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Der verwegen attraktive Gage Fleming macht Andy ein Angebot: Wenn sie seine Firma saniert, wird er ihr falscher Lover. Für Andy der perfekte Deal, denn bei einer Hochzeit will die erfolgreiche Unternehmensberaterin endlich beweisen, dass sie trotz Karriere ein Liebesleben hat! Gage spielt seine Rolle nicht nur so gut, dass ihre Schwestern vor Neid erblassen, schon bald sprühen auch echte Funken zwischen Andy und ihm. In seinen Armen ist sie so glücklich wie noch nie! Gefährlich, denn Gage ist überzeugter Single …
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Seitenzahl: 208
IMPRESSUM
BACCARA erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2019 by Jessica Lemmon Originaltitel: „Temporary to Tempted“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 2115 - 2020 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Roswitha Enright
Abbildungen: Harlequin Books S. A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2020 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733726003
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY
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Auch mit Nummer sieben lief es alles andere als super.
Andrea Payne hatte Mühe, die Augen offen zu halten, während Dr. Christopher Miller vor sich hin schwafelte. Wenn es in diesem Tempo weiterging, musste schon ein Wunder geschehen, damit sie rechtzeitig für die Hochzeit ihrer Schwester jemanden fand, der einigermaßen vorzeigbar war.
Ihre Schwester Gwen heiratete als Vorletzte der Payne-Schwestern. Jetzt war nur noch Andy übrig, und das setzte sie ganz schön unter Druck. Bisher hatte sie keinen passenden Mann gefunden, was sie nicht so sehr gestört hatte, solange auch Gwen noch unverheiratet war. Aber nun?
Als sie vor Jahren nach Seattle gezogen war, hatte Andy sich und der Welt beweisen wollen, dass sie auch ohne Partner sehr gut zurechtkam. Sie würde Karriere machen, denn sie war gut in ihrem Beruf, und ihr Leben selbst in die Hand nehmen. Pech war nur, dass in ihrer Familie weiblicher Charme und Grazie so viel mehr galten als berufliche Fähigkeiten – eine Tatsache, die sie ihrer Mutter Estelle zu verdanken hatte, die einmal Miss Ohio gewesen war und selbstverständlich davon ausging, dass ihre Töchter reiche und gut situierte Männer heirateten. Das war so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz in der Familie.
Gelangweilt sah sie ihr Gegenüber an. Der Mann war leider fürchterlich nichtssagend. Zu schade, dass er offenbar keinerlei Sport trieb. Zumindest wirkte er nicht gerade athletisch. Im Internet hatte alles so fabelhaft ausgesehen. Christopher war Arzt, gut gekleidet, sah sympathisch aus und konnte sehr gekonnt über sich reden.
Etwas zu gekonnt für ihren Geschmack.
„Wie auch immer, ich konnte dem Mann helfen, und darauf kommt es schließlich an.“ Er senkte den Blick und presste kurz die Lippen zusammen. Soll wohl bescheiden wirken, dachte Andy. „Er hatte Glück, dass ich gerade da war.“
Das musste ja kommen! Andy hätte beinahe laut aufgestöhnt.
In ihrer Not hatte sie zuerst ihre Exfreunde angerufen. Sie brachte es auf drei. Da die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht konnten oder wollten, hatte sie es mit einer Dating-App versucht. Na ja, und jetzt war Nummer sieben auch ein ziemlicher Reinfall. Sie trank den Rest Chardonnay aus und winkte der Kellnerin. „Noch ein Glas, bitte.“
Auch das brachte Christopher nicht aus dem Konzept. Er redete unentwegt weiter: „Das war das erste Mal, dass ich einen verdächtigen Leberfleck entfernen musste, was sich leichter anhört, als es ist.“
Andrea atmete tief durch und setzte ein verständnisvolles Lächeln auf, während sie sich unauffällig in der Bar umsah. Die drei am Tresen waren ihr schon vorher aufgefallen. Das Pärchen schien schwer verliebt zu sein, sodass sich der dritte im Bunde wie das fünfte Rad am Wagen fühlen musste. Aber ihn schien das nicht zu stören. Wahrscheinlich wartete er auf sein Date und vertrieb sich die Zeit mit dem befreundeten Paar. Doch dann fiel Andy auf, dass er mit der jungen Frau hinter der Theke flirtete. War das seine Freundin? Irgendwie machten die beiden nicht den Eindruck, als würden sie sich schon länger kennen.
