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Um die Frau zu retten, für die sein Herz brennt, muss er das Abenteuer seines Lebens bestehen
Duncan MacDonald hat seine wahre Liebe niemals vergessen. Vor Jahren hat er die schöne Moira verlassen und sich für ein Leben als Krieger entschieden. Aber als diese von einem feindlichen Clan gefangen genommen wird, bemerkt er schnell: Seine Sehnsucht nach Moira ist stärker als je zuvor. Moira ist zu allem bereit, um ihr Leben zu retten. Als ihr plötzlich ein wilder Krieger zu Hilfe eilt, glaubt sie, dass ihre Gebete erhört wurden – bis sie erkennt, dass es Duncan ist. Moira schwört sich, ihm ihr Herz nie wieder anzuvertrauen, doch als die beiden über das Meer flüchten, treiben sie die Gefahr und ihre Leidenschaft immer enger zusammen …
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Seitenzahl: 458
Buch
Obwohl Duncan MacDonald versucht hat, seine Gefühle zu verdrängen, konnte er seine wahre Liebe niemals vergessen. Weil er der Tochter eines Clanführers nicht würdig war, hat er vor Jahren die schöne Moira verlassen und sich für ein Leben als Krieger entschieden. Aber als diese als Ehefrau eines feindlichen Clanchefs in Lebensgefahr gerät, bemerkt er schnell: Seine Sehnsucht nach Moira ist stärker als je zuvor.
Moira ist zu allem bereit, um ihr Leben und das ihres Sohnes zu retten. Als ihr plötzlich ein wilder Krieger zu Hilfe eilt, glaubt sie, dass ihre Gebete erhört wurden – bis sie erkennt, dass es Duncan ist. Moira schwört sich, ihm ihr Herz nie wieder anzuvertrauen, doch als die beiden gemeinsam über das Meer flüchten, treiben sie die Gefahr und ihre Leidenschaft immer enger zusammen …
Autorin
Margaret Mallory wuchs in einer Kleinstadt im US-Staat Michigan auf und studierte Jura an der Michigan State University und der University of Michigan Law School. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern an der Pazifikküste, und seit die Kinder auf dem College sind, widmet sich Margaret Mallory ihrer großen Leidenschaft: dem Schreiben historischer Liebesromane.
Außerdem von Margaret Mallory bei Blanvalet
Mein zärtlicher Ritter,Mein leidenschaftlicher Ritter,Mein geliebter Ritter,Die Braut des Highlanders,Die schottische HochzeitBesuchen Sie uns auch auf www.facebook.com/blanvaletund www.twitter.com/BlanvaletVerlag
Margaret Mallory
Geliebt von einemHighlander
Roman
Deutsch von Christiane Meyer
Dieses Buch ist meinem Vater Norman J. Brown gewidmet, der eine Geschichte immer wieder anders und nie so wie beim letzten Mal erzählte – nicht einmal, wenn ich ihn darum bat. Außerdem brachte er mir alles bei, was ich über Helden wissen musste.
Bidh an t-ubhal as fheàrr air a’ mheangan as àirde.
Die schönsten Äpfel hängen an den höchsten Ästen.
Prolog
Isle of Skye,Schottland1508
Duncan MacDonald hätte jeden Krieger auf der Burg besiegen können – doch gegen die siebzehnjährige Tochter des Clanoberhaupts war er machtlos.
»Sobald mein Vater die Halle verlassen hat«, flüsterte Moira ihm zu und beugte sich so weit zu ihm herüber, dass ihm ganz schwindelig wurde, »treffen wir uns draußen bei der Esche.«
Duncan wusste, dass er nicht darauf eingehen sollte, aber das war ein Ding der Unmöglichkeit. Genauso gut hätte er versuchen können, sein Herz zu zwingen, nicht mehr zu schlagen.
»Habe ich dir nicht gesagt, dass du nicht mehr mit mir sprechen sollst«, murmelte er und blickte sich in dem lang gezogenen Saal um, in dem die Mitglieder des Clans und die aus Irland angereisten Gäste saßen. »Sonst merkt es am Ende noch jemand.«
Als Moira sich umdrehte und ihn mit ihren veilchenblauen Augen anblickte, fühlte Duncan sich, als hätte ihm jemand mit der Faust in die Magengrube geschlagen. Wie immer, wenn sie ihn so ansah. Gleich bei ihrer ersten Begegnung war es so gewesen.
»Warum sollte es irgendjemandem merkwürdig vorkommen, wenn ich mich mit dem besten Freund meines Bruders Connor unterhalte?«, fragte sie kokett.
Vielleicht weil sie ihn in den ersten siebzehn Jahren ihres Lebens vollkommen ignoriert hatte? Es war Duncan nach wie vor ein Rätsel, warum sich das plötzlich geändert hatte.
