Geheimnisse der Waldfotografie - Yvonne Albe - E-Book

Geheimnisse der Waldfotografie E-Book

Yvonne Albe

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Beschreibung

DasBuch für Naturfotograf:innen und Naturbegeisterte! - Ihr Wegweiser zu faszinierenden Motiven und Bildern - Mit viel Wissen über Wald und Bäume, das Ihnen zu besseren Fotos verhilft - Gibt Tipps zu Bildgestaltung, Planung, Wettervorhersage, Equipment und NachbearbeitungMit diesem Buch lernen Sie, Bäume und Wälder mit der Kamera ausdrucksstark und stimmungsvoll in Szene zu setzen. Die Autorin Yvonne Albe macht Sie mit eindrucksvollen Wald- und Baumarten vertraut und zeigt Ihnen, wie Sie in den Wäldern Europas zu jeder Jahreszeit attraktive Motive finden. Sie erläutert Herangehensweisen, Aufnahmetechniken, was gelungene Kompositionen ausmacht, wie Sie Ihre Bilder in der Nachbearbeitung veredeln und unter welchen Wetterbedingungen die stimmungsvollsten Bilder entstehen. Lernen Sie … - den Wald und seine Geschichte sowie besonders fotogene Waldformen und Baumarten kennen - mit welchen Aufnahmetechniken Sie perfekte Schärfe und Belichtung erreichen - wo Sie zwischen Wurzelwerk und Baumkronen die besten Motive finden - durch geschärfte Wahrnehmung bessere Bilder zu machen - wie Sie mit Licht, Linien, Schärfe und Blickwinkeln Bilder gestalten - alles Wichtige zu Planung und Wettervorhersage (z. B. Tageszeiten, Nebelarten) - Ihre Bilder in Lightroom und Photoshop zu vollenden

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Yvonne Albe ist eine deutsche Natur- und Landschaftsfotografin, die sich besonders in der Welt der Bäume zu Hause fühlt. Wälder sind die Quelle ihrer Inspiration. Ihr Markenzeichen sind atmosphärische Bilder, in denen die Schönheit ihrer Motive durch Nebel und stimmungsvolle Lichtsituationen verstärkt wird. Durch vorausschauende Planung hinsichtlich besonderer Wetterlagen porträtiert sie Wälder und Bäume auf einzigartige Weise.

Hinter dieser Motivwahl verbirgt sich Yvonne Albes tiefe Verbundenheit zu Wäldern und Bäumen. Mit ihren Bildern möchte sie die Schönheit und Vielgestaltigkeit eines wunderbaren Naturraums zeigen, der heute durch Klimawandel, Übernutzung und Abholzung weltweit bedroht ist, und damit deutlich machen, was wir im Begriff sind zu verlieren. Sie setzt sich aktiv im Naturschutzbund und einer Bürgerinitiative für den Erhalt der Wälder in ihrer Umgebung ein.

Yvonne Albe wurde 1975 in München geboren und studierte Sozialpädagogik in Dresden und in den USA. Sie arbeitete in verschiedenen Feldern der sozialen Arbeit. Heute ist sie als selbstständige Fotografin aktiv und leitet Workshops zur Wald- und Landschaftsfotografie in ihrer Region Bergstraße-Odenwald.

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Yvonne Albe

Geheimnisse der Waldfotografie

Die faszinierende Welt der Bäume verstehen und stimmungsvoll in Szene setzen

2., aktualisierte und erweiterte Auflage

Yvonne Albe

[email protected]

www.yvonnealbe.de

Lektorat: Anja Ehrlich, Boris Karnikowski

Copy-Editing: Alexander Reischert, www.aluan.de

Satz & Layout: Birgit Bäuerlein

Herstellung: Stefanie Weidner, Frank Heidt

Umschlaggestaltung: Eva Hepper, unter Verwendung eines Fotos der Autorin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN:

Print

978-3-98889-009-2

PDF

978-3-98890-152-1

ePub

978-3-98890-153-8

2., aktualisierte und erweiterte Auflage 2024

dpunkt.verlag GmbH

Wieblinger Weg 17

69123 Heidelberg

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Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autorin noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die in Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

Für meine Eltern, die in mir die Liebe zur Natur geweckt haben.

24 mm, 1/80 s, f/11, ISO 100

Vorwort

If the artist has outer and inner eyes for nature, nature rewards him by giving him inspiration.

Wassily Kandinsky

»Wohin des Wegs?«, möchte man dieses märchenhafte Baumwesen fragen, das beschwingt durch einen verschneiten Winterwald zu laufen scheint. 14 mm, 1/10 s, f/11, ISO 100.

Bei den meisten Menschen hinterlässt der Wald bleibende Eindrücke und prägt ihr Leben auf die eine oder andere Weise. Auslöser können Waldspaziergänge in der Kindheit gewesen sein, Fahrradtouren durch den Wald oder Wanderungen durch Gebirgswälder. Vielleicht haben auch Sie Erinnerungen an einen Park mit vielen mächtigen Bäumen, in dem Sie sich gerne aufgehalten haben? Eventuell verbindet Sie etwas mit einem ganz bestimmten Baum. Möglicherweise gab es sogar ein Baumhaus, Kletterabenteuer in der Kindheit oder Reisen in andere Länder, bei denen Sie mit Verwunderung feststellten, dass die Wälder und Bäume ganz anders aussehen als bei uns. Wir kennen den Wald auch aus Filmen, mal düster, mal heiter dargestellt.

Kurzum: Fast jeder wird in seinem Leben Erlebnisse mit Wäldern und Bäumen gehabt haben. Und ich bin mir sicher: Wenn Sie nicht eine gewisse Verbindung zu Bäumen hätten, würden Sie dieses Buch wohl nicht in Ihren Händen halten.

In jeder Fotografie steckt etwas von dem Menschen, der bei der Aufnahme hinter der Kamera gestanden hat. Beim Fotografieren im Wald entsteht eine Verbindung mit der Natur, die sich in den Bildern ausdrücken wird. Die Begeisterung für einen schönen Baum, für einzelne wunderbare Momente im Wald und eindrucksvolle Szenen sind der Grund dafür, dass wir zu einem bestimmten Zeitpunkt auf den Auslöser drücken. Die Bilder, die wir schaffen, offenbaren also viel von uns selbst, wie wir fühlen und wie wir die Welt sehen.

Wir können mit unseren Waldfotografien aber auch Geschichten über den Wald und seine Bewohner erzählen: Es gibt Bäume, die sich umarmen, ineinander verwachsen oder sich die »Hand« geben, und solche, die gleich menschlichen Wesen durch den Wald zu spazieren scheinen. Manche stehen in einer engen Beziehung zueinander, wieder andere wenden sich ab. Doch nicht hinter jeder Waldszene muss sich eine Geschichte verbergen; manche sind auch nur um ihrer selbst willen schön oder strahlen aufgrund der Lichtstimmung etwas Besonderes aus.

Meine Entdeckungsreise durch die Wälder führte mich zu Beginn durch die Wirtschaftswälder in meiner Region, später dann auch durch urwüchsige Naturwälder in anderen europäischen Ländern. 70 mm, 1/60 s, f/7,1, ISO 500.

