Gegen Demokratie - Jason Brennan - E-Book

Gegen Demokratie E-Book

Jason Brennan

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Beschreibung

Jason Brennan erhebt eine provokante Forderung: Die Demokratie soll endlich nach ihren Ergebnissen beurteilt werden. Und die sind keineswegs überzeugend. Demokratie führt oft dazu, dass lautstarke Meinungsmacher den Bürgern ihre fatalen Entscheidungen aufzwingen. Zumal die Mehrheit der Wähler uninformiert ist, grundlegende ökonomische und politische Zusammenhänge nicht begreift, aber dennoch maßgeblich Einfluss auf die Politik ausübt. Der renommierte Philosoph stellt fest: Das Wahlrecht sollte kein universales Menschenrecht sein, sondern nur verantwortungsvollen, informierten Menschen mit politischen Kompetenzen zustehen. Mit Verve und prägnanten Beispielen zeigt er, dass eine gemäßigte Epistokratie – eine Herrschaft der Wissenden – die sinnvollere Regierungsform im 21. Jahrhundert ist.

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Das Buch

Die Demokratie in ihrer gegenwärtigen Form ist ungerecht. Wir setzen unschuldige Menschen großen Risiken aus, indem wir ihr Schicksal in die Hände schlecht informierter, irrationaler, voreingenommener und manchmal unmoralischer Entscheidungsträger legen. Denn die meisten Wähler sind politisch inkompetent. Jason Brennan zufolge gibt es in einer Demokratie drei Typen von Bürgern: Die uninteressierten, meinungslosen Hobbits und die meinungsstarken, aber nicht ausreichend informierten Hooligans stellen die Mehrheit der Wähler dar. Nur die kleine Gruppe der Vulkanier denkt rational. Sie akzeptiert als wahr, was empirisch bestätigt wurde, und versucht, zu objektiven Urteilen zu kommen.

Der angesehene politische Philosoph Jason Brennan zeigt, dass eine Herrschaft der Wissenden die bürgerlichen Freiheiten besser schützen und fördern kann als die Demokratie, wie wir sie kennen.

Der Autor

Jason Brennan, Philosoph, Politologe und Autor mehrerer Bücher, ist Professor für Strategie, Wirtschaft, Ethik und Staatswissenschaft an der Georgetown University. Seine Forschungsschwerpunkte sind Demokratietheorie, Wahlrechtsethik und politische Philosophie.

Jason Brennan

GegenDemokratie

Warum wir die Politik nicht den Unvernünftigen überlassen dürfen

Aus dem Amerikanischenvon Stephan Gebauer

Ullstein

Die Originalausgabe erschien 2016 unter dem TitelAgainst Democracybei Princeton University Press, Princeton

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ISBN: 978-3-8437-1553-9

© Jason Brennan© der deutschen AusgabeUllstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017Umschlaggestaltung: Sabine Wimmer, BerlinAutorenfoto: ©privat

E-Book: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

Alle Rechte vorbehalten

INHALT

Über das Buch und den Autor

Titelseite

Impressum

VORWORT UND DANKSAGUNGEN

KAPITEL 1

MACHT UNS DIE POLITISCHE KULTUR ZU EDLEREN MENSCHEN ODER KORRUMPIERT SIE UNS? MILL GEGEN SCHUMPETER

EINE RÜCKLÄUFIGE DEMOKRATISCHE TEILHABE HAT AUCH IHR GUTES

DIE DREI SPEZIES VON DEMOKRATISCHEN BÜRGERN

GEGEN DEN DEMOKRATISCHEN TRIUMPHALISMUS

DIE POLITISCHEN FREIHEITSRECHTE UNTERSCHEIDEN SICH VON ANDEREN RECHTEN

WIE BEURTEILT MAN DEN WERT DER DEMOKRATIE: INSTRUMENTALISMUS ODER PROZEDURALISMUS

DEMOKRATIE ODER EPISTOKRATIE: WELCHES DER BEIDEN SYSTEME IST DER BESSERE HAMMER?

UNBEGRÜNDETE ODER BEGRÜNDETE POLITISCHE UNGLEICHHEIT

»GEGEN POLITIK« MUSS NICHT WENIGER REGIERUNG BEDEUTEN

EIN ÜBERBLICK ÜBER DIE FOLGENDE ARGUMENTATION

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL

KAPITEL 2

WAS DIE BÜRGER NICHT WISSEN

DIE MEISTEN WÄHLER SIND NICHT DUMM – SIE INTERESSIEREN SICH EINFACH NICHT FÜR POLITIK

EINIGE BÜRGER WISSEN SEHR VIEL MEHR ALS ANDERE

INFORMATION ÄNDERT DIE POLITISCHEN PRÄFERENZEN

WARUM SIND NICHT ALLE BÜRGER UNWISSEND?

POLITISCHE IRRATIONALITÄT

POLITISCHER TRIBALISMUS

WEITERE BEISPIELE FÜR KOGNITIVE VERZERRUNG IN DER POLITIK

WARUM DIE POLITISCHE IRRATIONALITÄT RATIONAL IST

WENIGSTENS MEINEN ES DIE WÄHLER GUT, IRGENDWIE

ERGEBNIS

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL

KAPITEL 3

DAS ERZIEHUNGSARGUMENT HÄNGT VON DEN FAKTEN AB

DIE PARTIZIPATION ALS SOLCHE MACHT UNS NICHT WISSENDER

DELIBERATIVE DEMOKRATIE

WAS DIE DELIBERATION AUS UNS MACHT, HÄNGT VON PSYCHOLOGISCHEN FAKTOREN AB

EMPIRISCHE ARBEITEN ÜBER DIE DELIBERATIVE DEMOKRATIE

WARUM EIN NEUTRALES ERGEBNIS EIN NEGATIVES ERGEBNIS IST

»DIE LEUTE DEBATTIEREN EINFACH NICHT RICHTIG«

FAZIT: GEGEN POLITISCHE PARTIZIPATION

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL

KAPITEL 4

LIBERALISMUS UND POLITISCHE RECHTE

DAS ARGUMENT DES EINVERSTÄNDNISSES

EINVERSTÄNDNIS ODER AUFGEKLÄRTES EINVERSTÄNDNIS

DIE MACHT, DIE EIGENEN INTERESSEN DURCHZUSETZEN

PARTIZIPATION UND AUTONOMIE

IN DER WELT ZU HAUSE SEIN

DIE BEHERRSCHUNG DURCH DIE REGIERUNG BEENDEN

MÜSSEN WIR ZWEI MORALISCHE VERMÖGEN ENTWICKELN?

ZUSAMMENFASSUNG: GRUNDLEGENDE MACHTLOSIGKEIT

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL

KAPITEL 5

DIE WAHRHEIT HINTER DEN SEMIOTISCHEN ARGUMENTEN

WAS DIE DEMOKRATIE AUSDRÜCKT

ANNAHMEN DER ÜBERLEGENHEIT

GLEICHVERTEILTE POLITISCHE MACHT UND DIE SOZIALEN GRUNDLAGEN DER SELBSTACHTUNG

EINE BELEIDIGUNG BENACHTEILIGTER GRUPPEN

DEMOKRATIE UND SELBSTAUSDRUCK

FAZIT

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL

KAPITEL 6

DEMOKRATIE UND POLITISCHE INKOMPETENZ

DREI INTUITIONSANREGER

EINE PRIMA-FACIE-BEDINGUNG FÜR DAS RECHT ZU HERRSCHEN

DAS RECHT DARAUF, NICHT DEM URTEIL EINER INKOMPETENTEN, BÖSWILLIGEN JURY UNTERWORFEN ZU WERDEN

VERALLGEMEINERUNG DES KOMPETENZPRINZIPS

ANWENDUNG DES KOMPETENZPRINZIPS AUF DAS WAHLVOLK

WAS KANN ALS POLITISCHE KOMPETENZ BETRACHTET WERDEN UND WAS NICHT?

DIE KOMPETENZ IM KONTEXT

ANWENDUNG DES KOMPETENZPRINZIPS

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL

KAPITEL 7

A-PRIORI-BEWEISE ODER EMPIRISCHE TATSACHEN

DAS WUNDER DER AGGREGATION

CONDORCETS JURY-THEOREM

LANDEMORES ANWENDUNG DES HONG-PAGE-THEOREMS

WARUM SOLLTEN WIR JEDERMANNWÄHLEN LASSEN?

VERSUCHEN DIE WÄHLER, DAS PROBLEM ZU LÖSEN?

IGNORANZ UND MANGELNDE INFORMATION

SYSTEMATISCHE FEHLER, AUFGEDECKT ANHAND DER AUFGEKLÄRTEN PRÄFERENZEN

EMPIRISCHE BELEGE STATT A-PRIORI-BEWEISE

VERRINGERN POLITISCHE PARTEIEN DIE EPISTEMISCHEN ANFORDERUNGEN AN DEN WÄHLER?

FUNKTIONIERT DIE DEMOKRATIE GUT, WEIL SIE EIGENTLICH NICHT FUNKTIONIERT?

SONSTIGE VERMITTLUNGSINSTANZEN: WIE INTELLIGENT IST DIE DEMOKRATIE UNTER BERÜCKSICHTIGUNG ALLER ERKENNTNISSE?

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL

KAPITEL 8

DIE SCHAU DER GROSSEN HÜBSCHEN SCHWEINE

DAS PERFEKTE SCHWEIN

FORMEN DER EPISTOKRATIE

EINGESCHRÄNKTES WAHLRECHT UND PLURALWAHLRECHT

DIE WAHLRECHTSLOTTERIE

UNIVERSELLES WAHLRECHT MIT EPISTOKRATISCHEM VETO

IST EINE KOMBINATION VON UNIVERSELLEM WAHLRECHT UND EPISTOKRATISCHEM VETO WIRKLICH DEMOKRATISCH?

REGIERUNG DURCH SIMULIERTES ORAKEL

WER ENTSCHEIDET, WAS ALS KOMPETENZ ZÄHLT?

