Gefährliches Spiel - Lisa Marie Rice - E-Book

Gefährliches Spiel E-Book

Lisa Marie Rice

0,0
4,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Für seinen Job tut er alles. Bis er sie kennenlernt ...

Für die Bibliothekarin Charity Prewitt scheint ein Märchen wahr zu werden, als sie den attraktiven Millionär Nicholas kennenlernt. Nie zuvor hat sie für einen Mann solch tiefe Gefühle entwickelt. Doch Nick ist nicht der, der er vorgibt zu sein. Als ehemaliger Delta Force-Operator und jetzt hochrangiger Undercover-Agent wird er alles tun, was seine Regierung von ihm verlangt - lügen, verführen, betrügen ... Wenn es sein muss, sogar töten - um der Mission willen. Und dieses Mal ist seine Mission Charity Prewitt. Doch schon bald muss er feststellen, dass die hübsche Bibliothekarin mehr für ihn ist als nur ein Job ...

Spannend und gefährlich sexy - die Dangerous-Royals-Reihe von Lisa Marie Rice.

Band 1: Gefährlicher Fremder
Band 2: Gefährliches Spiel
Band 3: Gefährliche Wahrheit

eBooks von beHEARTBEAT - Herzklopfen garantiert.


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 495

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

18

19

20

21

22

23

Epilog

Über die Autorin

Alle Titel der Autorin

Hat es Dir gefallen?

Impressum

Liebe Leserin, lieber Leser,

herzlichen Dank, dass du dich für ein Buch von beHEARTBEAT entschieden hast. Die Bücher in unserem Programm haben wir mit viel Liebe ausgewählt und mit Leidenschaft lektoriert. Denn wir möchten, dass du bei jedem beHEARTBEAT-Buch dieses unbeschreibliche Herzklopfen verspürst.

Wir freuen uns, wenn du Teil der beHEARTBEAT-Community werden möchtest und deine Liebe fürs Lesen mit uns und anderen Leserinnen und Lesern teilst. Du findest uns unter be-heartbeat.de oder auf Instagram und Facebook.

Du möchtest nie wieder neue Bücher aus unserem Programm, Gewinnspiele und Preis-Aktionen verpassen? Dann melde dich für unseren kostenlosen Newsletter an:

be-heartbeat.de/newsletter

Viel Freude beim Lesen und Verlieben!

Dein beHEARTBEAT-Team

Melde dich hier für unseren Newsletter an:

Über dieses Buch

Für die Bibliothekarin Charity Prewitt scheint ein Märchen wahr zu werden, als sie den attraktiven Millionär Nicholas kennenlernt. Nie zuvor hat sie für einen Mann solch tiefe Gefühle entwickelt. Doch Nick ist nicht der, der er vorgibt zu sein. Als ehemaliger Delta Force-Operator und jetzt hochrangiger Undercover-Agent wird er alles tun, was seine Regierung von ihm verlangt – lügen, verführen, betrügen … Wenn es sein muss, sogar töten – um der Mission willen. Und dieses Mal ist seine Mission Charity Prewitt. Doch schon bald muss er feststellen, dass die hübsche Bibliothekarin mehr für ihn ist als nur ein Job …

LISA MARIE RICE

Gefährliches Spiel

Aus dem amerikanischen Englisch von Birte Lilienthal

Eine dankbare Verbeugung vor meiner Lektorin May Chan und meinem Agenten Ethan Ellenberg

Prolog

Parker’s Ridge, Vermont

28. November

Icemans Mission war vorbei. Warum also war er noch hier auf diesem eisigen Hügel und beobachtete die Beerdigung im Tal unter ihm?

Es war kalt, selbst für November. Die Totengräber hatten Mühe, den gefrorenen Boden aufzubrechen für den messingbeschlagenen Mahagonisarg, der nur wenige Meter entfernt auf dem Gras stand. Die Geräusche ihrer Spaten erklangen metallisch hell in der klaren, kalten Luft. Einige der Anwesenden stampften in dem vergeblichen Versuch, warm zu bleiben, mit den Füßen auf den schneebedeckten Boden und blickten sich dabei ein wenig verlegen um. Auf einer Beerdigung sollte man eigentlich über so einfachen körperlichen Dingen stehen. Also rieben sie sich möglichst unauffällig die Arme, zogen unglücklich ihre Wintermäntel enger um sich und hofften, dass es bald vorbei sein würde.

Iceman stand versteckt etwa siebzig Meter den bewaldeten Hügel hinauf und beobachtete alles durch das Steiner-Fernglas, das er noch aus seinen Tagen als Elitesoldat bei der Delta Force besaß.

Er stampfte nicht mit den Füßen und zog auch seine Jacke nicht enger um sich. Kälte machte ihm nichts aus. Hitze machte ihm nichts aus. Und es war ihm auch egal, wie sich die Trauergäste da unten fühlten.

Er war nur wegen der Witwe hier.

Sie stand ein wenig abseits, blass und starr, mit unbedecktem Haar und ganz in Schwarz gekleidet. Sie schien die Kälte nicht zu bemerken. Sie bewegte sich nicht unruhig hin und her, sie bewegte sich überhaupt nicht. Sie stand einfach da, klein und kerzengerade, und sah mit trockenen Augen zu, wie die Männer mühsam eine Grube aushoben. Es schien ewig zu dauern.

Der Atem der Arbeiter stieg in weißen Dampfwolken empor, wurde heftiger wie bei Arbeitspferden, die einen schweren Karren zogen. Endlich war es geschafft, und ein sarggroßes Loch klaffte im Boden auf.

Wie auf ein unausgesprochenes Signal scharten sich die anderen Anwesenden um die Witwe. Ein älterer Mann in einem schwarzen Kaschmirmantel berührte sie kurz am Ellenbogen und beugte sich zu ihr hinab. Sie schüttelte den Kopf, und er trat zurück.

Der Pastor, ein junger Mann mit blassem Gesicht, öffnete seine schwere Bibel und las von einer Seite ab, die mit einem langen weißen Seidenband markiert war. Er sprach langsam und ernst, während sich seine Nase nach und nach flammend rot färbte.

Endlich kam er zum Ende, schloss die Bibel und neigte den Kopf. Alle anderen senkten ebenfalls die Köpfe, außer der Witwe, die weiter unbewegt geradeaus starrte. Die elegant gekleidete Dame, die zu dem älteren Mann gehörte, wollte zu der Witwe hinübergehen, aber ihr Begleiter legte ihr eine Hand auf den Arm und hielt sie zurück. Er sah sie an und schüttelte den Kopf. Sie warf ihm einen verwirrten Blick zu, ging aber nicht weiter.

Die Arbeiter hatten dicke Seile unter dem Sarg hindurchgezogen, ihn über das Loch manövriert und ließen ihn nun mühsam und langsam herab. Der Sarg war riesig, schwer. Die Arbeiter keuchten vor Anstrengung, und die Laute klangen den Hügel hinauf. Endlich erreichte der Sarg den Boden, und die Arbeiter traten respektvoll zurück.

Der Pastor sagte etwas zu der Witwe, und zum ersten Mal bewegte sie sich, beugte sich anmutig hinab, um eine Handvoll Erde zu nehmen. Sie ging an den Rand des Grabes, warf die Erde auf den Sarg und sah dann mit abwesendem Blick auf.

Iceman trat hastig zurück. Es war nicht so, dass er fürchtete, gesehen zu werden. Er war ein Meister der Tarnung und hatte seine Position gut gewählt. Es bestand absolut keine Gefahr, dass er entdeckt werden würde. Was ihn wie ein Schlag in die Magengrube getroffen hatte, war der raue, nackte Schmerz in dem Gesicht der Witwe.

Ein schönes Gesicht. Ein Gesicht, das er häufiger geküsst hatte, als er zählen konnte.

Hör auf damit, ermahnte sich Iceman. Denk an die Mission.

Er hob erneut das Fernglas, und die Szene am Grab war wieder direkt vor seinen Augen.

Die stille Zeremonie war nun vorüber. Die Besucher zerstreuten sich langsam, dankbar, in die Wärme und das Leben zurückkehren und sich aus dem kalten Schatten des Todes, der über der Szene lag, zurückziehen zu können. Die Witwe ging als Letzte, am Arm des älteren Mannes.

Plötzlich versteifte sich ihr Körper und sie blieb stehen. Sie wirbelte herum und rannte zurück zum Grab, wo die Arbeiter schon dabei waren, Erde auf den Sarg zu schaufeln. Am Rand der Grube verharrte sie, Tränen liefen ihr über das Gesicht. Als sie sich auf den dreckigen Boden kniete, zog sie ihren Ehering vom Finger. Sie führte ihn an die Lippen, küsste ihn und streckte den Arm aus, um ihn vorsichtig auf den Sargdeckel zu legen. Ihre Hand verweilte dort einen Moment, als könnte sie es nicht ertragen, diese letzte Verbindung abzubrechen.

Der ältere Mann ging langsam zu ihr zurück. Als sie keine Anstalten machte, sich zu erheben, legte er seine Hände auf ihre Schultern, um sie zum Aufstehen zu bewegen. Sie kam auf die Füße und ließ sich wegführen, blieb nur noch einmal stehen, um sich umzudrehen und sanft einen letzten Kuss zurückzuwerfen.

Es war eine herzzerreißende Szene, und Iceman fühlte, wie sich ein schwerer Stein auf seine Brust senkte. Dann schüttelte er das Gefühl ab.

