Gefangen im Sog des Grauens - Hady Zürcher - E-Book

Gefangen im Sog des Grauens E-Book

Hady Zürcher

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Beschreibung

Band 3 - Privatdetektiv Rico Monn ermittelt: Rico Monn soll sich in eine Sekte einschleusen und Beweise sammeln, die zu einer Anklage des Sektenführers führen. Doch Monn kommt in einen Sog und wird aktives Mitglied der Sekte. Der Sektenführer Holger Brand ist in mehreren kriminellen Richtungen tätig. Einerseits organisiert er Anschläge auf Züge und erpresst die Gesellschaften. Dann ist er im Menschenhandel tätig und zu guter Letzt ist er dem Satanismus verfallen. Für Monn ein schwieriges und undurchdringbares Dickicht von Verfehlungen.

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Inhalt

1 Seine Geschichte 1

2 Die Recherche

3 Kontakt

4 Ein neues Attentat

5 Café Odeon

6 Bericht an Sophie

7 Die Einladung an den Tisch

8 Im Haus

9 Erwachen

10 Lieferung von Mädchen

11 Vermisst

12 Aufstieg von Monn

13 Die Ermittlung

14 Dunkle Seiten von Phobos

15 Verdächtig

16 Neive

17 Zusammen in Frankfurt

18 Brand als Satan

19 Aus Mangel an Beweisen

20 Monn und Maya werden clean

21 Seine Geschichte 2

22 Die Hausdurchsuchung

23 Heiratsantrag

24 Brand bricht aus

25 Verhör in Frankfurt

26 Monns Unfall

27 Besuch bei Monn

Kapitel 1

Seine Geschichte

Rico Monn sass in seinem Rollstuhl neben dem Spitalbett und seine beiden Kinder, Stefan und Birgit, sassen ihm gegenüber an einem kleinen Tisch. Monn fühlte sich schlecht, sämtliche Glieder schmerzten und auch psychisch war er erschlagen. Er konnte es nicht glauben, dass es so weit gekommen und er hier gelandet war. Die Kinder hatten erst vor einem Tag erfahren, dass er im Spital lag. Da er immer noch wenig bis gar keinen Kontakt zu ihnen hatte, war er überrascht, als sich die Zimmertür öffnete und die beiden eintraten. Aber er freute sich natürlich und begrüsste sie aufgeregt.

Die Kinder wollten wissen, wie ihr Vater in diese Lage gekommen sei und was passiert war.

„Erzähl uns die Geschichte“, bat ihn Stefan.

Monn blickte aus dem Fenster und bestaunte den nahe gelegenen Wald. Er schluckte, bevor er sich entschloss, seine Geschichte zu erzählen.

„Es war vor ungefähr einem Jahr. Da rief mich Frau Sophie Wulschleger, eine Bundesstaatsanwältin, an. Sie habe einen weiteren Auftrag. Wir hatten schon bei einem anderen Fall zu Falschgeld zusammengearbeitet und waren damals erfolgreich.“

„Wir sollten uns treffen“, meinte sie und schlug vor, dies im Café Odeon zu tun. Sie war eine begeisterte Besucherin des Cafés, weil es ein Treffpunkt für alle war, die der Hektik unserer Zeit entfliehen wollten. Zudem galt es als legendär und weltoffen seit 1911 und lag erst noch im Herzen von Zürich.

„Also trafen wir uns an einem Mittwoch um 14.00 Uhr im Odeon.“

Sie sah blendend aus und Monn realisierte, dass er immer noch ein wenig in Sophie verliebt war. Sie durfte das nicht wissen, weshalb er es nie erwähnte. Er war auch viel zu alt für sie.

„Wir ermitteln gegen eine Sekte“, begann Sophie. „Eine Sekte, die sowohl in Italien als auch von Zürich aus tätig ist. Wir von der Bundesanwaltschaft sind zuständig nach Paragraf 120 Absatz 1, GVG.“

Monn wusste nicht, um welches Gesetz es sich handelte, wollte aber nicht unwissend erscheinen und nickte deshalb kräftig.

