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Von den Romantic-Times-Leserinnen zu einem der romantischsten Liebesromane aller Zeiten gewählt In einer einzigen Nacht geht das Leben der talentierten Musikerin Allegra Ennis in die Brüche: Durch einen Angriff verliert sie ihr Augenlicht, ihren Vater und ihre Karriere. Jetzt ist sie völlig auf sich allein gestellt, gefangen in einer Welt aus Dunkelheit und Alpträumen. Da trifft sie den Ex-Navy-SEAL Douglas Kowalski, der Himmel und Hölle in Bewegung setzt, als Allegras Leben erneut in Gefahr gerät ...Band 3 der romantisch-spannenden Midnight-Serie von Lisa Marie Rice.
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Seitenzahl: 408
LISA MARIE RICE
MIDNIGHTANGEL
DUNKLE BEDROHUNG
Roman
Ins Deutsche übertragen von
Angela Koonen
1
Portland, Oregon
Samstag, 15. Januar
Parks-Stiftung
Eröffnungsfeier der Ausstellung »Juwelen der Zaren«
»Blöder Affenanzug«, murmelte John Huntington und zog an der Fliege seines Smokings.
Senior Chief Douglas Kowalski, ehemals US Navy, sah ihn abwehrend die Schultern rollen. John war früher sein Vorgesetzter gewesen und jetzt sein Geschäftspartner. Kowalski lächelte selten, hatte es seit Jahren nicht mehr getan, doch jetzt fühlte er einen Zug an den Mundwinkeln. Er und John hatten zwanzig Jahre lang bei lebensgefährlichen Einsätzen miteinander gedient. Sie waren am Polarkreis getaucht, hatten vier Monate lang ohne Unterstand in der afghanischen Wüstensonne ausgeharrt, und einmal hatten sie eine Woche lang hinter den feindlichen Linien unter Beschuss gestanden und nur eine Gallone Wasser gehabt, die sie sich teilen mussten.
Gemessen daran war ein zu enger Smoking eine Lappalie. Und trotzdem grollte der große, böse John wegen eines Kleidungsstücks.
»Albernes Mistding. Warum habe ich mich bloß …« John verstummte unter dem Rippenstoß seiner Frau.
Bei seinen stahlharten Muskeln konnte das nicht sonderlich wehgetan haben. Aber in den zwei Wochen ihrer neuen geschäftlichen Partnerschaft war Kowalski aufgefallen, dass die wunderschöne Suzanne ihm in anderer Hinsicht wehtun konnte. Aus Gründen, die nur John kannte, hatte er seiner neuen Braut enorme Macht über sich gegeben. Was sie wollte, bekam sie. Und wenn sie wollte, dass er den Mund hielt, dann biss er eben die Zähne zusammen und schwieg.
»Still, John!«, zischte sie, setzte ein strahlendes Lächeln auf und blickte sich um. Aber sie konnte unbesorgt sein. Es war niemand in der Nähe, der Johns Gebrummel hören konnte. Alle waren zu sehr mit Staunen beschäftigt und betrachteten fasziniert die zigkarätigen Juwelen in den Vitrinen. Diese Glaskästen hatte Suzanne entworfen, und Kowalski musste zugeben, dass sie toll aussahen. Der Abend war für sie ein beruflicher Erfolg, und nur ihr zuliebe hatte sich John in den Smoking gezwängt. Sonst konnte ihn mit Sicherheit nichts dazu treiben.
Kowalski ließ seinen Blick über die glanzvollen Gäste im Ausstellungssaal der Parks-Stiftung schweifen. Sein Smoking saß bequem, denn es war sein eigener. Bei seinen breiten Schultern und seiner Körpergröße hätte er nirgendwo einen Leihanzug aufgetrieben, der ihm passte. Seinen hatte er sich bei einem Schneider in Singapur machen lassen, und gleich noch einen zweiten dazu. Beide waren schön geschnitten und ließen unter der linken Achselhöhle Platz für seine Waffe.
Die er heute Abend hatte zu Hause lassen müssen.
Das war das Einzige, was ihm Unbehagen bereitete. Suzanne hatte darauf bestanden, und John war bei dieser Forderung aufgebraust, aber sie hatte mit ihrem hübschen kleinen Fuß aufgestampft und ihn schließlich, zu Kowalskis Verwunderung, zum Nachgeben gebracht. Das hatte er bei seinem Freund noch nie erlebt.
John unbewaffnet war schon schlimm genug, doch Kowalski hätte fast einen Anfall bekommen, als Suzanne verlangt hatte, ersolle ebenfalls unbewaffnet kommen. Sie war sehr bestimmt gewesen. Offenbar hatte sie aus der Ehe mit John schnell gelernt.
Also keine Waffen. Gar keine. Keine Schuss-, Hieb- oder Stichwaffen. Kein KA-BAR, kein Emerson CQC6, überhaupt kein Messer. Keine Garotte, keinen Elektroschocker. Nichts. Nada. Alle beide nicht.
Kowalski hatte John entsetzt angeblickt. John war der, der sich in Fesseln gelegt hatte, der seine Frau zufriedenstellen musste. Warum zum Teufel sollte sich Kowalski auch danach richten? Warum sollte er nicht wie immer eine Waffe tragen? Das ging ihm mächtig gegen den Strich. Er fühlte sich geradezu nackt. Und schließlich war nicht er in Suzanne verknallt, also warum musste er sich dann diesen Mist gefallen lassen?
