Geheimrezepte für die Liebe - Mascha Matysiak - E-Book

Geheimrezepte für die Liebe E-Book

Mascha Matysiak

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Beschreibung

***WinterWonderLove*** Luzie ist begeistert: Sie hat ein Praktikum im angesagten Restaurant Roll In ergattert! So kurz vor Weihnachten ist die Arbeit hier allerdings eine echte Herausforderung. Doch dann lernt sie Nick kennen, den Sohn der Chefin – und ist gleich hin und weg. Mit ihm an ihrer Seite macht es sogar Spaß, im albernen Schneeflockenkostüm Flyer zu verteilen. Und als die beiden wenig später zusammen im Kühlraum eingeschlossen werden, wird es nicht nur Luzie ziemlich heiß ...  Ein Winterschmöker zum Verlieben - genau richtig für kuschelige Leseabende am Ofen!

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Mascha Matysiak: Geheimrezepte für die Liebe

Luzie ist begeistert: Sie hat ein Praktikum im angesagten Restaurant Roll In ergattert! So kurz vor Weihnachten ist die Arbeit hier allerdings eine echte Herausforderung. Doch dann lernt sie Nick kennen, den Sohn der Chefin – und ist gleich hin und weg. Mit ihm an ihrer Seite macht es sogar Spaß, im albernen Schneeflockenkostüm Flyer zu verteilen. Und als die beiden wenig später zusammen im Kühlraum eingeschlossen werden, wird es nicht nur Luzie ziemlich heiß …

Wohin soll es gehen?

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  Vita

KAPITEL 1

»Luzie, komm mal her.«

»Ja, gleich, Paps!« Eilig stelle ich den selbst gemachten Ketchup zur Seite, schütte eine Portion Currypulver in die Schüssel und rühre alles um. Mittlerweile habe ich ein Gefühl dafür entwickelt, welches Mischungsverhältnis Ketchup und Pulver haben müssen, damit die Soße perfekt wird.

Weil Paps so aufgeregt geklungen hat, schiele ich über die Theke aus dem Food Truck. Meine Eltern haben ihn vor zwei Jahren gekauft. Ich liebe den kleinen silbernen Wagen, den wir Ernie nennen. Er ist ein richtiges Familienmitglied geworden, auch wenn das vielleicht ein bisschen albern ist.

»Wo steckst du denn?«, rufe ich. Wahrscheinlich bessert Paps mal wieder eine der Ledges aus. Die Rutschkanten sind ziemlich demoliert. Früher standen wir am Parkplatz vorm Freibad, aber im Herbst sind wir mit Ernie zum Skateplatz umgezogen. Hier muss Paps keine Pacht zahlen, vorausgesetzt er kümmert sich um den Platz und macht ihn fit. Er hat alle Hände voll zu tun. Ständig setzt er neue Pflastersteine ein, säubert Gullys, räumt Müll weg oder lackiert irgendwas. Nach der Schule helfe ich ihm dabei, weil Mama ihren Job im Büro hat.

»Bei der kleinen Rampe!«, schallt es zu mir rüber. Also putze ich die Hände ab und löse meine Haare aus dem wirren Dutt. Ich schüttele sie über den Rücken, damit sie Platz unter meiner dicken Pudelmütze haben. Die kommt tief über die Stirn. Heute ist es klirrekalt. Mein Atem bildet weiße Wölkchen in der Luft, als ich Ernie verlasse. Beim Einatmen habe ich das Gefühl, Reißnägel zu schlucken.

Ich umrunde den Pool, den die Skater so nennen, weil er an ein leeres Wasserbecken erinnert. Im Vorbeigehen winke ich den Graffiti-Künstlern zu. Sie bemalen die hintere Steinwand des Platzes. Als Paps die Mauer entdeckt hat, erklärte er sie sofort zur Sprayerwand. Seither verewigen sich die Leute daran täglich mit Bildern, Schriftzügen oder Tags.

»Was ist das denn?« Verwirrt halte ich inne. Paps steht neben der Rampe vor einer Bank, darauf liegt ein riesiger Eisklumpen. »Hat das etwas mit der Schlittschuhbahn zu tun?« Passend zur Jahreszeit will Paps neben dem Skatepark eine mobile Eisbahn aufbauen. Sie soll heute oder morgen geliefert werden.