»Geh jetzt, Ragnall sieht zu uns herüber«, mahnte er, als er den Blick ihres älteren Bruders auf sich spürte.
Anders als Moira und Connor hatte Ragnall das blonde Haar, die hünenhafte Statur und die Unbeherrschtheit des Vaters geerbt. Außerdem war er der einzige Krieger des Clans, bei dem Duncan sich nicht sicher war, ob er ihn besiegen könnte.
»Ich werde erst gehen, wenn du mir versprochen hast, dass du dich später mit mir triffst.«
Moira verschränkte die Arme vor der Brust und zog die Mundwinkel leicht hoch. Für Duncan ein Zeichen, dass das alles hier nur ein Spiel für sie war.
Für ihren Vater, den Chief der MacDonalds, hingegen nicht.
Wenn der erfuhr, dass er sich mit seiner einzigen Tochter davonschlich, würde er ihn auf der Stelle umbringen. Duncan drehte sich um und verließ die Halle, ohne ihr zu antworten – Moira wusste ohnehin, dass er dort sein würde.
Während er in der Dunkelheit auf sie wartete, lauschte er dem sanften Plätschern der Wellen, das vom Strand zu ihm heraufdrang. Auf der Isle of Skye, der Insel des Nebels, war es an diesem Abend überhaupt nicht neblig. Dunscaith Castle sah wunderschön aus, wie es sich im Schein der Fackeln vom klaren Nachthimmel abhob. Obwohl Duncan in der Burg aufgewachsen war und dieses Bild schon unzählige Male gesehen hatte, faszinierte es ihn immer wieder aufs Neue.
Seine Mutter hatte als Kindermädchen in der Familie des Clanoberhaupts gedient. Er und Connor kannten sich von Kindesbeinen an und waren beste Freunde. Von dem Moment an, als sie Holzschwerter zu halten vermochten, waren sie gemeinsam mit Connors Cousins Alex und Ian in der Kriegskunst geschult worden. Und wenn sie nicht gerade mit ihren Waffen übten, waren sie auf der Suche nach Abenteuern gewesen, wobei sie mehr als einmal in Schwierigkeiten gerieten.
Moira hingegen hatte immer abseits gestanden, war für die vier Jungs nichts anderes als eine verhätschelte Prinzessin in hübschen Kleidchen und mit einem fröhlichen Lachen gewesen.
Als er das Rascheln eines Seidenkleids hörte, drehte er sich um und sah Moira entgegen. Obwohl es dunkel und sie von Kopf bis Fuß in einen Umhang gehüllt war, wusste er, dass sie es war – er hätte sie unter Tausenden Frauen erkannt. Ohne den Weg genau erkennen zu können, rannte sie auf ihn zu, kümmerte sich nicht um etwaige Hindernisse und stolperte nicht ein einziges Mal. Es schien, als wären selbst die launischen Feen mit ihr im Bunde.
Dann war sie bei ihm und warf sich in seine Arme.
Duncan schloss die Augen und verlor sich in ihr, atmete den Duft ihres Haares ein und glaubte beinahe, auf einer Wiese mit Wildblumen zu liegen.
»Es ist zwei ganze Tage her«, sagte sie. »Ich habe dich so vermisst.«
Duncan staunte wieder einmal, wie unbekümmert Moira war. Das Mädchen sagte alles, was ihm in den Sinn kam – ohne Vorsicht, ohne Angst vor Zurückweisung. Doch wer konnte dieser jungen Frau schon einen Wunsch abschlagen?
Zusammen mit ihrem Bruder und den beiden Cousins war er in die Lowlands auf eine Universität geschickt worden, wo er von der schönen Helena gehört hatte. Seitdem verglich er Moira mit ihr. Sein Mädchen war genauso schön wie diese sagenumwobene Frau – und es ließ sich leicht vorstellen, dass ihretwegen Clankriege entbrennen konnten. Und was es seinem eifersüchtigen Herzen noch schwerer machte: Sie besaß weibliche Rundungen und eine angeborene Sinnlichkeit, die in jedem Mann Verlangen weckten.
Während die anderen Männer sie allerdings allein wegen ihrer Schönheit begehrten, war sie für Duncan der strahlende Mittelpunkt seiner Welt.
Moira zog seinen Kopf zu sich herunter, um ihn leidenschaftlich zu küssen. Der Kuss warf Duncan vollkommen aus der Bahn, und ohne sich dessen bewusst zu sein, begann er mit den Händen ihren Körper zu erkunden. Moira stöhnte leise auf, aber bevor sie womöglich ins Gras zu ihren Füßen sanken und ertappt wurden, unterbrach Duncan den Kuss. Einer von ihnen musste schließlich einen kühlen Kopf bewahren – und Moira war das ganz sicher nicht.