„Es ist eine Gruppierung, die durch Terroranschläge auf Züge Unsummen erpresst und so den eigentlichen Zweck, den Handel mit jungen Mädchen und Frauen, finanziert. Die Sekte ist ein international tätiger Menschenhändlerring, der Frauen zur Prostitution zwingt und sie in Europa an Klubs weiterverkauft.“

Monn nahm die Informationen auf und wollte wissen, was seine Aufgabe bei dem Fall wäre.

„Wie lautet mein Auftrag, Frau Wulschleger?“

„Wir wissen zwar, was die Sekte macht, können es aber bis heute leider nicht beweisen. Es wäre Ihre Aufgabe, sich in die Sekte einzuschleusen und als V-Mann die Beweise zu besorgen. Trauen Sie sich das zu?“

Monn war etwas überrascht und überlegte sich seine Antwort genau.

„Das ist ein schwieriges Unterfangen und ich würde gerne bis morgen Zeit zum Überlegen haben. Geht das in Ordnung?“

Monn war sich der Sache nicht so sicher, weil er immer noch ein wenig instabil war und der Alkohol ihm teilweise noch zu schaffen machte. Er war sich bewusst, dass so ein Auftrag seine volle Konzentration, aber vor allem seine Willenskraft erfordern würde, und er war sich nicht sicher, ob er das bringen könnte. Vielleicht müsste er mit seiner Ärztin darüber reden. Er verwarf diesen Gedanken sofort, weil sie ihn erst kürzlich als geheilt entlassen hatte. Er wollte nicht wieder in eine Therapie.

Sophie war positiv überrascht ob der Handhabung des Auftrages durch Monn. Sie begrüsste seine Sorgfalt und meinte, dass er bis morgen Zeit für eine Entscheidung habe.

„Ich bin für drei Tage in Zürich bei einem Bekannten. Wir können uns morgen um die gleiche Zeit wieder hier im Odeon treffen und die Details erörtern, falls Sie sich entscheiden, den Auftrag anzunehmen.“

Sophie Wulschleger hatte sich in Bern eine kleine Wohnung genommen in der Nähe ihres Arbeitsplatzes. Die frühere Wohngruppe mit Rolf, Georges und Ben in Zürich verlor nach dem Tod von Georges ihren Zusammenhalt und die Mitglieder zerstreuten sich in alle Winde. Der Einzige, der in Zürich blieb, war Rolf und diesen besuchte sie in regelmässigen Abständen, so auch diesmal. Sophie empfand immer noch viel für ihn, obwohl sie nie eine richtige Beziehung hatten.

Monn trank den letzten Schluck seines inzwischen kalten Kaffees aus, erhob sich und verabschiedete sich von Sophie Wulschleger.

„Ich danke Ihnen und wir sehen uns morgen“, sagte er.

Die Tür seines Spitalzimmers öffnete sich und eine Schwester mit einem Tablett betrat den Raum. Sie meinte, dass sie die Infusionsbeutel wechseln müsse und die Verbände erneuern sollte.

Monn nickte und liess alles geschehen. Seine vielen Wunden, ein ausgekugelter Arm, ein zertrümmertes Knie und eine Platzwunde am Schädel sowie einige gebrochene Rippen waren zwar teilweise operativ behandelt worden, schmerzten ihn aber immer noch stark. Auf dem Nachttisch neben dem Bett lag sein Mobilephone. Eigentlich müsste er gar keines mehr haben. Er benutzte es fast nie, seit er verletzt war. Er nahm auch keine Anrufe entgegen, auch von Sophie nicht. Er wollte allein sein und grübelte über die Geschehnisse.

„Bitte erzähl weiter, Vater“, sagte Birgit.

Donnerstag, 14.00 Uhr. Wie besprochen trafen beide pünktlich im Odeon ein. Sie setzten sich an die Bar, auf die linke Seite. Hier waren sie ungestört und konnten reden.