Paps schüttelt den Kopf und schlendert eine Runde um den Eisklotz herum. Er sieht aus wie der Besucher eines Museums, der ein Meisterstück unter die Lupe nimmt.

Ist da etwas zu erkennen, was ich nicht sehe? Ich ziehe die Hände aus meinen Parkataschen, beuge mich vor und tippe mit dem Zeigefinger dagegen. Das ist eindeutig Eis. Knallhartes, frostiges Eis.

»Gestern ist mir noch eine andere Idee gekommen«, verkündet Paps. Er fängt an zu grinsen. Breiter als die Grinsekatze aus Alice im Wunderland. »Ich sage nur: Eisskulpturen des Jahres!« Seine Stimme klingt feierlich. Mit der Hand zeichnet er eine imaginäre Schrift in die Luft.

»Aha!?« Ich habe keinen Schimmer, was er damit meint.

»Na, ich bewerbe mich beim landesweiten Wettbewerb der schönsten Amateur-Eisskulpturen. Das sorgt für Aufsehen und der Sieger erhält ein dickes Preisgeld. Wir könnten es gut gebrauchen.« Er streicht über den Klotz. »Und daraus schnitze ich meine erste Figur.«

»Ähm, du schnitzt?«

»Genau! Die Übungsskulpturen stelle ich hier überall hin. Sie werden dem Platz einen einzigartigen Touch verleihen.« Er kramt sein Phone aus der Tasche und wischt darauf herum. »So ungefähr stelle ich mir das vor.«

Auf dem Bild im Internet sehe ich jede Menge verwunschene Eisgestalten und Formen, die weiß, blau oder grünlich schimmern. Sie wirken, als wären sie aus zerbrechlichem Glas. Wunderschön!

»Und du meinst, du kannst so was?«, frage ich skeptisch. »Abgesehen davon geht so eine Skulptur doch bestimmt beim ersten Regen oder Sonnenstrahl kaputt.«

Paps schüttelt den Kopf. »Das hält ein paar Tage. Es ist kalt genug. Außerdem ist der Klotz hier aus gefiltertem Wasser. Das hat kaum Luftblasen und erhöht die Haltbarkeit.«

»Du klingst ja wie ein Vollprofi.« Ich gebe meine Bedenken auf. Paps hat immer verrückte Ideen und Pläne. Und wenn er sich mal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist es sinnlos, ihn davon abhalten zu wollen.

»He, Lu!« Mein bester Freund Liam kommt mit zwei Bechern zu uns und drückt mir einen davon in die Hand. Dann haucht er mir ein Küsschen auf die Wange. Ich brauche gar nicht an den Bechern zu schnuppern, um zu wissen, was er mitgebracht hat: Für mich einen Chai Tea Latte – eines meiner Lieblingsgetränke – und für sich einen Cappuccino. Liam ist ein Kaffee-Junkie. Er kann literweise Koffein zu sich nehmen, ohne auch nur die klitzekleinste Reaktion zu zeigen. Als wir neulich zusammen für eine Englischklausur gebüffelt haben, hat er sich sechs Espressi reingezogen. Schon beim Zuschauen habe ich Herzrasen und Magenkrämpfe bekommen. Liam hingegen ist irgendwann auf dem Sofa eingeschlafen und am nächsten Tag frisch und fröhlich aufgewacht.

»Was macht Bo da?«, raunt er mir ins Ohr und beobachtet meinen Vater dabei, wie er eine Säge, einen Spachtel und eine Axt aus einer Tasche holt.

»Eiskunst für einen Wettbewerb.«

»Aha, glaubst du, er hat dieses Mal mehr Glück als bei den Sandfiguren im Sommer, wo der ganze Sand ins Wasser geweht ist und der Bademeister einen Anfall bekommen hat?«

Glucksend zucke ich mit den Schultern. Paps’ neues Projekt ist mal wieder typisch schräg. Aber so ist er eben.