Sei nicht albern, sagte er sich voller Ungeduld, während er begann, seine Spuren im Unterholz zu beseitigen.

Er musste hier verschwinden. Sofort. Es gab keinen Grund mehr für ihn, hier zu sein. Die Mission war beendet, jedenfalls für ihn.

Aber es kam eben nicht jeden Tag vor, dass ein Mann seiner eigenen Beerdigung zusehen konnte.

1

10 Tage zuvor

Atomkraftwerk Krasnoyarsk,

Russland

18. November

Der Pilot wartete wie vereinbart allein am Fuß der Rolltreppe. Der Flug war nicht angemeldet, das Flugzeug existierte offiziell gar nicht, und ein Kopilot war nicht vorgesehen. Je weniger Personen beteiligt waren, desto besser.

Sie befanden sich auf einer Startbahn am hinteren Ende eines Militärflughafens, der stillgelegt worden war, als die Sowjets die Macht verloren. Ein Pilot und ein Nuklearingenieur. Ihnen waren nur Vornamen genannt worden. Lyosha und Edik. Beide Namen waren falsch, aber das war egal.

Der Nuklearingenieur, dessen richtiger Name Arkady Sergeyevitch Andreyev war, wusste die eine Sache von dem Piloten, die wichtig war: Er war ein Sek, ein ehemaliger Insasse des russischen Gulags. Sie waren beide Mitglieder dieses sehr exklusiven Klubs – Männer, die die grausame Umarmung des russischen Bären überlebt hatten.

Die Männer gaben sich nicht die Hand. Aber als der Pilot die Hand ausstreckte, um Arkady mit der Sackkarre zu helfen und den schweren Behälter aus dem Lieferwagen auf eine Transportpalette umzuladen, sah Arkady, was er erwartet hatte: eine Stacheldrahttätowierung um das Handgelenk des Piloten.

Ehemalige Häftlinge trugen ihre Erfahrungen in der Hölle nicht nur in ihrer Seele, sondern auch auf ihrer Haut. Arkadys Körper war von Tätowierungen übersät, von den Sternen auf seinen Knien, die bedeuteten, dass er sich niemandem unterwerfen würde, bis hin zu den Kreuzen, die für seine Jahre im Gulag standen. Er trug sie mit Stolz.

Die einzige freie Stelle auf seiner Haut war ein großer, glänzender, vernarbter Fleck über seinem Herzen, wo er einst eine Tätowierung von Lenins markanten, spitzbärtigen tatarischen Gesichtszügen getragen hatte. Sowjetische Gefängniswärter waren ein abergläubischer Haufen und würden nie auf das heilige Bild Lenins schießen.

Am Tag, als das Lager fiel, hatte er aus der verlassenen Wärterbaracke einen Lötkolben gestohlen und sich den Leninkopf selbst weggebrannt. Er war so glücklich gewesen, seinen Körper von dem monströsen Bild zu befreien, dass er die Schmerzen nicht gespürt hatte.

Die beiden Männer, Arkady und der Pilot, nahmen schweigend die Tätowierungen des anderen zur Kenntnis. Mehr musste nicht gesagt werden. Sie waren Mitglieder der Bratva, der Bruderschaft. Das war alles, was sie wissen mussten.

Der schwere Bleicontainer wurde in den Laderaum der Tupolew Tu-154 geladen, wo der Pilot ihn vorsichtig an der Wand festschnallte. In dem Behälter befand sich ein großer, ebenfalls mit Blei verkleideter und mit Cäsium 137 gefüllter Kanister, genug für eine sehr große, schmutzige Bombe. Genug, um die Innenstadt von London oder New York oder Paris oder Rom oder Berlin oder Washington, D. C. zu zerstören, um eine lebendige Stadt vom Angesicht der Erde zu tilgen und sie in eine Wüste aus verlassenen Betoncanyons zu verwandeln, die in den nächsten Zehntausenden von Jahren kein Mensch oder irgendeine andere Lebensform betreten konnte.

Der Pilot schloss die Tür zum Laderaum und kam in die kleine Kabine, von wo aus Arkady das Einladen des Behälters beobachtet hatte.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte der Pilot leise.

Arkady wusste genau, was er meinte. Er nahm es ihm nicht übel. Dies war ein gefährliches Geschäft.

Statt zu antworten, öffnete Arkady seinen Aktenkoffer und nahm einen kleinen Geigerzähler heraus. Er schaltete ihn ein, ging zur Ladeluke und bewegte ihn über dem Container hin und her. Sie hörten beide das beruhigende Geräusch eines sanften, leisen Tickens. Der Geigerzähler maß die Umgebungsstrahlung, die hier in der Nähe des Atomkraftwerks zwar leicht erhöht war, aber nicht mehr als das.

Der Pilot nickte zufrieden und begab sich ohne ein weiteres Wort ins Cockpit. Arkady ging die Stufen zur Startbahn hinunter. Es gab noch eine Sache, um die er sich kümmern musste: Er musste dem Wor Bescheid geben, dass die erste Phase der Operation ohne Probleme verlaufen war.

Wenn diese Reise insgesamt erfolgreich sein würde, würde es in Zukunft viele weitere geben. Sein Wor, ein schon jetzt wohlhabender und einflussreicher Mann, würde einer der mächtigsten Männer der Weltgeschichte werden.

Arkady holte das grüne Handy hervor. Er hatte drei, je eins für jede Etappe. Drei brandneue Handys für den einmaligen Gebrauch. Er wählte eine lange Nummer, die ihn mit einem einsam gelegenen Landhaus in Vermont im Norden der USA verband.

Das Handy benutzte keinerlei Verschlüsselung. Wenn es eine Sache gab, die garantiert die Aufmerksamkeit der NSA auf sich zog, Amerikas erschreckend effektiver Nationalen Sicherheitsbehörde, die für die Überwachung von elektronischer Kommunikation zuständig war, dann waren es verschlüsselte Telefongespräche in die USA. Also gab es keine Verschlüsselung und keinen Unsinn über Pakete, die auf dem Weg waren, oder Liefertermine.

Die endlose Reihe der NSA-Supercomputer, die sich unermüdlich und täglich weltweit durch Terabytes von Daten wühlte, war auf einige Schlüsselworte programmiert – Paket und Lieferung waren zwei davon – und hätte diese Ausdrücke sofort vermerkt.

Das Geld des Wors hatte die Dienste eines der unteren NSA-Angestellten erkauft und damit eine Liste der Wörter. Der Wor dachte an alles. Keine Pakete, keine Lieferungen. Ihr Code war das Wetter.

Das Gespräch wurde am anderen Ende der Leitung sofort angenommen. Auch dort war ein Handy für den einmaligen Gebrauch im Einsatz, das nach dem Telefonat sofort zerstört werden würde. Arkady kannte jede der einmalig zu benutzenden Handynummern des Wors auswendig, auch wenn sie alle zwölf Ziffern lang waren.

Eine lächerlich einfache Aufgabe. Kinderkram. In Kolyma hatten ihn Zahlen vor dem Wahnsinn gerettet. Er hatte sich Pi bis zur dreißigsten Stelle nach dem Komma und die ersten fünfhundert Primzahlen eingeprägt und im Kopf die Risikokalkulationsmethode perfektioniert, die der Wor bis heute benutzte.

Der Wor, ein literarisches Genie, hatte jedes Wort von Puschkins Pique Dame auswendig gelernt. Wassily Worontzoff, der mächtigste Mann der Welt. Der Mann, der in Kolyma sein Leben und, vielleicht noch wichtiger, seinen Verstand gerettet hatte. Sein Wor.

»Slushayu.« Ich höre. Die tiefe Stimme des Wors mit seinem kultivierten Moskauer Akzent vermittelte Arkady auf grundlegende Art das Gefühl, dass in seiner Welt alles in Ordnung war.

»Guten Tag«, antwortete er und sah zu den dunklen Wolken hinauf, die über den Himmel jagten. Ein wilder sibirischer Wind blies sie vor sich her, und die Temperatur war unter dem Gefrierpunkt. Er hüllte sich enger in die Schaffelljacke, die ihm der Wor gekauft hatte. »Ich dachte, Sie würden sicher wissen wollen, dass das Wetter hier einfach wunderbar ist. Sonne. Sehr warm.«

»Hervorragend«, antwortete der Wor. »Viel Glück, mein Freund.«

Zufrieden, dass dieses enorm wichtige Projekt einen guten Anfang genommen hatte, entfernte Arkady die SIM-Karte seines Handys, warf sie in den Wald, wo sie mit dem leisen Flüstern raschelnder Blätter im dichten Unterholz verschwand, und zertrat die Plastikhülle des Handys unter seinem schweren Stiefel.

Arkady ging die Stufen wieder hinauf, setzte sich auf seinen Ledersitz, schnallte sich an und machte es sich auf dem Platz bequem. Dies war der erste Abschnitt einer sehr langen Reise.

In der Kabine war es ruhig, und sie war sehr komfortabel. Der Pilot hatte gut gewählt. Die Tu-154 würde von der Kiespiste des verlassenen Militärflugfelds abheben und über dem Rest des russischen Flugverkehrs fliegen können.

Sie befanden sich im südlichen Teil Sibiriens, der größten unbewohnten Landmasse der Erde. Sie würden ihr Ziel – ein abgelegenes Flugfeld nahe Odessa – mit nur einem Tankstopp in etwa zwölf Stunden erreichen. Dann ging es mit dem Bus weiter nach Budva in Montenegro. Von dort würde ein Schiff ihn und seine Ladung nach Kanada bringen. Das letzte Stück über die Grenze in die USA nach Vermont würde er mit einem Lastwagen zurücklegen.