Für mich sind die Spaziergänge und Fototouren durch die Wälder zu Lichtpunkten in meinem Leben geworden. Viele Erlebnisse im Wald wirken wie eine Glücksquelle auf mich. Die Freude, die ich empfinde, wenn die Sonnenstrahlen durch das Blätterdach brechen, kann mich durch den ganzen Tag tragen. Dabei vergesse ich die Welt um mich herum und kann von allem Belastenden abschalten. Ich versuche dabei die schönen Momente mit meiner Kamera einzufangen, um sie für mich, aber auch für andere festzuhalten.

Jeder hat eine andere Motivation, die ihn mit der Kamera in die Wälder treibt. Bei mir steht an oberster Stelle, die Schönheit des Waldes sichtbar zu machen, damit sie Menschen dazu veranlasst, diese Naturräume zu schützen und zu erhalten. Ich möchte darüber hinaus Stimmungen vermitteln und die Freude, die ich in besonderen Naturmomenten fühle. Selbstverständlich spielt beim Aufenthalt im Wald auch dessen wohltuende und gesundheitsfördernde Wirkung eine Rolle für mich.

Vielleicht motivieren Sie ja ähnliche Ziele. Oder Sie haben Bilder von Malern oder Fotografen entdeckt, die Sie inspirieren und den Wunsch geweckt haben, auch solche Kunstwerke zu erschaffen. Möglicherweise suchen Sie aber auch einfach ein neues Hobby oder wollen ein Naturerlebnis mit einer bleibenden Erinnerung verbinden.

Es gibt sicherlich fotografische Naturtalente, die in der Lage sind, mit wenig Einarbeitung und Wissen zu stimmigen und künstlerisch ansprechenden Aufnahmen von Wäldern und Bäumen zu gelangen. Doch für die meisten von uns braucht das Fotografieren im Wald viel Übung, ungeteilte Aufmerksamkeit und auch etwas Wissen über das Ökosystem Wald. Kameraeinstellungen, Bildkomposition, Wetterbedingungen und vieles mehr wollen beachtet werden. Auch eine gewisse Frustrationstoleranz ist vonnöten. Denn es wird immer wieder Tage geben, an denen Sie enttäuscht aus dem Wald zurückkommen, weil die Bedingungen nicht gut waren, Ihre Lieblingsbäume der Säge des Waldarbeiters zum Opfer gefallen oder die Bilder verwackelt sind. Unzählige Male war ich selbst mit solchen Situationen konfrontiert. Nicht aufzugeben und immer wieder nach neuen Perspektiven und anderen Wäldern zu suchen, ist wichtig für Ihr Vorankommen in der »Königsdisziplin der Landschaftsfotografie«, wie die Waldfotografie häufig genannt wird.

Unweit von der Hütte im Tiroler Voralpenland, wo ich mit meinen Geschwistern und Eltern oft die Ferien verbrachte, gab es hübsche kleine Leberblümchen in allen erdenklichen Farben im Wald. APS-C, 50 mm, 1/640 s, f/2,8, ISO 100.

Dieses Buch soll Ihnen den Einstieg in die Waldfotografie erleichtern und Sie mit den Grundlagen für das Fotografieren in Wäldern vertraut machen. Alles Übrige liegt an der Schönheit des Waldes und Ihrer Bereitschaft, sich auf die dortige stille Welt einzulassen. An jeder Weggabelung und bei jedem Baum erwartet uns eine neue Überraschung und ein fotografischer Erkenntnisgewinn. Ich lerne bei jeder Tour Neues dazu. Inspiration hole ich mir immer wieder bei Malern, die den Wald auf Leinwand und Papier dargestellt haben, oder bei anderen Fotografen, die den Wald auf ihre ganz individuelle Weise darstellen. Ich hoffe, die Fotografien in diesem Buch können Ihnen auch eine Inspirationsquelle sein. Sie stammen zu großen Teilen aus meiner Umgebung im Odenwald und aus der Rheinebene. Im Rahmen der Familienurlaube oder auch bei gezielten Einzeltouren konnte ich aber mittlerweile auch in anderen Wäldern Deutschlands und Europas fotografische Eindrücke sammeln. Wälder gibt es fast überall auf der Welt. Sie sind ungeheuer vielgestaltig, es findet sich nirgendwo eine Wiederholung und jede noch so kleine Waldszene ist einzigartig. Für Sie als Waldfotograf bedeutet dies: Es gibt unfassbar viel zu entdecken und die Motive werden Ihnen niemals ausgehen.

Mein Weg zur Waldfotografie

Es ist schwer zu sagen, wann ich meine Liebe zum Wald entdeckte. Vielleicht spielte die Waldtapete eine Rolle, die mich während der ersten drei Lebensjahre in meinem Kinderzimmer umgab. Vielleicht weckten meine Eltern die Begeisterung für die Natur in mir, als sie meine Geschwister und mich zu unzähligen Wanderungen auf die Berge und durch die Wälder motivierten. Ich kann mich an Momente voller Licht und Tannenzapfengerüche, an große Ameisenhaufen und wilde Blumen erinnern. Im Wald, der unsere kleine Hütte in Tirol umgab, sammelten wir oft Pilze. Im Chiemgau, wo ich mit meinen Großeltern oft die Ferien verbrachte, unternahmen wir viele Spaziergänge durch die Birkenwälder am Moor.

Einen großen Einfluss auf mich hatte wohl auch die naturverbundene Weltsicht der Kinderbücher von Astrid Lindgren. Ich las sie komplett, und das viele Male. In meiner Fantasie zog ich mit den Kindern von Bullerbü durch die lichten Birkenwälder und blütenreichen Wiesen Schwedens oder mit Ronja durch den dichten Räuberwald.

Meine Studienjahre verbrachte ich in großen Städten. Auch dort zog es mich immer wieder hinaus in die Natur. Ich verbrachte viel Zeit in Wäldern, Parks und an Seen, nahm dabei auch Stifte und Pinsel mit, um meine Eindrücke auf Papier festzuhalten. Als ich als Sozialpädagogin zu arbeiten begann und eine Familie gründete, zogen wir in ein Haus in Alleinlage im Odenwald. Dort spielte der Wald in meinem Leben zwischen Arbeit und Kindern zunächst nur eine untergeordnete Rolle – bis zu dem Zeitpunkt, als mich ein plötzlicher gesundheitlicher Schicksalsschlag aus meinem Alltag riss. Ich kämpfte mich langsam ins Leben zurück und begann nach einem wiederholten Rückschlag 2017 mit einer gebrauchten Spiegelreflexkamera die Wälder um unser Haus herum zu erkunden. Ich hatte durch den krankheitsbedingten Perspektivwechsel gelernt, die kleinen Dinge zu schätzen, und fand im Wald eine Welt voller Wunder vor. Eine meiner ersten Erkenntnisse war, wie die Wetterbedingungen die Stimmung im Wald grundlegend verändern können: Ein heller, freundlicher Wald im Sonnenschein verwandelt sich in einen geheimnisvollen, mystischen Ort, wenn der Nebel vom Tal aufsteigt. In meinem ersten Fotografiejahr schaute ich voller Erstaunen auf die Bilder, die ich im selben Wald zu unterschiedlichen Jahreszeiten gemacht hatte: Aus einem von Lebendigkeit sprühenden, grünen Wald im Frühjahr wurde im Herbst ein farbenfroher, leuchtender Wald, der sich dann im Winter im weiß-grauen Kleid zur Ruhe legte.

