu kommen.
Das heißt also mit einem Wort: was für Bewegung, Zahl, Raum, Zeit man sich denke, immer gibt es ein Größeres und Geringeres, so dass alle diese Dinge sich zwischen dem Nichts und dem Unendlichen halten, immer unendlich entfernt von diesen Extremen. Alle diese Wahrheiten lassen sich nicht beweisen und doch sind sie die Grundlagen und ersten Anfänge der Mathematik. Da aber die Ursache ihrer Unbeweisbarkeit gar nicht in ihrer Dunkelheit liegt, sondern vielmehr in ihrer außerordentlichen Evidenz, so ist dieser Mangel an Beweis nicht ein Fehler, sondern vielmehr eine Vollkommenheit.
Daraus ersieht man, dass die Mathematik weder die Gegenstände erklären noch die Grundgesetze beweisen kann, aber allein aus dem für sie günstigen Grunde, weil die einen wie die andern eine natürliche Klarheit haben, welche die Vernunft mächtiger überzeugt, als Worte thun würden.
Denn was kann einleuchtender sein als die Wahrheit, dass eine Zahl, sie sei welche sie wolle, kann vergrößert werden? Man kann sie verdoppeln, kann die Schnelligkeit einer Bewegung verdoppeln und einen Raum desgleichen. Und wer ist im Stande daran zu zweifeln, dass eine Zahl, sie sei welche sie wolle, in die Hälfte und ihre Hälfte wieder in die Hälfte geteilt werden kann? Denn, würde nun diese Hälfte ein Nichts sein? Wie sollten denn diese beiden Hälften, die zwei Nullen wären, eine Zahl ausmachen?
Ebenso eine Bewegung, wie langsam sie auch sei, kann sie nicht noch um die Hälfte langsamer gemacht werden, so dass sie denselben Raum in der doppelten Zeit durchläuft, und diese letzte Bewegung lässt sie nicht noch verlängern? Würde das aber eine reine Ruhe sein? Und wie sollte es zugehen, dass diese beiden Hälften der Bewegung, die zwei Ruhen wären, die erste Bewegung ausmachten?
Endlich ein Raum, wie klein er sei, kann er nicht in zwei Hälften geteilt werden und diese wieder? Und wie sollte es möglich sein, dass diese Hälften unteilbar wären, ohne alle Ausdehnung, da sie doch mit einander verbunden die erste Ausdehnung machten?
Es gibt keine natürliche Erkenntnis im Menschen, welche diesen an Klarheit voranginge und sie überträfe. Indessen, damit es doch Beispiele gäbe von allen, finden man Köpfe, die in allen andern Dingen ausgezeichnet sind und die doch an diesen Unendlichkeiten Anstoß nehmen und auf keine Weise dem bei zu stimmen vermögen. Ich habe nie jemand gesehen, der gemein: ein Raum könnte nicht vergrößert werden; aber ich habe einige, sonst sehr kluge Menschen gesehen, die versicherten, ein Raum könnte in zwei unteilbare Stücke geteilt werden, so abgeschmackt das auch ist. Ich habe recht nachforscht in ihnen, was doch die Ursache dieser Dunkelheit sein könnte und habe gefunden, dass es nur eine Hauptursache gab, das war, dass sie nicht im Stande waren ein unendlich teilbares Continuum sich vor zu stellen, woraus sie denn schließen, dass es nicht so teilbar sei.
Das ist eine natürliche Krankheit des Menschen zu glauben, dass er die Wahrheit geradezu besitzt und daher kommt es, dass er immer geneigt ist alles zu leugnen, was er nicht begreift, da er doch in der Wirklichkeit auf natürliche Weise nur den Irrtum kennt und für wahr nur das nehmen darf, wovon das Gegenteil ihm falsch scheint. Daher, so oft ein Satz unbegreiflich ist, muss man das Urteil darüber zurück halten und ihn um dieses Merkmals willen leugnen, sondern das Gegenteil prüfen und wenn man dieses offenbar falsch findet, kann man dreist den ersten Satz behauptet, wie unbegreiflich er auch sei. Diese Regel wollen wir auf unsern Gegenstand anwenden.