Der Pilot kündigte leise an, dass sie in einer Minute starten würden. Genau sechzig Sekunden später rollte das schlanke Flugzeug los, hob ab und wandte sich gen Westen.

Parker’s Ridge, Vermont

18. November

Der Mann mit den zerstörten Händen und der zerstörten Seele verwendete einen Eingabestift, um den Ausknopf seines Handys zu drücken. Er konnte den Zeigefinger und den Daumen zwar noch benutzen, aber nur wie eine Pinzette. Der pflichtbewusste Gefängniswärter, der seine Hände damals mit einem Hammer bearbeitet hatte, hatte wirklich ganze Arbeit geleistet. Aber mit einem Eingabestift war er in der Lage, die Buchstaben oder Zahlen auf einer Tastatur oder einem Nummernfeld zu drücken. Er konnte saogar selbst essen. Er konnte sogar ein Glas Wodka hochheben.

Das reichte.

Wassily Worontzoff warf einen Blick aus dem Panoramafenster seines Arbeitszimmers und sah zu, wie der Wind an den blattlosen Ästen einer großen Eiche rüttelte. Auch wenn es erst früher Nachmittag war, war der Himmel fast schwarz. Die Wettervorhersage hatte für die Nacht Schnee und Temperaturen unter dem Gefrierpunkt prophezeit. Die Stimme des Sprechers hatte dabei so ernst geklungen, als würde er eine unvermeidbare Katastrophe ankündigen.

Wassily hätte gelacht, wenn er noch fähig gewesen wäre zu lachen. Wie schwach die Amerikaner waren! Wie leicht sie verzweifelten! Er war der Überlebende von Kolyma, dem grausamsten Gefangenenlager der Sowjetunion, wo die Insassen bei minus sechzig Grad in den Goldminen arbeiten mussten. Es war so kalt gewesen, dass die Tränen auf den Wangen gefroren. Sie fielen in glänzenden Kristallen mit einem fröhlichen Klirren auf den hart gefrorenen Boden und straften die Hölle, in der die Gefangenen lebten, Lügen. Die Seks hatten dieses helle Klingeln »das Flüstern der Sterne« genannt.

Wie viele Tränen er vergossen hatte, als er seine geliebte Katya verloren hatte. Die Sterne hatten immerzu geflüstert.

Er hatte ein Gedicht darüber geschrieben, mit Tinte aus verbranntem Schuhleder auf einem Stück Stoff von einem Hemd, das ein Sek gestiftet hatte, der unglaublicherweise entlassen werden sollte. Es war in Moskau veröffentlicht worden. Als aus fünftausend Kilometern Entfernung die Nachricht bei ihnen ankam, dass der Insasse Wassily Worontzoff ein Gedicht über Kolyma geschrieben habe, waren die Wachen in einen Rausch der Grausamkeit verfallen. In dem Glauben, dass ein Autor ohne Hände nicht schreiben könne, hatten sie daraufhin seine Hände zertrümmert.

Dumme, dumme Männer.

So viel hatte sich seit damals verändert.

Wenn die Wachen, die ihn gefoltert hatten, nicht an einer Wodkavergiftung gestorben waren, dann lebten sie von rund fünfzig Dollar in einem Rattenloch irgendwo in Russland. Und er – er war reich jenseits jeder Vorstellung und kurz davor, der mächtigste Mann der Welt zu werden, mit der Fähigkeit, große Städte einfach wie eine Lampe auszuschalten.

Er war nun fähig, bei seiner geliebten Katya zu sein.

Er hatte sie in Kolyma verloren, aber er hatte sie wiedergefunden in diesem kleinen amerikanischen Kaff mit seinen Birken und Lärchen, die den Wäldern um die Datscha, die sie außerhalb Moskaus hatten, so ähnelten.

Charity hieß sie nun. Charity Prewitt. Ein absurder Yankee-Name. Er hasste es, sie Charity zu nennen. Sie war Katya. Seine Katya, auch wenn sie das noch nicht wusste.

Aber bald würde seine Scharade vorbei und sie wieder bei ihm sein.

Er war der Wor. Unglaublich mächtig.

So mächtig, dass er Katya von den Toten zurückholen konnte.

Parker’s Ridge

»Haben Sie in letzter Zeit was Gutes gelesen?«

Die junge Frau, die in der Bibliothek von Parker’s Ridge County Bücher stapelte und Zeitungen sortierte, drehte sich überrascht um. Es war kurz vor Ende der Öffnungszeit, und auch sonst war die Bibliothek nie von Besuchern überlaufen. Um diese Zeit war sie eigentlich immer wie ausgestorben. Nick Ireland wusste das sehr genau. Er hatte sie seit einer Woche beobachtet.

»Oh! Hallo, Mr Ames.« Ihre Wangen röteten sich vor Freude, ihn zu sehen. »Brauchen Sie noch etwas?« Sie blickte zu der großen altmodischen Uhr an der Wand. »Wir schließen gleich, aber ich kann gerne eine Viertelstunde länger bleiben.«

Er war schon heute Morgen hier gewesen, und sie hatte ihm sehr freundlich und charmant geholfen. Genau genommen hatte sie nicht ihm geholfen, sondern vielmehr Nicholas Ames, dem Börsenmakler, der sich nach einigen Jahren mit sehr ertragreichen Investitionen aus dem gnadenlosen Konkurrenzkampf der Wall Street zurückgezogen hatte und nun seine eigene Investmentfirma gründen wollte. Der Sohn von Keith und Amanda Ames, Investmentbanker und Familienanwältin, die tragischerweise beide jung verstorben waren. Nicholas Ames war vierunddreißig, Steinbock, nach einer kurzen Ehe in seinen Zwanzigern geschieden, Sammler von teuren Weinen, freundlich, harmlos, ein durch und durch netter Kerl.

Kein Wort davon entsprach der Wahrheit. Kein einziges Wort.

Sie waren allein in der Bücherei, was ihn gleichzeitig freute und verärgerte. Es freute ihn, weil er so Charity Prewitts ungeteilte Aufmerksamkeit hatte. Es verärgerte ihn, weil …

Weil sie durch die großen Büchereifenster wie ein süßes kleines Lämmchen aussah, das man für die Raubtiere angekettet hatte. Hier, in diesem eisigen Staat im Norden war es schon seit über einer Stunde dunkel. In der gut beleuchteten Bücherei war Charity Prewitt wie in einem Schaufenster ausgestellt. Eine sehr hübsche junge Frau, ganz allein in einem geschlossenen Raum. Das schrie jedem vorübergehenden Mistkerl Kommundholmich entgegen.

Nichts taten Mistkerle lieber, als hübsche junge Frauen zu fressen. Diese eine Gewissheit war für Nick unumstößlich: Die Welt war voll von Mistkerlen. Er hatte sie sein ganzes Leben lang bekämpft.

Sie lächelte ihn an, viel, viel hübscher als auf den Fotos in der Akte, die er studiert hatte.

»Nein, danke, Miss Prewitt«, antwortete er und achtete bewusst darauf, dass seine tiefe, raue Stimme freundlich klang. »Ich muss nicht noch weiter recherchieren. Sie waren heute Morgen sehr hilfreich.«

Sie legte den Kopf auf die Seite. Ihr weiches dunkelblondes Haar strich über ihre rechte Schulter. »Hatten Sie also einen guten Tag?«

»Ja, das hatte ich. Einen sehr guten Tag, Danke der Nachfrage. Ich habe mir drei Fabriken angesehen, ein vielversprechendes neues Webdesign-Start-up und eine alte Sägemühle, wo sie ein paar sehr innovative Ideen für recyceltes Holz haben. Alles in allem sehr befriedigend.«

Tatsächlich war es ein beschissener Tag gewesen, nur einer von vielen beschissenen Tagen bei diesem Auftrag. Eine vollkommene Zeitverschwendung waren die Stunden in einem Überwachungswagen mit zwei stinkenden Männern gewesen, und es hatte absolut nichts gebracht, außer einem kryptischen Anruf für Worontzoff von einem Freund, der auf sich aufpassen sollte.

Nick lächelte mit einer Befriedigung, die er nicht fühlte. »So. Sie machen jetzt zu?«

Sie lächelte zurück. »Ja. Wir schließen um sechs. Aber wie ich schon sagte, wenn Sie noch etwas brauchen …?«

»Nun, um die Wahrheit zu sagen …« Nick blickte unsicher auf seine Schuhe hinunter, als wenn er erst den Mut finden müsste zu fragen. Mann, er liebte es, diese Schuhe anzusehen. Es waren Importe aus Italien, dreihundert Dollar das Paar, Welten entfernt von seinen üblichen bequemen, aber deutlich angeschlagenen Kampfstiefeln, die er seit seiner Zeit bei der Armee hatte.

Es war fantastisch, der sehr erfolgreiche Geschäftsmann Nicholas Ames zu sein, weil er sich passend kleiden und Uncle Sam dafür bezahlen musste. Er hatte eine ganze Garderobe, die zu diesen großartigen Schuhen passte. Womöglich durfte er einiges davon behalten. Vielleicht die beiden Armani-Anzüge, die extra für seine breiten Schultern geschneidert worden waren.