„Und, sind Sie zu einem Entschluss gekommen?“, begann Sophie.

„Ja, ich bin mir sicher, dass ich dem Auftrag gewachsen bin und mit Ihnen gemeinsam die Täter überführen werde.“

Sophie Wulschleger war erfreut, dies zu hören. Sie hatte im Geheimen mit dieser positiven Antwort gerechnet.

Ihre Nachforschungen über Monn hatten ergeben, dass er seit dem letzten gemeinsamen Fall lediglich eine kleine Beschattung eines Fremdgängers als Auftrag hatte, also auf Arbeit angewiesen war.

„Ich freue mich auf die erneute Zusammenarbeit, Monn.

Hier übergebe ich Ihnen ein Dossier, das den bisherigen Ermittlungsstand dokumentiert. Bitte studieren Sie alles gründlich.“

Sophie fragte Monn, ob er noch ein bisschen Zeit hätte.

Sie würde gerne mit ihm anstossen auf den neuen Fall.

Er bejahte und sie bestellte eine Flasche Wein. Keinen besonderen. Einfach einen weissen Apérowein, der im Offenausschank erhältlich war.

Der Barkeeper schenkte zwei Gläser ein und stellte die Flasche daneben.

„Ich glaube, wir könnten uns duzen“, begann sie und stellte sich mit Sophie vor.

Monn wusste, dass die Frau zuerst das Du anbieten musste, und er freute sich darüber.

„Ich bin Rico.“

Sie liessen die Gläser aneinander klingen und nahmen einen Schluck.

Er war angenehm berührt, dass sie ein wenig aus ihrem Privatleben preisgab. Und war froh, dass er nicht allzu viel über sich erzählen musste. So beschränkte er sich darauf darzulegen, dass er allein lebte, seine Frau verstorben war und er zwei Kinder hatte. Die berufliche Laufbahn kannte sie ja.

Die Zeit verging wie um Flug und Sophie musste sich verabschieden.

„Ich werde das Dossier studieren und mir einen Weg zurechtlegen, wie ich in der Sekte aufgenommen werde.

Ich melde mich dann nächste Woche, um das Ganze mit Ihnen – entschuldige, mit dir – abzugleichen.“

Sophie schlüpfte in ihren Mantel und verliess das Odeon. Monn blieb eine Weile sitzen und liess sich den Rest des Weines schmecken. Ihm gefiel die neue Situation.

Kapitel 2

Die Recherche

Monn sass an seinem Schreibtisch im Atelier an der Höschgasse und studierte jedes einzelne Blatt intensiv.

Dann nahm er einen Schreibblock mit 5-mm-Karo-Einteilung und begann die wichtigsten Punkte zu notieren:

Der Name der Sekte: # TEMPLE of SACRIFICE # Er liess diesen Namen von Google übersetzen und notierte:

# Haus der Opfer # oder # Tempel des Gebets # Standort Schweiz: Es war eine edle Adresse. Das Gebäude wurde von Julius Bär erbaut, war jahrelang Domizil der Hare-Krishna-Gemeinschaft Schweiz und wurde durch sie als Tempel genutzt. Der Gründer von TEMPLE of SACRIFICE kaufte die Immobilie und wandelte sie in den Hauptsitz seiner Sekte um. Weil der frühere Mieter ebenfalls eine Sekte war, durfte man damit rechnen, dass es keine Einsprachen oder Reklamationen der umliegenden Nachbarn geben würde.

Adresse: Bergstrasse 54, 8032 Zürich Standort Italien: Auch dieses Haus wurde vom Sektengründer gekauft und als Domizil eingerichtet.

Adresse: Hotel Castelbourg, Via Locito 1, 12052 Neive Dieses Haus war jahrelang eine gute Adresse für Touristen, die günstig ins Piemont reisen wollten. Von dort aus war man schnell in allen Richtungen und bei vielen Weinproduzenten. Leider hatten es die Besitzer versäumt, die Herberge laufend zu sanieren, sodass immer mehr Gäste wegblieben und das Hotel in Konkurs gehen musste.