Der Wald hatte nun meine Leidenschaft für die Fotografie entfacht und ich wollte gern alles festhalten, was mir dort an Schönem und Faszinierendem begegnete. Bald begann ich nach Wäldern zu suchen, die anders waren als die meisten Wirtschaftswälder in unserer Region. Ich forschte nach Naturschutzgebieten und Naturwäldern, in denen es noch alte Bäume gab, und entwickelte eine Leidenschaft für solche Exemplare, die sich charaktervoll von den anderen abheben. Ich entdeckte außerdem eindrucksvolle Einzelbäume in den Landschaften des Odenwaldes, von denen ich ebenfalls viele Bilder mit nach Hause brachte.

Dies war eines der Waldstücke, in denen ich meine ersten Fotografieversuche unternahm. Auf der rechten Seite sehen Sie ein Baumensemble, das ich damals »Vater und Sohn« genannt habe. Eine kleine, aufwachsende Buche scheint den Baum, von dem sie wahrscheinlich abstammt, liebevoll zu umfassen. 24 mm, 1/8 s, f/16, ISO 1000.

Das Erleben solcher Lichtmomente ließ die Sehnsucht nach eben diesen immer größer werden. APS-C, 35 mm, 1/80 s, f/8, ISO 250.

Ich lernte jeden Tag etwas dazu, kannte bald viele Baumarten, die sich in unseren heimischen Wäldern finden, deren Rindenstrukturen und Blattformen. Ich probierte verschiedene Kompositionen aus und experimentierte mit Kameraeinstellungen. Ich fing an, Artikel über Fotografie zu lesen und mir Tutorials zur Bildbearbeitung anzusehen. In der Auseinandersetzung mit der Wetterfotografie war ich bald in der Lage, das Wetter, welches ich mir für meine Waldbilder wünschte, auch vorhersagen zu können.

Meine Leidenschaft für diese fantastischen Naturräume ging so weit, dass ich anfing, mich für den Erhalt von Bäumen und Wäldern sowie einen respektvollen Umgang mit ihnen einzusetzen. Zu oft waren Wälder in meiner Umgebung durch riesige Forstmaschinen zur Unkenntlichkeit verstümmelt und Bäume, die mir ans Herz gewachsen waren, gefällt worden. Ich gründete zusammen mit einem Freund eine Waldgruppe innerhalb des örtlichen Naturschutzbundes (NABU). Gemeinsam mit anderen Menschen, die sich um das Wohl des Waldes sorgen, rief ich zudem die Bürgerinitiative »Netzwerk Bergsträßer Wald« ins Leben. Heute engagiere ich mich für den Erhalt der Wälder durch vielfältige Aktivitäten: Zusammen mit meinen Mitstreitern organisiere ich Schutz-, Pflanz- und Müllsammelaktionen im Wald, Informationsveranstaltungen, initiiere Petitionen und suche das Gespräch mit Politikern und Forstleuten. Der respektvolle Umgang mit unseren Wäldern, eine naturgemäße Forstwirtschaft und das Zulassen von mehr wilder Natur sind Ziele, die uns leiten.

In einem atemberaubenden Tempo hat sich mein Leben durch die Fotografie und die Entdeckung des Waldes gewandelt: Aus einer perspektivlosen Situation habe ich in ein durch schöne Momente in der Natur angefülltes Leben zurückgefunden.

Mir liegt der Erhalt dieser Naturräume persönlich sehr am Herzen. Ich hoffe, dass immer mehr Menschen bewusst wird, was wir im Begriff sind zu verlieren. Unsere Wälder sind weltweit auf vielfältige Weise bedroht. Sie brauchen mehr Wertschätzung und Schutz, um zu überleben.

Dieses Bild zeigt die erste Lichtszene, die ich im Wald fotografisch festgehalten habe. Genau dieser Wald war dann nach einem forstlichen Eingriff nicht mehr wiederzuerkennen: Maschinen hatten in engen Abständen Schneisen in den Wald geschlagen, viele Bäume verletzt und gefällt. Um zu verhindern, dass so etwas wieder mit »meinem Wald« geschieht, begann ich mich für seinen Erhalt und Schutz zu engagieren. APS-C, 18 mm, 1/250 s, f/8, ISO 200.

Ich würde mich freuen, wenn ein kleiner Funke der Leidenschaft, die ich für diese Naturräume habe, auch auf Sie überspringt. Ich möchte Ihnen in diesem Buch das fotografische Wissen mitgeben, das ich mir im Laufe der letzten Jahre angeeignet habe, um Wälder und Bäume in ihrer Anmut und Eleganz bestmöglich darzustellen. Vielleicht gehen Sie mit einem veränderten Blick durch die Wälder, nachdem Sie dieses Buch gelesen haben. Durch bewegende Fotografien von Wäldern und Bäumen kann jeder von uns Botschafter für den Erhalt dieser fantastischen Baumlandschaften werden.

Wie Sie dieses Buch lesen können

Ich habe in diesem Buch einige Themen behandelt, die den Wald als ein sich wandelndes und weltweit bedrohtes Ökosystem in den Fokus rücken. Das erste Kapitel »Die Geschichte des Waldes« und das »Nachwort einer Waldschützerin« zeigen auf, woher unsere Wälder kommen, wie sie sich im Laufe der Zeitgeschichte verändert haben und in welchem Zustand unsere Wälder heute sind. Auch im zweiten Kapitel »Wald ist nicht gleich Wald« erfahren Sie Wissenswertes über den Naturraum Wald und einzelne Baumarten. Diese Kapitel haben nicht in erster Linie etwas mit Fotografie zu tun, helfen aber dabei, ein tieferes Verständnis für unsere heutigen Wälder und ihre Erscheinungsformen zu entwickeln. Wer lieber mit den Themen zur Fotografie einsteigen möchte, kann die ersten beiden Kapitel überspringen und zu einem späteren Zeitpunkt lesen.

Noch ein Hinweis: Dieses Buch ist für alle Personen, die sich für das Thema Wald und die Waldfotografie interessieren. Um aber eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten, habe ich mich in meinen Texten für das generische Maskulinum entschieden.