Und noch besser war es, sich mit dieser Bibliothekarin, Charity Prewitt, befassen zu müssen, einer der hübschesten Frauen, die er je gesehen hatte. Klein, an den richtigen Stellen gerundet, elegant, mit großen Augen von der Farbe des Meeres bei Sonnenaufgang.

Nick blickte von seinen glänzenden Schuhen auf und lächelte in ihre schönen grauen Augen. »Tatsächlich hoffte ich, dass ich Sie zum Abendessen einladen darf, um Ihnen für Ihre Hilfe zu danken. Wenn ich nicht vorher hier mit Ihrer fähigen Hilfe recherchiert hätte, wäre mein Tag nicht halb so produktiv gewesen. Sie zum Essen einzuladen, ist wirklich das Mindeste, was ich tun kann, um meine Dankbarkeit zu zeigen.«

Sie blinzelte überrascht. »Nun …«, fing sie an.

»Sie haben nichts von mir zu befürchten«, sagte er schnell. »Ich bin ein anständiger Bürger – fragen Sie nur meinen Steuerberater oder meinen Arzt. Und ich bin vollkommen harmlos.«

Das war er natürlich nicht, er war sogar höllisch gefährlich. Zehn Jahre war er Elitesoldat gewesen, bevor er zur Einheit stieß. Die letzten zehn Jahre hatte er auf verdeckten Missionen verbracht und die Kunst, Menschen zu töten, perfektioniert.

Aber er war harmlos für sie.

Charity Prewitt hatte die köstlichste Haut, die er je an einer Frau gesehen hatte – helles Elfenbein mit einem Hauch Rosa darunter. Sie war so zart, dass sie aussah, als würde sie blaue Flecken bekommen, wenn auch nur sein Atem sie streifte. Diese Haut war dafür gemacht, berührt und gestreichelt zu werden, nicht, ihr wehzutun.

»Miss Prewitt?« Sie hatte seine Frage, ob sie mit ihm Essen gehen wolle, immer noch nicht beantwortet. Sie stand einfach nur da, den Kopf zur Seite gelegt, und sah ihn an, als wenn er ein Problem wäre, das gelöst werden musste, bei dem sie aber mehr Informationen brauchte, bevor sie es lösen konnte.

Auf eine gewisse Weise mochte er das. Sie war nicht scharf auf seine Einladung, eine willkommene Abwechslung von seiner letzten Verabredung – nun, seinem letzten One-Night-Stand. Fünf Minuten, nachdem sie sich in einer Bar »Hallo« gesagt hatten, war sein Schwanz in ihrer Hand gewesen. Wenigstens stand sie nicht auf Schmerz wie Consuelo. Gott.

Charity Prewitt musterte ihn abwägend, und er ließ es einfach zu, da er wusste, dass Worte ihn nicht weiterbringen würden. Stille würde es tun, also stand er still. Elitesoldaten besaßen innere Ruhe. Diejenigen, die sie nicht hatten, starben jung und unschön.

Nick betrachtete sie im Gegenzug selbst ein bisschen. Heute Morgen hatte ihn die kleine Miss Charity Prewitt fast umgehauen. Himmel, bei einem solchen Namen und einem Job als Bibliothekarin in einer Bücherei in einem Ein-Ampel-Kaff, die zudem mit achtundzwanzig noch immer Single war, hatte er eine vertrocknete Backpflaume erwartet.

Die Fotos in der Akte waren mit einem Teleobjektiv aufgenommen worden und unscharf und zeigten nur ganz Allgemeines: Haar- und Hautfarbe, generelle Form und Größe. Eine ganz normale Frau. Vielleicht ein bisschen klein, aber ansonsten unauffällig.

Aber live und in Farbe war sie der Hammer – wenn auch erst auf den zweiten Blick. Man musste schon genau hinsehen, um ihre großen hellgrauen Augen, den Porzellanteint, das glänzende dunkelblonde Haar und den schlanken, aber kurvigen Körper wirklich würdigen zu können. Zusammen mit ihrer natürlichen Eleganz und der sanften, verführerischen Stimme …

Nick war daran gewöhnt, verdeckt zu arbeiten, aber die meisten Jobs drehten sich um Mistkerle, nicht um wunderschöne junge Frauen.

Tatsächlich ging es auch diesmal wieder um einen – einen absoluten Mistkerl namens Wassily Worontzoff, den die gesamte Menschheit bis auf die Agenten der Einheit als großen Schriftsteller verehrte. Sogar für den verfluchten Nobelpreis war er nominiert worden, auch wenn der kranke Bastard der Kopf einer großen, international organisierten Verbrechervereinigung war, was die Einheit zwar wusste, aber bisher nicht beweisen konnte.

Also befasste er sich auch bei dieser Operation mit Mistkerlen, klar, aber zu dieser Mission gehörte außerdem, dass er diese schöne Frau umwerben musste – und Uncle Sam bezahlte auch noch dafür. Viel besser konnte es nicht kommen.

»Also gut«, sagte Charity plötzlich. Welche Zweifel auch immer sie gehabt hatte, sie waren jetzt offensichtlich beseitigt. »Wann wollen Sie mich abholen?«

Geschafft! Nick fühlte, wie ihn eine Welle von Energie durchlief, die nichts mit dem Auftrag und einzig mit der Frau, die hier vor ihm stand, zu tun hatte.

»Nun …« Nick lächelte, ganz der nette, vollkommen vertrauenswürdige, vollkommen zuverlässige Geschäftsmann, »Ich habe mich gefragt, ob Sie nicht einfach gleich mitkommen wollen. Ich habe diesen großartigen Italiener in der Nähe von Rockville entdeckt. Die haben eine sehr schöne Bar, und ich dachte, wir könnten uns bei einem Drink ein bisschen unterhalten, während wir auf unser Essen warten.«

»Da Emilio’s«, sagte Charity. »Da ist es wirklich nett, und das Essen ist hervorragend.« Sie blickte an sich herunter und runzelte die Stirn. »Aber ich bin nicht dafür angezogen auszugehen. Ich muss erst nach Hause und mich umziehen.«

Sie trug einen hellen graublauen Pullover, der genau zu der Farbe ihrer Augen passte und sich an ihre runden Brüste und die schmale Taille schmiegte, einen engen schwarzen Rock, eine glänzende schwarze Strumpfhose und hübsche knöchelhohe Stiefeletten. Eine Perlenkette und passende Ohrringe komplettierten das Outfit. Selbst in ihrer Arbeitskleidung war sie die eleganteste Frau, die er seit langer Zeit gesehen hatte.

»Sie sehen …« Perfekt. Höllisch sexy. Er biss die Zähne zusammen. Ireland, der raue Soldat, der er in Wirklichkeit war, konnte so etwas sagen, aber Ames, der kultivierte Geschäftsmann, ganz sicher nicht. Selbst wenn es die absolute Wahrheit war. »… gut aus. Sie sehen wirklich gut aus. Sie könnten im Weißen Haus dinieren, so wie Sie angezogen sind.«

Das zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen, genau wie er es erhofft hatte. Ihr Lächeln war eine Geheimwaffe. Sie seufzte. »Also gut. Ich muss hier nur noch alles abschließen.«

Abzuschließen bedeutete, die Büchereitür zuzuziehen und einen Schlüssel einmal im Schloss umzudrehen.

Nick wartete. Charity sah zu ihm hoch, und als sie seine düstere Miene bemerkte, erschien eine kleine steile Falte zwischen ihren Augenbrauen. »Stimmt etwas nicht?«

»Das ist alles? Das ist abschließen? Den Schlüssel einmal im Schloss umdrehen?«

Sie lächelte milde. »Wir sind hier nicht in der großen, bösen Stadt, Mr Ames.«

»Meine Freunde nennen mich Nick.«

»Also gut, Nick. Ich weiß nicht, ob Sie schon die Gelegenheit hatten, durch die Stadt zu gehen. Das hier ist nicht New York oder auch nur Burlington. In der Bücherei, falls es Ihnen noch nicht aufgefallen sein sollte, gibt es Bücher und ansonsten nicht viel mehr als ein paar nicht mehr ganz neue Tische. Was sollte da zu stehlen sein? Und außerdem kann ich mich nicht daran erinnern, wann das letzte Mal ein Verbrechen in Parker’s Ridge begangen wurde.«

Das Hochgefühl, das Nick bei dem Gedanken an einen Abend mit Charity Prewitt verspürt hatte, verschwand.

Parker’s Ridge war der Wohnort eines der gefährlichsten Verbrecher der Welt. Eines von Grund auf bösen Mannes. Eines Mannes, der unmittelbar für den Tod von vielen Hunderten von Menschen verantwortlich war, für unfassbares Leid und Unglück.

Und er war Charity Prewitts bester Freund.

2

Eine Verabredung. Charity Prewitt hatte tatsächlich eine Verabredung! Charity war seit … Himmel, sie konnte sich noch nicht einmal mehr daran erinnern, wann sie das letzte Mal mit einem Mann ausgegangen war.

Wenn man Wassily nicht mitrechnete, der vierundfünfzig Jahre alt war und seit seiner Zeit in einem sowjetischen Gefangenenlager schreckliche Narben trug, gab es zehn Junggesellen in Parker’s Ridge. Jeder einzelne unverheiratete Mann in einem Radius von vierzig Meilen war mit ihr ausgegangen, mehrfach. Jedem einzelnen unverheirateten Mann fehlte etwas Wesentliches – Zähne, Bildung, Arbeit. Ganz sicher fehlte ihnen allen Sinn für Humor.