Es gibt keinen Mathematiker, der nicht glaube, dass der Raum ins Unendliche teilbar ist. Ohne diesen Grundsatz kann man eben so wenig ein Mathematiker sein als ohne Seele ein Mensch. Und doch gibt es keinen Mathematiker, der eine unendliche Teilung fasst und man versichert sich dieser Wahrheit nur durch den einzigen Grund, der freilich auch gewiss genügend ist, dass man vollkommen fasst, wie falsch es ist, wenn man meint einen Raum teilen und auf ein Unteilbares d.h. auf etwas, das keine Ausdehnung hat, kommen zu können. Was kann absurder sein als zu meinen, wenn man einen Raum immer teile, komme man endlich zu einem Stück, was so wäre, dass, wenn man es wieder in zwei teilt, jede der Hälften unteilbar und ohne Ausdehnung bleibt? Wer diese Meinung hat, den möchte ich fragen, ob er genau fasst wie zwei unteilbare Dinge sich berühren; ists überall, so sind sie nur ein und dasselbe Ding und folglich sind die beiden zusammen unteilbar, ists aber nicht überall, so ist es nur an einem Teil, also haben sie Theile und sind also nicht unteilbar.
Wenn sie denn nun bekennen (wie sie es wirklich gestehen, wenn man sie drängt) dass ihr Satz ebenso unbegreiflich ist als der andre, so mögen sie denn anerkennen, dass wir nicht nach unsrer Fähigkeit diese Dinge zu begreifen über ihre Wahrheit urteilen dürfen, denn diese zwei entgegengesetzten Sätze sind alle beide unbegreiflich und demnach ist notwendig einer von beiden wahre.
Können sie aber nicht begreifen, wie Theile, die so klein sind, dass wir sie nicht bemerken, so viel geteilt werden können als das Firmament, so gibt es kein besseres Mittel als ihnen dieselben durch Vergrößerungsgläser zu zeigen, die den seinen Punkt zu einer ungeheuren Masse vergrößern. Dadurch werden sie leicht begreifen, dass man mit Hilfe eines andern, noch künstlicher geschliffenen Glases sie vergrößern könnte, bis sie dem Firmament gleichen, dessen Ausdehnung sie bewundern. Dann werden ihnen diese Gegenstände sehr leicht als teilbar erscheinen, wenn sie bedenken, dass die Natur unendlich mehr kann als die Kunst. Denn wer hat sie dessen gewiss gemacht, dass diese Gläser die natürliche Größe jener Dinge verändert haben oder, wenn sie umgekehrt die wahre Größe wieder hergestellt, dass das Bild unsres Auges sie geändert und verkürzt hat wie die Verkleinerungsgläser?
Zwei Nichts an Ausdehnung können nicht eine Ausdehnung machen. Wenn es aber doch Leute gibt, die dieser Einsicht entgegen zu können meinen durch die wundervolle Antwort, dass zwei Nichts an Ausdehnung ebenso gut eine Ausdehnung machen können, als zwei Einheiten, deren doch keine eine Zahl ist, durch ihr Zusammenkommen eine Zahl machen, so muss man ihnen antworten, dass sie auf dieselbe Art entgegen setzen können, zwanzig tausend Mann machen ein Heer, obgleich keiner von ihnen Heer ist, tausend Häuser machen eine Stadt, obgleich keines Stadt ist oder die Theile machen das Ganze, obgleich keiner das Ganze ist. Will man von den Zahlen eine Vergleichung hernehmen, die richtig darstellen, was wir an der Ausdehnung beobachten, so muss das die Beziehung der Null zu den Zahlen sein. Das ist ein wahrhaft Unteilbares der Zahl, wie das Unteilbare die wahre Null der Ausdehnung ist. Ein gleiches Verhältnis wird man zwischen der Ruhe und der Bewegung und zwischen einem Moment und der Zeit finden. Alle diese Größen sind teilbar ins Unendliche ohne ins Unteilbare zu geraten, so dass sie alle die Mitte halten zwischen dem Unendlichen und dem Nichts.
Das ist das bewundernswürdige Verhältnis, in welches die Natur die Dinge zu einander gesetzt hat und das sind die wunderbaren Unendlichkeiten, die sie den Menschen vorgelegt hat nicht zu begreifen, sondern zu bewundern.
Wer mit diesen Gründen nicht zufrieden ist und in dem Glauben bleibt, dass der Raum nichts ins Unendliche teilbar sei, der kann nicht auf mathematische Beweise Anspruch machen und wie aufgeklärt er auch in andern Dingen sein mag, in jenen ist er es sehr wenig; denn man kann ganz gut ein sehr kluger Mann sein und ein schlechter Mathematiker.