Tut mir leid, nein, kommt nicht infrage, hatte Kowalski erwidern wollen, aber in dem Moment fing er Johns flehenden Blick auf.
John hatte ihm dreimal das Leben gerettet und 1998 eine Kugel für ihn abgefangen. Und Kowalski hatte auch ihm schon die Haut gerettet. Ihre Freundschaft war zu tief, als dass Kowalski ihm die Bitte hätte abschlagen können. Darum hatte er sich seufzend zu Suzanne Huntington umgedreht und zähneknirschend geantwortet, dass er natürlich sehr gern zu der Ausstellungseröffnung kommen werde.Unbewaffnet. Aber lieber hätte er sich ohne Betäubung alle Zähne ziehen lassen.
John sah dankbar aus. Damit hatte Kowalski bei ihm etwas gut, das sich bei Gelegenheit einfordern ließe.
Suzanne blickte zu ihm auf. »Gefällt es dir, Douglas?«
Kowalski hätte beinahe nicht geantwortet, weil er nicht gleich begriff, dass er der Angesprochene war. Douglas. Kein Mensch nannte ihn Douglas, außer Suzanne. Er hieß Kowalski oder Senior Chief, und das schon so lange, dass er seinen Vornamen fast vergessen hatte.
»Absolut«, log er. »Fantastische Ausstellung. Herrlicher Schmuck. Großartige Vitrinen.«
»Das freut mich. Dann sag meinem Gatten bitte, dass er den Abend auch genießen soll.«
Kowalski drehte den Kopf. »Genieß den Abend, John. Das ist ein Befehl.«
John brummte.
Suzanne strahlte Kowalski zufrieden an. Fast hätte er sich umgedreht, um zu sehen, wem das Lächeln galt. Schöne Frauen lächelten ihn nicht an. Sie schafften es kaum, ihm ins Gesicht zu blicken ohne zusammenzuzucken. Er konnte es ihnen nicht verdenken – er wusste, wie er aussah. Wie ein Schläger. Wie ein harter, gefährlicher, gemeiner Schläger. Wahrscheinlich, weil er hart, gefährlich und gemein war. Er rechnete es Suzanne hoch an, dass sie ihn anschaute, als sähe er aus wie jeder andere.
Doch das tat er nicht. Er war groß und mit groben Gesichtszügen auf die Welt gekommen, und das Leben hatte sie nicht weicher gemacht. Seine Nase hatte vier Brüche hinter sich. Zudem hatte ihn vor zehn Jahren ein feindlicher Soldat mit dem Messer angegriffen. Ehe Kowalski ihn ausschalten konnte, hatte ihm der Scheißkerl den Kiefer aufgeschlitzt. Das nächste Krankenhaus war siebenhundert Meilen weit weg, darum hatte er die Messerklinge als Spiegel benutzt und die Wunde selbst genäht. Die Navy hatte ihm später angeboten, ihm eine kosmetische Operation zu bezahlen, doch er hatte abgelehnt.
Die Narbe war ihm völlig egal. Je härter er aussah, desto besser. Und außerdem hatte er von Klingen erst einmal genug.
Sein ganzes Erwachsenenleben hatte er harte Männer darauf trainiert, dem Tod ins Auge zu blicken. Das tat man nicht lächelnd und augenzwinkernd. Er hatte sich einen harten Gesichtsausdruck angewöhnt, bis er irgendwann gar nicht mehr anders gucken konnte.
Lächeln fühlte sich so seltsam an, dass er es nie tat.
»Suzanne! Da bist du ja! Was für ein Triumph, meine Liebe!« Zwei gertenschlanke Männer im weißen Smoking kamen in einer Duftwolke angeschwebt und küssten die Luft neben Suzannes Wangen. Sie waren äußerst elegant und geschmeidig. John musterten sie anerkennend, bei Kowalskis Anblick hingegen schauderten sie und wandten sich lieber wieder Suzanne zu.
»Darling«, sagte einer und nahm ihren Arm. »Eine brillante Designlösung, die dir da eingefallen ist. Ich sage dir, Nomura ist irre eifersüchtig.« Er schürzte die Lippen. »Geschieht dem alten Miststück recht. Er wollte nur Glas und Messing. Das wäre überhaupt kein Vergleich gewesen. Wir sollten nächste Woche mit ihm zum Lunch gehen und uns an seinem Neid ergötzen. Das ist einfach zu köstlich.«
Johns brummige Miene verfinsterte sich, obwohl ihm diese beiden Männer nicht gefährlich werden konnten. Die hatten noch keine Frau bestiegen und würden es auch nie tun, das war sonnenklar. John guckt wahrscheinlich nur so finster, weil er Suzanne mal nicht in Reichweite hat, dachte Kowalski.