»Nicht hier, lass uns lieber in unsere Höhle gehen«, murmelte er, und ein erwartungsvoller Schauer durchlief ihn.
In den ersten Wochen hatten sie sich damit begnügt, einander Lust zu schenken, ohne den letzten Schritt zu tun – und die Sünde zu begehen, die Duncan das Leben kosten würde, falls der Clanchef davon erfuhr. Duncan fühlte sich schuldig, weil er sich genommen hatte, was rechtmäßig allein dem zukünftigen Ehemann von Moira zustand. Doch es war ein Wunder, dass er sich überhaupt so lange hatte zurückhalten können.
Zumindest würde Moira nicht dafür büßen müssen. Sie war ein kluges Mädchen – und wäre nicht die erste junge Frau, die nach der Hochzeitsnacht eine Phiole mit Schafsblut auf dem Laken ausschüttete. Zudem neigte Moira generell nicht zu Gewissensbissen.
Als sie in der Höhle ankamen, breiteten sie die Decke aus, die sie dort versteckt hatten, und Duncan zog Moira auf seinen Schoß.
»Der Sohn des irischen Chiefs ist wirklich sehr unterhaltsam«, sagte Moira und stieß Duncan den Finger in die Seite.
Ihr Vater hatte nach dem Tod von Connors und Moiras Mutter keine neue Frau mehr genommen. Wenn Besuch kam, saß also Moira an seiner Seite und unterhielt freundlich die Gäste, während ihr älterer Bruder Ragnall, ein Krieger von Kopf bis Fuß, dessen angestammter Platz auf der anderen Seite des Vaters war, eher einschüchternd wirkte.
»Der Bursche hat während des gesamten Essens in deinen Ausschnitt gestarrt«, erwiderte Duncan vorwurfsvoll. »Ich hätte ihm am liebsten mit bloßen Händen den Kopf abgerissen.«
Sein ganzes Leben lang hatte er sich darin üben müssen, nicht die Kontrolle zu verlieren – zum einen, weil er größer war als andere, und zum anderen, weil er sich als Sohn einer Bediensteten in einer untergeordneten Position befand. Deshalb hasste er es auch, dass Moira seine Selbstbeherrschung ständig ins Wanken brachte.
»Das ist süß.« Sie lachte und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Ich habe nur versucht, dich eifersüchtig zu machen.«
»Warum wolltest du das?«
»Um sicherzugehen, dass du dich mit mir treffen würdest. Wir müssen nämlich reden.« Ihre Stimme klang ernst. »Duncan, ich möchte, dass wir heiraten.«
Er schloss die Augen und gestattete sich für einen winzigen Moment den Gedanken, dass es möglich wäre. Stellte sich vor, der Glückliche zu sein, der jede Nacht mit dieser Frau in den Armen einschlafen und jeden Morgen mit ihr zusammen aufwachen und ihr strahlendes Lächeln sehen dürfte.
»Es wird nicht gehen«, antwortete er düster.
»Natürlich wird es das.«
Moira war es gewohnt, ihren Willen durchzusetzen. Ihr Vater hatte sie nach Strich und Faden verwöhnt, aber in dieser wichtigen Angelegenheit würde er bestimmt nicht nachgeben.
»Der Chief erlaubt nie im Leben, dass seine einzige Tochter den unehelichen Sohn des Kindermädchens heiratet«, wandte er ein. »Er wird eine Hochzeit arrangieren, die ihm ein lohnendes Bündnis für den Clan sichert.«
Duncan griff nach seiner Whiskyflasche und nahm einen großen Schluck. In Anbetracht des unsinnigen Zeugs, das Moira von sich gab, brauchte er den Alkohol.
»Mein Vater hat mir bislang am Ende immer meinen Willen gelassen. Und was ich will, das bist du, Duncan Ruadh MacDonald«, flüsterte sie, und ihr warmer Atem strich über sein Ohr, während sie mit den Fingern über seinen Bauch nach unten fuhr.
Sein Blut rauschte, Hitze stieg in seine Lenden, und er konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Er zog sie in seine Arme, und sie sanken auf die Decke, die Beine verschlungen.
»Ich sehne mich nach dir«, hörte er sie zwischen ihren leidenschaftlichen Küssen murmeln.
Nach wie vor vermochte er es kaum zu glauben, dass Moira ausgerechnet ihn wollte, doch als er ihre Hand auf seinem Schwanz spürte, war er überzeugt. Und solange sie ihn begehrte, gehörte er ihr.
Duncan strich mit den Fingern durch Moiras Haar. Sie hatte den Kopf auf seine Brust gelegt. Er würde sich jeden Moment, den sie gemeinsam verbrachten, möglichst genau einprägen, um sich später immer daran erinnern zu können.