DER DEMOGRAPHISCHE EINWAND

DAS KONSERVATIVE ARGUMENT FÜR DIE DEMOKRATIE

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL

KAPITEL 9

DIE POLITIK BRINGT UNS DAZU, EINANDER ALS FEINDE ZU BETRACHTEN

WIE UNS DIE POLITIK ZU FEINDEN MACHT

SITUATIVE FEINDE

POLITISCHE ENTSCHEIDUNGEN SIND BESCHRÄNKT UND MONOPOLISTISCH

POLITISCHE ENTSCHEIDUNGEN WERDEN UNS GEGEN UNSEREN WILLEN UND MIT GEWALTANDROHUNG AUFGEZWUNGEN

ALLE GEGEN ALLE

EIN HOCH AUF DEN TOD DES INKOMPETENTEN KÖNIGS

ANMERKUNGEN ZUM KAPITEL

BIBLIOGRAPHIE

Feedback an den Verlag

Empfehlungen

VORWORT UND DANKSAGUNGEN

Vor zehn Jahren gelangte ich zu der Überzeugung, dass mit der philosophischen Demokratietheorie etwas nicht stimmte. Ich hatte den Eindruck, dass sich die Philosophen und politischen Theoretiker zu sehr von den symbolischen Argumenten für die Demokratie beeindrucken ließen. Sie konstruierten idealisierende Beschreibungen eines demokratischen Prozesses, der wenig Ähnlichkeit mit der Funktionsweise der Demokratie in der realen Welt hatte. Diese Vorstellungen schienen mir vollkommen unbegründet. Die Politik ist kein Gedicht, und unter jenen idealen Bedingungen würden wir wohl keine Demokraten, sondern lieber Anarchisten sein.

Später wurde mir klar, dass meine Unzufriedenheit mit der philosophischen Demokratietheorie kein Grund war, ihr den Rücken zu kehren, sondern eher ein Grund, sich diesem Thema zuzuwenden. Zumindest braucht die Demokratietheorie jemanden, der des Teufels Advokat spielt. Es macht mir keine Freude, diese Rolle zu übernehmen, aber wie ein richtiger Teufel bezweifle ich mittlerweile, ob ich wirklich den Teufel vertrete und ob die Anhänger der Demokratie wirklich die Engel sind.

Viele meiner Kollegen haben eine einigermaßen romantische Vorstellung von der Politik: Die Politik eint uns, bildet und zivilisiert uns und macht uns zu Freunden unserer Mitbürger. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass die Politik genau das Gegenteil davon tut: Sie spaltet uns, macht uns stumpfsinnig und korrumpiert uns, und sie macht uns zu Feinden unserer Mitbürger.

Gegen Demokratie ist in gewissem Sinne der dritte Teil einer Trilogie, die außerdem The Ethics of Voting (2011) und Compulsory Voting: For and Against (2014) beinhaltet. Gegen Demokratie greift Themen der beiden anderen Bücher auf, aber dieses Buch enthält sehr viel ambitioniertere Thesen. In Compulsory Voting erkläre ich, warum eine Wahlpflicht in meinen Augen nicht gerechtfertigt ist. In The Ethics of Voting verfechte ich die Ansicht, dass sich die besten Möglichkeiten zur Entfaltung der bürgerlichen Tugend außerhalb der Politik finden und dass die meisten Bürger tatsächlich eine moralische Pflicht haben, sich nicht an Wahlen zu beteiligen. In diesem Buch gehe ich über diese Thesen hinaus. Sollte die Argumentation in diesem Buch scheitern, beeinträchtigt dies nicht die Thesen der beiden anderen Bücher. In der vorliegenden Untersuchung gelange ich zu dem Schluss, dass manche Bürger, sofern meine Argumentation richtig ist, kein Wahlrecht oder ein im Vergleich zu anderen Bürgern eingeschränktes Wahlrecht haben sollten.

Ich danke meinem Lektor bei der Princeton University Press, Rob Tempio, für die Anregung, mich mit einer Frage zu beschäftigen, die sich in eine Kernthese dieses Buchs verwandelt hat: Die Politik schadet uns, und die meisten von uns sollten im Interesse unseres Wohls ihre politische Teilhabe auf ein Mindestmaß reduzieren. (Ich weiß nicht, ob Rob dieser These zustimmt.) Ich danke Geoffrey Brennan für den Hinweis auf das zweite große Thema des Buchs: In Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Wähler politisch inkompetent sind, ist die Epistokratie der Demokratie vorzuziehen. Nachdem er vor einigen Jahren The Ethics of Voting gelesen hatte, fragte mich Geoff: »Wenn die Wähler so schlecht entscheiden, warum halten wir dann überhaupt an der Demokratie fest?« Meine Suche nach einer Antwort auf diese Frage mündete in eine Reihe von Artikeln und schließlich in das vorliegende Buch. (Geoff wird wahrscheinlich nicht meiner Meinung sein, aber er empfahl mir, mich mit der Frage auseinanderzusetzen.)

Der Großteil des in diesem Buch vorgelegten Materials ist neu, aber ich stütze mich auf meine früheren Veröffentlichungen, aus denen ich teilweise zitiere. Zu nennen sind die folgenden Artikel und Buchkapitel: »The Right to a Competent Electorate«, in: Philosophical Quarterly61 (2011): 700–724; »Political Liberty: Who Needs It?«, in: Social Philosophy and Policy29 (2012): 1–27; »Epistocracy and Public Reason«, in: Ann Cudd und Sally Scholz (Hg.), Democracy in the Twenty-First Century (Berlin: Springer, 2013), 191–204; sowie »How Smart Is Democracy? You Can’t Answer That A Priori«, in: Critical Review26 (2014): 4–30.

Ich muss darauf hinweisen, dass ich bewusst darauf verzichtet habe, mich mit einem der bevorzugten Argumente für die Demokratie und gegen die Epistokratie auseinanderzusetzen: Es besagt, die Epistokratie sei mit der allgemeinen Vernunft unvereinbar. Ich habe mich aus zwei Gründen entschlossen, mich nicht mit dieser Behauptung zu beschäftigen: Erstens bin ich sehr skeptisch gegenüber dem Konzept der allgemeinen Vernunft, aber ich wollte nicht ein halbes Buch der Auseinandersetzung mit dieser Frage widmen. Zweitens habe ich bereits meine Ansicht vertreten, dass Epistokratie und die allgemeine Vernunft im Sinne des Liberalismus sehr wohl miteinander vereinbar sind (Brennan 2013). Da die liberalen Verfechter der allgemeinen Vernunft noch nicht auf diese These geantwortet haben, habe ich an dieser Stelle nichts Neues hinzuzufügen.

Ich danke meiner Hörerschaft an der La Sierra University, der University of Buffalo und der California State University in Sacramento, bei der Public Choice Society, im Wellesley College, an der Duke University, der American Political Science Association und der Charles Sturt University, beim Center for Applied Philosophy and Public Ethics, an der Australian National University, der Georgia State University, der James Madison University, der Wharton School of Business, im Hamden-Sydney College, der University of Richmond, bei der Association of Private Enterprise Education, im Linfield College, an der Bowling Green State University, der University of North Carolina at Chapel Hill und der Christopher Newport University für ihr wertvolles Feedback zu vielen der in diesem Buch vorgelegten Argumente.

Für ungezählte aufschlussreiche Diskussionen über dieses Thema danke ich insbesondere Geoffrey Brennan, Bryan Caplan, David Estlund, Loren Lomasky und Ilya Somin. Großen Dank schulde ich auch John Beverley, Jon Houston, Sean McNamara, Jake Monaghan, Paul Poenicke und Yonatan Schreiber von der Lawless-Buffalo-Gruppe an der University of Buffalo, die zu jedem Entwurf einen Workshop organisiert haben. Des Weiteren danke ich Scott Althaus, Richard Arneson, Neera Badhwar, Christian Barry, Peter Boettke, Trevor Burrus, Elizabeth Busch, Sam Clark, Andrew I. Cohen, Andrew J. Cohen, Daniel Cohen, Ross Corbett, Ann Cudd, Richard Dagger, Vladimiros Dagkas-Tsoukalas, Ryan Davis, Christopher Freiman, Jeffrey Friedman, Michael Fuerstein, Gerald Gaus, Robert Goodin, Paul Gowder, Robert Gressis, Lisa Hill, John Holstead, Peter Jaworski, Helene Landemore, Daniel Layman, Seth Lazar, Andrew Lister, Aaron Maltais, Steven Maloney, Simon Cabulea May, Pierre Moraro, Tom Mulligan, Michael Munger, Guido Pincione, Aaron Powell, Dennis Quinn, Henry Richardson, Christian Rostboll, Ben Saunders, Geoffrey Sayre-McCord, David Schmidtz, Kyle Swan, Fernando Teson, John Tomasi, Kevin Vallier, Bas van der Vossen, Steven Wall und Matt Zwolinski.

Und ich danke den beiden anonymen Gutachtern, die dazu beigetragen haben, dieses Buch besser zu machen.

KAPITEL 1

HOBBITS UND HOOLIGANS

Der amerikanische Revolutionär und Präsident John Adams erklärte: »Ich muss die Politik und den Krieg studieren, damit meine Söhne die Freiheit haben werden, Mathematik und Philosophie zu studieren. Meine Söhne sollten Mathematik und Philosophie, Geographie, Naturgeschichte, Schiffbau, Navigation, Handel und Landwirtschaft studieren, damit ihre Kinder Malerei, Dichtkunst, Musik, Architektur, Bildhauerei, Bildwirkerei und Porzellankunst studieren können.«1 Adams war der Inbegriff des politischen Tiers, aber seine Hoffnung war, dass zukünftige Generationen ein höherwertiges Leben führen würden.

Dieses Buch erklärt, warum wir versuchen sollten, diese Hoffnung zu verwirklichen.

MACHT UNS DIE POLITISCHE KULTUR ZU EDLEREN MENSCHEN ODER KORRUMPIERT SIE UNS? MILL GEGEN SCHUMPETER

Der große Ökonom und Moralphilosoph John Stuart Mill erklärte im 19. Jahrhundert, wir sollten die Entscheidung über die Form unserer Regierung davon abhängig machen, welche die besten Ergebnisse bringe. Mill riet uns, sämtliche Konsequenzen unserer Wahl abzuwägen: Wenn wir uns zwischen Monarchie, Oligarchie, Aristokratie, repräsentativer Demokratie und anderen Regierungsformen entscheiden, sollten wir uns also nicht auf naheliegende Fragen wie jene beschränken, wie gut verschiedene Regierungsformen geeignet sind, die bürgerlichen Freiheitsrechte zu schützen oder das Wirtschaftswachstum zu fördern. Wir sollten auch untersuchen, wie sich die verschiedenen Regierungsformen auf die intellektuellen und moralischen Tugenden der Bürger auswirken. Es könnte sein, dass uns bestimmte Regierungsformen geistig träge und passiv zurücklassen, während uns andere intellektuell rege und aktiv machen.

