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Wahlen sind ein primitives Instrument mit einer verrückten Logik. Sie führen dazu, dass Politiker Dinge versprechen, die sie nicht halten können. David Van Reybroucks Debattenbuch könnte aktueller nicht sein. Es ist seltsam mit der Demokratie. Jeder ist dafür, aber keiner glaubt mehr so recht daran, dass sie funktioniert, jedenfalls nicht durch Wahlen. Wenn die Ergebnisse anders lauten als gewünscht, ist rasch der Vorwurf des Populismus im Raum. Immer weniger Menschen gehen wählen, die Mitgliederzahlen der politischen Parteien gehen dramatisch zurück. Wie kann überhaupt eine Demokratie effizient arbeiten und langfristig tragfähige Entscheidungen treffen, wenn die Politiker ihr Handeln vor allem an einem ausrichten müssen: Bei der nächsten Wahl wollen sie wiedergewählt werden. David Van Reybrouck beschreibt diesen Mechanismus mit bestechend klaren Argumenten als »demokratisches Ermüdungssyndrom". Wie kommen wir davon weg? Vielleicht sind ganz neue Wege nötig, auch wenn sie auf den ersten Blick ganz weltfremd erscheinen? David Van Reybroucks Vorschläge nehmen ein sehr altes demokratisches Prinzip auf, das schon im antiken Athen praktiziert wurde: Das Los. Bis hin zur Französischen Revolution wurde dieses demokratische Mittel oft angewendet, etwa auch in blühenden Republiken wie Venedig oder Florenz zu Zeiten der Renaissance. David Van Reybrouck zeigt, wie das auch heute ganz praktisch unsere machtlos gewordene Demokratie lebendiger machen kann.
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Seitenzahl: 194
Veröffentlichungsjahr: 2016
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David Van Reybrouck
Gegen Wahlen
Warum Abstimmen nichtdemokratisch ist
Aus dem Niederländischenvon Arne Braun
Wallstein Verlag
»Das englische Volk meint frei zu sein; es täuscht sich sehr: nur während der Wahlen der Parlamentsmitglieder ist es frei; sobald sie gewählt sind, ist es Sklave, ist es nichts.«
Jean-Jacques Rousseau, Vom Gesellschaftsvertrag (1762)
1 Symptome
Begeisterung und MisstrauenDas Paradox der Demokratie
Krise der LegitimitätDie Unterstützung nimmt ab
Krise der EffizienzDie Tatkraft nimmt ab
2 Diagnosen
Es liegt an den PolitikernDie Diagnose des Populismus
Es liegt an der DemokratieDie Diagnose der Technokratie
Es liegt an der repräsentativen DemokratieDie Diagnose der direkten Demokratie
Es liegt an der elektoral-repräsentativen DemokratieEine neue Diagnose
3 Pathogenese
Ein demokratisches VerfahrenDas Losverfahren (Antike und Renaissance)
Ein aristokratisches VerfahrenWahlen (18. Jahrhundert)
Die Demokratisierung von WahlenEin Scheinprozess (19. und 20. Jahrhundert)
4 Therapie
Das Revival des LosverfahrensDeliberative Demokratie (Ende des 20. Jahrhunderts)
Demokratische Erneuerung in der PraxisEine internationale Erkundung (2004-2013)
Demokratische Erneuerung in der ZukunftAusgeloste Versammlungen
Blaupause für eine auf dem Losverfahren basierende Demokratie
Vorläufiges Plädoyer für ein birepräsentatives System
Fazit
Worauf warten wir?
Anhang
Dank
Bibliographie
Anmerkungen
Es ist seltsam mit der Demokratie: Jeder scheint sich danach zu sehnen, aber keiner glaubt mehr daran. Wer die internationalen Statistiken heranzieht, stellt fest, dass immer mehr Menschen sich als Befürworter der Demokratie bezeichnen. Das World Values Survey, ein großangelegtes internationales Forschungsprojekt, befragte in den vergangenen Jahren mehr als 73.000 Menschen aus 57 Ländern, die fast 85 % der Weltbevölkerung repräsentierten. Auf die Frage, ob Demokratie eine gute Art und Weise sei, das Land zu regieren, antworteten nicht weniger als 91,6 % der Befragten positiv.[1] Der Teil der Weltbevölkerung, der dem Konzept Demokratie wohlwollend gegenübersteht, war noch nie so groß wie heute.
So viel Begeisterung ist schlichtweg spektakulär, zumal wenn man bedenkt, dass die Demokratie vor noch nicht einmal siebzig Jahren besonders schlecht dastand. Am Ende des Zweiten Weltkriegs gab es auf der Welt infolge von Faschismus, Kommunismus und Kolonialismus lediglich zwölf vollwertige Demokratien.[2] Die Zahl stieg langsam an. 1972 existierten 44 freie Staaten,[3] 1993 waren es 72. Heute sind von insgesamt 195 Ländern 117 Wahldemokratien. Neunzig von ihnen gelten auch in der Praxis als freie Staaten. Noch nie zuvor in der Geschichte gab es so viele Demokratien, noch nie zuvor hatte dieses Staatssystem so viele Anhänger.[4]
Und trotzdem lässt die Begeisterung nach. Dasselbe World Values Survey brachte nämlich auch ans Licht, dass in den vergangenen zehn Jahren der Ruf nach starken Führern, »die keine Rücksicht auf Wahlen oder das Parlament zu nehmen brauchen«, weltweit beträchtlich zugenommen hat und dass das Vertrauen in Parlamente, Regierungen und politische Parteien auf einem historischen Tiefstand ist. Es scheint, dass man der Idee Demokratie zwar gewogen ist, aber nicht deren Praxis oder zumindest nicht der heutigen Praxis.
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