In den Städten der Umgebung sah es nicht besser aus. Die meisten waren aus einem guten Grund noch Junggesellen. Und eine einzige Verabredung reichte meist mehr oder weniger aus, um den Grund herauszufinden.

Charity hätte sich noch weiter umsehen können, doch seit Mary Conway in den Mutterschutz gegangen war und dann gekündigt hatte, als ihr Kind zu früh und in der Entwicklung zurückgeblieben geboren wurde, hatte Charity sich mehr oder weniger allein um die Bücherei gekümmert. Die pensionierte ehemalige Hauptbibliothekarin, die alte Mrs Lambert, kam aushilfsweise, wenn es einen Notfall gab, aber sie war vierundsiebzig und fast taub. Und der Stadtrat schob es immer wieder hinaus, Geld für einen weiteren Angestellten freizugeben. Also blieb alles an Charity hängen.

Außerdem musste sie sich natürlich um Onkel Franklin und ihre kränkelnde Tante Vera kümmern, die ihre ständige Hilfe benötigten. Charity hatte einen Einzugsbereich von vierzig Meilen, in dem sie suchen konnte, und wünschenswerte Junggesellen – selbst solche, die wenigstens nicht abstoßend waren – gab es in diesem Umkreis nicht gerade wie Sand am Meer.

Als Mr Nicholas »Meine Freunde nennen mich Nick« Ames – der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte, der ganz offensichtlich all seine eigenen Zähne und Körperteile besaß und außerdem wohlhabend zu sein schien – sie um eine Verabredung bat, nun, das war wie Weihnachten einen Monat zu früh.

Er war am Morgen in die Bücherei gekommen, um etwas über die Gegend zu erfahren, da er, wie er sagte, hier einige Investitionen tätigen wollte. Charity war beeindruckt gewesen, wie viel er schon über die Gegend wusste, aber sie nahm an, dass Geschäftsleute gut informiert sein mussten. Er hatte diskret angedeutet, dass er sich nach einigen sehr guten Jahren bei einer Maklerfirma aus dem Geschäft zurückgezogen habe und nun eine eigene Investmentfirma aufbauen wolle.

Er war so unglaublich attraktiv. Charity warf ihm heimlich Blicke zu, wenn er es nicht bemerkte. Er war groß, hatte rabenschwarzes Haar, dunkelblaue Augen, die von unfassbar langen Wimpern umrahmt wurden, eine gerade, schmale Nase und einen festen Mund.

Und einen muskulösen Körper.

Wow.

Charity kannte nur Geschäftsmänner, die untrainiert und blass waren. Die viel Zeit hinter ihrem Schreibtisch verbrachten und Geld machten. Oder es verloren, je nachdem. Nick Ames sah nicht so aus, als hätte er viel Zeit damit verschwendet, Geld zu verlieren.

Er besaß alle äußerlichen Attribute eines wohlhabenden Geschäftsmannes: den eleganten blauen Anzug – Charity vermutete Armani –, die polierten Schuhe, die teure Aktentasche aus Leder, manikürte Fingernägel, eine teure Uhr.

Aber da hörte die Ähnlichkeit mit einem typischen Geschäftsmann auch schon auf. Unter dem eleganten Anzug befand sich ganz offensichtlich ein muskulöser, sehr fitter Körper mit erstaunlich breiten Schultern. Das alles stand in völligem Gegensatz zu der Zeit, die er damit verbringen musste, Daten zu analysieren, Artikel durchzuarbeiten und in seine Kristallkugel zu starren – oder was immer es war, was Börsenmakler so taten.

Es war ein wunderschöner Abend. Sehr kalt, aber das war im November in Vermont ja nicht anders zu erwarten. Der Schneesturm, den alle Wettervorhersagen angekündigt hatten, war noch nicht eingetroffen, und der Nachthimmel schimmerte voller kalter, strahlender Sterne. Charity liebte diese klaren, eiskalten Nächte, und das war auch gut so, denn irgendwo hinzuziehen, wo es wärmer war, kam nicht infrage. Selbst ein langes Wochenende in Aruba war unmöglich, auf jeden Fall so lange, wie Tante Vera so krank war.

Zu ihrer Überraschung legte Mr Ames – Nick – seine Hand an ihren Ellenbogen, als wenn sie Probleme haben könnte, den breiten, völlig ebenen Gehweg entlangzugehen, oder als würde sie sich in dieser kleinen Stadt, in der sie aufgewachsen war, nicht mehr zurechtfinden. Aber es war trotzdem sehr nett. Männer nahmen einen nur noch so selten am Ellenbogen.

Onkel Franklin nahm oft ihren Arm, wenn sie ihn irgendwohin begleitete, aber das tat er, damit er selbst sicherer gehen konnte. Nick Ames brauchte ganz sicher nicht ihren Arm, um die Balance zu halten.

So direkt neben ihr schien er noch größer. Selbst mit ihren hochhackigen Schuhen reichte sie ihm kaum bis zur Schulter. Er schien auch massiger, die Schultern waren unglaublich breit unter dem feinen, handgenähten, dunkelblauen Mantel. Kaschmir. Onkel Franklin hatte auch so einen.

Für einen winzigen Moment fragte Charity sich, was sie hier eigentlich tat – mit einem Mann zum Essen zu gehen, den sie gar nicht kannte.

Sie hatte sich selbst überrascht. Er hatte gefragt, und sie wusste, sie sollte die Einladung ablehnen, höchstens einem Drink hier in der Stadt zustimmen, und dann … öffnete sich ihr Mund und es war einfach ein Ja herausgekommen. Dass er attraktiv wie die Sünde war und ein unglaublich tolles Lächeln hatte, hatte wahrscheinlich etwas damit zu tun gehabt.

Manieren hatte er auch. Er ging neben ihr auf der Seite, die der Straße zugewandt war. Es war Jahre her, dass sie es erlebt hatte, dass sich ein Mann bewusst zwischen eine Frau und die Straße platziert hatte. Der letzte Mann, bei dem sie es gesehen hatte – außer bei Onkel Franklin –, war ihr Vater gewesen, der auf völlig unbewusste Weise immer so aufmerksam zu ihrer Mutter gewesen war. Das war nun schon über fünfzehn Jahren her, als die beiden noch gelebt hatten.

Sie und Nick gingen die Straße hinunter und bogen dann nach einem kleinen Druck seiner Hand rechts in die Sparrow Road ab. Einige Häuser weiter blieb er direkt vor einem großen, luxuriösen schwarzen Auto stehen. Ein Lexus, vermutete sie, auch wenn sie sich nicht sicher war. Sie wusste jedoch mit Sicherheit, dass er mindestens das Äquivalent eines Jahresgehalts einer Bibliothekarin gekostet hatte.

Er brachte sie zur Beifahrertür, schloss sie mit einem Knopfdruck auf seinen elektronischen Schlüssel auf und half ihr ins Auto, als wäre sie die Königin von Parker’s Ridge.

Eine Sekunde später saß er auf dem Fahrersitz und half ihr, den Gurt anzulegen. Zu ihrer Überraschung lehnte er sich nicht zurück, als der Gurt saß, sondern beugte sich vor und gab ihr einen sanften Kuss auf den Mund.

Charity starrte ihn an. »Was …?«

Er hatte den Wagen schon gestartet. Er blickte zu ihr herüber und grinste, seine Zähne weiß im Dunkel des Autos, als er langsam aus der Parklücke fuhr. »Ich dachte, dass wir uns den ganzen Abend über fragen würden, ob wir uns am Ende küssen würden, und wollte das einfach abkürzen. Wir haben uns schon geküsst, also brauchen wir uns nicht mehr damit verrückt machen. Es ist schon geschehen.«

Sie faltete die Hände im Schoß. »Ich hätte mich nicht wegen eines Kusses verrückt gemacht.«

Das war eine glatte Lüge. Sie hatte sich schon damit verrückt gemacht, seit sie seine Einladung angenommen hatte. Wenn sie wirklich ehrlich mit sich war – was sie normalerweise immer versuchte –, hatte sie sich mit dem Gedanken, ihn küssen zu wollen, verrückt gemacht, seit sie ihn heute Morgen zum ersten Mal gesehen hatte.

Aber er hatte recht.

Es war nur ein kleiner, völlig harmloser Kuss gewesen, aber er hatte definitiv den Druck rausgenommen. Sie hatten sich geküsst. Nun konnten sie entspannt miteinander zu Abend essen.

Ein kluger Mann. Kein Wunder, dass er so reich geworden ist.

Sie fuhren langsam aus der Stadt heraus. Fast schon zu langsam. Zu ihrer Überraschung hielt er sich selbst außerhalb der Stadtgrenzen an das Tempolimit. Aus irgendeinem Grund hatte ein Bürokrat mit Spatzenhirn eine Geschwindigkeitsbegrenzung von fünfunddreißig Meilen pro Stunde in einem Radius von zehn Meilen um die Stadt angeordnet. Kein Einwohner der Stadt war verrückt genug, sich daran zu halten, außer Mr Nick Ames. Er fuhr sein eindrucksvolles Auto, als müsste er eine Fuhre Eier heil über unebenes Terrain bringen.

An der Kreuzung zwischen Somerset und Fifth, wo man an einem klaren Tag bis nach Kanada sehen konnte, hielt er komplett an. Niemand hielt an dieser Kreuzung an, außer wenn tatsächlich ein Auto kam, das man hier allerdings in jeder Richtung schon meilenweit sehen konnte. Die Bewohner von Parker’s Ridge wurden vielleicht ein bisschen langsamer, aber sie hielten niemals an.