Wir sehen ihm noch kurz dabei zu, wie er beginnt, an dem Klotz herumzuhobeln, und schlendern dann rüber zu Ernie. Dort werfe ich die Fritteuse an und schütte eine Portion Pommes hinein. Das Fett blubbert los. Ich liebe dieses Geräusch. Nur auf den Geruch, der sich überall in den Klamotten, der Haut und in den Haaren festsetzt, könnte ich verzichten.

»Ich habe mir vorhin ein Outfit für den Zoo gekauft. Militärgrüne Arbeitshose, graue Boots. Das muss ich dir später unbedingt zeigen«, erzählt Liam. Er steht draußen an Ernies Theke und sieht mir dabei zu, wie ich je einen Ketchup- und einen Mayonnaiseklecks auf einen Teller tupfe.

»Meinst du nicht, den Bären ist es egal, wie du aussiehst, wenn du ihren Mist wegputzt?«, necke ich ihn. Vor einem Monat mussten wir uns für ein zweiwöchiges Praktikum bewerben, das unsere Schule als Winter-Sonderaktion für uns Zehntklässler geplant hat. Es startet schon in wenigen Tagen, Mitte Dezember, und dauert bis zu den Weihnachtsferien. Liam wird im Zoo arbeiten. Er liebt Tiere. Nicht mal einer Stechmücke würde er etwas tun. Ich habe mich bei drei Restaurants beworben und zwei Zusagen bekommen. Nur von meinem Favoriten, dem Roll-In, habe ich noch nichts gehört. Jeden Tag warte ich auf einen Anruf.

Liam fährt sich durch die Haare, die er sich immer stundenlang vor dem Spiegel zurechtgelt. Er legt großen Wert auf seinen Out-of-Bed-Look. »Die Bären interessieren sich bestimmt nicht dafür. Aber vielleicht die heißen Tierpfleger. Außerdem habe ich nicht vor, nur Misthaufen wegzuschaufeln oder stinkende Fischbecken zu putzen. Ich werde kleine Wildkatzen streicheln, Affen füttern, Pferde striegeln und natürlich mit den sexy Kollegen flirten.«

»Gibt es denn überhaupt gut aussehende Pfleger im Zoo?«, erkundige ich mich und hole die Pommes raus.

»Keine Ahnung. Aber man muss auf alles vorbereitet sein. Mein Mister Right könnte schließlich überall lauern.«

»Stimmt.« Ich mache eine möglichst ernste Miene. »Sogar im Gehege der Stachelschweine, Schimpansen, Koboldmakis oder was da sonst noch so kreucht und fleucht.«

Das Klingeln meines Smartphones reißt mich aus unserem Geplänkel. Schnell wische ich meine Finger an der Jeans ab und angele es aus der Tasche. Beim Blick auf das Display fängt mein Herz an zu hämmern. »Das Roll-In!« Lass es geklappt haben, lass es geklappt haben, bete ich.

»Geh schon ran«, zischt Liam, weil ich plötzlich so eingefroren bin wie Paps’ Eisklumpen auf der Skater-Bank.

»Hallo, hier ist Luzie Thomas.« Meine Stimme klingt kratzig.

»Hi, ich bin Cedrick vom Roll-In«, sagt eine Stimme am anderen Ende. »Ich soll dir ausrichten, dass du dein Praktikum gerne hier machen kannst. Wir erwarten dich am Montag in zwei Wochen um 10 Uhr. Geht das für dich klar?«

Ich nicke und vergesse vor Aufregung, dass dieser Cedrick das gar nicht sehen kann.

»Ja, absolut«, presse ich hervor.

»Cool, dann bis bald.« Er legt auf.

»Und? Und?«, drängelt Liam. Das Grinsen in meinem Gesicht ist Antwort genug. »Yaaaaay!« Er brüllt so laut, dass meine Ohren klingeln und den Künstlern bei der Graffiti-Wand wahrscheinlich ihre Flaschen aus den Händen fallen. Ich hüpfe ein paarmal hoch. Ernie wackelt dabei hin und her, als würde er sich mit mir freuen. Über die Theke hinweg boxen Liam und ich unsere Fäuste gegeneinander.