»Meine liebe Suzanne«, sagte der andere. »Gerade habe ich Marvin Lipinsky hereinschlendern sehen. Du musst sofort mitkommen und ihn kennenlernen. Weißt du, dass er nächstes Jahr seine präkolumbische Sammlung ausstellen will? Ich wette, du würdest fantastische Vitrinen dafür entwerfen. Komm, Darling, gehen wir zu ihm.«
John streckte die Hand aus. »Nein, ich will nicht …«
Suzanne fasste ihn am Arm, stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. »Bin gleich wieder da«, sagte sie und schoss ihm einen eindringlichen Blick zu, der hieß: Du bleibst hier und benimmst dich.
Ihr Blick für Kowalski war genauso deutlich: Und du sorgst dafür, dass er dableibt und mich nicht in Verlegenheit bringt.
Nach einem schmunzelnden Blick auf ihren Gatten ließ sie sich wegführen.
John sah ihr grimmig hinterher.
Ein Kellner im Frack näherte sich mit einem Silbertablett voll Champagnerflöten. John nahm sich eine und kippte den Inhalt in einem Schluck hinunter.
Der Kellner zögerte einen Moment, bevor er Kowalski das Tablett hinhielt. Kowalski biss die Zähne zusammen. Klar, er sah aus wie ein Schwerarbeiter, der sich auf der Baustelle oder im Containerhafen wohler fühlt als in dieser schicken Umgebung. Aber verdammt noch mal, er war eindeutig ein Gast, er hatte sich extra in Schale geworfen.
Kowalski nahm ein Glas vom Tablett und trank. Der Champagner war erstklassig. Er sah zu John rüber, der seine Frau bei ihrer Gästerunde beobachtete, und trank einen weiteren Schluck. Er sollte wenigstens genießen, was es zu genießen gab. John fiel als Unterhalter heute Abend jedenfalls aus.
»Muss hart sein, so eine Ehe«, meinte er schließlich.
»Nee«, widersprach John, ohne seine Frau aus den Augen zu lassen. »Überhaupt nicht. Und wenn ich das geahnt hätte, hätte ich viel eher geheiratet. Ich wohne in einem prächtigen Haus. Meine Frau hat mir das Büro toll eingerichtet. Ich kriege regelmäßig gutes Essen, habe regelmäßig Sex, und meine Klamotten werden gewaschen und gebügelt. Nein, es ist nicht die Ehe, die hart ist.« John drehte den Kopf zu Kowalski, und Kowalski sah etwas in seinem Gesicht, womit er im Leben nicht gerechnet hätte: Angst. Verletzlichkeit. »Es ist das Verliebtsein. Das bringt einen um.«
Ein völlig neuer John Huntington. Kowalski fand das ziemlich erschreckend.
»Hätte sie fast verloren, Senior Chief«, flüsterte John und sah dabei plötzlich abgespannt aus.
»Fast gibt’s nicht, wie du weißt.« Ihr Mantra in den Teams. Man konnte sein Ziel nicht fast treffen, den Feind nicht fast erwischen. Niemanden kümmerte es, dass man fast gestorben wäre, wenn man es unter Beschuss zurück zum Stützpunkt geschafft hatte – man wurde sofort wieder eingesetzt. Fast gab es nicht.
Johns Kiefermuskeln zuckten.
Vor gut zwei Wochen war Kowalski nach Portland gekommen, als Johns neuer Geschäftspartner. Gerade rechtzeitig, um sich um die Geschäfte zu kümmern, denn John musste sich von der Truppe entfernen. Suzanne, in die er sich verliebt hatte, war in Lebensgefahr, weil sie beobachtet hatte, wie Paul Carson, ein Geschäftsmann mit Mafiakontakten, seine Frau umbrachte. Carson versuchte Suzanne zu töten, damit sie vor Gericht nicht gegen ihn aussagen konnte.
Als John untertauchte, um das Problem aus der Welt zu schaffen, nahm Kowalski seinen Platz als Partner in dessen aufstrebender Sicherheitsfirma ein, was einem Crashkurs in Unternehmensführung gleichkam.
Vier Tage später tauchte John wieder auf, und das FBI entließ Suzanne aus der Schutzhaft. Die Gefahr war vorbei. Paul Carson war ums Leben gekommen. Zufällig hatte ihn irgendein Scharfschütze erwischt.
Am nächsten Tag ließen sich John und Suzanne trauen. Für Kowalski war es noch immer ungewohnt, dass sein Freund verheiratet war. Soldaten heirateten nicht. Sie hatten Sex, na klar, um Dampf abzulassen. Sogar häufig oder besser gesagt, so oft es ging, weil sie unter großem Stress standen und manchmal monatelang ohne auskommen mussten. Beim Sex war Körperentspannung garantiert. Aber Liebe? Ehe? Das war nicht vorgesehen.
Er schüttelte den Kopf und trank einen Schluck aus seinem Glas.
Suzanne kam zurück, schwebte elegant über den Marmorboden, und John straffte die Schultern und betrachtete sie bei jedem Schritt.
Kowalski musste neidlos anerkennen, dass sie eine außergewöhnliche Schönheit war.
Sie lächelte ihren Mann an. »Siehst du, John, das war doch gar nicht so schlimm, oder? Ich bin weggegangen, habe mit einigen Leuten gesprochen, geschäftliche Kontakte geknüpft und den Weg zu dir zurückgefunden.« Sie schüttelte den Kopf und brachte ihre blonden Haare in Bewegung. »Es ist gar nichts dabei.«
Johns Blick verfinsterte sich, und Suzanne lachte. In dem Moment kam eine andere Schönheit zu ihnen, eine dunkelhaarige, schlanke Frau im schulterfreien roten Kleid.