»Ich liebe dich so sehr«, hörte er ihre leise Stimme.
Eine unbekannte Empfindung erfüllte ihn mit einem Mal – es war, trotz aller Probleme, pure Freude.
»Sag mir, dass du mich liebst«, drängte sie.
»Weißt du das nicht?«, entgegnete er. »Ich werde nie aufhören, dich zu lieben.«
Und das meinte er ernst, obwohl es nichts daran änderte, dass sie nie zusammenkommen konnten.
Seine Gefühle waren nicht unstet wie ihre. In einer Woche bevorzugte Moira ihr braunes Pferd, in der nächsten Woche das gescheckte, und in der Woche darauf wollte sie überhaupt nicht reiten. Von klein auf war sie so gewesen. Sie waren völlig unterschiedlich.
Duncan setzte sich auf und blickte durch den Höhleneingang zum nächtlichen Himmel.
»Es ist schon fast Morgen«, mahnte er und verfluchte sich selbst. »Ich muss dich schleunigst zurück in die Burg bringen.«
»Ich werde meinen Vater überzeugen«, versicherte Moira, während sie sich anzog. »Er ist nicht dumm und weiß genau, dass du eines Tages ein berühmter Krieger sein wirst, den jeder auf den Inseln kennen wird.«
»Wenn du ihm von uns erzählst«, entgegnete er und nahm ihr Gesicht in beide Hände, »wird das das Ende unserer Beziehung sein.«
Erneut fragte er sich, ob Moira wirklich so blauäugig war, an eine Zustimmung des gestrengen Familienoberhaupts zu glauben.
»Er würde einer Heirat zumindest dann zustimmen, falls ich schwanger wäre«, wandte sie leise ein.
Duncans Herz setzte einen Schlag lang aus. »Sag mir, dass du diesen Trank nimmst, der eine Empfängnis verhindert.«
»Ja«, entgegnete sie und klang verärgert. »Und ich hatte auch meine Blutung.«
Mit dem Daumen strich er über ihre Wange. Er hätte gerne ein Kind mit ihr – ein kleines Mädchen mit ihren lachenden Augen. Bloß stand es ihm nicht zu, solche Gedanken zu hegen. Es würde noch Jahre dauern, bis er eine Frau und ein Kind überhaupt ernähren konnte – Moira indes den gewohnten Lebensstandard mit schönen Kleidern und Dienstboten zu ermöglichen, dazu würde er vermutlich nie in der Lage sein. Die Angst, die sie ihm mit der Erwähnung eines Kindes eingejagt hatte, bestärkte ihn in dem Entschluss, die Sache zu beenden. Der Verlust ihrer Jungfräulichkeit ließ sich vielleicht vertuschen, eine Schwangerschaft nicht.
»Wenn mein Vater nicht zustimmt, könnten wir zusammen davonlaufen«, schlug sie vor.
Duncan legte ihr den Umhang um. »Sei vernünftig. Er würde uns ein halbes Dutzend Kriegsgaleeren hinterherschicken. Und selbst wenn es uns gelingen sollte zu entkommen, was praktisch ausgeschlossen ist – ich glaube nicht, dass du getrennt von deinem Clan und in einem bescheidenen Häuschen glücklich würdest. Ich liebe dich viel zu sehr, um dir das anzutun.«
»Zweifle nicht an mir«, gab sie heftig zurück und packte ihn am Hemd. »Ich würde überall mit dir leben.«
Duncan seufzte. Sie bildete sich das ein, weil sie noch nie in ihrem Leben Not und Entbehrung erfahren hatte. Ihm war immer klar gewesen, dass er sie nicht halten konnte. Moira war wie ein bunter Schmetterling, der für einen atemlosen Moment auf seiner Hand gelandet war.
Der Himmel wurde langsam hell, als sie den Eingang zur Küche hinter dem Wehrturm erreichten.
»Ich liebe dich wirklich«, beteuerte Moira erneut. »Und ich verspreche dir, dass ich dich heiraten werde, so oder so.«
Überglücklich, dass sie ihn liebte, selbst wenn es lediglich für eine kurze Zeit war, zog Duncan sie zu einem letzten Kuss in seine Arme und fragte sich, wie er es bis zum nächsten Mal aushalten sollte.
Irgendwie lebte er ständig am Abgrund, immer einen Schritt von der Katastrophe entfernt. Er wusste nicht, was zuerst geschehen würde: dass sie erwischt wurden oder dass Moira trotz ihrer Liebesschwüre aus einer Laune heraus die Beziehung beendete. Dennoch war er noch nie in seinem Leben so glücklich gewesen. Am liebsten hätte er fröhlich vor sich hin gepfiffen, während er über den Hof zum Haus seiner Mutter ging.
Verdammt, drinnen brannte eine Kerze.