Als wir uns wieder beruhigt haben, bestreue ich die Pommes mit Salz und folge Liam auf die Bank neben dem Wagen. Dort decken wir uns mit einem Fell zu. Liam futtert los wie ein Verhungernder. Ich hingegen atme tief ein und aus. Die Luft riecht nach Tannennadeln, Schnee und Farbdosen. Eine Duftmischung, die mir in der letzten Zeit so vertraut geworden ist.

Ich habe ihn tatsächlich gekriegt, den Praktikumsplatz im coolsten, abgefahrensten Restaurant der Stadt. Das ist genial! Zufrieden schnappe ich mir eine Pommes, bevor Liam alles allein wegputzt. Sie trieft vor Fett und knuspert wunderbar salzig zwischen den Zähnen. Das Grinsen ist noch immer in meinem Gesicht festgetackert. Wahrscheinlich kriege ich es bis Weihnachten nicht mehr weg.

KAPITEL 2

»Zur Feier des Tages habe ich eine Überraschung für dich«, sagt Liam, nachdem wir die Pommes aufgefuttert haben. Er steht auf und putzt seine Finger an einer Serviette ab. »Los, schnapp dir deine Tasche. Wir gehen rüber zum Weihnachtsmarkt. Die ersten Buden haben vorhin aufgemacht.«

Begeistert klatsche ich in die Hände. Schon seit Tagen warten wir darauf, dass der Markt endlich öffnet und wir heiße Maronen essen können.

Bevor wir den Platz verlassen, schauen wir aber noch einmal nach Paps.

»Ich habe den Praktikumsplatz im Roll-In gekriegt«, jubele ich, woraufhin er Eispulver in die Luft wirft, das er dem Klotz in der Zwischenzeit abgetrotzt hat.

»Klasse, Lu, das ist toll!«

Rechtzeitig mache ich einen Schritt nach hinten. Liam hingegen reagiert zu spät und kriegt die gefrorenen Stückchen mitten ins Gesicht. Sie glitzern in der Sonne und geben seiner Haut einen schönen Schimmer.

»Dass du mir da aber nicht zu etepetete wirst. Solche Herrschaften haben wir schon in der Familie.« Paps klingt, als sagt er das im Scherz. Ich weiß aber, dass es ihm bitterernst ist. Er meint Grand-mère und Grand-père. Ich spüre einen Druck in meiner Brust und versuche, schnell an etwas anderes zu denken.

»Das Roll-In ist kein Vier-Sterne-Restaurant, Bo«, klärt Liam meinen Vater auf.

Der winkt ab. »Trotzdem ist es ein Schickimicki-Laden.« Mit einem Spachtel zieht er eine Linie über das Gebilde unter seinen Händen. Die rausgeschlagenen Spitzen und Kanten zeichnen ein undefinierbares Muster in den Block. Es ähnelt nicht im Geringsten den Figuren auf seinem Internetfoto.

»Wird das ein Drache?«, wechselt Liam das Thema. »Ein Hai, oder ein Urzeitmonster?

Paps runzelt die Stirn. »Eigentlich wollte ich eine Schneekönigin machen.«

»Das wird schon«, murmele ich, bevor ich mich Liam anschließe. Der dreht sich mit einem unterdrückten Lachen weg.

»Da hat Bo noch einiges zu tun«, sagt er, als wir uns etwas entfernt haben.

»Jep.« Bei nächster Gelegenheit werde ich Paps helfen. Auch wenn ich höchstwahrscheinlich genauso wenig eine Schneekönigin hinkriege wie er.

Der Duft von Glühwein, Bratäpfeln und Maronen weht uns vom Weihnachtsmarkt entgegen. Das kleine Riesenrad dreht seine Runden und fröhliche Musik umgibt die Stände. Liam und ich erreichen die ersten Buden und schlendern zu dem Verkäufer, der gerade eine Portion Esskastanien ins Feuer wirft. Was für ein genialer Tag, denke ich. Dann bemerke ich Liams Blick. Er sieht erst auf seine Uhr und dann mich mit einer Mischung aus Aufregung, bettelndem Hundeblick und Unsicherheit an. Oh nein!

»Hast du etwa noch eine Überraschung?«

Liam nickt.