Kowalski wusste, wer sie war: Claire Parks, die Erbin des Parks-Vermögens und Gastgeberin dieses Abends. Sie war stinkreich und außerdem die Frau, die einem Freund von John, Police Lieutenant Bud Morrison, übel mitgespielt hatte. Sie hatte die Verlobung mit ihm gelöst, ein paar Tage nachdem Kowalski nach Portland gekommen war. Bud war seitdem ein seelisches Wrack.
Kowalski trank sein Glas aus und nahm sich ein neues von einem vorbeiziehenden Tablett. Frauen! Er hatte schon erlebt, dass stahlharte Männer, die auch in übelsten Gefechtssituationen nicht die Nerven verloren, wegen einer Frau vor die Hunde gingen. Ohne dass man daran etwas ändern konnte. Darum hatte Kowalski vor Frauen, besonders vor schönen Frauen, einen Heidenrespekt. Obwohl ihn noch keine runtergezogen hatte. Gott sei Dank war er immun.
Claire Parks nahm Suzanne bei den Schultern. »Hallo«, hauchte sie an ihre Wange. »Ich gratuliere zu den Vitrinen. Sie sind hinreißend. Fast so schön wie die Juwelen.«
»Danke, Süße.« Suzanne strich sich lächelnd eine Locke hinters Ohr. »Ich habe hart daran gearbeitet. Es war ein Vergnügen und ein Privileg. Dieser Schmuck ist wirklich erlesen.«
Lächelnd blickte Claire Parks in die Runde und erstarrte, als sie bei Kowalskis Gesicht ankam. Halb neugierig, halb entsetzt starrte sie ihn an, dann wandte sie den Blick ab. Suzanne bemerkte es seufzend. »Claire«, sagte sie betont freundlich. »Ich möchte dir Senior Chief Douglas Kowalski vorstellen. Er ist Johns neuer Partner.«
Claire Parks hätte ebenso gut ein Display auf der Stirn haben können, so deutlich war dort abzulesen, was sie dachte. Der ist Johns neuer Partner? Dieser furchterregende Schlägertyp, der aussieht wie ein Killer im Smoking? Den hat Suzanne täglich im Haus? Die Ärmste.
Johns Firma, Alpha Security International, befand sich in einer ehemaligen Fabrik in einem üblen Stadtteil. Suzanne hatte das Gebäude erstklassig renoviert, und dass das Pflaster dort rau war, passte zum Betätigungsfeld des Unternehmens. Der Haken war, dass sie und John auch ihre Privatwohnung in dem Gebäude hatten.
Die schöne Miss Parks erinnerte sich an ihre Erziehung und tat, was sich gehörte. Ohne Schaudern und Zaudern sah sie Kowalski ins Gesicht, hielt für eine Nanosekunde Blickkontakt, dann sah sie an seinem Kopf vorbei.
»Senior Chief Kowalski.« Sie zog die Mundwinkel hoch. Lächeln konnte man es nicht nennen, sie zeigte lediglich ein wenig die Zähne. »F-freut mich, Sie k-kennenzulernen.«
Scheiße. Er brachte sie zum Stottern, und sie konnte sich kaum überwinden, ihm offen in die Augen zu sehen. Vorsichtig hielt sie ihm die Hand hin. Sie zitterte leicht. Was glaubte sie denn? Dass er Frauenhände zum Abendessen verspeiste?
Kowalski schnaubte innerlich. Manche Leute gaben ihm das Gefühl, ein gefährliches Tier im Zoo zu sein. Das passierte ihm andauernd, und darum hielt er sich normalerweise von Zivilisten fern.
Es war ein Fehler gewesen, heute Abend hierherzukommen, und den würde er nicht wiederholen. Er hatte die Nase voll. Er würde der Parks die Hand schütteln, sich bei John und seiner Frau entschuldigen und nach Hause fahren.
Vielleicht sollte er sich noch flachlegen lassen. Vielleicht diese Frau anrufen, die er vorige Woche in Pearl aufgerissen hatte. Charlene Soundso.
Nein, lieber nicht. Die war ihm zu hart drauf. An dem Abend neulich hatte sie verlangt, dass er sie hart rannahm, immer weiter,bis es ihr eigentlich nur noch Schmerzen bereiten konnte. Als sie schließlich mit der Sprache herausgerückt war, dass sie aufFesseln stand, hatte er aufgehört, ohne dass er gekommen war. Er sah sicherlich furchteinflößend aus und war es in mancher Hinsicht auch, aber er würde niemals einer Frau wehtun, in keiner Weise. Erst als er den fiebrigen Glanz in ihren Augen sah, hatte er begriffen, dass Charlene Schmerzen brauchte. Sie kam erst bei jemandem auf Touren, den sie für gewalttätig hielt. Das war ihre Droge; sie war abhängig von gefährlichem Sex.