Andy konnte sich stundenlang die Zeit damit vertreiben, Leute zu beobachten. Dabei versuchte sie, die Fremden einzuschätzen, und dachte sich Geschichten aus. Leider hatte sie so gut wie nie die Gelegenheit, zu testen, ob sie mit ihren Vermutungen richtiglag.
Der einzelne Mann an der Theke sah gut aus, irgendwie so, als stünde er mit beiden Beinen im Leben. Sein hellbraunes Haar hätte mal einen Schnitt vertragen können, und rasiert hatte er sich in den letzten drei Tagen wohl auch nicht. Ganz im Gegensatz zu Christopher, der überaus gepflegt war und in seinem teuren Anzug steif und unzugänglich wirkte. Der Mann am Tresen dagegen trug ein kariertes Hemd, dessen Ärmel er hochgekrempelt hatte. Eine Flasche Bier stand vor ihm – eine Marke, die auch Andy gern trank, was ihr den Mann noch sympathischer machte.
„Andy?“
Schnell wandte sie sich wieder Christopher zu und lächelte freundlich. So schlecht sah er mit seinem schwarzen Haar doch gar nicht aus, und im Grunde konnte sie es sich nicht leisten, ihn abzulehnen. Aber sein Gerede und seine Wichtigtuerei nervten sie zu Tode. Wie sollte sie mit so jemandem Gwens Hochzeit überstehen, die wahrscheinlich vier Tage lang dauern würde?
„Du hast mir wohl nicht folgen können?“ Verschmitzt zwinkerte er ihr zu und schwafelte weiter von seiner letzten medizinischen Großtat, und das in einer so herablassenden Art und Weise, dass Andy sich kaum beherrschen konnte. Als wäre sie dumm und unerfahren und hätte gerade ihren ersten Job angetreten. Dabei hatte er keine Ahnung, wie sie ihr Geld verdiente, hatte bisher auch mit keinem Wort danach gefragt. Wenn er wüsste, wem er hier gegenübersaß, hätte er ganz schnell den Mund zugeklappt.
Wie der gute Christopher wohl reagieren würde, wenn er erführe, dass sie der Andy Payne war, der berühmte Unternehmensberater, den alle engagieren wollten und den kaum einer persönlich kannte. Jeder hielt Andy Payne für einen Mann, auch die großen Zeitungen, die sich um ein – schriftliches – Interview mit ihr rissen. Die New York Times. Forbes Magazine. Fortune und gelegentlich auch Entertainment Weekly.
Andy Payne war dafür bekannt, schlecht laufende Unternehmen wieder auf Vordermann zu bringen. Normalerweise wurden potenzielle Kunden durch Andreas klare schwarz-weiße Website auf sie aufmerksam, die jedoch nichts von ihrer Person preisgab. Und da sie kein Personal beschäftigte, gab es auch da keine undichte Stelle. Wenn sie dann allerdings bei der Firma auftauchte, war klar, dass sie eine Frau war. Aber dann waren die Gesprächspartner gleich so von ihr eingenommen, dass sie eine Geheimhaltungsklausel unterschrieben.
Vor fünf Jahren hatte sie als Andrea Andersen angefangen; unter den Initialen AA wollte sie bekannt werden. Doch schon sehr bald merkte sie, dass ihre sehr weiblich gestaltete Website dazu führte, dass sie in der von Männern geprägten Geschäftswelt nicht ernst genommen wurde. Die Folge war, dass man ihr als Frau nicht das zahlen wollte, was sie forderte und was ihr auch zustand.
Also hatte sie eine andere Identität angenommen, Andrea in Andy geändert und fortan ihren richtigen Nachnamen benutzt. Dass man sie bis zum ersten Treffen für einen Mann hielt, erwies sich als Vorteil.
„… nicht, dass ich noch ein Haus auf Tahiti bräuchte.“ Christopher lächelte selbstzufrieden und lehnte sich zurück.
Hm, offenbar erwartete er jetzt ihre Bewunderung. Da konnte er lange warten! Sie hatte genug Zeit verplempert. Erst mit ihren Exfreunden und dann mit diesen Nullen von verschiedenen Dating-Plattformen. Die Hochzeit war in zwei Wochen, und ihr musste dringend etwas einfallen.