Diejenigen aber, die diese Wahrheiten klar erkennen, werden die Größe und die Macht klar erkennen, werden die Größe und die Macht der Natur in dieser doppelten Unendlichkeit, die uns von allen Seiten umgibt, bewundern können und aus dieser merkwürdigen Betrachtung sich selbst kennen lernen, indem sie sich gestellt sehen zwischen einem Unendlichen und einem Nichts der Ausdehnung, der Zahl, Bewegung und Zeit. Da kann man wohl lernen seinen wahren Wert schätzen und sehr wichtige Betrachtungen anstellen, die mehr wert sind als die ganze übrige Mathematik selbst.
Ich hielt mich verpflichtet dies so lang und weitläufig aus einander zu setzten zum Besten derer, die nicht auf den ersten Blick sogleich diese doppelte Unendliche begreifen und doch fähig sind davon überzeugen zu lassen. Und ob schon viele Einsicht genug haben um diese Abhandlung entbehren zu können, so mag es doch wohl der Fall sein, dass sie einigen nötig und andern ganz unnütz sein wird.
Die Kunst zu überzeugen steht in notwendiger Beziehung zu der Weise, wie die Menschen in das, was man ihnen vorstellt, einstimmen und zu Bedingungen dessen, was man glauben machen will.
Jedermann weiß, dass es zwei Eingänge gibt, wodurch die Meinungen sich in die Seele schleichen, das sind diese beiden Hauptvermögen: der Verstand und der Willen. Der natürlichste Eingang ist der des Verstandes, denn man sollte beistimmen nur den bewiesenen Wahrheiten; aber der gewöhnlichste, wenn auch widernatürliche, ist der des Willens, denn alle Menschen, die es nur gibt, werden beinahe immer zum Glauben hingerissen nicht durch den Beweis, sondern durch das Wohlgefallen.
Dieser Weg ist niedrig, unwürdig und seltsam, auch leugnet jedermann ihn ab. Jeder stellt sich, als glaube er und liebe sogar nur, was er dessen würdig erkannt hat.
Ich rede hier nicht von den göttlichen Wahrheiten, die ich nicht unter die Kunst zu überzeugen stellen darf; denn sie sind unendlich erhaben über der Natur, Gott allein kann sie in die Seelen einpflanzen und zwar auf die Weise, die ihm beliebt.
Ich weiß, er hat gewollt, dass sie aus dem Herzen in den Geist übergehen und nicht aus dem Geist ins Herz, um dieses hochmütige Vermögen der Vernunft zu demütigen, das sich anmaßt Richter zu sein über die Dinge, welche der Wille wählt, und um diesen kranken Willen zu heilen, der sich durch seine unwürdigen Anhänglichkeiten ganz verderbt hat. Und daher kommt es, wenn man von den menschlichen Dingen sagt, man müsse sie kennen, ehe man sie liebe (was zum Sprichwort geworden ist) so sagen die Heiligen im Gegenteil, wenn sie von göttlichen Dingen reden, man müsse sie lieben und sie zu kennen und man dringe in die Wahrheit nicht anders als durch die Liebe, woraus sie einen ihrer heilsamsten Sprüche gemacht haben.
Hierin zeigt sich, dass Gott diese Ordnung gegründet hat, die übernatürlich und ganz der Ordnung entgegen ist, welche den Menschen in den natürlichen Dingen natürlich sein sollte. Sie haben aber diese Ordnung verkehrt, indem sie mit den weltlichen Dingen thun, was sie mit den heiligen Dingen thun sollten, weil wir in der Tat fast nichts glauben als was uns gefällt. Daher kommt es, dass wir so weit entfernt sind den Wahrheiten der christlichen Religion bei zu stimmen, da sie unsern Freunden ganz entgegen gesetzt ist. »Ganz uns angenehme Sachen und wir werden dir gehorchen, « sagten die Juden zu Mose, als wenn das Wohlgefallen die Regel für den Glauben geben soll. Und eben um diese Unordnung zu strafen nach einer Ordnung, die ihm gemäß ist, gießt Gott nicht eher sein Licht in die Seele, als bis er die Empörung des Willens gedämpft hat mit einer ganz himmlischen Sanftmut, die ihn entzückt und mitreißt.