Also kein Sex heute Nacht. Außer Suzanne – die natürlich tabu war – war Charlene die einzige Frau in Portland, die er kannte. Er würde einfach nach Hause fahren und ein bisschen Norah Jones hören. Ja, genau – mit einer Flasche Whiskey auf dem Sofa sitzen, sich von dieser rauchigen Stimme einhüllen lassen und sich langsam betrinken. Näher würde er an so eine Schönheit sowieso nicht rankommen.
Doch die nächsten paar Minuten würde er noch aushalten müssen.
»Ma’am«, sagte er und hielt Claire Parks’ Hand vier Sekunden lang behutsam fest. Er hatte große, starke Hände und wusste trotzdem schon lange damit umzugehen, ohne Schmerzen zuzufügen. Er wählte seine Worte mit Bedacht, um nicht allzu bedrohlich zu erscheinen. »Es war mir ein Vergnügen. Das ist ein sehr schönes Haus. Mein Kompliment zu der Ausstellung.«
Er hatte eine ungewöhnlich tiefe Stimme und sah ihre Augen größer werden, als er sprach. Claire Parks’ Hand zitterte. Ohne zu seufzen oder die Augen zu verdrehen, ließ er sie los. Zum tausendsten Mal war er froh, dass er sich bei Frauen auf keine Beziehung einließ. Und die, mit denen er ins Bett ging, kümmerte es nicht, wie er aussah. Die wollten nur einen Mann, der es ihnen hart und ausdauernd besorgen konnte. Und das konnte er. Keiner wollte mehr, und beide Seiten waren zufrieden.
In diesem Moment hörte er die Stimme eines Engels, der direkt aus dem Himmel zu ihm herabsang.
2
Portland, Oregon
Samstag, 15. Januar
Psychiatrische Klinik und Justizvollzugsanstalt Spring Harbor
Irgendwo im Gebäude spielten sie dieses Lied, ihr Lied. Ausgerechnet. Corey Sanderson konnte es nicht ausstehen.
In dem Sommer, als wir uns liebten …
Es war so abgedroschen, so altmodisch, keine Backbeats, nur Melodie. Dann diese trällernde Stimme, wie aus dem neunzehnten Jahrhundert.
Totaler Scheiß.
Kein Wunder, dass die sich nicht verkaufte. Warum hatte sie damals nicht auf ihn gehört? Er hätte sie ganz groß rausbringen können. Alles war arrangiert gewesen – zuerst ein Auftritt in der Today Show, dann die Story in Vanity Fair mit künstlerischen Nacktfotos, und zwar von keinem Geringeren als Richard North, dem Starfotografen. Das war ein echter Coup gewesen. Er hatte Wochen gebraucht, um das einzufädeln. Und als er ihr das eröffnete, lehnte sie glatt ab, die kleine Fotze. Erteilte ihm eine Abfuhr. Niemand sagte Nein zu Corey Sanderson, niemand.
Völlig ruhig hatte sie seinen Plan zurückgewiesen und dann das Konzert in San Diego abgesagt. Dabei hatte er dafür eigens diese Hip-Hop-Band engagiert. Er hatte eine Menge in das Miststück investiert, viele Leute um einen Gefallen gebeten, was auch nicht einfach gewesen war, weil es, na ja, eine Weile her gewesen war, seit er zur Spitze seiner Branche gehört hatte. Dabei war gar nichts Ernstes vorgefallen, nur ein paar kleine Misserfolge. Aber die Musikbranche entwickelte sich schnell und verzieh nichts. Die Leute sprachen damals schon in der Vergangenheit von ihm. Unerträglich. Corey Sanderson war der Beste. Immer gewesen. Und kein Irenflittchen würde daran etwas ändern.
ErhattesiealsComeback-Vehikelbenutzenwollen,undanstattihmdankbarzusein,hattesieNeingesagt.EsverblüffteihnimmerwiederaufsNeue.Ersahsienochvorsich,andemAbendinseinemPenthouse.DieschwindelerregendeHypothek,diedarauflag,hättevonihrerkatastrophalenTourneeabgelöstwerdensollen.AlssieihnumeinenTerminbat,warersicher,dasssiesichentschuldigenundeinlenkenwollte.Ihmversprechenwollte,dassesnichtwiedervorkäme.IhmzurWiedergutmachungeinenblasenwürde.Erhättedasallesakzeptiert.SiewareinhübschesDing,underhatteschoneinJahrlangversucht,sieinsBettzukriegen.Darumwarervolldaraufeingestelltgewesen,ihrzuverzeihenundsiezubumsen.StattdessenwarsiemitihremVater–ihremVater!–beiihmaufgekreuzt,umdenVertragzulösen.
War es da ein Wunder, dass er die Beherrschung verloren hatte?
Sie hatte bekommen, was sie verdiente, das Flittchen: einen gebrochenen Kiefer, und blind war sie jetzt auch. Aber das war die Strafe, zumal er kürzlich das Penthouse hatte verkaufen müssen, um seinen Anwalt zu bezahlen.
Das Penthouse, die Wohnung in Aspen und den Mercedes. Aber es hatte sich gelohnt. Edwin Gossett hatte ihm das Gefängnis erspart. Zwei volle Wochen war Sanderson im Knast gewesen, bevor Gossett den Richter und die Geschworenen überzeugen konnte, dass sein Mandant in die Psychiatrie gehörte. Sanderson schauderte. Nie wieder würde er in den Knast gehen. Schon bei dem Gedanken grauste es ihm.