Mill hoffte, die politische Teilhabe werde die Menschen klüger machen. Sie würden sich mehr um das Gemeinwohl bemühen, gebildeter und edler werden. Er meinte, einem Fabrikarbeiter beizubringen, sich mit Politik zu beschäftigen, sei so, als verhelfe man einem Fisch zu der Erkenntnis, dass es eine Welt außerhalb des Meeres gibt. Er hoffte, die politische Teilhabe werde unseren Verstand schärfer und unser Herz weicher machen. Er glaubte, die politische Beteiligung werde es uns ermöglichen, über unsere unmittelbaren Interessen hinauszublicken, langfristig zu denken und uns eine umfassende Perspektive anzueignen.

Mill ging wissenschaftlich vor. Mitte des 19. Jahrhunderts, als er seine Abhandlungen schrieb, hatten nur wenige Länder eine repräsentative Regierung, und auch in diesen Ländern war das Wahlrecht nur einer nicht repräsentativen, elitären Minderheit vorbehalten. In Mills Zeit war die politische Partizipation im Wesentlichen auf gebildete männliche Angehörige der Oberschicht beschränkt. Mill verfügte also nicht über ausreichende Belege für seine Thesen, sondern bestenfalls über eine einleuchtende Hypothese, die jedoch nicht überprüft werden konnte.

Etwas mehr als 150 Jahre, nachdem Mill seine Hypothese aufstellte, liegen die Testergebnisse vor. Wie ich erklären werde, sind die Resultate im Wesentlichen unerfreulich, und ich denke, Mill würde meiner Einschätzung zustimmen. Die heutigen Formen der politischen Partizipation sind nicht nur ungeeignet, uns zu erziehen oder edler zu machen, sondern tragen im Gegenteil dazu bei, uns zum Narren zu halten und zu korrumpieren. Die Wahrheit kommt dem negativen Urteil des Ökonomen Joseph Schumpeter näher: »So fällt der typische Bürger auf eine tiefere Stufe der gedanklichen Leistung, sobald er das politische Gebiet betritt. Er argumentiert und analysiert auf eine Art und Weise, die er innerhalb der Sphäre seiner wirklichen Interessen bereitwillig als infantil anerkennen würde. Er wird wieder zum Primitiven.«2

Wenn Mills Hypothese falsch ist und Schumpeter recht hat, müssen wir einige unangenehme Fragen stellen: In welchem Umfang sollten sich die Menschen tatsächlich politisch beteiligen? Sollte überhaupt allen Menschen erlaubt werden, sich politisch zu beteiligen?

EINE RÜCKLÄUFIGE DEMOKRATISCHE TEILHABE HAT AUCH IHR GUTES

Die Autoren zahlreicher Bücher über Demokratie und bürgerliches Engagement beklagen sich über die schwindende Bereitschaft zur politischen Partizipation. Sie weisen darauf hin, dass sich Ende des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten zwischen 70 und 80 Prozent der wahlberechtigten Bürger an den wichtigen Wahlen beteiligten, um anschließend mit Bedauern festzustellen, dass heute bestenfalls 60 Prozent der Wahlberechtigten an den amerikanischen Präsidentenwahlen und lediglich 40 Prozent an den Halbzeitwahlen zum Kongress sowie an den Urnengängen in den Bundesstaaten oder auf lokaler Ebene teilnehmen. Die amerikanische Demokratie ist heute so inklusiv wie nie zuvor: Mehr und mehr Bürgern wird ein Platz am politischen Verhandlungstisch angeboten. Und doch werden immer weniger Menschen politisch aktiv. Die Bürger, so die Klage dieser Autoren, sind nicht mehr bereit, selbst politische Verantwortung zu übernehmen.

Ich sehe es anders: Der Rückgang der politischen Beteiligung ist ein guter Anfang, aber wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Wir sollten nicht auf mehr, sondern auf noch weniger Partizipation hoffen. Im Idealfall würde die Politik die Aufmerksamkeit des Durchschnittsbürgers kaum in Anspruch nehmen. Stattdessen würden die meisten Menschen ihre Tage mit Malerei, Poesie, Musik, Architektur, Bildhauerei, Bildwirkerei und Töpferkunst verbringen, oder auch mit Fußball, Autorennen, Promi-Tratsch und Restaurantbesuchen. Und im Idealfall würden sie sich überhaupt nicht mit Politik beschäftigen.3

Im Gegensatz dazu fordern manche politischen Denker, die Politik müsse in eine größere Zahl von Lebensbereichen vordringen. Sie wünschen sich eine intensivere gesellschaftliche Auseinandersetzung mit politischen Fragen. Sie glauben, die Politik mache uns zu besseren Menschen und die Demokratie versetze den Einzelnen in die Lage, sein Schicksal selbst zu bestimmen. Einige »bürgerliche Humanisten« betrachten die Demokratie als Bestandteil des guten Lebens oder zumindest als höhere Berufung.

Welche von beiden Vorstellungen der Wahrheit näher kommt, hängt teilweise davon ab, wie die Menschen gemacht sind, was die demokratische Teilhabe aus ihnen macht und welche Probleme eine politische Partizipation der Masse löst – oder erzeugt.

DIE DREI SPEZIES VON DEMOKRATISCHEN BÜRGERN

Wir müssen nicht länger wie Mill darüber spekulieren, was die Politik aus uns macht. Psychologen, Soziologen, Ökonomen und Politikwissenschaftler untersuchen seit mehr als sechzig Jahren, wie die Menschen über Politik denken, wie sie darauf reagieren und wie sie politische Entscheidungen fällen. Forscher haben untersucht, was Menschen wissen, was sie nicht wissen, welche Überzeugungen sie haben, wie stark diese Überzeugungen sind und was uns dazu bewegt, unsere Meinung zu ändern. Psychologen und Soziologen haben studiert, wie dogmatisch die Menschen sind, wie und warum sie Koalitionen bilden und was sie dazu bringt, zu handeln oder sich zu beteiligen. In den folgenden Kapiteln werden wir uns genauer mit dieser Forschung befassen. An dieser Stelle möchte ich die Ergebnisse zusammenfassen.

Nicht alle Menschen halten gleichermaßen beharrlich an ihren politischen Ansichten fest. Einige verfechten ihre Meinungen mit religiösem Eifer, andere haben keine festen Überzeugungen. Manche Menschen klammern sich jahrelang an dieselbe Ideologie, während andere ihre Meinung leicht ändern.

Auch sind die politischen Vorstellungen unterschiedlich konsistent. Manche Menschen haben in sich geschlossene, kohärente Ansichten. Andere hegen vielschichtige, widersprüchliche Überzeugungen.

Die Menschen haben unterschiedlich viele Meinungen. Manche Leute haben zu allem eine Meinung, während andere praktisch keine spezifischen Ansichten vertreten.

Sodann sind die Menschen unterschiedlich gut informiert und imstande, ihre Überzeugungen mit Fakten zu untermauern. Manche besitzen solide Kenntnisse der relevanten Sozialwissenschaften, andere schauen lediglich die Fernsehnachrichten. Wieder andere wissen kaum etwas über Politik. Sie haben Ansichten, können sie jedoch kaum belegen.

Die Menschen haben unterschiedliche Einstellungen zu Personen, die nicht derselben Meinung wie sie sind, und reagieren unterschiedlich auf solche Personen. Für manche Menschen sind politische Gegner Teufel, andere glauben einfach, Andersdenkende seien im Irrtum. Einige denken, dass zumindest ein Teil ihrer Widersacher vernünftig ist, andere halten alle, die anderer Meinung sind, für Dummköpfe.

Auch Umfang und Art der politischen Teilhabe ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Manche Leute sind so besessen von der Politik wie andere von den Affären Prominenter. Manche Menschen gehen wählen, engagieren sich als Freiwillige und Wahlkampfhelfer und spenden Geld. Andere haben sich noch nie politisch engagiert und werden es auch nie tun. Der Staat könnte ihnen ihre politischen Rechte entziehen, ohne dass sie es bemerken oder sich daran stören würden.

Jeder Bürger nimmt in Bezug auf jede einzelne dieser Fragen eine Position in einem breiten Spektrum ein. Aber für die Zwecke unserer Untersuchung können wir die Einstufung vereinfachen. Es gibt drei Typen von Bürgern in einer Demokratie. Ich nenne sie Hobbits, Hooligans und Vulkanier.

• Hobbits sind politisch im Wesentlichen apathisch und besitzen kaum politische Kenntnisse. Sie haben keine klare und feste Meinung zu den meisten politischen Fragen, und oft haben sie überhaupt keine Meinung. Sie besitzen keinerlei oder geringe sozialwissenschaftliche Kenntnisse. Weder sind sie über die aktuellen politischen Geschehnisse auf dem Laufenden noch kennen sie die sozialwissenschaftlichen Theorien und Daten, die sie brauchen würden, um diese Entwicklungen verstehen und beurteilen zu können. Hobbits kennen die Geschichte ihres Landes oder die Weltgeschichte nur in groben Zügen. Sie ziehen es vor, sich im Alltag möglichst wenig mit Politik zu beschäftigen. In den Vereinigten Staaten ist der typische Nichtwähler ein Hobbit.

• Hooligans sind die fanatischen Sportfans der Politik. Sie haben klare und im Wesentlichen unveränderliche politische Ansichten. Sie können Argumente für ihre Überzeugungen vorbringen, aber sie können keine alternativen Standpunkte erklären, um gegenüber Personen mit anderen Ansichten überzeugend zu argumentieren. Hooligans nehmen politische Information auf, wobei sie jedoch voreingenommen sind. Sie neigen dazu, sich jene Fakten herauszusuchen, die ihre politischen Ansichten bestätigen, während sie Daten, die ihrer Meinung widersprechen, ignorieren oder ablehnen. Möglicherweise haben sie ein gewisses Vertrauen in die Sozialwissenschaften, nutzen deren Erkenntnisse jedoch selektiv und beschäftigen sich nur mit Forschungsergebnissen, die ihre Überzeugungen bestätigen. Sie haben ein übermäßiges Vertrauen in ihr Urteilsvermögen und ihr Wissen. Ihre politischen Überzeugungen sind Teil ihrer Identität, und sie sind stolz darauf, einem politischen Lager anzugehören. Die Zugehörigkeit zu Demokraten oder Republikanern, Labour Party oder Tories, Sozialdemokraten oder Christdemokraten ist für ihr Selbstverständnis ebenso wichtig wie die Zugehörigkeit zur christlichen oder muslimischen Glaubensgemeinschaft für das Selbstbild eines religiösen Menschen. Sie neigen zu Geringschätzung gegenüber Personen, die nicht ihrer Meinung sind, und halten Menschen, deren Weltbild von ihrem eigenen abweicht, für dumm, böse oder selbstsüchtig, zumindest aber für irregeleitet. Die meisten regelmäßigen Wähler, politischen Aktivisten, registrierten Parteimitglieder und Politiker sind Hooligans.