Ich spreche also nur von den Wahrheiten, die wir fassen, und von diesen behaupte ich, dass der Verstand und das Herz gleichsam die Türen sind, durch welche sie in die Seele hinein gelangen, dass aber sehr wenige durch den Verstand eingehen, wogegen sie in Menge durch die kecken Einfälle des Willens eingeführt werden ohne den Rat der Vernunft.
Diese Vermögen haben jedes ihre Prinzipien und erste Urheber ihrer Handlungen.
Die des Geistes sind natürliche und aller Welt bekannte Wahrheiten, wie z.B., dass das Ganze größer ist als sein Teil und außerdem mehre besondere Axiome, die einige annehmen und andre nicht, die aber, sobald sie zugegeben werden, wenn gleich falsch, doch eben so mächtig sind den Glauben zu erlangen als die wahrsten.
Die des Willens sind gewisse natürliche und allen Menschen gemeine Wünsche, wie z.B., der Wunsch glücklich zu sein, welchen kein Mensch nicht haben kann, und außerdem mehre besondere Gegenstände, denen jeder nachgeht um sie zu erlangen und die in der Kraft uns zu gefallen, wenn gleich in Wahrheit verderblich, doch ebenso stark sind unsern Willen zum Handeln zu bewegen, als wenn sie sein wahres Glück machten.
Das ists, was über die Vermögen, die uns zur Zustimmung bewegen, gesagt werden musste. Was aber die Eigenschaften der Dinge, von denen wir überzeugen wollen, anbetrifft, so sind sie sehr verschieden.
Einige entnimmt man durch eine notwendige Folgerung aus den allgemeinen Grundsätzen und zugestandenen Wahrheiten. Von diesen kann man unfehlbar überzeugen, denn wenn man die Beziehung, die sie zu den zugestandenen Wahrheiten haben, nachweist, so ist es eine unvermeidliche Notwendigkeit, sie müssen überzeugen und es ist unmöglich, dass die Seele sie nicht annimmt, sobald man sie unter jene zugelassene Wahrheiten hat einreihen können.
Einige haben eine enge Verbindung mit den Gegenständen unsers Vergnügen und diese werden auch mit Gewissheit angekommen; denn sobald man der Seele bemerklich machen kann, so ist es unvermeidlich, sie ergreift es mit Freuden.
Diejenigen gar, welche diese Verbindung zusammen mit den zugestandenen Wahrheiten und mit den Wünschen des Herzens haben, sind ihrer Wirkung so gewiss, dass nichts in der Welt gewisser ist, wie im Gegenteil was weder zu unsern schon vorhandenen Überzeugungen noch zu unsern Wünschen eine Beziehung hat, uns ungelegen, falsch und gänzlich fremd ist.
In allen diesen Fällen gibt es nichts zu zweifeln. Allein es gibt Fälle, wo das, was man glauben machen will, sehr wohl auf anerkannten Wahrheiten beruht, aber auf solchen, die zu gleicher Zeit unsern liebten Freuden entgegen sind. Und dieses ist dann nach einer nur zu gewöhnlichen Erfahrung in großer Gefahr das, was ich am Anfange gesagt, an den Tag zu bringen, dass diese hochmütige Seele, die sich rühmte nur nach Vernunft zu handeln, mit einer schimpflichen und vermessenen Wahl dem nachgeht, was ein verderbter Willen begehrt, welchen Widerstand auch der zu aufgeklärte Geist entgegen setzten möge.
Dann beginnt ein zweifelhaftes Schwanken zwischen der Wahrheit und der Lust und die Erkenntnis der ersten und das Gefühl der andern erheben einen Kampf, dessen Erfolg sehr ungewiss, was in dem Innersten des Menschen vorgeht und was der Mensch selbst beinahe niemals weiß.
Daraus geht dies hervor: man muss, wovon man auch überzeugen wolle, Rücksicht nehmen auf den Menschen, auf den man es abgesehen hat; man muss dessen Geist und Herz kennen, muss wissen, welchen Grundsätzen er bestimmt, welche Dinge er liebt, und ferner bei er Sache, um die es sich handelt, achtgeben, welche Beziehung sie hat zu den zugestandenen Grundsätzen oder zu den Gegenständen, die wegen der Reize, die man ihnen beilegt, als köstlich angesehen werden. So besteht denn die Kunst zu überzeugen ebenso wohl in der Kunst zu überzeugen ebenso wohl in der Kunst annehmlich zu machen als in der Kunst zu überführen, so sehr lassen sich die Menschen mehr von Einfällen sich die Menschen mehr von Einfällen als von der Vernunft regieren!