Mitgliederzahl: Im Haus in Zürich sind 22 Mitglieder eingeschrieben. Sie alle wohnen in Mehrbettzimmern in dem Gebäude.

In Neive sind es 13 Mitglieder. Auch sie wohnen alle in diesem Haus.

Die Sekte besteht somit aus 35 Anhängern, Männern und Frauen, inklusive des Gründers.

Monn riss die beiden Blätter vom Block und verstaute sie in einer Klarsichtmappe. Danach legte er den Block wieder vor sich hin und fuhr fort.

Wer ist der Gründer: Sein Name ist Holger Brand, Jahrgang 1972, 52 Jahre alt. Ist Junggeselle und ohne feste Beziehung. Verkehrt intensiv im Rotlichtmilieu. Er steht auf Schmerzen, bezeichnet sich selbst als Masochisten.

Monn hielt inne und fragte sich, woher die Bundesstaatsanwaltschaft, also Sophie, das alles wusste. Das waren ja nicht einfach zugängliche Informationen. Er meinte, dass er sie dies fragen müsse.

Holger Brand wurde als Kind geschlagen und von seiner Mutter sexuell missbraucht. Beide Elternteile kamen bei einem Zugattentat 1977 in Indien ums Leben.

Monn wechselte wieder ins Internet und recherchierte mit Google. Am 23. November 1977 entgleiste der Nachtzug kurz vor Neu-Delhi. Es gab viele Tote und Verletzte, darunter Brands Eltern, die auf einer Ferienreise in Indien waren. Holger war in dieser Zeit bei einem Kameraden untergebracht.

Ab diesem Zeitpunkt musste er in verschiedenen Pflegefamilien leben. Da er kein einfaches Kind war, wurde er immer wieder ins Heim zurückgegeben. Auch bei diesen Pflegefamilien wurde er missbraucht. Es waren stets die Väter, die sich an ihm vergingen oder ihn verprügelten.

All diese scheusslichen Erlebnisse prägten Holger stark und verursachten gigantische psychische Störungen.

Trotzdem, oder gerade deswegen, war er ein Musterschüler mit guten Noten. Er absolvierte eine Lehre als Tiefbauzeichner und studierte am Abendtechnikum in Zürich statisches Ingenieurwesen. Lange Zeit arbeitete er als Statiker und verdiente ein gutes Honorar. Da er keine Familie hatte und lediglich Geld für Essen, Miete, Steuern und Prostituierte ausgab, konnte er viel auf die Seite legen. Dies ermöglichte es ihm, die beiden Liegenschaften in Zürich und Neive zu erwerben. Zurzeit geht er keiner Arbeit mehr nach und engagiert sich vollamtlich als Sektenführer. Seine Mitglieder nennen ihn Phobos.

(Name eines der beiden Monde des Planeten Mars)

Zweck der Sekte: Einzelne Mitglieder dieser Vereinigung verüben Anschläge auf die jeweiligen öffentlichen Bahnen in Holland wie auch in Italien. Die Eigentümer der Bahngesellschaften werden dann erpresst, grosse Summen zu zahlen, damit keine Attentate mehr erfolgen. Mit diesem Geld wird Menschenhandel betrieben. Junge Frauen und Mädchen aus dem Osten Europas oder aus Südamerika werden gekauft und dann wieder an Klubs in Europa verkauft. Das ist ein einträgliches Geschäftsmodell.

Monn legte seinen Stift zur Seite und meinte, dass er genug Informationen beisammen hätte. Er las all seine Blätter nochmals sorgfältig durch und merkte sich alle wichtigen Daten. Dann lehnte er sich zurück, schloss die Augen und suchte nach einem Weg, wie er in diese Sekte kommen könnte. Wie wird man da aufgenommen? Immer und immer wieder zerschlugen sich die Gedanken und er kam nicht vom Fleck. Schliesslich überkam ihn der Schlaf und er blieb regungslos in einer geknickten Haltung sitzen. Das würde ihm beim Erwachen leid tun.