»Aber es ist nicht das, was ich denke, oder?« Eigentlich will ich es gar nicht wissen.

»Natürlich ist es das«, antwortet er.

Ich kneife die Augen zusammen und würde ihn am liebsten mit meinem Blick erdolchen. »Och nö! Nicht schon wieder ein Blind Date.«

»Oh doch. Rafael ist ein cooler Typ. Du wirst sehen. Ich stelle euch gleich am Stand von Pedro vor. Dann könnt ihr euch beschnuppern.« Pedro ist ein Freund von Liam. Er verkauft mit seinen Eltern Schmuck auf dem Markt.

»Ich will niemanden beschnuppern«, murre ich.

Liam reagiert nicht auf meine Gegenwehr. Er ist der Meinung, ich brauche dringend einen festen Freund. Aber nur weil er seinen Mister Right sucht, muss ich das nicht auch tun. Mein letztes Blind Date war Horror! Der Typ, den Liam vom Volleyball kennt, ist Veganer! Daran ist eigentlich nichts auszusetzen. Als ich ihm jedoch erzählte, dass wir in unserem Food Truck Currywurst anbieten, fing er einen ellenlangen Monolog über politisch korrekte Ernährung, Tier- und Umweltschutz an. Ich mag Tiere, und ich vermeide Müll, so gut ich kann. Aber ich will mir beim ersten Date nicht anhören müssen, dass mein Vater ein Mörder ist, weil er Currywurst verkauft, und mein transparenter Nagellack höchstwahrscheinlich jede Menge Giftstoffe enthält.

Genervt nehme ich die Maronen-Tüte von dem Verkäufer entgegen. Ich hatte mich so darauf gefreut und nun ist mir der Appetit vergangen.

»Jetzt lern Rafael doch erst mal kennen«, fordert Liam mich auf. Er legt einen Arm um meine Schulter und zieht mich mit sich. »Wenn du es nicht ausprobierst, findest du nie den Richtigen.«

»Den will ich auch gar nicht. Ich brauche keinen festen Freund.« Bockig versuche ich, mich aus seinem Arm zu befreien, doch Liam hält mich fest. »Liebe ist das Beste, was einem passieren kann.«

Das Roll-In ist das Beste, was mir passieren kann, und das reicht mir im Moment völlig für mein Glück, denke ich.

»Da ist er.« Liam zeigt auf den Typen, der sich mit Pedro vor dessen Stand unterhält.

»Wie sieht der denn aus?«, murmle ich, als er sich in unsere Richtung dreht. Auch Liam verlangsamt seine Schritte. Ein Kinnbart kommt zum Vorschein. Er ist zu einem kleinen Zopf geflochten und mit einer Schleife zugebunden. Rafael muss älter sein als die Jungs in meinem Alter.

»Holaaaaaa«, begrüßt uns Pedro überschwänglich. Er kommt aus der Bude heraus und gibt Liam und mir die in Spanien üblichen Wangenküsschen. Rafael macht es ihm nach. Seine Barthaare kratzen über meine Wangen.

»Ich bin Rafael. Du musst Luzie sein.«

»Ja, hi.«

Er macht einen Schritt zurück und lässt seinen Blick über mein Gesicht, die langen Haare, meinen Parka, die Jeans und die Stiefel gleiten. So müssen sich Zootiere fühlen, wenn die Besucher vor ihren Gehegen stehen und sie angaffen. Unsicher trete ich von einem Fuß auf den anderen.

Während Liam und Pedro sich in ein Gespräch vertiefen, mustere ich Rafael aus den Augenwinkeln. Eigentlich sieht er ganz nett aus. Bis auf den Bart.

»Wie findest du meinen Bart?«, will er da ausgerechnet wissen und zwirbelt daran herum.

Was soll ich darauf antworten, ohne unfreundlich zu sein? »Gewöhnungsbedürftig«, sage ich diplomatisch und Rafael lacht los.

»Ging mir am Anfang auch so. Aber jetzt mag ich ihn. Er gehört zur Rolle.«

»Zu welcher Rolle?« Ich lehne mich an den Rand der Bude und entspanne mich ein bisschen.