Nein, die nächsten paar Jahre würde er es hier aushalten. Er war Dr. Childers’ Lieblingspatient und durfte seine Musik hören, bekam seine Bücher und sein spezielles Essen. Serena war die Leiterin der Psychiatrie und halb in ihn verliebt. Hier würde er bleiben – sofern das irische Miststück nicht das Gedächtnis wiedererlangte. Dann wäre er in den Arsch gekniffen.
In dem Sommer …
Er bekam Kopfschmerzen, wenn er nur diese Stimme hörte. Allegra Ennis, die er zur berühmtesten Sängerin Amerikas machen wollte und die ihm eine Abfuhr erteilt hatte. Und an seinem beruflichen Absturz schuld war.
Die Musik kam aus der Eingangshalle. Vielleicht hatte einer der Wachposten das Radio angemacht, auf einen dieser beknackten Lokalsender geschaltet, die zwischen Hundefutterwerbespots alte Singles abnudelten. Welcher richtige Sender würde schon Allegra Ennis bringen?
In dem Sommer damals, vor so langer Zeit …
Zitternd vor Wut blickte Sanderson sich nach etwas um, das Krach machen würde. Schließlich hob er seine Latschen auf und warf sie gegen die Tür. Sie schlugen mit einem dumpfen Geräusch auf.
Der Winter war noch so fern …
Bücher! Zwei dicke Paperbacks und ein gebundenes. Sanderson schleuderte sie an die Tür. Das war schon befriedigender. Bei dem gebundenen brach der Rücken, und es fiel zu Boden wie ein verletzter Vogel.
Wer sollte ahnen, dass es nie mehr Sommer wird …
Diese Schlampe! Zwitscherte vor sich hin wie eine irische Bordsteinschwalbe. Er hatte getan, was er konnte, damit ihre Stimme modern klänge, aber nichts hatte gefruchtet. Sie war eine harte Nuss gewesen, hatte sich ständig widersetzt. Die kleine Fotze wusste einfach nie, was gut für sie war.
Die Tür ging auf, und Alvin schaute herein.
»Mr Sanderson? Brauchen Sie etwas?« Alvins Ton und sein Auftreten waren respektvoll.
Und so sollte es gefälligst auch sein. Schließlich wusste Alvin, wer Sanderson war und was er für ihn tun konnte.
Alvin war zu groß und zu rothaarig, ein schlaksiger, naiver Typ ohne Stimme, vollkommen unmusikalisch. Aber er wollte ein Star werden, und Sanderson hatte ihm versprochen, den Wunsch wahr werden zu lassen.
Als Gegenleistung sollte Alvin die Ennis beseitigen.
»Alvin, bring mir ein Tonbandgerät.« Sanderson lächelte zu ihm hoch. Lächerlich, dieses lange Gestell, und das dumme, sommersprossige Gesicht fand er abstoßend. »Morgen geht es los. Wenn es erledigt ist, rufe ich ein paar Leute in Kalifornien an. Wir machen dann erst mal ein Demotape mit dir.«
Alvins hässliches Gesicht hellte sich auf, als er loslief, um das Tonbandgerät zu holen. Sanderson wusste genau, was jetzt in Alvins Kopf vorging. Er dachte an schicke Autos und schicke Frauen, die sich darum schlugen, mit ihm ins Bett zu hüpfen, er sah schon sein Foto in der Regenbogenpresse und sich selbst am Pool seiner Villa.
Atemlos kam er zurück und drückte Sanderson einen Rekorder in die Hand. Es war ein billiges Ding, konnte aber bestimmt eine Stimme naturgetreu aufnehmen. Das reichte.
»Gut, Alvin, du kannst jetzt gehen. In einer halben Stunde bringst du Dr. Childers hierher. Und wunder dich nicht über das, was du dann sehen wirst.«
»Ja, Sir.« Alvin entfernte sich. Er würde Serena holen, und dann ginge es los. Alvin hatte nichts weiter zu tun, als Allegra Ennis in den Wahnsinn zu treiben und sie dann so umzubringen, dass es wie Selbstmord aussah. Und Sanderson würde man nie etwas nachweisen können.
Allegra war eine tote Frau.
Kowalski war größer als alle anderen und konnte über die vielen Köpfe hinwegsehen.
Auf der Bühne saß eine rothaarige Frau, eine Schönheit im hauchdünnen grünen Abendkleid, und spielte Harfe. Sie hatte eine Stimme wie ein Engel.
So etwas hatte er noch nicht gehört. Sie klang genauso lieblich wie die Harfe. Das Lied kannte er nicht, Melodie und Rhythmus waren aber so eingängig, dass es ihm sofort vertraut erschien. Als gäbe es einen Platz in seinem Kopf, der nur auf dieses Lied gewartet hatte.
Es ging um irgendeinen Sommer. Ein Lied über einen verlorenen Sommer und eine verlorene Liebe. Die Melodie löste ein Kribbeln aus und ging unter die Haut. Sein Inneres vibrierte geradezu mit den Tönen mit. Etwas so Schönes hatte er noch nie gehört, obwohl er schon sein Leben lang mit Genuss Musik hörte.