Und nach ungefähr einer Stunde erwachte er mit starken Schmerzen. Der Nacken und das Kreuz taten ihm so weh, dass er sich wie behindert aus dem Stuhl aufrichtete und sofort in Richtung Bad ging, um zwei Tabletten Ponstan 500 zu schlucken. Danach begab er sich zur kleinen Teeküche und entnahm dem Kühlschrank eine Flasche Bier. Er wusste, dass es nicht guttut, Alkohol und Medikamente gleichzeitig zu sich zu nehmen. Eben war es ihm aber egal.

Die Wirkung der Tabletten zeigte sich etwa eine halbe Stunde danach und er fühlte sich erleichtert. Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch, nahm einen Stift zur Hand, um einen möglichen Weg aufzuzeichnen, wie er in die Sekte kommen könnte.

So meinte er, dass es am besten wäre, wenn er den Hauptsitz der Sekte für einige Tage observieren würde.

Er ging davon aus, dass er eines oder mehrere Mitglieder sehen würde, wie sie das Haus verliessen. Dann könnte er ihnen folgen und versuchen, unter einem Vorwand die Personen anzusprechen, um eine Beziehung aufzubauen. Er war sich bewusst, dass das nicht einfach sein würde, glaubte aber an diese Möglichkeit.

Er setzte sich auf der Strassenseite gegenüber dem Haus der Sekte auf eine Einfriedungsmauer und meinte, dass dies ein guter Platz wäre. Nicht unmittelbar vor dem Haus, aber in naher Entfernung. Die Bergstrasse war stets dicht befahren, sodass er niemandem auffallen würde.

Es dauerte volle drei Stunden, bis jemand das Haus verliess. Es war eine qualvolle Zeit. Auf der einen Seite schmerzte sein Hinterteil vom Sitzen auf Beton, anderseits quälte ihn der Hunger. Er hatte nicht gedacht, dass es so lange dauern würde, weshalb er nichts zum Essen oder Trinken bei sich hatte. Die Person schritt auf dem gegenüberliegenden Trottoir in Richtung Fluntern und er bewegte sich auf der Gegenseite. Während des gemütlichen Gehens malte er sich aus, wohin die Reise wohl gehen würde.

Bei der Tramhaltestelle Fluntern bestieg die Person das Tram Nummer 5 in Richtung Bellevue. Monn betrat den hinteren Wagen und blieb bei der Tür stehen, sodass er die Frau im vorderen Wagen sehen konnte. Es war eine langweilige Fahrt. Er musste die Frau beobachten und konnte nicht die Schönheiten der Stadt geniessen.

Am Bellevue verliess die Person das Tram und setzte sich an einen Tisch beim Buffet Bellevue. Zwei weitere Herren sassen am gleichen Tisch. Alle drei schienen sich zu kennen. Sie begrüssten sich kurz und die Frau setzte sich. Dann unterhielten sie sich angeregt. Monn konnte nichts verstehen. Er war zu weit weg und er konnte auch keine Lippen lesen. Er war sich sicher, dass die Unterhaltung etwas mit der Sekte zu tun hatte, und malte sich aus, was es sein könnte.

Dann stand einer der beiden Herren auf und bestieg das Tram Nummer 2 in Richtung Paradeplatz. Nach etwa einer weiteren Viertelstunde verabschiedete sich die Frau und bestieg erneut die Tramlinie 5, wieder in Richtung Fluntern.

Monn war enttäuscht. Nach so langer Wartezeit keine Möglichkeit, die Frau kennenzulernen, ärgerte ihn. Er folgte ihr nicht mehr.

Kapitel 3

Kontakt

Monn sass wieder auf der Mauer. Diesmal rechnete er mit einer längeren Wartezeit und hatte sich Brote und zwei Büchsen Diätcola eingepackt. Er legte ein Sandwich und eine Cola neben sich und sinnierte über seine Beziehung zu Sophie. Es dauerte keine zehn Minuten und die Frau verliess wieder das Haus in Richtung Fluntern. Schnell packte er alles in seinen Rucksack und folgte ihr, wieder auf der Gegenseite.