Inhaltsverzeichnis

1Die Geschichte des Waldes

1.1Die Entstehung der Wälder

1.2Der Einfluss des Menschen

1.3Der Wald weicht den Städten

1.4Mensch und Wald in Mittelalter und Früher Neuzeit

1.5Ein Umdenken – das Prinzip der Nachhaltigkeit wird geboren

1.6Die Folgen der naturfernen Forste und das Waldsterben

2Wald ist nicht gleich Wald

2.1Wirtschaftswald und Naturwald

2.2Waldtypen und -arten

2.2.1Laubwälder und ihre Bäume

Die Buche

Die Eiche

Die Hainbuche

Die Birke

Die Kirsche

Der Ahorn

Die Kastanie

Die Weide

Die Erle

Der Lorbeerbaum

2.2.2Nadelwälder und ihre Bäume

Die Fichte

Die Kiefer

Die Lärche

Die Douglasie

Die Weißtanne

Der Riesen-Lebensbaum

2.3Eindrucksvolle Waldformen

2.3.1Lichte Wälder

2.3.2Niederwälder

2.3.3Hutewälder

2.3.4Vom Wind geformte Wälder

2.3.5Wälder mit einem hohen Totholzanteil

Schutzgebiete im Wald

3Wissenswertes zum Fotografieren in Wäldern

3.1Betreten auf eigene Gefahr

3.2Wetter und waldtypische Gefahren

3.2.1Gewitter und Sturm

3.2.2Schnee und Eis

3.2.3Feuer

3.3Tiere im Wald

3.4Waldarbeiten und Jagden

3.5Orientierung/Navigation

3.6Der Wald als ein mystischer Ort

3.7Verantwortung gegenüber der Natur

4Kameraequipment und hilfreiche Ausrüstung

4.1Kamera

4.2Objektive

4.3Stativ

4.4Filter

4.5Fotorucksack

4.6Weiteres hilfreiches Equipment für die Fotografie

4.7Kleidung und Schuhwerk

4.8Verpflegung

5Aufnahmetechnik

5.1Format

5.2Modusauswahl

5.3Blende, Zeit, ISO-Wert und Schärfe

5.4Weitere Faktoren, die für die Schärfe im Bild Relevanz haben

5.4.1Beugungsunschärfe

5.4.2Wahl des Objektivs

5.5Fokusmodus

5.6Korrekte Belichtung

5.7Weißabgleich

5.8Selbstauslöser, Fernauslöser, Spiegelvorauslösung

5.9HDR

5.10Fokus-Stacking

6Motive

6.1Das Schichtsystem des Waldes

6.1.1Die Wurzelschicht

6.1.2Die Bodenschicht

Pilze

Moose und Flechten

Blätter auf dem Waldboden

6.1.3Die Krautschicht

Schneeglöckchen

Leberblümchen

Bärlauch

Hasenglöckchen

Roter Fingerhut

Hohler Lerchensporn

Farne

Totholz

6.1.4Die Strauchschicht

Die Verjüngung oder der Jungwuchs des Waldes

Sträucher im Wald

Fehlende Strauchschicht

Spinnweben

6.1.5Die Baumschicht

6.2Besondere Waldmotive

6.2.1Wälder und Bäume um und im Wasser

6.2.2Wälder mit Wasserfällen und Bächen

6.2.3Wälder mit Felsen

6.2.4Aus dem Wald in die Landschaft fotografieren

6.2.5Tiere im Wald

6.2.6Alleen

6.2.7Baumrindenstrukturen

6.2.8Zum Licht gewachsene Bäume

Einzelbäume

7Komposition und Bildgestaltung

7.1Wald-Innenansichten

7.1.1Drittelregel und Goldener Schnitt

7.1.2Symmetrie und zentrierter Bildaufbau

7.1.3Linienführung

7.1.4Balance – Ausgeglichenheit der Elemente im Bild

7.1.5Auf den Winkel kommt es an

7.1.6Die Wahl des Ausschnitts

7.1.7Das Bildformat

7.1.8Die Bildausrichtung

7.1.9Vordergrund, Mittelgrund, Hintergrund

7.1.10Licht und Lichtführung

7.1.11Blicklenkung durch Schärfe

7.1.12Störende Elemente

7.1.13Natürliche Rahmen

7.1.14Wiederholungen in der Natur

7.1.15Größenvergleiche

7.1.16Nebel als Kompositionshilfe

7.1.17Farbe als Bildgestaltungselement

7.2Wald-Außenansichten

8Wälder im Wandel der Jahreszeiten

8.1Frühling

8.2Sommer

8.3Herbst

8.4Winter

Durch geschärfte Wahrnehmung zu besseren Bildern

9Schwarzweiß-Fotografie

10Planung und Wettervorhersage

10.1Der richtige Ort

10.2Geeignete Tageszeiten

10.2.1Sonnenaufgang und -untergang

10.2.2Dämmerung und Nacht

10.3Die Wettervorhersage

10.4Nebelarten

10.4.1Bodennebel, Nebelschleier

10.4.2Dichter Bodennebel

10.4.3Hochnebel

10.4.4Tiefe Wolken

10.4.5Feuernebel

10.4.6Nebelstrahlen

10.4.7Steigender Nebel nach Regen

10.4.8Dampfendes Wasser

10.5Schnee

10.6Raureif

10.7Regen

10.8Bewölkter Himmel

11Bearbeitung von Waldfotografien

11.1Bearbeitung in Lightroom

11.1.1Beschneiden

11.1.2Weißabgleich

11.1.3Licht im Hintergrund partiell hervorheben, Kontraste erhöhen

11.1.4Allgemeine Anpassungen in den Grundeinstellungen

11.1.5Chromatische Aberration entfernen

11.1.6Vignette

11.1.7Farbe als Bildgestaltungselement

11.1.8Selektive Anpassungen

11.1.9Rauschreduzierung und Schärfe

11.1.10Transformieren

11.2Bearbeitung in Photoshop

11.2.1Störende Elemente entfernen

11.2.2Bereiche betonen

11.3Das Endergebnis

11.4Weitere Bildbearbeitungsmöglichkeiten

11.4.1Fokus-Stacking in Photoshop

Automatisches Fokus-Stacking

Manuelles Korrigieren

11.4.2HDR – für ausgewogene Belichtungen

11.4.3Der Orton-Effekt – für ein märchenhaftes Glühen Ihrer Waldbilder

Nachwort einer Waldschützerin

Wie geht es unserem Wald heute?

Folgen der Bewirtschaftung

Die Bedeutung des Waldes im Klimawandel und politische Bestrebungen

Gibt es Hoffnung für die Wälder?

Was können wir tun?

Danksagung

Literatur

Zitierte und empfohlene Bücher

Fachliteratur

Index

Es sind die Sternstunden der Waldfotografie, wenn die Sonne durch den Nebel bricht. 18 mm, 1/80 s, f/11, ISO 100.

23 mm, 1/13 s, f/9, ISO 100

1Die Geschichte des Waldes

Der Wald ist ein besonderes Wesen, von unbeschränkter Güte und Zuneigung, das keine Forderungen stellt und großzügig die Erzeugnisse seines Lebenswerks weitergibt; allen Geschöpfen bietet er Schutz und spendet Schatten, selbst dem Holzfäller, der ihn zerstört.

Siddhartha Gautama

Wer die Geschichte des Waldes kennt, weiß einzuschätzen, wie er sich im Laufe der Jahrmillionen immer wieder verändert hat. Er kann nachvollziehen, wie der Wald durch die Hand des Menschen geprägt wurde, und wird unsere heutigen Wälder in einem anderen Licht betrachten. Ich bin überzeugt, dass uns die Kenntnis der Geschichte des Waldes dazu befähigt, ein tieferes Verständnis für diesen Naturraum zu entwickeln und die Eigenheiten und Besonderheiten der verschiedenen Wälder und Bäume besser wahrzunehmen. Diese gesteigerte Wahrnehmung, die durch das Wissen um den Wald entsteht, wird Ihnen helfen, einen guten Blick für Waldmotive zu entwickeln. Deshalb möchte ich in diesem Kapitel von der Veränderung der Wälder im Laufe der Geschichte berichten. Der Fokus liegt hierbei auf den Wäldern Mitteleuropas. Die Fotografien in diesem Kapitel können zusätzlich als Inspiration für Ihre eigene Waldfotografie dienen.

1.1Die Entstehung der Wälder

Nachdem es mit dem Ende der Eiszeit vor 400 Mio. Jahren langsam wärmer wurde, entstanden die ersten Pflanzen auf dem Land. Das waren zunächst nur krautige Gewächse, aber sie hatten schon den Stoff in sich, aus dem Holz aufgebaut ist, das Lignin. Es begann ein Konkurrenzkampf der Pflanzen um Sonnenlicht. Solche, die in die Höhe wuchsen und somit mehr Licht bekamen, hatten bessere Chancen zu überleben. Einige unter ihnen entwickelten blattartige Auswüchse. So wurden aus den ersten Landpflanzen langsam Bäume, die in ihren Stängeln Holz bildeten. Sie vermehrten sich schnell und begannen Gesellschaften zu bilden: Die ersten Wälder entstanden. Es war das Zeitalter des Karbons, das vor etwa 358 Mio. Jahren begann. Namensgebend für dieses Zeitalter war die Entstehung der Kohleflöze (lat. carbo, dt. Kohle). Aus den abgestorbenen Bäumen und sonstigen Pflanzen wurde zunächst Torf, der sich im Laufe der Zeit unter großem Druck zu Steinkohle verwandelte.