»Dieses Jahr spiele ich den Giacomo Casanova im Schultheaterstück. Das war der größte Frauenheld aller Zeiten. Eigentlich hatte er lange Haare mit einer Schleife im Nacken. Auf die Schnelle konnte ich mir aber keine Mähne wachsen lassen, deshalb der Bart.« Er macht einen Schritt zur Seite. »Wollen wir ein bisschen rumlaufen?«

Unsicher nicke ich und schließe mich ihm an.

Am nächsten Stand bleiben wir stehen und betrachten die Wollsachen, die die Verkäuferin gerade auf der Ablage stapelt.

»Spielst du gerne Theater?«, erkundige ich mich, als die Stille zwischen uns unangenehm wird.

»Absolut. Ich will Schauspieler werden. Und was ist mit dir? Weißt du schon, was du nach der Schule machst?«

»Eigentlich nicht«, gebe ich zu. »Aber ich habe gerade ein Praktikum im Roll-In gekriegt.«

»Wow, das ist dieses superhippe Achterbahnrestaurant, in dem alles über Lifte und Schienen zu den Tischen geliefert wird, oder?«

Ich nicke.

»Also bist du ein Mädchen mit Stil.« Rafael schnappt sich meine Hand und haucht einen Kuss darauf. Er kräuselt die Nase und schnuppert. Wahrscheinlich riecht sie nach Pommes. Noch einmal küsst er sie. Ich spüre seine feuchten Lippen auf meinem Handrücken. Spinnt der?

»Hey, Raf, übertreib es nicht«, ruft Pedro zu uns rüber und sieht mich entschuldigend an. »Er übt im Moment in Dauerschleife für seine Rolle.«

Na toll, dann bin ich wohl das Versuchskaninchen. Ruckartig ziehe ich meine Finger aus seinen. Rafael grinst, als würde er meine Gedanken lesen. Dummerweise denkt er gar nicht daran, sein Theatertraining zu beenden. Er greift nach einem Wollschal auf der Ablage und legt ihn mir um den Hals. Mit verträumtem Blick zupft er an einer meiner Haarsträhnen herum. »Du bist hübsch!«

Meine Wangen werden heiß. Schnell wickele ich den Schal ab und lege ihn zurück.

»Vor allem deine erdapfelfarbenen Haare und deine mausgrauen Augen gefallen mir.«

Hä? Erdäpfel sind doch Kartoffeln!? Seit wann sind meine Haare gelb? Ich schiele auf meine Schulter. Ganz eindeutig liegen kastanienbraune Strähnen darüber. Und meine Augen sind auch nicht mausgrau, sondern blaugrau. Wenn man es poetisch ausdrücken will, vielleicht Opalfarben oder meinetwegen nuanciert Ultramarin. Hilfe suchend schaue ich zu Liam, der nah genug ist, um uns hören zu können. Doch er beugt sich über eine Kette mit Bärenanhänger und tut so, als würde er nichts mitkriegen. Mieser Verräter! Weil ich nicht weiß, was ich machen soll, probiere ich ein paar Handschuhe an. Sie kratzen noch mehr als Rafaels Bart vorhin. Deshalb ziehe ich sie gleich wieder aus.

»Magst du einen Liebesapfel?«, haucht Rafael. »Wir können ihn uns teilen.«

Ich schüttele den Kopf und hebe die Tüte mit den Maronen hoch. »Kastanien sind mir lieber.« Oh Mann! Da war mein Date mit dem Hardcore-Veganer ja besser. Ich bin echt kein Flirtprofi, aber der größte Frauenheld aller Zeiten war bestimmt nicht so plump. Wenn dieser Möchtegern-Verführer so weitermacht, fliehe ich rüber zu Paps und helfe ihm bei seinem Eisfigurenproblem. Dann kann Casanova meinetwegen mit dem aufblasbaren Schneemann weiterreden, der gerade neben Pedros Stand aufgestellt wird.