Nick Ames hielt an, als die Ampel noch gelb war, und wartete geduldig durch den ganzen Zyklus von Gelb, Rot und dann Grün.

Es war an sich natürlich angenehm, in einem Auto mit einem vorsichtigen Fahrer zu sitzen, aber Charity bemerkte, wie sie den rechten Fuß auf den Boden presste und hoffte, dass er es auch tun würde, wie sie ihn stillschweigend drängte, etwas Gas zu geben. Nur eine sehr feine Grenze trennte einen vorsichtigen Fahrer von einem peinlich langsamen Sonntagsfahrer und er überquerte sie mehrmals. In Parker’s Ridge, wo man sich schon anstrengen musste, um einen Auffahrunfall zu verursachen, war es wirklich zu viel, dermaßen peinlich langsam zu fahren.

Zu Da Emilio’s zu kommen, war nicht einfach. Man musste mehrere Male abbiegen und es gab kaum Schilder. Die Einheimischen fanden es natürlich ohne Probleme, aber für Auswärtige war es schwierig. Nick Ames schien allerdings kein Problem damit zu haben. Er fuhr ohne Umweg direkt bis vor die Tür.

Der Parkplatz vor dem Restaurant war fast leer. Er würde sich später füllen, aber im Moment waren nur die Gäste da, die vor dem Abendessen ein paar Drinks nehmen wollten. Er fuhr in die erste freie Lücke und parkte das Auto.

Sie lächelte ihn an. »Sie haben entweder einen guten Orientierungssinn, ein hervorragendes Erinnerungsvermögen oder beides.«

Er wandte sich ihr zu, eine große Hand noch immer auf dem Lenkrad. »Ich habe tatsächlich beides. Ich denke, dass es derselbe Teil im Gehirn ist. Ich habe auch ein sehr gutes Gedächtnis für Gesichter. Und ich verirre mich nicht oft.« Er blickte auf ihre nackten Hände hinunter. »Sie sollten besser Ihre Handschuhe anziehen. Es ist wirklich kalt draußen.«

»Ja, Mama«, sagte Charity und verdrehte die Augen, aber das hätte sie sich auch sparen können. Er war schon ausgestiegen, umrundete den Wagen, öffnete ihr die Tür und half ihr heraus.

Der kleine Kuss hatte irgendwie die Chemie des Abends verändert. Die Einladung war von einer freundlichen Geste des Dankes zu einer richtigen Verabredung geworden. Die Möglichkeit, miteinander zu schlafen, stand im Raum – auf angenehme Weise. Nichts Übertriebenes, nur ein paar kleine Funken, die in der kristallklaren Luft flimmerten.

Charity nahm einen langen, glücklichen Atemzug. Die Luft war makellos, duftete nach den Kiefern um sie herum und den Köstlichkeiten aus Emilios Küche. Der Duft eines wundervollen Abends.

Ihr Leben war in letzter Zeit ein wenig grau gewesen. Nicht wirklich grau vielleicht, aber ein bisschen … eintönig. Reine Routine. Sie gestand sich nur ungern ein, wie viel ihrer Zeit und Energie Tante Vera und Onkel Franklin beanspruchten. Aber wenn endlich nach fünf Tagen Arbeit in der Bücherei und zwei, drei kurzen Besuchen bei ihrer Tante und ihrem Onkel, wo sie sich um alles kümmerte, was für ihr Wohlergehen nötig war, der Freitag kam, hatte sie gerade noch genug Energie, sich am Wochenende um ihren Haushalt zu kümmern.

Langsam, ohne dass sie es richtig bemerkte, ging sie weniger und weniger aus, ging seltener ins Kino oder zu Konzerten. Die einzige Ausnahme, die sie machte, war Wassily. Wenn er anrief, hatte sie immer Zeit und Energie für ihn.

Nick hielt ihr die Tür auf und führte sie mit einer Hand auf ihrem unteren Rücken hinein. Eine Frau könnte sich an solch altmodische Umgangsformen gewöhnen.

Da Emilio’s war wie immer warm und einladend, mit einem großen flackernden Feuer in jedem Raum. Zur Rechten befand sich eine gemütliche Bar, zu der Nick sie führte. Der rundliche Oberkellner kam zu ihnen hinübergeeilt.

Nick blieb stehen und sagte: »Wir haben eine Reservierung auf den Namen Nick Ames«, doch der Mann beachtete ihn gar nicht. Er stürzte einfach auf sie zu.

Charity seufzte und wappnete sich.

»Signorina Chaaaritiii!« Sie wurde mit festem Griff in einer schwungvollen Umarmung gegen einen harten, runden Bauch gedrückt. Eine Umarmung, die nach Versace und Knoblauch duftete.

»Sergio.« Charity lächelte ihn an, als er sie endlich freigab. Emilios Schwager hatte eine viel extrovertiertere Persönlichkeit als Emilio selbst. Er war ein sehr guter Restaurantleiter.

»Willkommen, meine Liebe. Wo sind Sie gewesen? Warum sind Sie nicht mehr zum Essen zu uns gekommen?« Er hielt sie auf Armeslänge von sich und musterte sie aufmerksam. »Sie sehen magra aus. Viel zu dünn. Haben Sie auch genug gegessen?« Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. »Was rede ich da? Natürlich haben Sie das nicht. Emilio!«, rief er, während er ihren Mantel und – offensichtlich fiel es ihm erst später ein – auch den von Nick nahm. »Vieni qui subito!«

Einige Gäste kamen durch die Tür, aber Sergio ignorierte sie. »Emilio!«, brüllte er.

Charity verzog das Gesicht und blickte zu Nick hoch. Er sah amüsiert aus und vollkommen entspannt.

»Emilio wird entzückt sein, Sie zu sehen, Miss Charity. Er hat gerade erst gestern von Ihnen gesprochen. Anna war übers Wochenende zu Hause und …«

»Charity!« Emilio kam aus der Küche gestürzt, ein großer, schlanker, attraktiver Mann. Sein Essen war so gut, dass Charity nicht verstand, wie zum Himmel er es schaffte, so dünn zu bleiben. Vermutlich weil er so hart arbeitete. Er war vor zwanzig Jahren nach Parker’s Ridge gekommen, ein gut aussehender, junger italienischer Student aus Bologna, der nach dem College durch die USA trampte, und hatte schließlich seine Verlobte, seine Schwester und ihren Ehemann aus Bologna nachgeholt.

Gott allein wusste, warum er sich ausgerechnet den Norden Vermonts ausgesucht hatte, um sich niederzulassen, aber die Bewohner von Parker’s Ridge waren dankbar. Er führte das erfolgreichste – und beste – Restaurant in diesem Teil des Staates.

Emilio schloss sie in die Arme, hielt sie dann wieder auf Armeslänge von sich und sah sie kritisch an, genau wie Sergio es getan hatte. »Sie haben nicht genug …«

»Gegessen«, sagte Charity mit einem Seufzer. »Ich weiß. Sergio hat es mir bereits gesagt. Aber es stimmt nicht. Wir haben eben nicht alle das Glück, Silvias Figur zu haben.«

Bei der Erwähnung seiner geliebten Frau, die die Bücher genau wie die Familie gut und mit fester Hand führte und ihm so die Zeit für seine Kreationen ließ, lächelte Emilio. Silvia wog mindestens zwölf Kilo mehr als Charity, und jedes Gramm bestand aus Killerkurven, die Männeraugen magisch anzogen.

»Das stimmt«, sagte er stolz. »Trotzdem sollten Sie mehr essen.«

Charity musste sich wirklich zusammennehmen, um nicht die Augen zu verdrehen. Es wurde Zeit, das Thema zu wechseln. Emilio war durchaus fähig, ewig so weiterzumachen, wenn sie es zuließ.

»Aber genug davon!« Emilio hob gebieterisch eine Hand, und der Kellner, von dem Charity geschworen hätte, dass er auf der anderen Seite des Raumes gewesen war, materialisierte sich von einer Sekunde auf die nächste an seiner Seite. Ohne sich umzudrehen, sagte Emilio: »Dario, zwei Gläser unseres besten Proseccos und einige warme Antipasti.« So schnell, wie er gekommen war, war der Kellner wieder verschwunden.

»Kommen Sie. Setzen Sie sich.« Emilio führte sie zu der schönsten Ecke der Bar – tiefe, mit dunkelrotem Brokat bezogene Sessel, die um einen antiken Beistelltisch gruppiert waren, genau neben dem flackernden Kamin.

Emilio setzte sich zu ihnen, als wenn er alle Zeit der Welt hätte, auch wenn es kurz vor der Hauptessenszeit war und das Restaurant sich langsam füllte.

»Wie …«, begann Charity, aber Emilio ignorierte sie. Er wandte sich Nick zu und starrte ihn an, eine tiefe Falte zwischen seinen dicken schwarzen Augenbrauen.