Ein fossiler, baumartiger Schachtelhalm aus dem Unterperm (vor 299–270 Mio. Jahren). Das Fossil wurde in Freital in Sachsen gefunden. Sammlung des Botanischen Gartens Dresden.

Mammutbäume gehörten im Zeitalter des Tertiärs zur natürlichen Vegetation Mitteleuropas. Die heute in den USA heimische Baumart wurde Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem in Gärten und Parks gepflanzt und auf diese Weise wieder in Mitteleuropa eingeführt. 14 mm, 1/125 s, f/10, ISO 320.

In der nachfolgenden Eiszeit starben viele Pflanzenarten wie Farne, Schachtelhalme und Bärlappe aus. Doch Samenpflanzen, aus denen sich wieder Wälder bilden konnten, überlebten.

Als auf der Erde Gebirge entstanden, gab es immer mehr Bereiche, in denen die Bäume vom Grundwasser abgeschnitten waren und sich anpassen mussten. So geschah es, dass sich vor etwa 270 Mio. Jahren Nadelbäume in bergigen und trockenen Gebieten ansiedelten. In der Kreidezeit entfalteten sich Blütenpflanzen, welche möglicherweise die Vorfahren unserer Eichen, Platanen, Esskastanien und Weiden sind. Im nachfolgenden Zeitalter des Tertiärs, das vor etwa 66 Mio. Jahren begann, entwickelte sich bei einem wesentlich wärmeren Klima, als wir es heute kennen, eine große Fülle verschiedener Gehölzarten in Mitteleuropa. Je nach Klimazone und Höhenlage unterschieden sich Laub-, Nadel- oder Mischwälder.

Damals befand sich Mitteleuropa noch in der Nähe des Äquators, wo tropische Bedingungen herrschten. So entdeckte man aus dieser Zeit sowohl Zeugnisse von Bäumen, die mit unseren jetzigen Laubbäumen verwandt sind, als auch von Palmen, Zitronen- und Orangenbäumen, Kiefern, Mammutbäumen, Zypressen und Lebensbäumen. Die Überreste dieser Bäume verwandelten sich im Laufe der Jahrmillionen zu Braunkohle.

Ein Birkenwäldchen in Finnland. Auch heute noch sind Birken sogenannte Pioniere, die sich nach Störungen wie Kahlschlägen und Windwürfen als eine der ersten Baumarten wieder ansiedeln. 200 mm, 1/125 s, f/13, ISO 100.

Als sich Europa und Amerika vor etwa 60 Mio. Jahren voneinander trennten – vor 250 Mio. Jahren bestand die Landmasse der Erde noch aus einem einzigen großen Kontinent »Pangäa« – und die Kontinente mehr und mehr die Form erhielten, wie wir sie heute kennen, entwickelten sich auf den jeweiligen Kontinenten eine eigenständige Flora und Fauna. Die Pflanzenarten, die gegen Ende des Tertiärs die Erde bewuchsen, sind den Pflanzen, wie wir sie heute kennen, sehr ähnlich.

Am Ende des Tertiärs vor etwa 2,6 Mio. Jahren veränderte sich das Klima grundlegend. Es kam abwechselnd zu Kalt- und Warmzeiten. Viele Bäume kamen mit den starken Temperaturschwankungen nicht zurecht, was zu einem kontinuierlichen Rückgang der Artenvielfalt führte. Es gab immer weniger Baumarten, innerhalb einer Baumart existierten wohl aber viele Unterarten. Die Rotbuche hatte zu bestimmten Zeiten in Mitteleuropa keine Heimat mehr, dafür entwickelten sich Eibe und Hainbuche umso prächtiger. Auch die damals vorhandene Tierwelt beeinflusste die Vegetation: Pflanzen, die den Tieren besonders gut schmeckten, wurden zurückgedrängt, während sich bitter oder zäh schmeckende Pflanzen ausbreiteten.

Vor etwa 18.000 Jahren begannen nach der kältesten Periode der letzten Eiszeit – der sogenannten Würm- oder Weichselzeit – die Temperaturen langsam zu steigen. Im Holozän, welches auch das Nacheiszeitalter genannt wird, schmolzen die riesigen Eismassen über Teilen von Eurasien und Nordamerika. Durch das geschmolzene Wasser, die steigenden Temperaturen und die auftauchenden Landmassen entstand eine üppige Vegetation zwischen den Alpen und dem schmelzenden nordischen Eis. Nach einem Übergangsstadium, in dem vor allem Steppenlandschaften vorherrschten, breiteten sich wieder Wälder in Mitteleuropa aus. Zwei Baumarten machten den Anfang bei dieser Wiederbewaldung: die Birke und die Kiefer.

Anfangs waren die Wälder noch licht, sie verdichteten sich aber im Laufe der Jahrtausende immer weiter, vor allem dort, wo es warm und feucht war. Die Temperaturen wurden zunehmend stabiler und pendelten sich etwa vor 10.000 Jahren bei den Temperaturwerten ein, die heute auf der Erde herrschen.

Damit sich Wälder optimal entwickeln können, brauchen sie Verbündete im Boden: Ein Netzwerk von Pilzen und Feinwurzeln fast aller Pflanzenarten, das sogenannte Mykorrhiza, geht mit den Bäumen des Waldes eine Lebensgemeinschaft ein. Dieses Pilznetzwerk versorgt die Bäume mit Wasser und Nährstoffen, im Gegenzug geben Bäume Zucker an die Pilze weiter, den letztere zur Sporen- und Fruchtkörperentwicklung brauchen. Diese Netzwerke bildeten sich im Laufe der Zeit heraus, und nur dort, wo diese fein aufeinander abgestimmte Symbiose gelang, waren optimale Wuchsbedingungen für die Wälder gegeben. Kiefernwälder konnten sich deshalb so erfolgreich ausbreiten, weil sie in der Lage sind, mit 25 verschiedenen Pilzarten eine Lebensgemeinschaft zu bilden.

Eine weitere Erwärmung im westlichen Teil Europas wurde durch das Vordringen des warmen Golfstroms ausgelöst. Dadurch kam es zu Ausbreitungen verschiedener Baumarten. So machte sich die Hasel auf den Weg, um allmählich immer weiter in den Osten vorzudringen. Gleichzeitig breitete sich die Fichte von Nordrussland Richtung Westen aus und besiedelte dort die höheren Lagen. Die Erle konnte sich vor etwa 8000 Jahren durch eine Erhöhung des Meeresspiegels massenweise in Flusstälern ansiedeln, die in die Nordsee mündeten. Allmählich zogen auch Eichen, Ulmen, Linden und Eschen in die Wälder ein und drängten die Pioniere der Nacheiszeit, die Kiefern und Birken, zurück.