Zum Glück naht Rettung, denn gerade als ich mir ein paar Abschiedsworte zurechtlege, schlendern zwei Mädchen an uns vorbei. Sie begrüßen Rafael und halten an. Sofort beginnt er, ihnen Komplimente zu machen. Anders als bei mir kommt sein Verhalten bei ihnen gut an. Sie sind beeindruckt von seiner Rolle und tun so, als wäre er ein Hollywood-Star. Nehmen sie sein Gesäusel wirklich ernst? Dann hätten sie einen niedrigeren IQ als ein Knäckebrot.

Entgeistert verfolgt Liam, der endlich mal von seinem Bärenanhänger aufschaut, das Spektakel. »Das läuft jetzt nicht so wie geplant.«

Ich schüttele den Kopf. »Wohl eher nicht.«

»Lass uns zusammen Riesenrad fahren«, schlägt eines der Mädchen vor, woraufhin sich Rafael fragend zu mir umdreht.

»Geht ihr ruhig allein. Ich habe Höhenangst«, schwindele ich und schnappe mir eine Esskastanie, um sie zu schälen.

»Alles klar. Arrivederci, mia bella!« Rafael verabschiedet sich mit einer Verbeugung. Dann verschwindet er mit seinen Verehrerinnen zwischen den Marktbesuchern.

Grinsend schiebe ich mir die Marone in den Mund. Das Blind Date ist damit wohl beendet!

Pedro sieht mich zerknirscht an, als ich wieder zu ihm an den Stand trete. »Eigentlich ist Raf ein netter Kerl, aber seit dem Start der Theaterproben dreht er irgendwie durch.«

»Ich dachte echt, zwischen euch könnte es passen«, schaltet sich auch Liam ein und reicht Pedros Vater die Kette mit dem Bärenanhänger, um sie zu kaufen.

»Tja, da fehlte wohl die Magie zwischen uns. Vielleicht war ich Casanova aber auch zu mausgrau und erdapfelfarbig.«

Wir prusten los und endlich fühle ich mich wieder so befreit und glücklich wie vorhin.

»In Zukunft keine Blind Dates mehr!«, befehle ich meinem Freund und pike ihm in die Seite. Er soll endlich aufhören, mir irgendwelche schrecklichen Typen auf den Hals zu hetzen.

Erneut legt er einen Arm um mich. »Mal sehen. So schnell gebe ich nicht auf. Auf jeden Fall gehen wir beide in den nächsten Tagen mal zusammen shoppen und zum Friseur. Vielleicht gibt es im Roll-In einen heißen Theker oder Koch. Da musst du als Goldmarie aufschlagen und nicht als Lumpenmarie.«

»Blödmann!«, knurre ich und bewerfe ihn mit einer Maronenschale. Dann lehne ich mich an ihn und blinzele in den Himmel. Kleine Schafswölkchen ziehen über uns hinweg. Die Stimmen um mich herum werden leiser. Ich fühle nur noch das Kribbeln in meinem Bauch, das bei dem Gedanken an mein bevorstehendes Praktikum bis zu meinem Hals hinaufwandert. Ich kann kaum erwarten, dass es endlich losgeht!

KAPITEL 3

Come in and feel special!, steht auf dem Banner, das ein Typ gerade vor dem Roll-In aufhängt. Er ist höchstens ein paar Jahre älter als ich, trägt Röhrenjeans und ein schwarzes Hemd. Seine hellblonden Haare sind ähnlich wie bei Liam nach oben gegelt. Ich sauge die Worte auf dem Banner ein und fühle das freudige Kribbeln bis in die Zehenspitzen. Endlich beginnt mein Praktikum. Die letzten zwei Wochen sind so langsam vergangen, als hätte jemand auf eine Slow-Motion-Taste gedrückt. Paps hat unermüdlich an seinen Eisfiguren gearbeitet und mittlerweile die wahrscheinlich hundertneunundneunzigste Schneekönigin gemacht. Er wird immer besser. Man kann die Königin schon gut erkennen. Der Schlittschuhplatz wurde aufgebaut und kommt super an. Meistens ist es gerammelt voll. Auch bei Ernie herrscht Hochbetrieb. Und obwohl mir mit der Schule, dem Imbiss und ein paar Besuchen auf dem Weihnachtsmarkt mit Liam nicht langweilig geworden ist, habe ich die Tage bis heute gezählt. Nun bin ich hier. Vor dem Roll-In.