Zwar war er ein erwachsener Mann von fast zwanzig Jahren und musste sich vor seiner Mutter nicht rechtfertigen, aber dennoch wäre es ihm lieber gewesen, sie hätte geschlafen und würde nicht mitbekommen, dass er erst im Morgengrauen nach Hause kam. Bestimmt stellte sie Fragen, und er log sie nicht gerne an.
Als Duncan die Tür öffnete, krampfte sich sein Magen schmerzhaft zusammen.
Sein Clanchef und Ragnall saßen am Tisch. Ihre langen Zweihandschwerter, die sie aus der Scheide gezogen hatten, ruhten auf ihren Oberschenkeln. Aus ihren Mienen sprach eindeutig Zorn. Mit ihren blonden Haaren und den wilden goldbraunen Augen sahen sie wie Löwen aus.
Duncan hoffte nur, dass sie ihn nicht vor den Augen seiner Mutter und seiner Schwester umbrachten. Obwohl er den Blick nicht von den beiden Männern wandte, deren Größe die Kate noch kleiner erscheinen ließ, als sie sowieso schon war, entging ihm nicht, dass seine Mutter weinend in einer Ecke auf dem Boden kauerte und seine Schwester sie tröstend umarmte.
»Die alte Seherin hat prophezeit, dass du eines Tages das Leben meines Sohnes Connor retten wirst.« In der Stimme des Chiefs schwang so viel Bedrohliches mit, dass ihm ein Schauer über den Rücken rieselte. »Das ist der einzige Grund, warum ich dich nicht in dem Moment umgebracht habe, als du durch diese Tür getreten bist.«
Was dann, überlegte Duncan blitzschnell. Würde er Prügel beziehen? Egal, das machte ihm nichts aus – er war stark und würde es ertragen. Was ihn viel mehr belastete, war die Gewissheit, Moira nie wieder in den Armen zu halten. Was ihr Vater ansonsten vorbrachte, rauschte an ihm vorbei. Zu groß war der Schmerz, der sich in seinem Innern ausbreitete.
»Ich nehme an, Connor und meine Neffen wissen Bescheid, dass du meine Tochter entehrt hast.«
Als das Familienoberhaupt des Clans MacDonald sich von seinem Stuhl erheben wollte, hielt Ragnall ihn zurück und wandte sich an Duncan.
»Wir werden heute noch gegen die MacKinnons um Knock Castle kämpfen, also hol dein Schwert und deinen Schild. Sobald die Schlacht vorüber ist, werdet ihr, du, Alex und Ian mit Connor nach Frankreich segeln. Dort kannst du im Kampf gegen die Engländer deine Fähigkeiten trainieren und verfeinern.«
»Und wenn du mit Glück irgendwann zurückkehrst«, fügte der Chief hinzu, »wird Moira nicht mehr auf Skye sein, sondern mit einem passenden Ehemann und Kindern woanders leben.«
Obwohl er von Anfang an gewusst hatte, dass seine Liebe ohne Zukunft war, schmerzte ihn der Verlust so stark, als hätte man sie ihm in der Hochzeitsnacht aus den Armen gerissen.
Der strahlende Mittelpunkt seiner Welt – das Licht, das sein Leben erhellte – war für immer verschwunden.
Kapitel 1
The Glens,IrlandJanuar 1516
Die Isle of Skye liegt dort.« Moira stand am Ufer des Meeres, hielt die Hand ihres Sohnes und deutete in nördliche Richtung auf den endlosen Horizont. »Das ist unsere wahre Heimat. Vergiss niemals, dass wir zu den MacDonalds of Sleat gehören.«
Ihr Sohn Ragnall, den sie nach ihrem inzwischen toten älteren Bruder genannt hatte, nickte ernst.
»Wenn wir Mitglieder des Clans sind, warum ist dann niemand gekommen, um uns zu holen?«, fragte er nach einem Moment der Stille.
Ja, warum?
Moira hasste das Gefühl, gefangen zu sein. Falls es ihr irgendwann gelingen sollte, ihrem Ehemann zu entkommen, würde sie nicht zulassen, dass sie je wieder in eine solche Situation geriet. Niemals. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als mit ihrem Sohn in die Sicherheit von Dunscaith Castle zurückzukehren. Früher einmal hatte sie sich mehr vom Leben erträumt. Oder richtiger gesagt: Sie war davon überzeugt gewesen, dass ihr mehr zustehen würde.
Unwillkürlich erstand plötzlich Duncans Bild vor ihrem inneren Auge – des Mannes, der sie verlassen und damit das ganze Drama ausgelöst hatte. Außer ihrem Bruder Ragnall, der zehn Jahre älter gewesen war als Duncan, hatte es keinen so verheißungsvollen Krieger gegeben wie diesen jungen MacDonald. Moira erinnerte sich daran, wie sein rotes Haar in der Sonne leuchtete, wie weich sein kantiges, markantes Gesicht werden konnte, wenn er sie ansah, und welche Lust er ihr bereitet hatte. Durch ihn wusste sie überhaupt nur, was Lust bedeutete.