1.
Das Erste, was sich dem Menschen darbietet, wenn er sich betrachtet, ist sein Leib, d.h. ein gewisser Teil der Materie, der ihm eigen zugehört. Aber um zu verstehen, was derselbe ist, muss er ihn mit allem vergleichen, was über ihm und was ihm steht, damit er seine rechten Grenzen erkenne.
Er bleibe also nicht dabei stehen einfach die Gegenstände, die ihn umgeben, zu betrachten, er beobachte, die ganze Natur in ihrer hohen und vollen Majestät, er beschaue jenes strahlende Licht, das wie eine ewige Lampe hingestellt ist das Universum zu erleuchten, die Erde erscheine ihm wie ein Punkt im Vergleich mit der ungeheuren Bahn, welche dies Gestirn umschreibt, und er erstaune, dass diese ungeheure Bahn selbst nur ein sehr seiner Punkt ist von der Bahn, auf welcher die Gestirne am Firmament rollen. Aber wenn unser Blick hier anhält, so gehe die Einbildungskraft darüber hinaus. Sie wird eher müde werden zu fassen als die Natur zu geben. Alles, was wir von der Welt sehen, ist nur ein unbemerkbarer Punkt im weiten Reich der Natur. Kein Gedanke kommt der Ausdehnung ihrer Räume nach. Vergebens dehnen wir unsre Gedanken aus, wir bringen nichts hervor als Atome im Vergleich mit der Wirklichkeit der Dinge. Das ist eine unendliche Kugel, deren Mittelpunkt überall, deren Umkreis nirgend ist. Genug, es ist einer der größten merklichen Züge der Allmacht Gottes, dass unsre Einbildungskraft sich in diesem Gedanken verliert.
Möge der Mensch in sich selbst zurück kehren und betrachten was er ist im Vergleich mit dem, was ist: er sehe sich an als verirrt in diesem abgelegenen Bezirk der Natur und wie ihm dieser kleine Kerker, in welchem er sitzt, nämlich diese sichtbare Welt erscheint, lerne er daraus die Erde, Die Reiche, die Städte, sich selbst und seinen wahren Wert schätzen.
Was ist der Mensch im Unendlichen? Wer kann ihn begreifen? Aber um ihm ein anders ebenso staunenswertes Wunder zu zeigen, suche er in dem, was er kennt, die geringfügigen Dinge auf. Eine Milde z.B. mag ihm in der Kleinheit ihres Körpers noch unvergleichlich kleinere Theile darbieten, Beine mit Gelenken, Adern in diesen Beinen, Blut in diesen Adern, Feuchtigkeit in diesem Blut, Tropfen in diesem Feuchtigkeit, Dünste in diesen Tropfen, nun teile er noch er noch diese letzten Dinge und erschöpfe seine Kräfte und Gedanken und der letzte Gegenstand, wohin er gelangen kann, sei nun das, wovon wir reden wollen. Vielleicht wird er meinen, das sei die äußerste Kleinheit der Natur. Ich will ihm darin einen neuen Abgrund zeigen. Ich will ihm ausmalen nicht nur das fühlbare Universum, sondern auch alles, was er im Stande ist zu fassen von der Unermesslichkeit der Natur im Umfang dieses unbemerkten Atoms. Er sehe darin eine Unzahl von Welten, von denen jede ihr Firmament, ihre Planeten, ihre Erde hat in gleichem Verhältnis wie die fühlbare Welt, auf dieser Erde Tiere und wieder Milben, in denen er wieder findet, was er in den ersten fand und auch in den andern findet er eben dasselbe ohne Ende und ohne Aufhören.
Er verliere sich in diesen Wundern, ebenso erstaunenswert durch ihre Kleinheit als die andern durch ihre Ausdehnung. Denn wer bewundert nicht, dass unser Leib, der eben erst nicht bemerkbar war in dem Universum, das selbst unbemerkbar ist im Schloss des Alls, jetzt ein Koloss ist, eine Welt oder vielmehr ein All im Betracht der letzten Kleinheit, wohin man nicht gelangen kann?