• Vulkanier denken in politischen Dingen wissenschaftlich und rational. Sie besitzen Selbstkenntnis und hegen nur Überzeugungen, die sie belegen können. Sie verfechten ihre Ansichten gestützt auf die Erkenntnisse der Sozialwissenschaften und der Philosophie. Vulkanier können gegensätzliche Standpunkte auf eine Art erklären, die für Verfechter dieser Ansichten akzeptabel wäre. Sie interessieren sich für Politik, sind dabei jedoch leidenschaftslos, was zum Teil daran liegt, dass sie sich aktiv bemühen, vorurteilsfrei zu denken und nicht irrational zu werden. Sie halten Personen, die anderer Meinung als sie sind, nicht für dumm, böse oder selbstsüchtig.

Hier handelt es sich um Idealtypen oder konzeptuelle Archetypen. Manche Menschen lassen sich diesen klar abgegrenzten Kategorien besser zuordnen als andere. Keiner von uns wird je ein wirklicher Vulkanier sein: Wir alle sind zumindest ein wenig voreingenommen. Aber bedauerlicherweise passen viele Menschen sehr gut in die Kategorie des Hobbits oder des Hooligans. Die meisten Bürger sind entweder Hobbits oder Hooligans oder gehören einem Mischtypus an.

Ich möchte darauf hinweisen, dass ich diese Archetypen nicht abhängig davon definiere, wie extremistisch oder gemäßigt die politischen Ansichten eines Menschen sind. Hooligans sind nicht definitionsgemäß Extremisten und Vulkanier sind nicht per definitionem gemäßigt. Es kann durchaus sein, dass einige marxistische Radikale oder libertäre Anarchisten Vulkanier sind, während die meisten politisch gemäßigten Bürger entweder Hobbits oder Hooligans sind.

Ganz allgemein hat meine Definition dieser Archetypen nichts mit Ideologie zu tun. Nehmen wir beispielsweise die Personen mit libertären Neigungen. Einige von ihnen sind Hobbits. Diese Hobbits neigen zum Libertarismus – sie sind dazu prädisponiert, libertäre Schlüsse zu ziehen –, aber sie haben kaum Interesse an Politik und die meisten von ihnen würden sich selbst nicht als Libertäre bezeichnen. Viele, möglicherweise die meisten Libertären sind Hooligans. Für sie ist die freiheitliche Grundhaltung ein wichtiger Bestandteil ihres Selbstverständnisses. Ihre Facebook-Avatare sind schwarzgoldene anarchistische Flaggen, sie gehen nur mit anderen Libertären aus und sie lesen nur den heterodoxen Kult-Ökonomen Murray Rothbard oder die Romane von Ayn Rand. Und einige wenige Libertäre sind Vulkanier.

Mills Hypothese war, dass die politische Beteiligung aufgeklärte Bürger aus den Menschen machen werde. Man könnte sagen, er hoffte, die Auseinandersetzung mit der Politik und die Teilhabe an der repräsentativen Regierung würden Hobbits in Vulkanier verwandeln. Schumpeter hingegen glaubte, die politische Beteiligung werde die Menschen dümmer machen, das heißt Hobbits in Hooligans verwandeln.

In den folgenden Kapiteln werde ich eine Vielzahl von Argumenten für die These, politische Freiheit und Beteiligung seien gut für uns, untersuchen und kritisieren. Ich behaupte, dass politische Partizipation für einen Großteil von uns überwiegend schädlich ist. Die meisten Menschen sind entweder Hobbits oder Hooligans – und die Mehrzahl der Hobbits sind potentielle Hooligans. Es wäre besser für uns und für unsere Umwelt, wenn wir uns aus der Politik heraushielten.

GEGEN DEN DEMOKRATISCHEN TRIUMPHALISMUS

Es gibt verbreitete Vorstellungen über den Wert und Nutzen der Demokratie und die umfassende Einbeziehung der Bürger in die demokratischen Entscheidungsprozesse. Diese Vorstellungen erfreuen sich großer Beliebtheit bei meinen Kollegen, das heißt anderen analytischen politischen Philosophen und politischen Theoretikern, sowie bei zahlreichen politischen Laien in den freiheitlichen Demokratien. Weniger Zuspruch finden sie bei den empirisch denkenden Ökonomen und Politikwissenschaftlern oder bei den empirisch vorgehenden Philosophen und Theoretikern.

Sehen wir uns an, welchen Wert die Demokratie und die umfassende politische Beteiligung haben könnten:

Erkenntnistheoretisch / instrumentell: Es ist möglich, dass die Demokratie und eine umfassende politische Partizipation vorteilhaft sind, weil sie (zumindest verglichen mit alternativen Regierungsformen) gerechte, effiziente oder stabile Resultate hervorbringen.

Ethisch: Es ist möglich, dass die Demokratie und eine umfassende politische Beteiligung vorteilhaft sind, weil sie geeignet sind, die Bürger zu erziehen, aufzuklären und edler zu machen.

Wesensmäßig: Es ist möglich, dass die Demokratie und eine umfassende politische Partizipation der Bürger an sich gut sind.

Ich bezeichne die auf diesen drei Behauptungen beruhende Vorstellung, die Demokratie und eine umfassende politische Beteiligung seien vorteilhaft, gerechtfertigt und ein Gebot der Gerechtigkeit, als demokratischen Triumphalismus. Der Slogan könnte lauten: »Ein dreifaches Hoch auf die Demokratie!« Nach Ansicht der Triumphalisten ist die Demokratie eine einzigartige Form der gesellschaftlichen Organisation. Alle Menschen haben ein Grundrecht auf den gleichen Anteil an politischer Macht. Politische Teilhabe ist gut für uns, denn sie gibt uns Macht über unser eigenes Schicksal, sie hilft uns, unsere Bedürfnisse zu erfüllen, und macht uns zu besseren Menschen. Die politische Aktivität festigt die Brüderlichkeit und das Gemeinschaftsgefühl.

In diesem Buch greife ich den demokratischen Triumphalismus an. Mindestens zwei der drei Vorzüge, die der Demokratie zugesprochen werden, fehlen ihr in Wirklichkeit, und möglicherweise ist auch der dritte nur eine Illusion. Die Gründe dafür sind:

• Für die meisten Menschen hat die politische Partizipation keinen Nutzen. Im Gegenteil: Sie kommt den meisten von uns nicht zugute, sondern trübt unser Urteil und korrumpiert uns. Sie verwandelt uns in Feinde unserer Mitbürger und gibt uns Gründe, einander zu hassen.

• Es existiert kein Grundrecht auf die Beteiligung an Wahlen oder darauf, sich um öffentliche Ämter zu bewerben. Der Anspruch auf politische Machtausübung einschließlich jener verschwindend geringen Macht, die mit dem Wahlrecht einhergeht, muss begründet werden. Das Recht zu wählen ist nicht wie andere Bürgerrechte, darunter die Rechte auf Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit oder Versammlungsfreiheit.

• Es mag sein, dass einige Regierungsformen an sich ungerecht sind, aber die Demokratie ist keine einzigartig oder wesensmäßig gerechte Regierungsform. Das unbeschränkte, gleiche, universelle Wahlrecht – der automatische Anspruch jedes Bürgers auf die Teilnahme an Wahlen – ist in mehrerlei Hinsicht offenkundig anfechtbar. Wie ich ausführlich erklären werde, ist das Problem, dass das universelle Wahlrecht die meisten Wähler dazu verleitet, ignorante und irrationale politische Entscheidungen zu fällen und diese unklugen und unvernünftigen Entscheidungen unschuldigen Mitbürgern aufzuzwingen. Gerechtfertigt wäre ein unbeschränktes, universelles Wahlrecht nur, wenn es nachweislich unmöglich wäre, ein leistungsfähigeres System zu entwickeln.

Im Allgemeinen sind die Länder, in denen man gegenwärtig am besten lebt, freiheitliche Demokratien. In Ländern mit einer Diktatur, einer Einparteienregierung, einer Oligarchie oder einer Monarchie leben die Menschen nicht so gut. Das beweist jedoch nicht, dass die Demokratie das ideale oder auch nur das beste mögliche politische System ist. Und selbst wenn sich herausstellt, dass die Demokratie das beste mögliche System ist, können wir es mit weniger Partizipation möglicherweise verbessern. Im Allgemeinen funktioniert die Demokratie besser als jene Alternativen, die wir ausprobiert haben. Aber vielleicht gibt es bessere Systeme, die wir noch nicht ausprobiert haben. Ich werde nicht versuchen, meine Leser davon zu überzeugen, dass es eine garantiert bessere Alternative gibt, aber ich werde eine bedingte Forderung erheben: Wenn sich herausstellt, dass es eine bessere Alternative gibt, dann sollten wir sie ausprobieren. In den Ohren mancher Leser mag das wie eine schwache Forderung klingen. Aber in der gegenwärtigen Landschaft der Demokratietheorie macht sie mich zu einem Radikalen. Die meisten Laien lehnen diese Forderung ebenso ab wie die meisten politischen Philosophen der Gegenwart: Sie glauben, dass wir an der Demokratie festhalten sollten, selbst wenn sich herausstellt, dass eine nichtdemokratische Alternative besser funktionieren würde.

DIE POLITISCHEN FREIHEITSRECHTE UNTERSCHEIDEN SICH VON ANDEREN RECHTEN

Die meisten Nordamerikaner und Westeuropäer bekennen sich unabhängig davon, welche Partei sie wählen, zu einer Art von philosophischem Liberalismus. Dieser besagt, die Menschenwürde, die ein Gebot der Gerechtigkeit sei, gebe jedem von uns einen Anspruch auf breitgefächerte Rechte und Freiheiten, die nicht leichthin im Interesse des Gemeinwohls missachtet oder eingeschränkt werden dürfen. Diese Rechte sind wie Trumpfkarten: Sie hindern andere daran, uns zu benutzen, uns einzuschränken oder uns zu schaden, selbst wenn das für andere gut wäre. Im heutigen politischen Diskurs der Vereinigten Staaten wird das Wort Liberaler auch verwendet, um all jene zu beschreiben, deren politische Ansichten links von der Mitte angesiedelt sind. In der politischen Philosophie sind damit jedoch jene gemeint, die in der Freiheit den grundlegenden politischen Wert sehen.