Dennoch wäre sie ohne diese Erinnerungen besser dran – weil sie dann nichts vermissen würde.
Mit siebzehn war sie ein naives, vertrauensseliges Mädchen gewesen, das Duncans Schweigen als Zuneigung betrachtet und sein Verlangen mit Liebe verwechselt hatte. Vor allem aber hatte sie darauf vertraut, dass er um sie kämpfen würde. Welch ein verhängnisvoller Irrtum!
»Zum Teufel mit dir, Duncan Ruadh Mòr«, stieß sie leise hervor, den Blick weiter unverwandt auf das Meer gerichtet. »Wie konntest du mir das antun?«
Duncan hatte ihr mehr Unglück gebracht als ein zerbrochener Spiegel. Sieben Jahre Kummer und Leid – und kein Ende in Sicht.
Moira erinnerte sich an ihren Hochzeitstag. Alle waren bereits in der Halle versammelt gewesen und warteten auf die Braut, während sie auf der Burgmauer stand und nach einem Segel Ausschau hielt. Bis zuletzt hatte sie gehofft und gebetet, Duncan möge zurückkehren und sie retten. Und selbst nachdem ihr Vater sie höchstpersönlich in die Burg geholt hatte, damit die Zeremonie beginnen konnte, wäre sie noch bereit gewesen, sich heimlich zum Strand zu schleichen und mit ihm davonzusegeln.
Sie war sich so sicher gewesen, dass er zu ihr zurückkehren würde. Fünf Jahre war er fortgeblieben, und als er endlich wieder heimischen Boden betrat, hatte sie die Isle of Skye längst verlassen.
Niemals würde sie ihm das verzeihen.
Entschlossen drängte sie den alten Schmerz zurück und beobachtete, wie Ragnall für seinen vierbeinigen Gefährten einen Stock warf. Sàr war ein riesiger Wolfshund, der doppelt so schwer wie der Junge war und so groß wie ein kleines Pony. Für einen winzigen Moment wirkte ihr Sohn wie das hübsche, sorglose Kind, das er sein sollte, aber nicht sein konnte. Lediglich seine Augen schauten selbst jetzt viel zu erwachsen drein. Und sie konnte nichts daran ändern.
Ragnall hob den Arm, um ein weiteres Mal den Stock zu werfen, doch mitten in der Bewegung hielt er inne und starrte auf die Klippe, die hinter dem Strand aufragte.
»Vater ist da.«
Moira zuckte wie immer zusammen, wenn sie hörte, wie ihr Sohn diesen bösen Menschen seinen Vater nannte. Als sie sich umdrehte und Seans Silhouette entdeckte, schluckte sie die Galle hinunter, die in ihrer Kehle aufstieg. Selbst aus der Entfernung spürte sie, dass sein Auftauchen Ärger bedeutete. Sie wollte nicht, dass Ragnall das mitbekam.
»Du weißt, dass er Sàr hasst – bring ihn lieber weg«, sagte sie hastig und fügte, weil Ragnall zögerte, hinzu: »Beeil dich!«
»Komm«, rief der Junge daraufhin, und Sàr trottete folgsam neben ihm her den Strand entlang.
Moira zwang sich zur Ruhe, als Sean die Klippe hinunterstieg und auf sie zukam. Vor ihm zu zittern, ermutigte ihn bloß. Leider schien er Angst wie ein wildes Tier riechen zu können. Dann war er da, baute sich dicht vor ihr auf – die Beine gespreizt, die Hände in die Hüften gestemmt.
Schweigend lächelte sie ihn an.
»Meine liebe Frau«, sagte Sean, und seine Augen wirkten so kalt wie der eisige Wind, der vom Meer herüberwehte. »Hast du mir etwas zu sagen?«
Furcht schnürte ihr die Kehle zu, aber sie zeigte sie nicht, lächelte ihn noch strahlender an und atmete tief durch, bevor sie zu sprechen begann.
»Ob ich dir etwas zu sagen habe? Nun, ich freue mich, dass du offenbar gekommen bist, um einen Spaziergang mit mir zu machen. Ich weiß schließlich, wie viel du zu tun hast.«
Der Geruch von Whisky drang in ihre Nase und alarmierte sie zusätzlich. Selbst Sean pflegte eigentlich so früh am Tag keine harten Sachen zu trinken.
»Ich habe bemerkt, wie mein Bruder Colla dich beim Frühstück in der Halle angestarrt hat.«
Nicht schon wieder.