1.2Der Einfluss des Menschen

Als die Ausbreitung der Wälder zunahm und diese immer dichter wurden, begann der Mensch Wälder zu roden. Die Jagd nach Tieren war in den dichten Wäldern beschwerlich. Also schuf der Mensch in der Jungsteinzeit Lichtungen, um besser jagen zu können. Er machte zudem gerodete Flächen zu Äckern, um darauf Getreide anzubauen oder Viehherden zu halten. Diese Entwicklung soll auf verschiedenen Kontinenten etwa zur gleichen Zeit begonnen haben, ohne dass es erkennbare Kontakte zwischen den Ackerbauern gegeben hätte. Dabei blieben die Ackerflächen lange Zeit vom Wald umschlossen. Er sorgte für ausgeglichene Temperaturen während der Jahreszeiten und schützte die Ackerflächen vor Erosion und Austrocknung. Das durch die Rodungen gewonnene Holz wurde zum Heizen und Kochen in der kalten Jahreszeit verwendet.

Kiefern sind heute vor allem auf der Nordhalbkugel heimisch (wie hier auf der finnischen Insel Åland), aber bestimmte Kiefernarten besiedeln auch mediterrane, tropische und subtropische Gebiete. 50 mm, 1/30 s, f/10, ISO 100.

Vor etwa 7000 Jahren übernahm die Buche die Vorherrschaft über viele Wälder in Mitteleuropa. 42 mm, 5 s, f/8, ISO 200.

Allmählich entdeckten die Menschen Holz auch als Baumaterial für ihre Häuser und Hütten, zur Herstellung von Werkzeugen und Alltagsgegenständen. Der Bedarf an Holz stieg und die gerodeten Flächen um die Wälder wurden so groß, dass sich die Menschen entschieden, weiterzuziehen, um in noch unangetasteten Waldgebieten neue Siedlungen zu errichten. Dort, wo Menschen ihre Behausungen und Ackerflächen zurückließen, kehrten die Natur und die natürliche Tierwelt zurück, der Wald schloss sich wieder.

Die Rotbuche war damals Nutznießer der vom Menschen verlassenen Gebiete. So sieht das jedenfalls ein Teil der Fachwelt heute. Sie soll sich vor allem dort ausgebreitet haben, wo der Mensch Rodungsflächen hinterließ, da er durch sein Eingreifen die Konkurrenzverhältnisse unter den einzelnen Baumarten verändert hatte. Andere Forscher sehen die Ursache ihrer Verbreitung in den klimatischen Veränderungen dieser Zeit. Die Buche hatte es zuvor nur in den höheren Mittelgebirgen Süddeutschlands und in den Mittelgebirgslagen der Alpen gegeben. Sie breitete sich nun langsam über ganz Mitteleuropa aus. Der Wald büßte viele seiner Ulmen, Eichen und Haselbüsche ein und wurde ein von der Buche beherrschter Wald.

In der Eisenzeit (750 v. Chr. bis 1025 n. Chr.) gingen die Bauern nach demselben Muster vor wie ihre Vorfahren aus der Jungsteinzeit: Sie rodeten den Wald, errichteten Siedlungen und schufen Ackerland, trieben ihr Vieh in die Wälder und verließen den Ort nach einigen Jahrzehnten wieder. In Bergregionen wie den Alpen oder Pyrenäen bildeten sich Siedlungsstrukturen in den Tälern heraus. Die Tiere wurden im Sommer auf die Weiden in Hochlagen getrieben. Zwischen den Ackerflächen und Siedlungen im Tal und den Weiden im Hochland blieb der Wald noch erhalten, aber vom Tal her wurde der Wald aus Fichte, Buche, Tanne und Bergahorn zunehmend zurückgedrängt. Durch die Viehwirtschaft und Rodungen in den höheren Lagen verschob sich außerdem die Waldgrenze zunehmend nach unten. Hier büßten Lärche und Arve (Zirbelkiefer) ihren Lebensraum ein.

Lärchenwälder unterhalb des Morteratschgletschers in der Schweiz. In der Jungsteinzeit erstreckte sich der Lebensraum der Lärchen und Arven noch bis hinauf zum Berninapass. Das beweisen u. a. Funde von Lärchenstämmen im Torf der Berninaseen am Pass. APS-C, 35 mm, 1/30 s, f/10, ISO 100.

Von dem Historiker Publius Cornelius Tacitus ist die erste schriftlich festgehaltene Bemerkung über die Wälder nördlich der Alpen überliefert. Er schrieb, das Land der Germanen mache mit seinen schaurigen Wäldern einen »widerwärtigen« Eindruck. Diese Aussage legt nahe, dass dichte, urwüchsige Wälder noch große Gebiete des Landes bedeckten. In Pollenanalysen konnte man aber nachweisen, dass die Wälder in vorrömischer Zeit zu weiten Teilen keinen natürlichen Ursprung mehr hatten, sondern bereits durch den Menschen geprägt waren.

1.3Der Wald weicht den Städten

Die Bevölkerungsdichte stieg im Laufe der Jahrtausende weiter und so fingen die Menschen an, sich in größeren Zusammenhängen zu organisieren. In der Antike waren vom Nahen Osten bis zum westlichen Rand des Mittelmeeres viele Städte entstanden. Die Menschen wurden sesshaft und rodeten die Wälder rund um die Städte, um das Holz für ihre Bedürfnisse zu nutzen. Als es keine Wälder in der Nähe der Städte mehr gab, wurden Möglichkeiten zum Transport von Holz geschaffen. Auf Flüssen und Meeren konnte man per Schiff Holz aus dichter bewaldeten Gebieten heranschaffen. Zudem begann man wirtschaftlich wichtige Bäume anzupflanzen. Im Mittelmeerraum wurden von den antiken Hochkulturen gezielt Olivenbäume zur Herstellung von Olivenöl gepflanzt, aber auch Pinien, Feigen-, Mandel- und einige andere Bäume, die mit ihren Früchten zur Ernährung der Menschen beitrugen.

Obstgärten und Haine entstanden anstelle des Waldes. Wo Bäume abgeholzt wurden und der Wind die fruchtbare Humusschicht abgetragen hatte, entstanden durch Erosion Wüsten. Die Römer schlugen viele Eichen sowohl südlich als auch nördlich der Alpen, die ihnen als Bauholz dienen sollten. Tannen wurden für den Schiffsbau geerntet.

Ein sonnendurchfluteter Pinienwald bei Barbate an der Küste Andalusiens. Das natürliche Verbreitungsgebiet der Pinie ist der nördliche Mittelmeerraum. Gerade in Anatolien, Italien und Spanien wurde diese Art so häufig angepflanzt, dass es schwer nachzuvollziehen ist, welche Bestände auf natürliche Weise entstanden oder Folge von Anpflanzungen sind. APS-C, 92 mm, 1/80 s, f/7,1, ISO 200.

Am Ende der römischen Zivilisation bekam der Wald eine neue Chance, sich auszubreiten. Während des Übergangs von der Spätantike ins Frühmittelalter löste sich die kulturelle und politische Einheit auf, die sich während der griechisch-römischen Antike im Mittelmeerraum entwickelt hatte. In dieser Zeit brachen etliche Zivilisationen zusammen und Handelswege wurden aufgegeben. Damit konnte der Wald in einst besiedelten Gebieten wieder die Vorherrschaft übernehmen.