Die Liberalen stellen sich in Anlehnung an Mill normalerweise auf den Standpunkt, dass jeder Mensch die Freiheit haben sollte, schlechte Entscheidungen zu fällen, solange er damit nur sich selbst schadet. Sehen wir uns zur Veranschaulichung dieses Arguments ein Beispiel an: Nehmen wir an, dass sich Izzy, ein alleinstehender, kinderloser Mann Mitte zwanzig, unklug verhält: Er isst zu viel, bewegt sich zu wenig und verschwendet sein Geld. Doch so unklug Izzys Entscheidungen auch sein mögen, er schadet niemandem außer sich selbst. Lassen wir ihn leben, wie es ihm gefällt. Seine Entscheidungen sind schlecht, aber wir haben kein Recht, ihn daran zu hindern.

So wie Izzy das Recht hat, so lange zu essen, bis er einen Herzinfarkt erleidet, hat ein demokratisches Land nach Meinung vieler Verfechter der Demokratie das Recht, sich durch schlechte Entscheidungen in eine Wirtschaftskrise zu manövrieren. Die schlechten, unklugen oder irrationalen Entscheidungen einer Demokratie unterscheiden sich nicht von Izzys schlechten, unklugen oder irrationalen Entscheidungen.

Aber die Analogie ist fehlerhaft. Das Wahlvolk ist etwas anderes als ein Individuum. Das Wahlvolk ist eine Ansammlung von Individuen mit verschiedenen Zielen, Verhaltensweisen und intellektuellen Fähigkeiten. Es ist kein homogenes Gebilde, dessen einzelne Bestandteile dieselben politischen Maßnahmen befürworten. Vielmehr zwingt in einer Demokratie ein Teil der Individuen einem anderen Teil seine Entscheidungen auf. Wenn sich die Mehrheit der Wähler unklug verhält, schadet sie nicht nur sich selbst, sondern auch besser informierten und vernünftigeren Wählern, Minderheitswählern, Bürgern, die nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht haben, zukünftigen Generationen, Kindern, Einwanderern und Ausländern, die nicht wählen dürfen. Unsere politischen Entscheidungen wirken sich nicht nur auf uns selbst, sondern auf alle Einwohner unseres Landes aus. Fällt die Mehrheit eine unvernünftige Entscheidung, so müssen auch alle, die nicht der Mehrheit angehören, die Konsequenzen dieser falschen Entscheidung tragen.

Das bedeutet, dass politische Entscheidungen unabhängig davon, ob sie demokratisch oder auf andere Art zustande kommen, besser gerechtfertigt werden müssen als Entscheidungen, die nur uns selbst betreffen. Um die Grundfreiheiten zu rechtfertigen, müssen wir zunächst erklären, warum der Einzelne das Recht haben soll, sich selbst zu schaden. Das ist eine schwierige Aufgabe, und sogar heute sind einige Philosophen der Meinung, dass wir das Recht haben sollten, Menschen an schlechten Entscheidungen zu hindern, selbst wenn sie damit niemandem außer sich selbst schaden.4 Die Rechtfertigung der Demokratie ist noch schwieriger: Dazu müssen wir erklären, warum ein Teil der Mitglieder der Gemeinschaft das Recht haben soll, Mitbürgern schlechte Entscheidungen aufzuzwingen. Insbesondere müssen wir zur Rechtfertigung der Demokratie begründen, dass es legitim ist, unschuldigen Menschen inkompetent gefällte Entscheidungen aufzuzwingen (dazu mehr in den späteren Kapiteln).

Ich beschränke meine Definition der politischen Freiheitsrechte in diesem Buch auf das Wahlrecht und auf das Recht, für öffentliche Ämter und politische Machtpositionen zu kandidieren und sie einzunehmen. Manche Leute ziehen eine umfassendere Definition des Konzepts vor und schließen auch das Recht auf politische Meinungsäußerung, politische Versammlungen und Bildung politischer Parteien ein. Diese Rechte rechne ich hier den Bürgerrechten der Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu. Beispielsweise betrachte ich mein Recht, dieses Buch über die politische Partizipation zu schreiben, nicht als politisches Freiheitsrecht, sondern als Bürgerrecht.

Diese Zuordnung dient nicht der konzeptuellen Analyse, sondern einfach der Begriffsbestimmung. Die Verwendung der Etiketten hat keine substantiellen Auswirkungen. Ich interessiere mich für das aktive und passive Wahlrecht, weil dieses politische Recht – anders als jene Rechte, die ich als bürgerliche oder wirtschaftliche Freiheitsrechte bezeichne – in erster Linie das Recht beinhaltet, Macht über andere auszuüben. Die Meinungsfreiheit gibt uns normalerweise nur Macht über uns selbst, während uns das Wahlrecht – wenn nicht als Individuen, so doch im Kollektiv – beträchtliche Macht über andere gibt.5

WIE BEURTEILT MAN DEN WERT DER DEMOKRATIE: INSTRUMENTALISMUS ODER PROZEDURALISMUS

Wenn wir den Wert eines Hammers bestimmen wollen, fragen wir normalerweise, ob er für uns eine Funktion erfüllt. Ein Hammer hat einen Zweck – er dient dazu, Nägel in ein Material zu schlagen –, und ein guter Hammer erfüllt diesen Zweck. Ein Hammer hat also in erster Linie einen instrumentellen Wert.

Wenn wir den Wert eines Gemäldes bestimmen wollen, betrachten wir normalerweise seinen symbolischen Wert. Wir fragen, ob das Gemälde schön ist, ob es beim Betrachter Gefühle oder Vorstellungen weckt. Manchen Bildern messen wir abhängig davon, wie sie gemalt sind und wer sie gemalt hat, einen höheren Wert bei.

Die Antwort auf die Frage, was Menschen wertvoll macht, lautet oft, dass der Mensch ein Selbstzweck ist. Natürlich können Menschen auch einen instrumentellen Wert haben – der Kellner, der uns einen Kaffee serviert, erfüllt einen Zweck –, aber sie haben auch einen Wert an sich. Menschen haben keinen Preis, sondern eine Menschenwürde.

Wie verhält es sich nun mit der Demokratie? Die meisten politischen Philosophen sind sich darin einig, dass die Demokratie einen instrumentellen Wert hat. Sie funktioniert durchaus gut und bringt relativ gerechte Ergebnisse hervor. Daher, so die verbreitete Einschätzung, ist die Demokratie zumindest auf dieselbe Art wertvoll wie ein Hammer.

Aber die meisten Philosophen glauben auch, dass wir den Wert der Demokratie so bestimmen sollten, wie wir den Wert eines Kunstwerks oder einer Person bestimmen: Sie erklären, die Demokratie sei der höchste Ausdruck der Idee, dass alle Menschen denselben Wert haben. Sie behaupten, die Ergebnisse der Demokratie seien in Anbetracht dessen gerechtfertigt, wer sie wie hervorgebracht hat, und betrachten diese politische Ordnung als Selbstzweck. Manche Philosophen halten das demokratische Entscheidungsverfahren für inhärent gerecht. Einige gehen so weit zu behaupten, alles, was eine Demokratie entscheide, sei einfach deshalb gerechtfertigt, weil es demokratisch entschieden worden sei. Sie bestreiten, dass zur Beurteilung der Funktionsweise von Demokratien verfahrensunabhängige Maßstäbe herangezogen werden können.

Ich hingegen vertrete die Ansicht, dass die Demokratie ausschließlich instrumentellen Wert hat: Der einzige Grund, der Demokratie den Vorzug vor einem anderen politischen System zu geben, besteht darin, dass sie besser geeignet ist, gerechte Resultate zu liefern, die an verfahrensunabhängigen Maßstäben der Gerechtigkeit gemessen werden können. Die Demokratie ist in diesem Sinn also mit einem Hammer vergleichbar. Wenn wir einen besseren Hammer finden können, sollten wir diesen verwenden. An anderer Stelle in diesem Buch werde ich einige Belege dafür vorlegen, dass es möglich sein dürfte, einen besseren Hammer als diesen zu bauen. (Ob er tatsächlich besser funktioniert, können wir jedoch erst wissen, wenn wir ihn einsetzen.)

Eine der grundlegenden politischen Fragen lautet, wer die Macht haben sollte. Monarchie, Aristokratie, Demokratie und andere Regierungsformen unterscheiden sich in erster Linie durch die Verteilung der Macht voneinander. Die Monarchie zum Beispiel legt die grundlegende politische Macht in die Hände einer einzigen Person, während die Demokratie allen Bürgern denselben Anteil an der Macht zugesteht.

Aber so wie es konkurrierende Antworten auf die Frage gibt, wer die Macht haben sollte, gibt es auch unterschiedliche Ansichten dazu, welche Kriterien wir anwenden sollten, um diese Frage zu beantworten. Die beiden grundlegenden Konzepte sind der Prozeduralismus und der Instrumentalismus. Der Prozeduralismus besagt, dass verschiedene Methoden zur Verteilung der Macht an sich gerecht oder ungerecht beziehungsweise gut oder schlecht sind. Der Instrumentalismus besagt, dass wir die Macht so verteilen sollten, dass die Regierung verfahrensunabhängig den richtigen Zweck erfüllt, worin auch immer dieser besteht.

Der Prozeduralismus postuliert, dass eine bestimmte Art (oder bestimmte Arten) der Machtverteilung oder Entscheidungsfindung an sich gut, gerecht oder legitim ist. Alternativ dazu wird ein Prozeduralist erklären, dass bestimmte zur Entscheidungsfindung eingesetzte Institutionen an sich ungerecht sind. Beispielsweise sind die Philosophen Thomas Christiano und David Estlund Prozeduralisten. Christiano betrachtet die Demokratie als wesensmäßig gerecht.6 Estlund behauptet nicht, dass die Demokratie an sich gerecht ist, glaubt jedoch, dass bestimmte Regierungsformen wie die Monarchie und die Theokratie an sich ungerecht sind.7

Der reine Prozeduralismus besagt, dass es keine unabhängigen moralischen Maßstäbe für die Bewertung der Ergebnisse der für die Entscheidungsfindung zuständigen Institutionen gibt. Beispielsweise erklärt der politische Philosoph Jürgen Habermas, alle unsere Entscheidungen seien gerecht, solange sie das Ergebnis eines bestimmten idealisierten Abwägungsprozesses sind. Der politische Theoretiker Iñigo González-Ricoy behauptet (in einer Arbeit, in der er mich kritisiert): »In einer demokratischen Gesellschaft können keine verfahrensunabhängigen moralischen Kriterien herangezogen werden, um festzustellen, was eine schädliche, ungerechte oder moralisch nicht gerechtfertigte Ausübung des Wahlrechts ist, denn Wahlen sind ein Instrument, das eben nur dann benötigt wird, wenn die Bürger unterschiedlicher Meinung darüber sind, was schädlich, ungerecht oder moralisch nicht gerechtfertigt ist.«8

Man beachte das scheinbar sehr überzeugende Argument González-Ricoys: Die Bürger sind unterschiedlicher Meinung darüber, was als schädlich oder ungerecht zu betrachten ist. Daraus schließt er, dass wir nicht auf unabhängige Maßstäbe der Gerechtigkeit zurückgreifen dürfen, um die Leistungen von Demokratie zu beurteilen. Die prozeduralistischen Puristen glauben, dass es objektive, von den Meinungen unabhängige moralische Wahrheiten gibt, aber diese Wahrheiten betreffen nicht, was wir entscheiden, sondern lediglich die Art, wie wir politische Entscheidungen fällen.