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, als es Sean gefallen hatte, wenn die Männer ihr Blicke zuwarfen, und es sogar herausforderte, indem er anzügliche Bemerkungen vom Stapel ließ, die andere provozierten. Inzwischen machte ihn die Aufmerksamkeit anderer bloß wütend.
Sean war nie einfach zu nehmen gewesen, doch seit ihr Vater und ihr Bruder Ragnall in der Schlacht von Flodden Field ihr Leben gelassen hatten, war es mit seinen Launen zunehmend schlimmer geworden. Durch dieses Unglück waren nämlich Macht und Reichtum des Clans geschrumpft – und das betraf letztlich auch sie. Sean hatte sich von der Heirat mit ihr schließlich einen Zuwachs an Einfluss und Bedeutung versprochen.
Allerdings war ihr gerüchteweise zu Ohren gekommen, dass der MacDonald-Clan sich unter der Führung ihres Bruders allmählich erholte und zu alter Macht zurückfand. Aber bisher hatte Connor sie nicht besucht und damit Seans Meinung nach zu verstehen gegeben, dass er kein Interesse an seiner Schwester und ihrer Familie hatte. Ihm eine Nachricht zu senden, war ihr nicht erlaubt worden.
»Ich kann nichts dafür, wenn die Männer mich ansehen«, erwiderte sie jetzt und hoffte, dass ihre Stimme möglichst unbeschwert klang. Als Sean jedoch brutal ihren Arm packte, wuchs ihre Panik.
»Du ermutigst sie«, knurrte er. »Ich sehe, wie du dich vor ihnen zur Schau stellst.«
»Das tue ich nicht.«
Sie hätte schweigen sollen, das wusste sie, aber sie konnte nicht anders. Sie war es leid, sich ständig falsche Beschuldigungen anzuhören, hatte es satt, so zu tun, als wäre er immer im Recht – und vor allem hatte sie genug von seiner Person.
»Nennst du deinen Ehemann etwa einen Lügner?«
Sie schloss die Augen und bereitete sich innerlich auf den Schlag vor, der unweigerlich folgen würde.
»Hör auf«, hörte sie plötzlich Ragnall schreien. »Lass sie los!«
Moira riss verwundert die Augen auf. Breitbeinig stand ihr Sohn vor ihnen und hielt in der Faust den Stock, den er kurz zuvor für seinen Hund geworfen hatte. Ein kleiner Junge in der Haltung eines kampfbereiten Kriegers, der er eines Tages sicherlich sein würde.
»Mir geht es gut«, versicherte Moira und sah Ragnall fest an. »Leg das hin. Bitte.«
Trotzdem breitete sich Angst in ihr aus, denn Seans Gesichtsausdruck verhieß nichts Gutes. Ihre Welt, ihr Leben vielleicht sogar, hing an einem seidenen Faden, der reißen würde, sobald ihr Mann seinem Zorn freien Lauf ließ.
Als Sean unvermittelt den Kopf in den Nacken warf und laut lachte, spürte Moira, wie ihre Knie weich wurden. Ausnahmsweise einmal war Seans Unberechenbarkeit ihr zugutegekommen.
»Du wirst einmal ein wilder Krieger – genau wie dein Vater«, rief er dröhnend dem Jungen zu und fuhr ihm durchs Haar. »Dieses eine Mal will ich dir durchgehen lassen, dass du mich herausgefordert hast. Doch solltest du je wieder die Hand gegen mich erheben, werde ich dir eine Lektion erteilen, die du so schnell nicht vergessen wirst.«
Hinter ihnen ertönte ein tiefes Knurren. Sàr kam mit gefletschten Zähnen auf sie zu.
»Zur Strafe musst du allerdings den Hund abgeben«, verlangte Sean.
»Bitte nicht«, mischte sich Moira ein. »Ragnall liebt Sàr. Es würde ihm das Herz brechen, ihn zu verlieren.«
»Genug«, beschied Sean sie brüsk.
»Das mache ich nicht«, erklärte Ragnall. »Dazu kannst du mich nicht zwingen.«
»Sean, er ist noch ein kleiner Junge«, flehte Moira. »Er wollte dich nicht provozieren …«
Sean packte ihr Haar und riss ihren Kopf so rabiat zurück, dass ihr Tränen in die Augen schossen, und Panik stieg in ihr auf, als er sie über den steinigen Strand zum Wasser zu zerren begann.
»Lass mich bitte los«, rief sie, als er sie ins eisige Wasser zog.
Der Junge wollte ihr folgen, aber der Wolfshund versperrte ihm jedes Mal den Weg, wenn er dem Wasser zu nahe kam.