1.4Mensch und Wald in Mittelalter und Früher Neuzeit

Im beginnenden Mittelalter bekam der Prozess der Urbarmachung von Land neuen Aufschwung und der Wald wurde erneut zurückgedrängt. Mit Einführung der Grundherrschaft bekamen Bauern von ihren Grundherren Werkzeuge und Gerätschaften an die Hand, um das Land nutzbar zu machen. Im Gegenzug mussten sie neue Ackerflächen schaffen und Abgaben leisten. Karl der Große legte 795 fest, dass jeder Grundherr zu verhindern habe, dass sich auf dem bereits geschaffenen Ackerland wieder Wald ansiedelte. Die Wälder veränderten sich nun nach den Vorstellungen der Grundherren und wurden immer weniger durch Standortfaktoren geprägt, sondern mehr danach, welche Nutzungsinteressen vorherrschend waren. Da man Nadelbäume häufiger zur Holznutzung benötigte, wurden sie gefördert und ausgesät, der Anteil der Laubwälder verringerte sich.

Um die Ackerflächen gab es vielerorts noch dichten Wald, der die Fantasie der Menschen anregte: Märchen und Sagen erzählten von wilden Tieren, Hexen und Zauberern, Riesen und Zwergen oder Räubern und Jägern, die in den Wäldern ihr Unwesen trieben.

Je nach Nutzungsform entstanden Nieder- oder Hochwälder. In Niederwäldern aus Eichen, Hainbuchen und Birken wurde Holz in kürzeren Umtriebszeiten geschlagen; das bedeutet, die Bäume in diesen Wäldern wurden schon nach etwa 15 bis 20 Jahren geerntet. Aus den Stöcken trieben wieder neue Triebe aus, die dann Jahre später erneut geschlagen wurden. Sie entstanden meist in den Niederungen in der Nähe der Ortschaften. Ihr Holz wurde aufgrund seiner häufig krummen Wuchsform gern im Schiffbau eingesetzt. Hochwälder aus Buchen, Tannen, Fichten, Bergahorn und Eichen gab es vorrangig auf den Höhen. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sich ihre Baumindividuen aus jeweils einem Samen zu großen, hoch aufragenden Bäumen entwickeln. Blieben ein paar große Bäume aus einem Hochwald nach einem Hieb stehen und nutzte man den Rest des Waldes als Niederwald, wurde aus diesem ein sogenannter Mittelwald. In den durch Vieh bewirtschafteten Wäldern, den Hutewäldern, entwickelten sich Einzelbäume mit mächtigen Kronen und teils bizarren Wuchsformen. Mit einem natürlichen Wald hatten diese Flächen aber nur noch wenig gemein.

Der Wald regte die Menschen zu allerlei Fantasien an. Vielleicht trugen auch Baumgestalten wie diese dazu bei, dass sich Menschen vor dem Wald fürchteten. 66 mm, 1/40 s, f/11, ISO 500.

An verschiedenen Stellen in Europa betrieb man eine Wechselwirtschaft. Dabei wurde Wald zunächst gerodet und das Holz genutzt, die Reste auf Haufen geschichtet und verbrannt. Die Asche brachte man dann als Dünger auf die gerodete Fläche aus, die nun zu Ackerland wurde. Nach ein paar Jahren gab man dem Wald die Chance, wieder zurückzukommen.

In den Städten wurde sehr viel Holz benötigt, sodass sich die Wälder um die Städte mehr und mehr zurückzogen. Sie waren vielerorts in einem erbärmlichen Zustand. Man brauchte den kostbaren Rohstoff Holz für Häuser, Mühlen, Schiffe, Wagen, Bergbau, als Brennstoff, zur Verhüttung, Holzkohlegewinnung, Salzgewinnung, für die Glasbläserei und vieles mehr. An manchen Orten wurden daher schon im Mittelalter erste Waldschutz- oder Wiederherstellungsmaßnahmen eingeleitet, wie z. B. das Ausbringen von Kiefernsaat im Nürnberger Reichswald im Jahre 1368. Mit Kiefernsaaten wurden auch später andere Stadtwälder aufgeforstet, etwa der Frankfurter Stadtwald. Einige stadtnahe Wälder durften schon im 13. Jahrhundert nicht mehr gerodet werden. Im 15. und 16. Jahrhundert wurden dann erste Verordnungen zum Schutz der Wälder erlassen. So gab es beispielsweise Weisungen, jeden neunten oder zehnten Baum stehen zu lassen, wenn ein Hochwald abgeholzt wurde, damit die verbleibenden Bäume wieder Nachkommen zeugen konnten. In manchen Gebieten war sogar die Weidenutzung in den Wäldern verboten.

Bis heute existieren Reste der ehemaligen Hutewälder (siehe dazu den Abschnitt 2.3.3 »Hutewälder« auf Seite 39). Diese prächtige alte Hutebuche mit beeindruckendem Wurzelwerk und Alpenveilchen hat sich auf der Insel Korsika erhalten. Dort ziehen nach wie vor Rinder, Ziegen und Schafe durch die Wälder. 14 mm, 6 s, f/16, ISO 100.

Es wurden Wegenetze auf Wasser und zu Land ausgebaut, um an das kostbare Gut Holz zu kommen. Vor allem lange Stämme für den Bau kamen aus weiter entfernten Regionen in Floßform oder durch Trift auf Flüssen in die Städte. Die Stadt Venedig bekam ihr Holz aus der Alpenregion. Der Rhein und die Elbe wurden Hauptverkehrsadern für die Verschiffung von Holz. Dies hatte zur Folge, dass die Wälder nicht nur um die Städte herum immer weniger wurden, sondern auch die Wälder entlang der Flüsse, die Hochwälder der mitteleuropäischen Gebirge und boreale Nadelwälder in großem Ausmaß dezimiert wurden. Bäume wurden auch zur Gewinnung von Nahrung genutzt. So »köpfte« man sie z. B. für die Honigproduktion, um darin Bienenvölker zu halten.

Der Wald musste auch den Interessen der Adligen, die in ihren Wäldern jagen wollten, dienen. So gewann er als Jagdrevier zunehmend an Bedeutung. Er wurde zeitweise wieder als schützenswert angesehen und mancherorts sogar vergrößert. Viele Forste wurden so gestaltet, dass man bequem darin jagen konnte. Es entstanden die ersten Jagdschlösser in den Wäldern.

Das ausschweifende Leben an den Fürstenhöfen und der gestiegene Lebensstandard des Bürgertums ließen den Holzhunger weiter ansteigen. Mit dem aufkommenden Buchdruck entstanden im 15. und 16. Jahrhundert zahlreiche Papierbetriebe, die für die Produktion ebenfalls Holz benötigten. Die Konflikte um Holz waren auch (Mit-)Ursache von Kriegen wie z. B. dem Bauernkrieg von 1525 und dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648).

Man nimmt an, dass die Ausbeutung der Wälder in Mitteleuropa bis zum 19. Jahrhundert größere Ausmaße erreichte als heute. Geschlossene Wälder gab es kaum noch. Besonders gravierend war diese Entwicklung in England. In Deutschland konnten sich durch den Einfluss der Landesherren, die ihre Wälder vorrangig für die Jagd nutzen wollten, im Vergleich zu anderen Ländern verhältnismäßig viele Wälder erhalten. Wo der Wald verschwand, war das Heidekraut auf dem Vormarsch, die Waldböden waren verarmt und ausgeplündert.

Man holte sich ein Stück Natur in die Städte und um die Schlösser, indem man begann, in Gärten und Parks die Natur nach dem eigenen Geschmack zu gestalten. Baumarten aus anderen Ländern und Kontinenten hielten darin Einzug. Ehemalige Hutewälder wurden, wie z. B. der Englische Garten in München, Ende des 18. Jahrhunderts in Parks umgewandelt.