So ungern Andy es auch zugeben mochte, irgendwo in einem Winkel ihres Herzens sehnte sie sich danach, so wie ihre Schwestern zu sein und von ihrer Mutter anerkannt zu werden. Und wenn sie sich schon nicht hundertprozentig anpassen konnte, so wollte sie zumindest nicht als Außenseiterin dastehen. In diesem Fall bedeutete das, als Paar aufzutauchen und peinliche Bemerkungen zu vermeiden wie damals auf der Hochzeit ihrer Schwester Carroll. Da hatte eine Cousine doch tatsächlich zu ihr gesagt: „Ich wünschte, ich wäre so mutig wie du und würde auch allein eine Hochzeitseinladung annehmen. Wenn ich kein Date gehabt hätte, wäre ich wohl lieber zu Hause geblieben.“
Andy war klar, dass sie nicht einfach irgendjemanden mitnehmen konnte. Nein, es musste schon ein Mann sein, mit dem sie Eindruck schinden konnte, damit die Hochzeitsgäste gar nicht erst auf die Idee kamen, solche Bemerkungen zu machen. Und auch wenn Christopher wohl dachte, diesem Typ zu entsprechen, war Andy da entschieden anderer Meinung. Andererseits war ein Spatz in der Hand besser als eine Taube auf dem Dach.
Sie atmete tief durch, legte die Hände aneinander und sah ihr Date an. „Christopher, ich will ehrlich zu dir sein. Ich habe mich mit dir verabredet, weil ich eine Begleitung für die Hochzeit meiner Schwester brauche: vier Tage und drei Nächte in einem luxuriösen Resort in Ohio. Der Flug wird bezahlt und auch dein separates Zimmer. Dafür trittst du als mein Date auf, findest alles umwerfend amüsant, was ich sage, und machst großen Eindruck auf meine Eltern. Ich weiß, dass du dich sehr gut verkaufen kannst, aber du darfst nicht nur von dir reden, wenn ich dabei bin. Sonst wirken wir unglaubwürdig. Wie ist es, wärst du dazu bereit? Andernfalls können wir das Ganze hier auch abbrechen.“
Er starrte sie an, erst ungläubig, dann verunsichert. „Wie … was …? Meinst du das ernst?“
„Absolut.“
„Ich soll so tun, als wäre ich dein Freund?“
„Ja.“
„Auf einer Hochzeit?“
„Genau.“
Er lehnte sich vor und musterte sie, als wolle er prüfen, ob sich die Sache lohnte.
Andy bekam feuchte Hände, allerdings nicht, weil sie Christopher so aufregend fand, sondern weil ihre Suche vielleicht endlich ein Ende hatte.
Und dann sagte dieser Idiot doch tatsächlich: „Ficken wir denn wenigstens?“
Das war’s. Andy stand auf. „Gute Nacht, Christopher. Die Drinks gehen auf mich.“ Sie warf ein paar Scheine auf den Tisch und drehte sich um.
„Nun warte doch, Andy!“
Aber sie reagierte nicht, sondern ging hoch erhobenen Hauptes in Richtung Damentoilette. Schnell die Hände waschen und ab nach Hause.
Und dann?
Ihr fiel nichts mehr ein. Leider hatte sie keine guten Freunde, die sie fragen konnte, nicht einmal eine beste Freundin, die sie um Rat bitten konnte. Sie hatte Geld und Ansehen, aber das half ihr in dieser Situation nicht weiter.
Allein auf Gwens Hochzeit aufzutauchen war ein unerträglicher Gedanke. Hinzu kam noch, dass einer ihrer Exfreunde auf der Feier sein würde. Auch ihn hatte sie angerufen und glücklicherweise noch rechtzeitig herausbekommen, dass er mit Gwens bester Freundin verbandelt war. Matthew Higgins hatte sie eiskalt begrüßt: „Na, wenn das nicht Eure Königliche Hoheit ist. Womit kann ich dienen?“
Die Schneekönigin, so hatte man sie früher genannt. Oder Eiszapfen, was noch schlimmer war.