Der reine Prozeduralismus hat zutiefst unplausible Implikationen. Nehmen wir beispielsweise an, es wird über die Frage debattiert, ob es den Bürgern erlaubt sein sollte, Kinder zu vergewaltigen. Nehmen wir an, die Mehrheit stimmt am Ende eines idealen Beratungsverfahrens dafür, Erwachsenen zu erlauben, nach Belieben Kinder zu vergewaltigen. Ein Verfechter des rein prozeduralistischen Demokratieverständnisses würde sagen, dass die Vergewaltigung von Kindern in diesem Fall tatsächlich zulässig ist. Aus diesem Grund wirkt der reine Prozeduralismus absurd, weshalb ich mich in diesem Buch nicht eingehend damit befassen werde. Andere politische Philosophen haben die besten Argumente für den reinen Prozeduralismus bereits einer gründlichen Kritik unterzogen, und ich denke, dass diese vernichtenden Kritiken als definitiv betrachtet werden können.9

Aber während der reine Prozeduralismus unplausibel ist, gilt dies nicht zwangsläufig für den partiellen Prozeduralismus. An anderer Stelle werden wir uns mit einigen Argumenten für die Demokratie beschäftigen, die Prozeduralismus und Instrumentalismus miteinander vermengen.

Im Gegensatz zum Prozeduralismus besagt das instrumentalistische Konzept der Machtverteilung, dass es verfahrensunabhängige richtige Antworten zumindest auf einige politische Fragen gibt und dass eine Machtverteilung oder eine Entscheidungsmethode zumindest teilweise dadurch gerechtfertigt wird, dass diese Verteilung oder Methode tendenziell zur richtigen Antwort führt. Beispielsweise gibt es im Strafrecht ein Anklagesystem, in dem ein Anwalt den Staat als Kläger und ein anderer den Angeklagten als Verteidiger vertritt. Es gibt eine unabhängige Wahrheit über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten. Das Urteil der Geschworenen entscheidet nicht, was die Wahrheit ist. Die Geschworenen sollen herausfinden, was die Wahrheit ist. Die Befürworter der Geschworenengerichtsbarkeit und des Anklagesystems sind überzeugt, dass dieses System im Großen und Ganzen besser als andere Systeme geeignet ist, die Wahrheit zutage zu fördern.

Die radikalste Form des Instrumentalismus ist der reine Instrumentalismus. Er besagt, dass keine Methode zur Verteilung der politischen Macht an sich gerecht oder ungerecht ist. Stattdessen gibt es nach Ansicht der reinen Instrumentalisten eine verfahrensunabhängige Wahrheit darüber, welches die richtigen Ziele der Regierung sind, welche Art von Maßnahmen eine Regierung ergreifen sollte oder welche Ergebnisse die Regierung liefern sollte. Wir sollten uns für jene Regierungsform entscheiden, die diese unabhängige Wahrheit am besten zutage fördert – und wenn wir die Wahrheit am besten ohne Regierung finden können, sollten wir auf eine Regierung verzichten.

Ein Verfechter des reinen Instrumentalismus würde also sagen, dass wir uns dann für die Demokratie entscheiden sollten, wenn sie die Wahrheit am besten zutage fördert, das heißt, wenn die demokratische Entscheidungsfindung eher zu guten Entscheidungen führen wird als andere Systeme. Wenn es eine bessere Alternative gibt, sollten wir diese wählen. Ein reiner Instrumentalist würde fordern: Wenn wir die Gesellschaft gerechter machen können, indem wir Tante Betty zur Königin machen, dann sollten wir Tante Betty auf den Thron setzen. Wenn wir für mehr Gerechtigkeit sorgen können, indem wir nur schwarzen Frauen im Alter zwischen 24 und 37 Jahren erlauben, öffentliche Ämter zu bekleiden, dann sollten wir es tun. Wenn wir die besten Ergebnisse erzielen können, indem wir die möglichen politischen Maßnahmen auf Zettel schreiben, diese an die Wand hängen, mit Darts danach werfen und jene Maßnahmen umsetzen, die wir mit den Pfeilen getroffen haben, dann sollten wir das tun.

Man könnte auch eine teils prozeduralistische, teils instrumentalistische Lösung wählen. Beispielsweise vertritt Estlund die Ansicht, einige Alternativen zur Demokratie – darunter die Monarchie – seien aus Verfahrensgründen von vornherein ausgeschlossen, weil sie wesensmäßig ungerecht seien. Aber er glaubt, dass man sich bei der Wahl der Regierungsform nicht allein an prozeduralen Erwägungen orientieren kann, weil diese nur sehr wenige akzeptable Möglichkeiten zulassen, darunter die Anarchie, die Losentscheidung und die Demokratie. Er schlägt vor, die Demokratie statt der beiden anderen zu wählen, weil sie mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Wahrheit darüber führt, was erforderlich ist, um Gerechtigkeit zu erreichen.10 Estlund zufolge sind die prozeduralistischen Erwägungen geeignet, einige Optionen auszuschließen, aber die instrumentalistischen Erwägungen ermöglichen es uns, aus den verbliebenen Kandidaten das richtige System auszuwählen.

Wenn ich die Demokratie mit einem Hammer gleichsetze, will ich sagen, dass sie ein Mittel zum Zweck, aber kein Selbstzweck ist. Ich werde erklären, warum die Demokratie nicht an sich gerecht ist. Unter Verfahrensgesichtspunkten ist sie nicht gerechtfertigt. Die Demokratie kann lediglich instrumentellen Wert haben.11 (Ich weiß nicht, ob irgendeine Form von Regierung wesensmäßig ungerecht ist, aber da diese Frage für meine Argumentation irrelevant ist, werde ich dazu nicht Stellung beziehen.)

DEMOKRATIE ODER EPISTOKRATIE: WELCHES DER BEIDEN SYSTEME IST DER BESSERE HAMMER?

Umfangreiche empirische Studien haben gezeigt, dass das durchschnittliche Niveau des politischen Wissens der Bürger heutiger Demokratien niedrig ist. Wie niedrig es ist, werden wir in Kapitel 2 (sowie in den Kapiteln 3 und 7) sehen.

Vor fast zweieinhalb Jahrtausenden äußerte Platon die Sorge, das Wahlvolk in einer Demokratie werde zu dumm, irrational und unwissend sein, um sich eine gute Regierung zu geben. Anscheinend hielt er die Herrschaft eines edlen und weisen Philosophenkönigs für die beste Regierungsform. (Die Gelehrten streiten darüber, ob Platon diesen Vorschlag ernst meinte.) Heutige politische Philosophen würden Platon als Epistokraten bezeichnen.12 Epistokratie bedeutet »Herrschaft der Wissenden«. Genauer gesagt, ist ein politisches System epistokratisch, wenn die politische Macht formal entsprechend der Kompetenz, den Kenntnissen und der Bereitschaft verteilt wird, das Handeln an diesen Kenntnissen auszurichten.

Aristoteles antwortete Platon, die Herrschaft eines Philosophenkönigs wäre zwar die beste Lösung, aber solche Könige werde es nie geben. Die wirklichen Menschen seien einfach nicht weise oder edelmütig genug, um diese Rolle auszufüllen, und anders als von Platon behauptet sei es auch nicht möglich, sie so zu erziehen, dass sie diese Weisheit oder diesen Edelmut mit Sicherheit erlangen würden.

Aristoteles hatte recht: Es ist unmöglich, einen Menschen zu einem Philosophenkönig zu machen. In der realen Welt ist das Regieren zu schwierig, als dass ein Mensch es allein bewerkstelligen könnte. Schlimmer noch: Würden wir in der realen Welt einen Amtsträger mit einem solchen Ermessensspielraum ausstatten, so würde diese Macht die falschen Personen anlocken, nämlich genau jene, die diese ungeheure Macht für ihre eigenen Ziele missbrauchen wollen.

Aber die Epistokratie steht und fällt nicht mit einem Philosophenkönig oder einer Gruppe von Hütern der Philosophenherrschaft. Es sind zahlreiche andere Formen von Epistokratien möglich:

Beschränktes Wahlrecht: Die Bürger erhalten das aktive und passive Wahlrecht nur, nachdem sie (mittels eines geeigneten Prozesses) als kompetent und / oder ausreichend informiert eingestuft worden sind. In diesem epistokratischen System gibt es eine repräsentative Regierung und ähnliche Institutionen wie in den modernen Demokratien, aber es steht nicht jedem Bürger das Wahlrecht zu. Dennoch genießen große Teile der Bürgerschaft das Wahlrecht, wenn es auch nicht universell ist wie in der Demokratie.

Pluralwahlrecht: Wie in der Demokratie hat jeder Bürger das Wahlrecht. Aber einige Bürger, die (mittels eines gesetzlich festgeschriebenen Prozesses) als kompetenter oder besser informiert eingestuft worden sind, erhalten zusätzliche Stimmen. Mill befürwortete das Pluralwahlrecht. Wie bereits erwähnt, glaubte er, dass die Menschen edler werden würden, wenn man sie an den politischen Entscheidungen teilhaben lässt. Er fürchtete jedoch, dass zu viele Bürger inkompetent und nicht ausreichend gebildet sein würden, um sich an den Urnen richtig zu entscheiden. Daher schlug er vor, gebildeteren Menschen eine größere Zahl von Wählerstimmen zuzugestehen.