Was im Mittelalter in vielen Wäldern eine übliche Form der Bewirtschaftung war, ist in Deutschland heute nur in noch ausgewählten Wäldern, die speziellen Naturschutzzielen dienen, erlaubt. Dieser Wald an der hessischen Bergstraße wird mit Eseln, Ziegen und Schafen beweidet, um die Baumart Kiefer zu fördern und ihn von Unterwuchs freizuhalten. 30 mm, 1/25 s, f/9, ISO 500.

Das Moritzburger Jagdschloss bei Dresden hat seinen Ursprung in einem schmucken Jagdhaus, der »Dianenburg«, das im späten Mittelalter zum Übergang zur Neuzeit erbaut worden war. Das Renaissanceschloss ist noch heute von ausgedehnten Wäldern umgeben, welche die Fürsten der damaligen Zeit als Jagdrevier nutzten. 24 mm, 1/10 s, f/10, ISO 250.

Wo der Wald gerodet worden war, breitete sich an vielen Stellen die Heide aus. Diese Heidelandschaften werden heute noch als Kulturlandschaften gepflegt und durch die Bewirtschaftung mit Schafen waldfrei gehalten. 24 mm, 1/6 s, f/16, ISO 100.

1.5Ein Umdenken – das Prinzip der Nachhaltigkeit wird geboren

Der Rechtswissenschaftler und Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz erkannte als einer der Ersten das wachsende Problem der Holzknappheit und verfasste 1713 ein Lehrbuch für die Forstwirtschaft mit dem Titel »Sylvicultura oeconomica«, in dem er zur Aufforstung kahl geschlagener Waldflächen aufrief, damit der Rohstoff Holz auch für nachfolgende Generationen noch zur Verfügung stehen konnte. Es sollte nur so viel Holz geschlagen werden, wie durch Aufforstung wieder nachwachsen konnte. Er legt damit den Grundstein für das Prinzip der Nachhaltigkeit.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden der Beruf des Försters geboren und Forstakademien eingerichtet, um eine nachhaltige Bewirtschaftung in den Wäldern zu sichern und aus bisher landwirtschaftlich genutzten Flächen wieder Wald zu machen. Es ging dabei aber vorrangig um den Wald als Geldquelle und Wirtschaftsfaktor. So wurden die lukrativen und vielseitig verwendbaren Nadelbäume in großem Maßstab angepflanzt und die so entstandenen Wirtschaftswälder mit Forstwegen durchzogen. Die schnell wachsende Fichte übernahm die Vorherrschaft. Obwohl die Gefahren der Reinbestände damals schon bekannt waren, wurden diese Warnungen überhört. So entwickelte beispielsweise der bayerische Forstwissenschaftler Karl Geyer alternative Waldkonzepte auf Grundlage der Naturgesetze und setzte sich für den Mischwald und die natürliche Verjüngung ein (»Der Waldbau«, 1878).

Man forstete nicht nur auf und brachte Saatgut ein; es wurden zudem ausgewählte Bereiche eingezäunt, um sie vor Wildverbiss zu schützen. Eichen oder Buchen wurden häufig auch als Büschel gepflanzt, indem man viele junge Bäume gemeinsam in eine Pflanzgrube setzte. Die dicht beieinander wachsenden Pflanzen sollten durch diese Art der Pflanzung zu geradem Wuchs erzogen werden. Die einzelnen Bäume konnten sich zudem gegenseitig Schutz vor dem gefräßigen Wild sowie Wind und Wetter geben. Ihre Pflanzung wurde vor allem in Gebieten mit starkem Verbiss und in Hochlagen mit rauen klimatischen Bedingungen empfohlen. Die einzelnen Bäumchen wuchsen aber häufig zusammen und wurden zu Bäumen mit beträchtlichem Stammumfang. Diese Bäume, zusammengewachsen oder in Einzelstämmen, kann man bis heute noch hier und da entdecken.

Es war auch die Zeit der Alleen und Chausseen. Hierzulande wurden vor allem in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern Alleen an Landstraßen und in Schlossgärten gepflanzt. Für das Vieh wurden Flächen eingezäunt oder mit Wallhecken umgeben. Dadurch schonte man die verbliebenen Wälder. Die alten Eichen der deutschen Hutewälder wurden im Zuge der Grundgedanken der Französischen Revolution zu geheiligten Symbolen von Stärke und Freiheit und einer einst urwüchsigen Natur. Die Eiche wurde zum »Baum der Deutschen«, die in dieser Zeit zunehmend im Wald nach ihrer Identität zu suchen begannen (siehe dazu den Abschnitt 2.3.3 »Hutewälder« auf Seite 39).

Durch Stockaustrieb nach einer Niederwaldbewirtschaftung oder Büschelpflanzung entstanden? In diesem Fall ist die Ursache der »Vielarmigkeit« vermutlich ein Stockaustrieb. Doch bei Bäumen mit vielen Stämmen ist der Ursprung des Baumes nicht immer eindeutig zu klären. Sie sind aber meistens durch den Einfluss des Menschen entstanden. 42 mm, 1/25 s, f/8, ISO 500.

Mit Beginn der Romantik Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Wald zu einem Ort der Sehnsucht. Dichter und Maler machten ihn zum Symbol einer ersehnten, heilen und träumerischen Welt. Die Romantik war eine Antwort auf die beginnende Industrialisierung und den Abbau von bewaldeten Gebieten.

Auch wenn sich ein Wandel abzeichnete, so blieb der Zustand der Wälder bis Mitte des 19. Jahrhunderts schlecht. Die ständig wachsenden Industrien benötigten Holz. Da einige Länder kaum mehr Wald besaßen, rodeten sie Wald in anderen Teilen der Erde. So begann England für seinen wachsenden Bedarf die Wälder seiner Kolonien zu plündern.

Eine wesentliche Entlastung gab es für den Wald durch den Abbau von Stein- und Braunkohle, die statt Holz als Brennstoff dienen konnten. Zusätzlich ersetzten neue Baustoffe wie Beton, Stahl und Kunststoff das Holz in seiner Funktion. Die Waldflächen nahmen besonders in Deutschland durch gezielte Aufforstung sukzessive zu, was sich positiv auf erodierte Böden, den Grundwasserspiegel und das Bestandsklima auswirkte.

Der sächsische Maler Eduard Leonhardi (1828–1905), der für seine romantischen Landschaftsbilder bekannt ist, trägt den Beinamen »Maler des deutschen Waldes«. Er fertigte 1887 dieses Gemälde und gab ihm den Namen »Waldeinsamkeit«. Darin kommt die tiefe Sehnsucht nach einer ursprünglichen und unberührten Natur zum Ausdruck. Albertinum, Dresden.

Der Wald wurde wieder zu einer Lebenswirklichkeit der Menschen und regte zu allerhand Fantasien und Geschichten an. So spielt er beispielsweise in den Grimmschen Märchen oder auch in den Opern von Richard Wagner eine zentrale Rolle. Der künstlich angepflanzte Wald wurde zu dem, was die Menschen als »urwüchsige Natur« assoziierten. Sie suchten ihn auf, um sich dort von dem schnellen und oft schmutzigen Leben in den Industriestädten zu erholen. Die um 1900 aufkommenden Naturschutzbewegungen begannen sich für den Schutz der Wälder einzusetzen. Im Zuge der Wanderbewegung entdeckten viele Menschen den Wald als einen Ort der Erholung.