Am Waschbecken kramte sie in ihrer Handtasche, konnte aber den Lipgloss nicht finden. Auch das noch. Musste denn alles schiefgehen? Der vergangene Monat hatte es in sich gehabt. Ach, eigentlich war ihr ganzes Leben nicht einfach gewesen. Als sie mit Matt zusammen war, war sie davon überzeugt gewesen, dass sie heiraten würden. Doch irgendwann fing er an, sich über ihre mangelnde Herzlichkeit und Wärme zu beklagen. Sie war offenbar nicht die Richtige für ihn, ihr schien etwas zu fehlen, was ihr auch im Vergleich mit ihrer Familie aufgefallen war. Sie war nicht so lebhaft wie Gwen, nicht so mutig wie Kelli. Ness hatte mehr Stil als sie, und Carroll war sehr viel sportlicher. Sie waren fünf Schwestern, und Andy war ganz offensichtlich das schwarze Schaf.
Und als Einzige nicht verheiratet, noch nicht einmal verlobt.
So unerschrocken und erfolgreich sie im Berufsleben war, privat sehnte sie sich danach, ein Paar unter Paaren zu sein. Und das würde sie auch schaffen, verdammt noch mal. Schließlich war sie kein Loser.
Die Tür zur Damentoilette war nur angelehnt, und durch den Spalt beobachtete sie, wie Christopher die Bar verließ. Gott sei Dank! Immerhin hatte er das Geld liegen lassen, anders als der Mann, den sie vorher getroffen hatte. Der hatte die Scheine mitgenommen, sodass sie noch einmal hatte bezahlen müssen.
In dieser Stadt gab es keine anständigen Männer mehr.
Auf der ganzen Welt nicht …
„Ich kann unmöglich noch mal einen Hochzeitsstrauß fangen, ohne einen Mann an meiner Seite zu haben“, sagte sie halblaut zu sich. Das war ihr nun schon zwei Mal passiert, denn ihre Schwestern warfen den Strauß immer in ihre Richtung. Und dann musste Andy mit dem Strauß in der Hand an ihren Platz zurückkehren – ohne Mann. Die mitleidigen Blicke der anderen Gäste … nein, das konnte sie nicht noch einmal ertragen.
Als sie aus dem Waschraum trat, blieb ihr Blick an dem attraktiven Mann am Tresen hängen. Unwillkürlich straffte sie sich. Wenn sie sich nicht fürchterlich täuschte, war er Single. Und da er immer noch mit der Frau hinter der Theke flirtete, war er vielleicht auf der Suche.
Sollte sie ihn ansprechen und es auf einen Zufallstreffer ankommen lassen? Warum nicht? Ihre bisherigen Dates waren ja schließlich auch nichts anderes gewesen. Vielleicht war er bereit, einer verzweifelten Frau in Not zu helfen, statt mit der hübschen Barkeeperin ins Bett zu gehen.
Vielleicht auch nicht.
Aber Andy gab nicht auf, das kam einfach nicht infrage.
Jetzt erst fiel ihr auf, dass er allein war; das Pärchen war gegangen. Und dass er ausgesprochen gut aussah mit seinen leicht zerzausten Locken, dem markanten Kinn und den breiten Schultern. Das war ihre Chance, vielleicht ihre letzte.
„Geld“, murmelte sie.
Sie hatte keine Zeit für oberflächliches Geplauder, dem möglicherweise erst in der nächsten Woche ein Date folgen würde, bei dem sie die Hochzeit ihrer Schwester ansprechen konnte. Nein, sie musste gleich zur Sache kommen. Und zwar mit Geld. An der Tür war ein Geldautomat, und Andy steuerte darauf zu. Ihr Plan war einfach. Sie würde den Fremden fragen, ob er gegen eine erhebliche Summe bereit wäre, sie auf die Hochzeit ihrer Schwester zu begleiten. Schluss mit den unbefriedigenden Versuchen. Sie brauchte ein Date und er hoffentlich ein paar Tausender.
Entschlossen schob sie die erste ihrer fünf Kreditkarten in den Schlitz. Sie würde ein Date für Gwens Hochzeit finden. Und zwar noch heute.
Gage Fleming trank sein Bier aus und winkte der jungen Frau hinter der Theke. „Die Rechnung, wenn du Zeit hast.“
Seattle hatte einen kalten langen Winter und ein kühles Frühjahr erlebt. Jetzt jedoch herrschten sommerliche Temperaturen. Irgendwie war alles anders, wenn das Thermometer stieg. Die Röcke waren kürzer, die Nächte länger – und für Gage leider auch die Arbeitstage. Er hatte seinen Schreibtisch erst kurz nach halb acht verlassen und war erst weit nach halb neun hier in der Bar gelandet. Nach der mörderischen Woche im Büro hätte es ihn nicht wundern sollen, dass er nicht so gut drauf war wie sonst.