Auch die Sängerin war schön. Nicht auf dieselbe Art wie Suzanne oder Claire Parks, sondern auf andere Weise, auf eine bessere Weise. Ihre Haut schimmerte, als wäre sie nicht ganz von dieser Welt. Sie leuchtete von innen heraus, wie eine Perle unter Wasser.
Wenn ihm jemand erzählen würde, sie sei ein echter Engel, würde er es sofort glauben. Es wäre keinerlei Überzeugungsarbeit nötig. Doch sie war eine Frau aus Fleisch und Blut. Die langen, rotbraunen Haare fielen in glänzenden Wellen über ihren Rücken und bewegten sich ab und zu, während die Finger anmutig die Saiten zupften. Mit geschlossenen Augen sang sie die letzte Zeile und lehnte sich gegen die Harfe wie an einen Geliebten. Ihre Stimme verklang leise, ein letztes helles Glissando stieg von der Harfe auf. Einen Moment lang legte sie die Stirn an den Rahmen des Instruments, dann hob sie den Kopf und öffnete die Augen, als der Applaus einsetzte.
Aber sie blickte ihr Publikum gar nicht an. Es schien, als spielte sie nur für sich selbst, als sie sanft lächelnd und gedankenverloren das nächste Lied begann. Nach einem langen instrumentalen Vorspiel fing sie an zu singen, und wieder kamen Kowalski die Töne wie eine altbekannte Melodie vor, die er lange vergessen hatte.
»CruelSun«,eineschöneBallademitleichtverjazzterkeltischerMusik.Esgingdarum,dassdieSonneauchnachdemToddesGeliebtenweitervomHimmelherabscheint.Sehnsucht,Schmerz,unstillbarerKummer,alldasdrücktesichindemSongaus,derinderironischenFeststellungendete,dassesdieSonnenichtkümmert,wasgeschieht,siescheinteinfachgrausamweiter.
Kowalski hörte mit halbem Ohr einen aufgebrachten Mann mit Claire streiten. Er erkannte die Stimme, es war Johns Freund Bud. Kowalski hätte die beiden am liebsten angeraunzt, sie sollten gefälligst still sein, doch dazu hätte er sich umdrehen müssen, und er wollte keinen Ton von dieser außergewöhnlichen Frau verpassen.
Sie sang noch mehrere Lieder, und er konnte nicht glauben, dass er keines davon kannte und von der Sängerin noch nie gehört hatte. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wer sie war, doch dass sie ein Weltklassetalent war, wusste er genau. Er hatte Pavarotti live erlebt, und das war genauso unglaublich gewesen. Wie die Berührung mit einem göttlichen Wesen.
Verärgert über die Leute ringsherum, rückte Kowalski näher zur Bühne. Sollten sie doch rausgehen mit ihren schicken Klamotten und draußen quatschen, anstatt die Sängerin zu übertönen. Sie hatten tatsächlich ihr dummes Geschwätz wieder aufgenommen, als würde da vorne nur Begleitmusik zum Berieseln gespielt. Kaufhausmusik für die Schmuckauslage. Ihnen wurde reine Magie geboten, und sie waren zu dumm, um das zu merken.
Der Sängerin war das egal. Sie schien es gar nicht wahrzunehmen. Sie sang für sich und schaute kein einziges Mal ins Publikum, nahm mit niemandem Blickkontakt auf. Ihre Augen waren sowieso die halbe Zeit geschlossen. Sie sang konzentriert mit klarer Stimme, während ihre Finger über die Saiten flogen.
Kowalski war das Publikum zuwider. Er wünschte sich, sie würden alle abhauen, damit er in Ruhe die Musik genießen konnte. Er stieß gegen den Rand der Bühne, näher konnte er nun wirklich nicht mehr ran.
Mann, war sie schön. Es war nicht nur die Stimme, obwohl schon die allein erlesen war und es selbst dann gewesen wäre, wenn die Frau sieben Kinne mit Haaren drauf gehabt hätte.
Aber sie besaß keine sieben Kinne, sondern nur das eine, und ein sehr hübsches noch dazu, ganz ohne Haare. Alles an ihr war reine Magie, makellos fein. Sie hatte die Haut einer Rothaarigen, nur ohne Sommersprossen. Das smaragdgrüne, bodenlange Kleid war elegant und schlicht. Die Haut, die es frei ließ, war sahnig weiß, das makellose Gesicht wurde von den braunen Augenbrauen betont. Sie trug fast kein Make-up. Obwohl sie saß, konnte er sehen, dass sie nicht sehr groß war, dafür aber langgliedrig. Und sie hatte einen langen, schlanken Hals. Als sie den Kopf zu ihm drehte, blieb ihm fast die Luft weg. Ihre Augen waren dunkelgrün, eine verblüffende Farbe. Kowalski konnte überhaupt nicht mehr wegsehen.
Nach sieben Liedern lehnte sie sich auf dem vergoldeten Stuhl zurück und legte die Hände in den Schoß. Die Gäste applaudierten höflich und wandten sich sofort wieder ab, um ans Buffet zu gehen, das während der Vorstellung im Hintergrund des Saales aufgebaut worden war. Plaudernd strömten die Leute in Dreier- und Vierergruppen dorthin.