Das gleiche Prozedere. Doch dieses Mal setzte sie sich an einen freien Tisch und bestellte sich einen frischen Salat und eine kalte Schorle.

Jetzt sah Monn seine Chance gekommen. Er schritt auf die Dame zu und fragte sie, ob er sich zu ihr setzen dürfe. Erstaunlicherweise bejahte sie die Frage sogar mit einem Lächeln. Monn setzte sich und bestellte einen Kaffee.

„Darf ich Sie fragen, woher Sie kommen?“, begann er.

„Ich bin hier aus Zürich.“

Unterdessen wurde ihr der bestellte Salat und die Schorle serviert. Monn hatte noch keinen Kaffee.

„Der Kaffee kommt sofort“, erklärte die Kellnerin, und Monn nickte verständnisvoll.

„Was halten Sie vom Bellevue?“, fuhr er fort. Er hatte gelernt, immer offene Fragen zu stellen. Er wandte diese Technik mit zunehmender Sicherheit an.

„Ja, was soll ich sagen. Das Bellevue ist ein Stück Heimat. Mein Vater führte mich immer zum Mittagessen hierher. Wir assen dann eine der berühmten Bratwürste vom Sternengrill“, antwortete sie.

Er sah den Zeitpunkt gekommen, sich vorzustellen, und sagte: „Darf ich mich vorstellen, mein Name ist Rico, Rico Monn.“

Sie antworte darauf, dass sie Maya Engel heisse.

„Der Name passt perfekt zu Ihnen. Sie sehen aus wie ein Engel und heissen so, das ist toll. Darf ich Sie Maya nennen?“

„Wenn ich dich Rico nennen darf, gerne.“

Monn dachte, dass der erste Schritt geschafft sei und er das Vertrauen aufbauen könne.

Unterdessen war der Kaffee gekommen und er trank diesen schnell aus. Er war nicht zu heiss, sodass er ihn in einem grossen Schluck trinken konnte. Im gleichen Moment, als er die Tasse leer getrunken hatte, kam der Typ vom letzten Mal an den Tisch und setzte sich.

„Oh, ein Bekannter von dir. Dann möchte ich nicht stören.“ Er erhob sich vom Tisch und streckte Maya seine Hand entgegen.

Der Mann entgegnete freundlich, dass Monn wegen ihm nicht gehen müsse. Er sei der Bruder von Maya. Er freue sich, ihren Bekannten kennen zu lernen. Dies kam Monn gelegen, worauf er sich bedankte und sich wieder hinsetzte.

„Ich heisse Hermann Engel“, stellte er sich vor. Und Maya stellte Monn als Rico vor, bevor dieser reagieren konnte.

Er lächelte ein wenig. Der Bruder sah im Gegensatz zu Maya überhaupt nicht wie ein Engel aus.

„Wie habt ihr euch kennengelernt?“, wollte Hermann wissen.

Monn erklärte, dass es Zufall war. Er habe die Dame gefragt, ob er sich an ihren Tisch setzen dürfe, und sie habe es erlaubt. So würden sie sich seit einer halben Stunde kennen. Alle drei lachten kräftig.

Hermann machte den Vorschlag, dass sie sich ins Café Odeon begeben und sich dort eine Flasche Wein oder Prosecco genehmigen sollten. Es wäre doch schön, wenn man dieses Treffen feiern könnte.

Monn war erstaunt über diesen Vorschlag und mit der Antwort etwas zurückhaltend. Erst nachdem Maya diese Idee für gut befand, gab auch er sein Einverständnis.

Hermann bezahlte die Zeche. Monn war eingeladen.

„Dann übernehme ich den Willkommenstrunk im Odeon“, bemerkte er darauf.

Sie setzten sich an einen Tisch nahe dem Fenster mit Blick auf das Bellevue.