„Kommt gleich.“ Shelley war eine kleine, zierliche Person, die eine Baseballkappe trug, unter der ihr Pferdeschwanz hervorlugte. Aber trotz ihrer dichten, dunklen Wimpern und der verlockenden Lippen hatte Gage nicht vor, sich mit ihr zu verabreden. Dabei war sie eigentlich genau sein Typ und sah sehr sexy aus in dem kurzen, engen Rock und dem knappen T-Shirt. Geflirtet hatte sie, was das Zeug hielt, und dennoch war Gage nicht nach einer heißen Nacht zumute.
Sein bester Freund Flynn und seine beste Freundin Sabrina waren seit Kurzem ein Paar, was Gage vollkommen verblüfft hatte. Seit dem College war er eng mit Flynn, Sabrina und Reid befreundet, wobei Reid momentan nicht im Lande war. Als Flynn ihn gefragte hatte, ob sie nach der Arbeit noch ein Bier zusammen trinken wollten, hatte Gage ohne zu zögern Ja gesagt. Schließlich hatten sie so etwas schon häufiger gemacht. Aber dann wurde ihm schnell klar, dass er hier überflüssig war, denn Sabrina und Flynn saßen die ganze Zeit eng nebeneinander und warfen sich verliebte Blicke zu.
Auch gut, dachte Gage. Er hatte Flynn noch nie so glücklich gesehen und freute sich für ihn. Vor einer Viertelstunde waren die beiden gegangen, und auch für ihn wurde es jetzt Zeit.
„Hier!“ Shelley zwinkerte ihm zu, legte die Rechnung vor ihn hin und wandte sich den anderen Gästen zu.
Irgendwie war Gage erleichtert, dass er sich gegen ein Rendezvous mit der niedlichen Blondine entschieden hatte. Flirten machte Spaß, und sicher hätte er Shelley nicht lange überreden müssen, mit ihm zu kommen. Seiner Erfahrung nach waren die Frauen nur allzu bereit, seine Einladungen anzunehmen.
Aber in den letzten Wochen war er dieses Spielchens müde geworden. Es war immer das Gleiche. Man ging ein paarmal aus, hatte mehr oder weniger befriedigenden Sex und musste dann zusehen, dass man rechtzeitig die Kurve kriegte, bevor es zu ernst wurde. Er hatte es satt, sich mitten in der Nacht davonzustehlen. Das war irgendwie peinlich.
Und dennoch, mit dreißig sollte er solche Gedanken doch eigentlich nicht haben, sondern einfach genießen, was sich ergab. Kopfschüttelnd zog er sein Portemonnaie aus der Tasche und zahlte. Während er es wieder einsteckte, blickte er hoch – und erstarrte.
Eine schlanke Gestalt in einem engen schwarzen Kleid kam direkt auf ihn zu. Eine Fülle rotblonder Locken fiel ihr über die schmalen Schultern, und ihre klaren blauen Augen blickten ihn sehr bestimmt an. Die vollen rosa Lippen fest zusammengepresst, steuerte sie direkt auf ihn zu, wie eine Rakete, die ihr Ziel erfasst hatte. Er löste sich aus seiner Erstarrung, und als er tief durchatmete, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass er ganz eindeutig erregt war.
Wieso das denn? Es war doch klar, dass die Frau ernsthafte Absichten hatte, und genau diesen Frauen ging er normalerweise aus dem Weg. Mit diesem Typ hatte er schlechte Erfahrungen gemacht, und deshalb bevorzugte er fröhliche, lockere Frauen wie Shelley, die nur auf ein Abenteuer aus waren.
Und doch reizte ihn diese Rotblonde irgendwie. Er würde ihr einen Drink spendieren, den berühmten Fleming-Charme anknipsen und abwarten, was sich ergab. Schon lange hatte er nicht so heftig auf eine Frau reagiert. Er ließ sie nicht aus den Augen und fragte sich, wie sie so zerbrechlich und feminin aussehen und gleichzeitig wirken konnte, als sei sie eisenhart. Das musste er unbedingt herausfinden, denn sie war es wert, davon war er überzeugt.