Arschlöcher, dachte Kowalski. Da sang ein musikalisches Genie für sie, und die dachten nur an ihr kostenloses Futter.
Jetzt erst fiel Kowalski auf, dass Suzanne und John neben ihm an der Bühne standen. Suzanne stieg die vier Stufen hinauf, rauschte auf die Sängerin zu und legte ihr eine Hand auf die Schulter, und die Sängerin nahm sie lächelnd.
Einen Moment lang hielt Kowalski den Atem an.
Er sah zum ersten Mal ihr Lächeln. Es war genauso bezaubernd wie ihre Musik und hellte ihr Gesicht auf. Suzanne schob ihr einen Arm um die Taille und ging mit ihr zur Treppe. Sie flüsterte ihr etwas ins Ohr, worauf die Sängerin nickte. Gemeinsam stiegen sie die Stufen hinunter und kamen auf Kowalski und John zu. Suzanne sagte etwas, und die Sängerin lachte. Es klang leicht und anmutig wie ein Nachhall ihrer Lieder. Oh Mann, das ging noch viel mehr unter die Haut. Diese Frau war in jeder Hinsicht magisch.
Nun stand sie mit Suzanne vor ihm. Suzanne war eine Schönheit, ohne Zweifel, aber Kowalski hatte keinen Blick für sie. Er konnte die Augen nicht von der Sängerin lassen. Es waren nicht nur die regelmäßigen Züge, die gute Haut und das glänzende Haar, die ihre Schönheit ausmachten. Sie hatte etwas Strahlendes, fast wie ein Heiligenschein. Wie ein Engel.
Kowalski schnaubte beinahe angesichts dieser Gedanken. Er sollte sich dringend flachlegen lassen. Von einer normalen Frau, nicht von so einer SM-Besessenen.
Heiligenschein, Engel – vielleicht brachte ihn das Zivilleben an den Rand des Wahnsinns.
Doch zumindest das Talent der Sängerin war unbestreitbar. Kowalski liebte Musik. Jede Art von Musik: Rock, Jazz, Klassik, Oper. Er hörte alles. Es würde ihm ein Vergnügen sein, dieser Frau zu ihrer Stimme und ihrem Harfenspiel ein Kompliment zu machen.
Suzanne zögerte ein wenig, sie ihm vorzustellen. Aber sie konnte Kowalski nicht einfach übergehen.
»Allegra, darf ich dich mit Johns neuem Partner bekannt machen, Senior Chief Douglas Kowalski. Douglas, das ist meine Freundin Allegra, Allegra Ennis.«
»Senior Chief Kowalski«, sagte die Sängerin leise und streckte die Hand aus.
Verfluchter Mist! Schlagartig hatte er ein hohles Gefühl in der Brust; die erhebende Freude von eben war futsch. Allegra Ennis blickte ihm auf die Krawatte. Sie kam nicht mal so weit wie Claire Parks, schaffte nicht mal den kleinsten Blickkontakt, sondern tat sofort so, als hätte er kein Gesicht.
Ach, zum Teufel damit!
In dem Moment fragte er sich, ob er sich überhaupt noch in der bürgerlichen Welt würde einleben können. Aber zurück konnte er nicht. Er war aus dem Dienst ausgeschieden. Bei den Streitkräften hatte niemand ein Problem damit gehabt, ihm ins Gesicht zu sehen. Klar, er war kein hübscher Kerl, aber ein verdammt guter Soldat, und das war alles, was zählte.
Er war sein Leben lang in der Navy gewesen und jetzt nicht mehr. War es das, was ihn nun erwartete? Sollte er den Rest seiner Tage mit Leuten verbringen, die auf höfliche Art vermieden, ihn anzusehen? Scheiße.
Seine tiefe Freude über Allegra Ennis’ Musik hatte sich verflüchtigt, sobald er ihren höflichen, leeren Gesichtsausdruck sah. Na schön, dachte er, mach ihr ein Kompliment und dann nichts wie raus hier. Vielleicht sollte er sich heute Abend die ganze Flasche Jim Beam hinter die Binde gießen.
»Ms Ennis«, brummte er, als er ihre Hand nahm. Die von Claire Parks hatte er vier Sekunden lang gehalten, bei Allegra Ennis würde er auf drei runtergehen. »Sie haben eine wunderschöne Stimme, und die Lieder waren beeindruckend. Wirklich erlesen. Mein Kompliment.«
Darauf tat Allegra Ennis etwas Ungewöhnliches. Sie warf den Kopf zurück und versuchte, die Augen auf sein Gesicht zu richten. An ihrem Blick war irgendetwas seltsam …
Dann traf es ihn wie ein Schlag.
Allegra Ennis war blind.
3
Du kleine Schlampe, du wirst endlich dafür bezahlen, was du mir angetan hast.
Schmunzelnd schaltete Corey Sanderson den Rekorder aus. Das war die letzte der Aufnahmen. Das war es also. Alles war bereit. Es fehlte nur noch Allegra Ennis’ Leiche. Er könnte sich erst sicher fühlen, wenn sie tot war. Solange sie lebte, drohte ihm der Knast ohne Gossett säße er immer noch drin in diesem Albtraumloch.
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