Stimmrechtslotterie: Die Wahlzyklen verlaufen normal, aber kein Bürger hat ein automatisches Wahlrecht. Kurz vor der Wahl werden Tausende Bürger mittels einer Lotterie als Vorwähler ausgewählt. Diese Vorwähler können dann das Wahlrecht erwerben, müssen dafür jedoch an bestimmten Maßnahmen zur Entwicklung ihrer Kompetenzen teilnehmen, zum Beispiel an Foren, in denen sie sich mit ihren Mitbürgern beratschlagen.13

Epistokratisches Veto: Alle Gesetze müssen in einer demokratischen Institution ein demokratisches Verfahren durchlaufen, aber ein epistokratisches Gremium mit beschränkter Mitgliedschaft behält sich das Recht vor, ein Veto gegen die von dem demokratischen Organ verabschiedeten Gesetze einzulegen.

Gewichtetes Wahlrecht / Regierung durch simuliertes Orakel: Jeder Bürger darf an Wahlen teilnehmen, muss zuvor jedoch eine Prüfung bestehen, in der er politische Grundkenntnisse nachweisen muss. Seine Stimme wird im Verhältnis zu seinem objektiven politischen Wissen gewichtet, wobei der Einfluss von ethnischer Zugehörigkeit, Einkommen, Geschlecht und / oder anderen demographischen Faktoren berücksichtigt werden kann.

In den letzten Jahren hat die platonische Philosophie eine Renaissance erlebt. In der politischen Philosophie hat sich die Epistokratie zum wichtigsten Herausforderer der Demokratie gemausert. Zwar treten nur wenige politische Philosophen für die Epistokratie ein; die meisten halten an der Demokratie fest. Aber es hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Nachweis erbracht werden muss, dass die Demokratie der Epistokratie unter Berücksichtigung aller Faktoren tatsächlich überlegen ist. Und die politischen Philosophen haben begriffen, dass es nicht leicht ist, diesen Nachweis zu erbringen.

Ich werde erklären, warum die Wahl zwischen Demokratie und Epistokratie instrumenteller Natur ist. Letzten Endes geht es um die Frage, welches System in der realen Welt besser funktionieren würde. Ich werde erklären, was dafür spricht, dass die Epistokratie der Demokratie überlegen wäre, obwohl wir noch nicht genügend Belege dafür haben, dass es tatsächlich besser wäre, der Epistokratie den Vorzug zu geben. Wir sind gezwungen zu spekulieren, weil die aussichtsreichsten Formen der Epistokratie noch nicht ausprobiert wurden. Ich werde nicht die kategorische Behauptung aufstellen, die Epistokratie sei der Demokratie überlegen. Meine Thesen sind bedingt. Wenn sich herausstellt, dass die Epistokratie bei all ihren zu erwartenden Mängeln bessere Ergebnisse als die Demokratie liefert, sollten wir die Demokratie durch dieses System ersetzen. Es gibt auch gute Gründe für die Annahme, dass eine praktikable Form der Epistokratie der Demokratie überlegen wäre. Und wenn beide Systeme gleich gut funktionieren, können wir beide umsetzen.

Viele halten die Verfechter der Epistokratie für autoritär. Die Epistokraten scheinen zu behaupten, kluge Menschen sollten einfach deshalb, weil sie mehr wissen, das Recht haben, über andere zu herrschen. Estlund erklärt diesbezüglich, die Argumente für die Epistokratie ruhten normalerweise auf drei Säulen: Wahrheit, Wissen und Autorität.

Postulat der Wahrheit: Es gibt richtige Antworten auf politische Fragen (oder zumindest auf einen Teil davon).

Postulat des Wissens: Einige Bürger kennen diese Wahrheit besser als andere oder sind besser geeignet, sie zu erkennen.

Postulat der Autorität: Wenn einige Bürger mehr wissen als andere oder besser in der Lage sind, die Wahrheit zu erkennen, ist es gerechtfertigt, ihnen politische Autorität über jene zuzugestehen, die weniger wissen.14

Estlund akzeptiert die Postulate von Wahrheit und Wissen, aber das Postulat der Autorität lehnt er ab. Dieses Postulat beruht in seinen Augen auf dem, was er als »Experten-Autorität-Trugschluss« bezeichnet. Diesen Irrtum begeht man, wenn man glaubt, die Tatsache, dass jemand ein Experte ist, sei Grund genug, ihm Autorität über andere Menschen zuzugestehen. Estlund erklärt, der Besitz größeren Wissens begründe keinen Machtanspruch, geschweige denn den Anspruch, mehr Macht auszuüben als andere Menschen. Wir können zum Experten immer sagen: »Mag sein, dass Sie mehr wissen – aber wer hat Sie zum Chef gemacht?« Beispielsweise weiß meine Schwägerin, die Ernährungswissenschaftlerin ist, besser als ich, was ich essen sollte, aber das bedeutet nicht, dass sie die Möglichkeit haben sollte, mich zu zwingen, mich an die von ihr vorgeschriebene Diät zu halten. Der Promi-Trainer Shaun T weiß besser als ich, wie man einen Waschbrettbauch bekommt, aber das bedeutet nicht, dass er das Recht haben sollte, mich zu Liegestützsprüngen zu zwingen.

Ich teile Estlunds Einschätzung, dass das Autoritätspostulat falsch ist. Aber wie ich in Kapitel 6 erklären werde, steht und fällt die Argumentation für die Epistokratie nicht mit diesem Postulat. Vielmehr beruht sie auf einem Antiautoritätspostulat.

Antiautoritätspostulat: Wenn einige Bürger moralisch unvernünftig, unwissend oder politisch inkompetent sind, ist dies ein ausreichender Grund, ihnen nicht zu erlauben, politische Autorität über andere auszuüben. Es ist ein Grund, ihnen zu verbieten, Macht auszuüben, oder ihre Macht zu verringern, um Unschuldige vor ihrer Inkompetenz zu schützen.

Indem er die Epistokratie mit dem Postulat der Autorität verknüpft, macht Estlund die Argumentation für dieses System unabsichtlich schwieriger, als sie eigentlich ist. Die Epistokraten müssen nicht verlangen, dass die Macht in die Hände der Experten gelegt wird. Sie müssen lediglich verlangen, dass inkompetente oder unvernünftige Menschen nicht mit Macht über andere ausgestattet werden. Sie müssen lediglich darauf hinweisen, dass es der demokratischen Entscheidungsfindung in bestimmten Fällen an Autorität oder Legitimität mangelt, weil sie inkompetent ist. Das lässt die Frage offen, was eine ausreichende Rechtfertigung für politische Macht ist.

UNBEGRÜNDETE ODER BEGRÜNDETE POLITISCHE UNGLEICHHEIT

Viele halten es für einen unanfechtbaren, nicht verhandelbaren Grundsatz, dass alle Menschen den gleichen Anteil an der politischen Macht haben sollten. Eine ungleiche Verteilung der politischen Macht ist in ihren Augen gleichbedeutend mit Ungerechtigkeit.

Das hat durchaus etwas für sich. In der Geschichte der menschlichen Zivilisation war die politische Macht zumeist ungleich verteilt, und diese Ungleichverteilung beruhte auf moralisch willkürlichen oder abstoßenden Begründungen oder einfach auf Bosheit. Wir haben Fortschritte gemacht und begriffen, welche Fehler wir in der Vergangenheit gemacht haben. Wir sollten niemandem die Macht übertragen, nur weil er weiß, protestantisch oder männlichen Geschlechts ist. Wir sollten keiner Person politische Macht vorenthalten, nur weil sie schwarz, katholisch, irisch, jüdisch oder weiblich ist, weil sie kein Haus besitzt oder weil ihr Vater Straßenkehrer war. Ein Mensch darf nicht das Recht erhalten, Macht auszuüben, nur weil er der Enkel eines Kriegsherrn ist. In der Vergangenheit war die Ungleichverteilung der politischen Macht fast immer ungerecht. Ein Schritt zur Demokratisierung war normalerweise ein Schritt in die richtige Richtung.

Aber daraus, dass die politische Ungleichheit in der Vergangenheit ungerecht war, können wir nicht schließen, dass die politische Ungleichheit an sich ungerecht ist. Selbst wenn die Menschen in der Vergangenheit ohne gute Gründe von der politischen Macht ausgeschlossen wurden, könnte es gute Gründe dafür geben, manchen Menschen das Recht auf politische Teilhabe vorzuenthalten oder ihnen einen geringeren Anteil an der Macht zuzugestehen.

Zur Veranschaulichung: Wir sollten niemanden daran hindern, ein Auto zu fahren, weil er Atheist, homosexuell oder ein Unberührbarer ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass sämtliche Beschränkungen der Fahrerlaubnis ungerecht sind. Es kann durchaus gerechte Begründungen dafür geben, manche Menschen am Autofahren zu hindern, weil sie inkompetente Fahrer sind und im Straßenverkehr eine zu große Gefahr für andere Menschen darstellen.

Genauso könnte man mit den politischen Rechten verfahren. Früher verweigerten viele Länder ihren Bürgern aus inakzeptablen Gründen das Recht auf politische Teilhabe, zum Beispiel, weil sie schwarz waren, weil sie weiblichen Geschlechts waren oder weil sie keinen Grundbesitz hatten. Aber während das ungerecht war, gibt es möglicherweise gute Gründe dafür, das Recht mancher Bürger auf politische Teilhabe zu beschränken oder ihnen dieses Recht vorzuenthalten.15 Vielleicht sind manche Bürger nicht zur politischen Partizipation geeignet, weil sie zu gefährlich für ihre Mitbürger sind. Vielleicht haben einige von uns das Recht, vor der Inkompetenz mancher Mitbürger geschützt zu werden.

»GEGEN POLITIK« MUSS NICHT WENIGER REGIERUNG BEDEUTEN

Eine Zeitlang dachte ich darüber nach, diesem Buch den Titel Gegen Politik zu geben. Aber dieser Titel wäre insbesondere mit Blick auf meine anderen Arbeiten irreführend gewesen. In diesem Buch werde ich erklären, warum uns die politische Beteiligung erstens eher korrumpiert, als dass sie uns intellektuell und moralisch besser machen würde, warum die Partizipation und die politischen Freiheitsrechte zweitens keinen großen instrumentellen oder immanenten Wert haben und warum wir drittens vermutlich bessere politische Ergebnisse erzielen würden, wenn wir die Demokratie durch eine Form von Epistokratie ersetzen würden.