„Shelley, noch ein Bier, bitte“, rief er über den Tresen. Und als die rotblonde Erscheinung eine gepflegte Hand auf den Barhocker neben ihm legte, fügte er hinzu: „Und was immer die Dame hier wünscht.“
„Wird gemacht.“ Mit dem Kinn wies Shelley auf die Rotblonde. „Was darf’s denn sein?“
„Ein Glas Chardonnay.“
Shelley verschwand, und Gage zog den Barhocker vor. „Setzen Sie sich doch.“
„Nein.“ Und nach kurzem Zögern fügte sie hinzu: „Danke.“
Gage betrachtete sie lauernd. Auf keinen Fall war sie so gelassen und cool, wie sie wirkte oder wirken wollte. Denn anstatt ihn mit Blicken zu durchbohren, hatte sie die Augen niedergeschlagen und schien sich sammeln zu müssen. Vielleicht hatte ihr Freund gerade mit ihr Schluss gemacht, und sie brauchte ein bisschen Trost. Den konnte er ihr sicher spenden.
„Kommen Sie, setzen Sie sich, und trinken Sie in Ruhe Ihren Wein.“ Er klopfte mit der flachen Hand auf den Barhocker. Doch sofort zog sie die Augenbrauen zusammen und sah ihn streng, ja, beinahe zornig an.
Er zog die Hand zurück. Jetzt wurde die Sache wirklich spannend.
Shelley stellte die Getränke vor sie hin, und ohne dem Blick der Fremden auszuweichen, reichte Gage ihr das Glas Wein. Zu seiner Überraschung setzte sie es an die Lippen, trank es halb aus und stellte es wieder auf die Theke.
Donnerwetter! Sie führte etwas im Schilde, das war nicht zu übersehen.
„Ich zahle Ihnen zweitausend Dollar, wenn Sie ein Wochenende mit mir verbringen.“
Verblüfft ließ Gage die Bierflasche sinken, die er gerade an die Lippen hatte setzen wollen. Und bevor er etwas sagen konnte, öffnete sie ihre Handtasche und zeigte ihm die Zwanziger, mit der die Tasche prall gefüllt war. Dabei sah sie sich vorsichtig um, als hätte sie gerade eine Ladenkasse geplündert.
„Ich muss in zwei Wochen an einer Hochzeit im Mittleren Westen teilnehmen“, sagte sie leise und drängend. „Ihr Flug und Ihr Einzelzimmer sind bereits bezahlt. Die Zweitausend bekommen Sie dafür, dass Sie mich begleiten.“
Diese entzückende Person muss vollkommen verrückt sein, schoss es ihm durch den Kopf. Gerade wollte er etwas Beruhigendes sagen, als sie hastig fortfuhr: „Während der Hochzeit müssen Sie so tun, als wären wir ein Paar. Ich weiß, Ohio hört sich nicht gerade aufregend an, aber das Resort ist wirklich klasse. Und das Essen …“, jetzt klang sie beinah verzweifelt, „… ist absolute Spitze!“
Sie schluckte. War ihr Selbstvertrauen vielleicht nur vorgetäuscht? Dennoch hatte sie etwas ganz Bestimmtes vor und würde sich auch nicht davon abbringen lassen, davon war er fest überzeugt. Wieder musste er an seine Ex denken. Laura hatte eine ähnliche Taktik verfolgt. Er nahm einen Schluck Bier und wischte sich den Mund ab. Diese Frau war entweder verrückt oder verzweifelt – oder beides. Das hätte er sich gleich denken können. Eine Frau, die so hinreißend aussah und sich trotzdem einen Begleiter kaufen musste, bei der war ganz sicher eine Schraube locker.
„Und?“ Fragend hob sie die Augenbrauen. „Ich habe nicht viel Zeit. Nehmen Sie mein Angebot an?“
Die hat wirklich nicht alle Tassen im Schrank. Er wäre im Traum nicht darauf gekommen, dass diese aufregende Person wirklich auf ihn zukommen würde, um ihn als ihr Date anzuheuern. Und nun auch gleich noch eine Antwort haben wollte, ohne dass sie Näheres erklärte. Wer weiß, vielleicht hatte sie Schlimmes vor, wollte ihm seine Identität klauen.