»Also«, sagte er und zeigte eine glänzende Reihe weißer Zähne – es ähnelte nur entfernt einem Lächeln. »Sie essen mit Miss Charity. Sind Sie ein Kollege?«

Nick lehnte sich ganz entspannt zurück. »Nein. Ein Bekannter. Charity hat mir einen Gefallen getan und ich habe sie zum Dank zum Essen eingeladen.«

»Kennen Sie sich schon lange?«

Nick ließ sich durch die persönliche Frage nicht im Geringsten aus der Ruhe bringen. »Nein. Wir haben uns erst heute kennengelernt.«

Emilio kniff die Augen zusammen. »Leben Sie hier in der Gegend, oder sind Sie nur auf der Durchreise?«

Charity atmete hörbar ein. Emilio nahm Nick ins Verhör, als wäre sie seine Tochter und Nick ein unerwünschter Verehrer. Sie öffnete den Mund, um zu protestieren, als sie Nicks amüsierten Blick auffing. Er blinzelte ihr unauffällig zu und schüttelte den Kopf. Die Nachricht war klar: Misch dich nicht ein. Es ist in Ordnung.

»Tatsächlich lebe ich in Manhattan, aber ich denke darüber nach, mich woanders niederzulassen, und habe mir verschiedene Orte angesehen. Ich schaue mich um, weil ich ein paar Investitionen tätigen möchte. Vor einigen Monaten habe ich meinen Job bei einer großen Maklerfirma gekündigt. Ich habe am Markt ganz gut verdient, bevor das Klima umgeschlagen ist. Ich würde gerne eine eigene kleine exklusive Investmentfirma eröffnen, aber ich habe mich noch nicht entschieden, wo. Alles, was ich weiß, ist, dass es mir nichts ausmachen würde, aus Manhattan rauszukommen. Also ist mein Leben gerade ziemlich in der Schwebe.«

Wie geschickt von ihm, dachte Charity. Mit einigen kurzen Sätzen hatte er deutlich gemacht, dass er Single war, wohlhabend, ohne Altlasten und willens, sich hier niederzulassen. Sie wusste nicht, ob das, was Nick sagte, die Wahrheit war oder nicht, aber Emilio hatte er damit ganz offensichtlich beruhigt, denn seine Miene entspannte sich.

»Nun, genießen Sie den Abend. Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Mr …« Er machte eine kleine Pause.

»Ames. Nicholas Ames. Und das Vergnügen ist ganz auf meiner Seite.«

Emilio stand auf, als ein Kellner mit einer Flasche Prosecco, zwei hohen Kristallkelchen und einem Teller voller Köstlichkeiten wiederkam und alles auf dem Tisch vor ihnen abstellte. Der Duft ließ Charity das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Offensichtlich hatte Nick eine Art Test bestanden. Und nicht nur bei Emilio.

Charity probierte eine heiße Olive ascolane, eine gefüllte, panierte und sanft frittierte Olive, und konnte gerade noch ein entzücktes Stöhnen zurückhalten. »Sie müssen eine von diesen versuchen«, drängte sie ihn. »Das sind …«

»Olive ascolane«, sagte Nick und sie sah ihn überrascht an. Er lächelte. »Ich habe meinen eigenen Emilio in Manhattan. Nahe der Bleecker Street. Nur heißt er Mario und kommt aus Ascona. Er macht fabelhafte olive ascolane und die beste Bolognese der Welt.« Er kaute nachdenklich. »Doch diese Oliven sind noch besser als Marios. Gar keine Frage. Aber das muss unser Geheimnis bleiben.« Er zwinkerte ihr zu. »Ich wage nicht, es Mario zu erzählen. Mit Sicherheit würde ich Hausverbot bekommen.«

Ein Holzscheit in dem großen Kamin barst und zerfiel in einem Funkenregen. Hitze erfüllte den Raum und legte sich glühend auf ihre Haut.

Aber es war nicht nur das Feuer, das sie wärmte. Das war bloß eine bequeme Ausrede für die Hitze, die sie bei Nicks Zwinkern durchströmt hatte. Glutheiß und in seiner Intensität schon fast unanständig. Sie konnte die Hitze seines Körpers spüren, intensiver als die des Feuers. Oder jedenfalls fühlte es sich so an.

Sie war nicht naiv. Nick flirtete mit ihr. Es war zwar zurückhaltend, aber dennoch unverkennbar – das alte Spiel zwischen Mann und Frau, das sie früher so gut und mühelos beherrscht und nun fast vergessen hatte. Wie lange war es her, dass sie mit jemand Attraktivem zum Essen ausgegangen war und geflirtet hatte? Viel zu lange, wenn man ihre starke Reaktion als Maß nahm.

War es ihm aufgefallen? Seine ausdrucksstarken blauen Augen betrachteten sie aufmerksam. Es war sehr wahrscheinlich, dass sie errötet war. Ihre Haut war wie ein Leuchtfeuer, das jede ihrer Emotionen weithin sichtbar verkündete.

So ging das gar nicht. Charity zwang sich, sich zurückzulehnen, ihre Nerven zu beruhigen und Nick nichtssagend anzulächeln. Gleichzeitig wollte sie jedoch – schockierenderweise – am liebsten auf seinen Schoß klettern, ihr Gesicht an sein markantes Kinn schmiegen und mit ihren Händen herausfinden, ob er unter seinem eleganten Anzug genauso muskulös war, wie sie es vermutete. Sie wollte ihre Lippen genau dort an seinen Hals legen, wo sie die feine Linie seines Bartansatzes sehen konnte. Seinen Herzschlag an ihrem Mund fühlen, diese glatte gebräunte Haut lecken.

Himmel. Sie sollte wirklich an etwas anderes denken.

Nachdem sie begeistert frittierte Mozzarellastangen, winzige Calamari und riesige frittierte Kapern aus Pantelleria geschlemmt hatten, war ihr Tisch bereit.

Dario erschien wie von Zauberhand und führte sie mit großer Geste zu ihrem Platz. Es war der beste Tisch im Restaurant und es dauerte zehn Minuten, bis sie angemessen saßen. Er half Charity mit ihrem Stuhl, als wäre sie eine Kaiserin, entfernte ein Glas mit einem kleinen Wasserfleck mit einem angeekelten Blick, als wäre es voller Kakerlaken, und lotste sie durch ihre Bestellung. Er schlug vor, dass sie die Weinauswahl ihm überlassen sollten. »Etwas Besonderes für Sie, Miss Charity.«

Er kam mit einer Flasche Barolo aus ihrem speziellen Vorrat zurück, entkorkte sie geschickt und goss einen Fingerbreit in Nicks Glas. Aber auch als Nick zustimmend nickte, entspannte Dario sich erst, als Charity einen Schluck nahm und lächelte.

Er hätte sich keine Sorgen machen müssen. Der Wein schmeckte wie flüssiger Sonnenschein.

»Wundervoll«, murmelte Charity. Dario strahlte und verschwand in der Küche.

»Nun.« Nick lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Er hatte seine Augen während des gesamten Rituals des Einschenkens nicht von ihrem Gesicht abgewandt. »Mir war nicht klar gewesen, dass ich jemanden von königlichem Geblüt zum Essen eingeladen hatte. Warum haben Sie mir nicht erzählt, dass Sie die Königin von Parker’s Ridge sind?«

Sie lächelte. »Es war ein wenig übertrieben, oder?«

»Absolut.« Er blickt über seine Schulter zu Emilio, der mit einigen Gästen sprach, dann zurück zu ihr. »Sind Sie heimlich mit ihm verwandt?«

»Nein, natürlich nicht.« Auch wenn die Vorstellung, der fröhlichen Luraghi-Familie anzugehören, manchmal einfach wundervoll war. Sie war ein Einzelkind, und ihre Eltern waren tot. Ihre einzige Familie waren ihre gebrechliche, kranke Tante und ihr Onkel. »Ich … nun, ich habe Emilios Tochter geholfen, als sie letztes Jahr in die Bücherei kam, um etwas zu recherchieren.«

»Nach allem, was ich gesehen habe, sind sie Ihnen für etwas weitaus Wichtigeres dankbar. Ihre Hilfe bestand sicher nicht nur darin, einer Schülerin die Dewey-Dezimalklassifikation zu erklären.«

Sie nahm einen weiteren Schluck von dem wundervollen Wein. »Wir benutzen das System der Kongressbibliothek.«

»Charity …«

Sie seufzte und erzählte ihm eine etwas geschönte Version der Wahrheit. »Emilios Familie ist wunderbar. Sie ist sehr weitläufig, und alle stehen sich extrem nah. Aber manchmal kann diese Nähe auch etwas … zu viel werden. Seine jüngste Tochter Anna fühlte sich eingeengt und kam ziemlich häufig in die Bücherei, um Dinge nachzuschlagen. Wir haben uns angefreundet. Sie hatte Probleme in der Schule, aber nach einiger Zeit hat sie sich wieder gefangen.«

Es war viel schlimmer als das gewesen. Anna Luraghi hatte die Schule geschwänzt, mit Drogen experimentiert und kurz davorgestanden, das ganz harte Zeug auszuprobieren. Sie hatte sich in ein fieses kleines Wiesel verliebt, von dem Charity vermutete, dass er ein Dealer war.

Anna war damals auf direktem Weg zur völligen Selbstzerstörung und so verzweifelt unglücklich gewesen, dass Charity das Herz geblutet hatte. Sie hatte Stunden und Stunden mit Anna gesprochen, die ganz offensichtlich einen Erwachsenen brauchte, mit dem sie reden konnte und der nicht zur Familie gehörte. Emilio war ein guter Vater, aber seine Problemlösungsstrategie bestand darin, so lange zu schreien, bis das Problem verschwand.

Anna war nun am MIT sehr erfolgreich und ging mit dem süßesten Computerfreak der Ostküste. Seitdem behandelten Emilio und seine Familie Charity, als könnte sie auf Wasser gehen.