Hermann bestellte eine Flasche Prosecco *Pra Della Luna DOC Extra Dry* für 69 Franken. Nach einer kurzen Weile trat der Geschäftsführer des Odeon, Herr Hans Jürgen Schlatzer, an den Tisch und begrüsste Hermann Engel herzlich. Die beiden schienen sich zu kennen.

Und aufgrund der Umarmung schon länger.

„Hans Jürgen, darf ich dir meine Schwester Maya und ihren Freund Rico vorstellen. Das ist Hans Jürgen, der Chef des Odeon.“

Sie schüttelten sich alle die Hände und lächelten sich zu.

„Lasst es euch schmecken. Die Flasche Prosecco geht aufs Haus“, offerierte Herr Schlatzer und verabschiedete sich.

Maya und Rico schauten sich etwas verlegen an, weil ihr Bruder Rico als Freund von Maya vorgestellt hatte, aber sie fanden es zugleich amüsant. Wäre da nicht eine grosse Sympathie zwischen den beiden, hätte diese Äusserung unangenehme Folgen gehabt. So aber konnte sich Rico einbilden, dass er Maya etwas nähergekommen sei, und das in kurzer Zeit.

Sie tranken die ganze Flasche und fanden es eine tolle Begegnung. Sie plauderten frisch von der Leber weg und erzählten aus ihren Leben. Nur Rico war zurückhaltend. Schliesslich war er ja nicht zum Vergnügen hier.

Aber dennoch herrschte eine fröhliche, ausgelassene Stimmung.

Hermann ging auf die Toilette und Rico Monn ergriff die Gelegenheit und fragte Maya, ob er sie wiedersehen dürfe.

„Ich bin mir bewusst, dass ich ein wenig älter bin als du, aber ich würde dich gerne wiedersehen und besser kennenlernen“, begann er.

„Das Alter ist mir egal. Ich finde dich sympathisch und würde mich freuen, dich wiederzusehen“, lächelte Maya und streckte ihm die Hand entgegen. Rico ergriff diese und küsste ihren Handrücken.

„Ah, alte Schule“, meinte sie entzückt.

Hermann kam zurück an den Tisch, verabschiedete sich von beiden und verliess das Lokal.

Dies nahm auch Rico zum Anlass, sich zu verabschieden. Er neigte sich zu Maya und küsste sie auf die Wange. Sie fand das schön und meinte, dass sie sich freuen würde, ihn wieder zu treffen.

„Hast du am Freitag Zeit? Treffen wir uns um 13.00 Uhr hier im Odeon?“, fragte Maya.

Monn bestätigte dies und verliess das Lokal. Er schlenderte gemütlich zur Tramstation Bellevue und bestieg das heranfahrenden Tram Nummer 4 in Richtung Tiefenbrunnen. Er wollte im Büro die Geschehnisse aufbereiten und Sophie orientieren.

Monn räkelte sich in seinem Spitalbett und fragte seine Tochter, ob sie ihm das Kissen richten könne.

„Ich habe schon einen trockenen Mund vom vielen Reden“, sprach er und trank ein Glas Tee in einem Zug aus.

„Und wie geht es weiter?“, fragte Stefan.

Kapitel 4

Ein neues Attentat

Holger Brand telefonierte mit seinem Stellvertreter in Italien. Sie besprachen den Ablauf eines weiteren Attentats in der Toscana. Dort hätten sie noch keines verübt, weshalb die Folgeerpressung leicht sein würde. Der Anschlag auf einen Regionalzug der Trenitalia, eines italienischen Bahnunternehmens, auf der Fahrt von Florenz nach Pisa würde grosses Aufsehen bewirken.

Bis zu diesem Zeitpunkt wurden alle Attentate ohne Todesopfer ausgeführt, aber Holger Brand meinte, dass die Wirkung auf die Politik sowie die Medien und letztlich das vereinnahmte Geld zu gering seien.

Holger Brand stieg in die nächsthöhere Gewaltlage auf und beschloss, Todesopfer in Zukunft in Kauf zu nehmen.

Er orientierte seinen Stellvertreter in Neive über diesen