Wer sich auf diese Art betrachtet, wird erschrecken, sich in der Masse, die ihm die Natur gegeben hat, gleichsam schweben zu sehen zwischen den beiden Abgründen des Unendlichen und des Nichts, von denen er gleich weit entfernt ist. Er wird zittern beim Anblick dieser Wunder und ich glaube: seine Neugier wird sich in Bewunderung verwandeln und mehr sein sie still zu beschauen als sie hochmütig zu untersuchen.
Denn genug, was ist der Mensch in der Natur? Ein Nichts im Vergleich mit dem Unendlichen, ein All im Vergleich mit dem Nichts, ein Mittelding zwischen Beiden. Er ist unendlich fern von den beiden Extremen und sein Wesen ist nicht weniger entfernt vom Nichts, woraus er gezogen ist, als vom Unendlichen, worin er sich verliert.
Seine Vernunft steht in der Reihe der erkennbaren Dinge auf derselben Stufe als sein Körper in der weiten Natur und alles, was sie vermag, ist, dass sie einigen Schein von der Mitte der Dinge bemerkt, in ewiger Verzweiflung weder ihren Anfang noch ihr Ende zu kennen. Alle Dinge sind hervor gegangen aus dem Nichts, und streben nach dem Unendlichen. Wer kann diese erstaunlichen Schritte verfolgen? Der Urheber dieser Wunder fasst sie, kein andrer kann das.
Dieser Zustand, der die Mitte hält zwischen den Extremen, findet sich in allen unsern Kräften. Unsre Sinne fassen, findet sich in allen unsern Kräften. Unsre Sinne fassen nichts Extremes. Zu viel Lärm macht uns taub, zu viel Licht blendet uns, zu viel Entfernung und zu viel Nähe verhindern das Sehen, zu viel Länge und zu viel Kürze verdunkeln eine Rede, zu viel Freude wird lästig, zu viel Konsonanzen missfallen. Wir fühlen weder äußerste Hitze noch äußerste Kälte. Die übermäßigen Eigenschaften sind uns feindlich und nicht fühlbar; wir fühlen sie nicht mehr, wir leiden sie. Zu viel Jugend und zu viel Alter hindern den Geist, und zu viel und zu wenig Nahrung stören seine Verrichtungen, zu viel und zu wenig Unterrichtet macht ihn dumm. Die extremen Dinge sind für uns als wären sie nicht und wir sind nicht in Bezug auf sie. Sie entgehen uns oder wir ihnen.
Das ist unser wahrer Zustand. Dies schließt unsre Begriffe in gewisse Grenzen ein, die wir nicht überschreiten, unfähig alles zu wissen und alles nicht zu wissen. Wir sind auf einer ungeheuren weiter Mitte, immer ungewiss und schwebend der Unwissenheit und der Erkenntnis und wenn wir meinen weiter vorwärts zu gehen, so wankt unser Gegenstand und entwischt unsrer Fassungskraft; er entzieht sich und flieht in einer ewigen Flucht, nichts kann ihn aufhalten. Das ist unsre natürliche Lage, die jedoch unsrer Neigung am Meisten entgegen ist. Wir brennen von Verlangen alles zu ergründen und einen Turm auf zu bauen, der sich bis zum Unendlichen erheben soll. Aber unser ganzer Bau kracht und die Erde öffnet sich bis zum Abgrund.
2.
Ich kann mir wohl einen Menschen vorstellen ohne Hände, ohne Füße und ich könnte ihn mir selbst ohne Kopf vorstellen, wenn nicht die Erfahrung mich lehrte, dass er damit denkt. Das Denken also ist es, was das Wesen des Menschen macht und ohne das man ihn sich nicht vorstellen kann. Was fühlt in uns Vergnügen? Ists die Hand? der Arm? das Fleisch? das Blut? Man wird sehen, dass es etwas Immaterielles sein muss.
3.
Der Mensch ist so groß, dass seine Größe sich selbst darin zeigt, dass er sein Elend erkennt. Ein Baum erkennt nicht sein Elend. Freilich es ist wahr, das ist ein Elend sein Elend zu erkennen, aber es ist auch eine Größe zu erkennen, dass man elend ist. So beweist alle dieses Elend seine Größe, es ist ein Elend eines großen Herrn, eines entthronten Königs.
4.