Oder meine Nieren …
Natürlich würde er Nein sagen, allerdings nicht, ohne vorher erfahren zu haben, was das Ganze sollte. Mit dem Zeigefinger öffnete er ihre Tasche etwas weiter und betrachtete die Geldscheine, als dächte er angestrengt über ihr Angebot nach.
„Und wie soll das ablaufen? Sie geben mir das Geld und erhalten dafür meine Telefonnummer?“
„Natürlich nicht.“ Schnell schloss sie die Tasche. Er konnte gerade noch rechtzeitig seinen Finger zurückziehen. „Dann habe ich ja keine Garantie, dass Sie wirklich auftauchen. Sie kriegen das Geld auf der Hochzeit.“
„Warum sollte ich meine Pläne fürs Wochenende ändern und nach Ohio fliegen, ohne vorher etwas in der Hand zu haben?“
Kurz runzelte sie die Stirn. „Okay, die Hälfte kriegen Sie jetzt. Aber dafür müssen Sie mir Ihre Telefonnummer geben und Ihre Adresse. Und Ihr Wort.“
Bildhübsch und absolut bekloppt. Ein Jammer.
„Und Sie müssen sich gleich entscheiden“, fügte sie schnell hinzu.
„Sofort?“ Ein paar Sekunden lang blickte er auf ihre rosa Lippen. Schade, die würde er wohl nie küssen. Und auch nicht ihr seidiges Haar durch seine Finger gleiten lassen … Unschlüssig hob er die Bierflasche. Nähere Kontakte waren wohl nicht vorgesehen. Dennoch war er neugierig auf ihre Reaktion. Was sie wohl tun würde, wenn er ablehnte? Schreiend aus der Bar laufen? Vielleicht konnte er sie überreden, noch ein bisschen zu bleiben.
„Ja, sofort“, stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
„Tut mir leid, Ma’am, der Mittlere Westen liegt mir nicht. Und auch wenn der erste Eindruck vielleicht täuscht, ich brauche Ihre Zweitausend nicht. Aber wenn Sie mit mir noch einen Wein …“
Weiter kam er nicht, denn sie drehte sich so plötzlich auf dem Absatz herum, dass ihm ihr Haar ins Gesicht flog, und steuerte schnellen Schrittes auf den Ausgang zu. Schade. Zurück blieb nur der Duft eines verstörenden Parfums und eine Fantasie, die Gage noch den Rest der Woche verfolgte. Rotblondes Haar, ausgebreitet auf einem Kissen, leicht geöffnete rosa Lippen und er auf ihr, bedeckt mit Zwanzigdollarscheinen …
Wer auch immer sie gewesen war, sie hatte ihn beeindruckt. So wie sich das Bild der Sonne einem einbrannte, sodass man es auch bei geschlossenen Lidern noch vor sich sah, nachdem man lange ins helle Licht geblickt hatte.
Gage wandte sich wieder seinem Bier zu. Verrückte Person … Aber er wünschte ihr aufrichtig, dass sie doch noch ein Date fand.
„Heute ist es so weit.“
Gage rieb sich vergnügt die Hände und stellte die Espressomaschine an.
„Was meinst du damit?“ Reid, der kürzlich aus London zurückgekommen war, sah ihn fragend an.
„Na, heute ist doch der Tag, an dem dieser Andy Payne kommt, um Gage vor dem Ruin zu retten.“ Sabrina goss sich etwas Milch in den Kaffee.
„Nicht nur mich“, wehrte Gage ab. „Euch auch. Der Mann wird uns nicht nur helfen, den Umsatz zu steigern, sondern wird auch Flynn entlasten.“ Er grinste Sabrina an. „Du kannst dich ruhig bedanken!“
Im letzten Jahr hatte Gage die rettende Idee gehabt, wie Flynns Firma Monarch Consulting wieder in die schwarzen Zahlen kommen und gleichzeitig die verunsicherte Belegschaft beruhigt werden konnte. Denn als Flynns Vater Emmons Parker starb und Flynn unvorbereitet sein Erbe antreten musste, hatte sich Unruhe unter den alten Angestellten breitgemacht. Gage hatte dann vorgeschlagen, sich ganz auf die Akquise neuer Kunden zu konzentrieren, um so den Gewinn zu steigern und Investoren zu befriedigen. Dadurch würde auch für den einzelnen Mitarbeiter mehr abfallen. Dazu sollte der bekannte Unternehmensberater Andy Payne engagiert werden, der schon viele Firmen saniert hatte.