Nick hatte ihr mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen zugehört, seine Augen leicht zusammengekniffen, sein Blick aufmerksam. Diese Augen waren einfach überwältigend. Dunkel, kobaltblau und umgeben von dichten schwarzen Wimpern, für die jede Frau gemordet hätte. Sie waren wunderschön und passten doch perfekt in sein so männliches Gesicht.

»Da steckt eindeutig noch mehr dahinter. Aber Sie wollen offensichtlich nicht darüber reden, also wenden wir uns einem neuen Gesprächsthema zu. Was soll es sein? Das Wetter? Bücher? Filme? Ich würde Politik und Religion aus Prinzip ausschließen wollen. Ansonsten bin ich mit allem einverstanden, was Sie aussuchen.«

Das war überraschend. Charity war es nicht gewöhnt, mit Männern zu reden, die tatsächlich zuhörten, wenn sie etwas sagte, und die es der Frau überließen, die Konversation ins Rollen zu bringen. Die meisten Männer, mit denen sie ausgegangen war, hörten immer nur mit einem halben Ohr zu, bis die Unterhaltung sich dem widmete, was sie am meisten interessierte – ihnen selbst. Sie machten Ausnahmen für ihre Arbeit, Autos und in letzter Zeit auch Plasmafernseher, aber das war es auch schon.

Also war Nick Ames nicht nur der attraktivste Mann, den sie je getroffen hatte, er war auch noch intelligent und aufmerksam. Das bedeutete, dass sie die sanfte Ironie, die sie manchmal verwendete und die von ihren bisherigen Begleitern nicht einmal wahrgenommen worden war, ein wenig zügeln musste.

Sie lächelte. »Nun, Bücher sind immer gut.«

»Da Sie Bibliothekarin sind, ist das kaum überraschend.«

»Bitte keine Witze über Bibliothekarinnen«, meinte Charity beunruhigt. Sie kannte sie alle.

Seine Augen waren so unglaublich blau. Er hob eine große Hand, Zeige- und Mittelfinger ausgestreckt. Sein Mund kämpfte mit einem Lächeln. »Kein einziger. Pfadfinderehrenwort.«

»Sie waren bei den Pfadfindern?«

»Ja, Ma’am. Mit den höchsten Auszeichnungen. Ich habe in meiner Gruppe die meisten Punkte gehabt. Also, um auf Sie zurückzukommen: Wie sind Sie ausgerechnet Bibliothekarin in Parker’s Ridge geworden?«

Fass dich kurz. »Nun, ich liebe Bücher, und ich habe ein einigermaßen organisiertes Gehirn, also schien Bibliothekswissenschaft eine gute Wahl fürs Studium.«

Bevor sie ihren Lebenstraum verwirklichen und nach Paris fahren wollte. Mit einem Stipendium, um in Paris französische Literatur zu studieren, und einem One-Way-Ticket für die Touristenklasse hätte sie es sogar fast geschafft. Sie hatte ihre wenigen Habseligkeiten eingelagert und war praktisch schon mit einem Fuß aus der Tür gewesen, als Onkel Franklin anrief, um ihr zu sagen, dass Tante Vera sich plötzlich nicht mehr an die Namen der Wochentage erinnern konnte.

Es war keine Frage gewesen, was sie tun musste. Am nächsten Tag war sie zurück in Parker’s Ridge gewesen – das Flugticket konnte sie zurückgeben – und hatte sich um den Job der alten Mrs Lambert beworben.

»Aber warum sind Sie hier?« Er hörte ihr so aufmerksam zu, als erzählte sie ihm irgendeine wahnsinnig spannende Geschichte. »Warum haben Sie sich in Parker’s Ridge niedergelassen? Es ist hübsch, aber auch sehr klein.«

Charity unterdrückte ein Seufzen. Ja, es war klein. Und abgelegen. Und ganz sicher nicht Paris.

Sie war hier, weil sie hier Pflichten zu erfüllen hatte. Aber das war zu deprimierend, um es laut auszusprechen. Charity hatte gelernt, dass das Wort Pflicht in der modernen Welt nur sehr vorsichtig benutzt werden sollte. Also wich sie ihm aus.

»Meine Familie ist seit über zweihundert Jahren in Parker’s Ridge ansässig.« Was machte es schon, dass sie genau diesen Banden hatte entkommen wollen, genau wegen ihnen war sie letztendlich zurückgekehrt.

Er schenkte ihnen ein und hob sein Glas. »Nun, wenn es die Prewitt-Familie für zweihundert Jahre glücklich machen kann, dann muss Parker’s Ridge viele verborgene Vorzüge haben. Ein Toast: auf Parker’s Ridge!«

Sie hob ihr eigenes Glas und stieß mit ihm an. Der helle Klang von reinem Kristall ertönte, und er lächelte sie über den Rand seines Glases mit funkelndem rubinrotem Wein an.

Sein Lächeln durchfuhr sie wie ein Blitz, ein elektrischer Schlag, der sie innerlich und äußerlich erschütterte. Plötzlich nahm sie alles viel deutlicher wahr. Das Feuer brannte heller, die köstlichen Düfte von den Nachbartischen waren intensiver, das Besteck glänzte strahlender. Sie war sich ihrer Umgebung sehr deutlich bewusst, und vor allem der Gegenwart des großen Mannes, der ihr am Tisch gegenübersaß und sie genau beobachtete.

Sein Interesse an ihr war offensichtlich. Sie hatte es oft genug bei Männern gesehen, wenn auch in letzter Zeit nicht sehr häufig. Es schien, dass sie schon lange in einer sexfreien Zone gelebt hatte. Aber in diesem Moment, in Emilios Restaurant, lag Sex in der Luft … und sie war dazu bereit.

Bei dem Gedanken machte Charitys Herz einen Satz. Wow. Sie war bereit, mit diesem Mann Sex zu haben. Genau jetzt. So etwas hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht gemacht, hatte es noch nicht einmal gewollt.

Aber mit einer Klarheit, die sie selbst überraschte, wusste sie, dass sie mit diesem Mann schlafen würde. Bald. Vielleicht sogar schon heute Nacht. Oh ja. Statt mit einer Wärmflasche und dem neuesten Roman von Michael Connelly könnte sie vielleicht mit diesem sexy, total heißen Mann ins Bett gehen, den sie erst heute Morgen kennengelernt hatte.

Die Muskeln ihrer Oberschenkel zogen sich bei dem Gedanken zusammen. Es war erschreckend und aufregend zugleich. Ihr Gehirn war sofort in Alarmbereitschaft und nannte ihr all die Gründe, warum sie es nicht tun sollte. Sie kannte ihn nicht. Er könnte eine Krankheit haben – auch wenn selbst ihr ängstliches Unterbewusstsein das nicht ernsthaft in Erwägung zog, nicht bei seinem Aussehen. Er strotzte geradezu vor Gesundheit und Kraft. Oder … er könnte ein Serienmörder sein. Vielleicht würden sie ihre Leiche in einer riesigen Blutlache und sonst keine weiteren Spuren finden. Sie würden Emilio befragen, und er würde sagen: Er wirkte ganz normal. Wir ahnten nicht, dass er ein Monster war.

Oder … oder vielleicht mochte er perverse Dinge. Etwas, was sie hassen würde, wie Handschellen oder Spanking. Iiiiih!

Glücklicherweise ignorierte ihr Körper ihr ängstliches, neurotisches Gehirn vollkommen. Zu Recht, denn jede mögliche Gefahr bestand ausschließlich in ihrem Kopf. Ihr Körper fing keinerlei Serienmörderschwingungen oder perverse Neigungen auf. Alles, was er wahrnahm, war ein überwältigender, gesunder Mann mit einem ebenfalls völlig gesunden Interesse an ihr, das sie erwiderte.

Oh ja.

Sie hob ihr Glas und fühlte, wie ihre Hand zitterte. Die Flüssigkeit perlte an den Seiten des glänzenden Kristalls ab. Er beobachtete sie. Er sah es. Diesen scharfen blauen Augen entging nur wenig. Er sah sie an, als könnte er in ihrem Gehirn spazieren gehen. Nun gut, dann sah er also, dass ihre Hand zitterte, und bemerkte die Röte, die von ihren Brüsten emporstieg. Sie kämpfte darum, ihren Atem zu beruhigen.

Das alles war ein bisschen beängstigend. Charity liebte es zu lesen, und wie die meisten Leser lebte sie vornehmlich in ihrem Kopf. Sie befand sich am liebsten als Zuschauer an der Seitenlinie des Lebens. Deshalb war sie auch eher daran gewöhnt, Leute zu beobachten, statt selbst beobachtet zu werden. Der Gedanke, dass er ihr Verlangen, dass er sie lesen konnte, war beunruhigend.

Sie sollte das Gespräch schnell auf ein harmloses, unpersönlicheres Thema bringen.

»Nun, dann möchte ich auch einen Toast aussprechen.« Wieder stießen ihre Gläser mit dem klaren Klang von Kristall aneinander. »Auf … auf Nick Ames.«

Und dass er einige Zeit in Parker’s Ridge bleiben möge.

3

Ein Überwachungswagen, eine Meile von Wassily Worontzoffs Villa entfernt

18. November

John Di Stefano hob seine Cola und wünschte sich von ganzem Herzen, es wäre ein Bier. Aber dies war ein Job, und Alkohol und Arbeit passten nicht zusammen, was er sehr bedauerte. Ein Bier wäre jetzt gerade großartig, um sich den Geschmack der Frustration aus dem Mund zu waschen.