Damit will ich nicht sagen, dass wir das politische Betätigungsfeld einschränken sollten, also die Zahl oder den Umfang der Angelegenheiten, die der politischen Aufsicht und Regulierung unterstellt sein sollten. Einige Autoren wie der Rechtswissenschaftler Ilya Somin sind der Meinung, die beste Methode zur Verringerung der durch politische Unkenntnis verursachten Schäden bestünde darin, die Funktionen der Regierung einzuschränken.16 Somin und andere Autoren, die so argumentieren, mögen recht haben oder nicht. Ich kann an dieser Stelle nicht zur Klärung dieser Frage beitragen.

Ich glaube, dass die meisten von uns wenig von Politik verstehen und dass die Politik für die meisten von uns schlecht ist, aber daraus schließe ich nicht, dass wir die Rolle der Regierung schwächen (oder stärken) sollten. Vielmehr vertrete ich die Auffassung, dass weniger Bürger das Recht zur politischen Beteiligung haben sollten, sofern die Fakten belegen, dass dies für die Gemeinschaft besser wäre. Wenn Sie ein Sozialdemokrat sind, schlage ich Ihnen vor, über die Möglichkeit nachzudenken, ein Sozialepistokrat zu werden. Wenn Sie ein demokratischer Sozialist sind, empfehle ich Ihnen, ein epistokratischer Sozialist zu werden. Wenn Sie ein konservativer Republikaner sind, sollten Sie darüber nachdenken, sich in einen konservativen Epistokraten zu verwandeln. Wenn Sie ein libertärer Anarchokapitalist oder ein linker syndikalistischer Anarchist sind, sollten Sie darüber nachdenken, ob die Epistokratie möglicherweise eine Verbesserung gegenüber der Demokratie in ihrer gegenwärtigen Form darstellt, auch wenn Sie in der Anarchie eine noch bessere Lösung sehen.

Die Philosophen unterscheiden gerne zwischen der »idealen« und der »nicht idealen« politischen Theorie. Grob gesagt stellt die ideale Theorie die Frage, welches die besten Institutionen wären, wenn alle Menschen ethisch vollkommen wären, wenn sie moralisch ohne Fehl wären und einen vollkommenen Gerechtigkeitssinn hätten. Die nicht ideale Theorie fragt, welche Institutionen der tatsächlichen Natur der Menschen am besten entsprechen – insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass die Tugendhaftigkeit der Menschen bis zu einem gewissen Grad von den Institutionen abhängt, die sie aufgebaut haben. Dieses Buch beruht auf der nicht idealen Theorie. Ich versuche nicht, eine vollkommen gerechte Gesellschaft zu beschreiben, sondern ich frage, wie wir in Anbetracht der Tatsache, dass reale Menschen zahlreiche moralische Mängel aufweisen, lasterhaft sind und sich der Gerechtigkeit nur sehr beschränkt verpflichtet fühlen, über politische Beteiligung und Macht nachdenken sollten.

EIN ÜBERBLICK ÜBER DIE FOLGENDE ARGUMENTATION

In Kapitel 2, das den Titel »Unwissende, irrationale, schlecht informierte Nationalisten« trägt, werte ich die Literatur zum Wählerverhalten aus. Wie sich herausstellt, sind die meisten Bürger und Wähler in den demokratischen Gesellschaften unwissende, irrationale, schlecht informierte Nationalisten. Ich erkläre, dass der Mittel-, Median- sowie Modalwert der politischen Kenntnisse gering sind, dass die Wähler bei der Beurteilung grundlegender ökonomischer oder politischer Fragen systematische Fehler begehen und dass sie zu Voreingenommenheit und Irrationalität neigen. Ich werde Belege dafür vorlegen, dass die meisten Bürger Hobbits und die übrigen mehrheitlich Hooligans sind.

In Kapitel 3 (»Die politische Partizipation korrumpiert uns«) erkläre ich, warum uns die politische Teilhabe nicht zu besseren, sondern zu schlechteren Menschen macht. Viele Demokraten glauben, die deliberative Demokratie, das heißt ein politisches System, in dem die Bürger häufig an organisierten Beratungen über politische Fragen teilnehmen, würde die meisten Übel unserer Gesellschaft beseitigen. Ich werde zeigen, dass die Fakten im Gegenteil belegen, dass uns die politische Partizipation eher abstumpft und uns korrumpiert – sie macht uns nicht zu besseren, sondern zu schlechteren Bürgern. Mehr noch, ich behaupte, dass die empirischen Belege ein sehr viel düstereres Bild zeichnen, als man erwarten würde. Viele Anhänger der deliberativen Demokratie behaupten, diese Belege zeigten lediglich, dass sich die Bürger nicht richtig beteiligen. Hingegen werde ich zeigen, dass dies kein überzeugender Einwand gegen die Feststellung ist, dass die Demokratie die Bürger stumpf macht und korrumpiert.

In Kapitel 4 (»Die Politik gibt uns keine Macht über unser persönliches Schicksal«) setze ich mich kritisch mit einer Reihe von Argumenten auseinander, die belegen sollen, dass die politische Partizipation und das Recht zu wählen gut für uns (oder eine nötige Voraussetzung für Gerechtigkeit) sind, weil sie uns Einfluss auf unser Schicksal geben. Ich werde jedoch zeigen, dass keines dieser Argumente stichhaltig ist. Die Demokratie ermöglicht Kollektiven die Teilhabe, nicht Individuen. Ein Argument (das bei den von John Rawls beeinflussten politischen Philosophen beliebt ist) besagt, dass alle Bürger das gleiche aktive und passive Wahlrecht haben sollten, weil sie nur so ihre Fähigkeit ausschöpfen können, eine Vorstellung vom Guten und einen Sinn für Gerechtigkeit zu entwickeln. Ich werde zeigen, dass die von Rawls’ Anhängern behauptete Wirkung ausbleibt.

In Kapitel 5 (»Die Politik ist kein Gedicht«) setze ich mich kritisch mit verschiedenen Argumenten auseinander, die auf die Behauptung hinauslaufen, Demokratie, gleiches Wahlrecht und politische Partizipation seien aufgrund dessen gut und gerecht, was sie ausdrücken oder symbolisieren. Es wird behauptet, die Partizipation gebe den Bürgern die Möglichkeit, sich auszudrücken (expressiver Wert), mit dem Zugeständnis des gleichen Wahlrechts drücke man Respekt für die Bürger aus, oder die Demokratie sei eine notwendige Voraussetzung für die bürgerliche Selbstachtung. Ich behaupte, dass diese symbolischen und auf der Wertschätzung beruhenden Argumente ins Leere gehen. Sie können im Allgemeinen nicht belegen, dass die demokratischen Rechte irgendeinen realen Wert für uns haben. Diese Argumente liefern keine guten Gründe, um der Demokratie den Vorzug vor der Epistokratie zu geben.

Am Ende dieses Kapitels gelange ich zu dem Schluss, dass ich nachgewiesen habe, dass es keine guten prozeduralen Begründungen dafür gibt, der Demokratie den Vorzug vor der Epistokratie zu geben. Natürlich gibt es tausende Bücher und Artikel, deren Autoren die Demokratie auf Grundlage des Prozeduralismus verteidigen; ich antworte nicht jedem dieser Autoren. Stattdessen versuche ich, einige der wichtigsten prozeduralistischen Argumente zu entkräften.

In Kapitel 6 (»Das Recht auf eine kompetente Regierung«) verteidige ich das, was ich als Kompetenzprinzip bezeichne. Es besagt, dass bedeutsame politische Entscheidungen als ungerecht, illegitim und nicht maßgeblich zu betrachten sind, wenn sie inkompetent, in böser Absicht oder von einem generell inkompetenten Organ gefällt werden. Aus den in den Kapiteln 2 und 3 ausgewerteten empirischen Daten kann man schließen, dass Demokratien bei Wahlen systematisch gegen das Kompetenzprinzip verstoßen, während sie nach der Wahl durchaus kompetent sein können. (Das Wahlvolk verhält sich inkompetent, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass auch die aus den Wahlen hervorgegangenen demokratischen Regierungen inkompetent sind.) Wenn es so ist, dann haben wir gute Gründe, der Epistokratie den Vorzug vor der Demokratie zu geben.

In Kapitel 7 (»Ist die Demokratie kompetent?«) beantworte ich einige mögliche Einwände von Demokraten. Gestützt auf verschiedene mathematische Theoreme vertreten einige Demokratietheoretiker die Auffassung, das demokratische Wahlvolk fälle als Kollektiv kompetente Entscheidungen, selbst wenn viele oder die meisten individuellen Wähler inkompetent seien. Ich werde zeigen, warum keines dieser Theoreme ein überzeugendes Argument für die Demokratie ist, was zum Teil daran liegt, dass diese mathematischen Theoreme in der Realität nicht auf die Demokratien anwendbar sind.

Andere, empirisch vorgehende Demokratietheoretiker wenden jedoch ein – und darin stimme ich ihnen zu –, dass die demokratischen Entscheidungen nicht einfach eine Funktion dessen sind, was die Wähler wollen oder wofür sie stimmen. Gestützt auf eine Vielzahl verschiedener Gründe erweisen sich demokratische Regierungen in zahlreichen Fragen durchaus als kompetent, obwohl das Wahlvolk systematisch inkompetent ist. Möglich ist das, weil zahlreiche »Vermittlungsinstanzen« verhindern, dass das Wahlvolk seinen Willen durchsetzen kann.

Meine Antwort ist, dass das Kompetenzprinzip auf die individuellen Regierungsentscheidungen angewandt werden sollte. Es könnte sein, dass sich die Wählerschaft bei den meisten Wahlen inkompetent verhält, die Regierung nach der Wahl jedoch oft kompetent handelt. Ist dies der Fall, stecken wir meiner Meinung nach in einem Dilemma: Wenn Wahlen bedeutsam sind, sagt uns das Kompetenzprinzip, dass wir die Epistokratie der Demokratie vorziehen sollten. Sind Wahlen hingegen nicht bedeutsam, so kann es uns mit Blick auf das Kompetenzprinzip gleichgültig sein, ob wir eine Epistokratie oder eine Demokratie haben. Aber da es keine guten prozeduralistischen Argumente für die Demokratie gibt, wäre in diesem Fall trotzdem jenes System vorzuziehen, das besser funktioniert.

In Kapitel 8 (»Die Herrschaft der Wissenden«) beschreibe ich verschiedene Möglichkeiten zur Entwicklung einer Epistokratie. Ich beschäftige mich mit einigen potentiellen Vorzügen und Risiken verschiedener Formen der Epistokratie und beantworte einige verbliebene Einwände gegen dieses System.

Kapitel 9