»Entscheide dich, Ragnall«, brüllte Sean. »Deine Mutter oder der Hund?«
Moiras Röcke sogen sich zunehmend mit Wasser voll, je weiter ihr Mann sie in die Wellen schleifte. Dann stolperte sie, fiel auf die Knie und rang in dem eiskalten Wasser erschrocken nach Luft. Über das Tosen der Wellen hinweg konnte sie Ragnall rufen hören, während Sean immer weiter mit ihr ins Meer ging. Als er schließlich stehen blieb, reichte ihr das Wasser bis zur Taille, und die Gischt spritzte über ihren Kopf hinweg.
»Soll ich einen Hexentest mit ihr durchführen?«, schrie Sean dem Jungen zu und packte Moira im Nacken. »Wir werden schon sehen, ob du mich wegen Colla angelogen hast.«
Hexentest? Wollte er sie etwa ertränken?
Moira blieb kaum Zeit, tief Luft zu holen, denn schon drückte Sean sie unter Wasser. Sie wehrte sich, doch er drückte unerbittlich weiter, bis ihre Lungen nach Luft schrien. In ihrer Panik versuchte sie, ihn wegzustoßen. Es war vergeblich.
Als er sie schließlich wieder hochriss, hustete und röchelte sie und rang gierig nach Luft. Es fühlte sich an, als hätte die Kälte ihre Lungen eingefroren, sodass sie lediglich ganz flach zu atmen vermochte. Das Haar fiel ihr wie ein Vorhang ins Gesicht, sie sah nichts, würgte und zitterte unkontrolliert.
»Hör auf! Hör auf!«
Über das Rauschen des Meeres hinweg wehte Ragnalls verzweifelte Stimme und sein Schluchzen zu ihr herüber. Sie spähte durch die nassen, strähnigen Haare hinüber zu ihrem weinenden Kind am Strand. Er wollte noch immer zu ihr, aber der Wolfshund hielt ihn zurück.
»Ich werde Sàr abgeben«, rief Ragnall jetzt. »Ich gebe ihn her, ich gebe ihn her!«
»Bist du dir sicher?«, erklang Seans donnernde Stimme neben ihr. »Nicht dass du es dir gleich wieder anders überlegst.«
Der Junge rannte an Sàr vorbei ins eisige Wasser hinein.
»Ragnall, nein«, rief Moira, ehe Sean ihren Kopf erneut unter Wasser drückte.
Kapitel 2
Dunscaith Castle,Isle of Skye,Schottland
Der Regen prasselte Duncan ins Gesicht, als er Rücken an Rücken mit Connor gegen zehn Krieger kämpfte, die sie umzingelt hatten. Die Chancen standen zwar nicht gut, doch angesichts ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit waren sich die Angreifer ihrer Sache viel zu sicher. Und so wartete Duncan, während er einen Schwerthieb nach dem anderen abwehrte, nur darauf, dass einer der Männer einen fatalen Fehler beging.
Es dauerte nicht lange.
In dem Moment, als einer sich den Regen aus den Augen wischte, schlug Duncan sein Schwert mit solcher Wucht gegen dessen Schild, dass der Mann wie ein gefällter Baum umfiel.
»Achtest du gar nicht darauf, was ich dir beigebracht habe?«, schrie Duncan ihn an. »Du lässt dich töten, weil dir ein bisschen Regen in die Augen läuft?«
Duncan rammte mit der Schulter einen anderen Gegner, der, statt das Schwert zu schwingen, seinen auf dem Boden liegenden Freund anglotzte. Duncans Laune war so schlecht wie das Wetter.
»Glaubt ihr, die MacLeods werden auf einen schönen, trockenen Tag warten, um uns anzugreifen?«, schimpfte er, nachdem er einen weiteren Krieger mit der flachen Seite seiner Schwertklinge erwischt und ein paar andere Angreifer zurückgedrängt hatte. »Oder die MacKinnons? Oder die MacLeans? Oder die …«
»Das reicht für heute, Jungs«, rief Connor, hob gebieterisch die Hand und wandte sich mit gesenkter Stimme an Duncan: »Kein Grund, deine schlechte Laune an ihnen auszulassen. Ich weiß, dass du eigentlich wütend auf mich bist.«
Der Freund ließ das Schwert sinken und stützte sich darauf ab.
»Bitte mich nicht, nach Irland zu gehen.«
Er würde es nicht ertragen, Moira dort mit ihrem Ehemann zu erleben. Es hatte ihn fast umgebracht zu erfahren, dass sie den Sohn des irischen Chiefs wirklich geheiratet hatte – und das gerade mal zwei Wochen nach seinem Aufbruch in Richtung Frankreich. Er konnte damals nicht fassen, wie schnell sie ihre Meinung geändert und ihr Herz an einen anderen verschenkt hatte. Dennoch ließ ihn selbst nach sieben Jahren die Erinnerung an diese Frau nicht los und begleitete ihn Tag für Tag.
»Ich würde dich nicht bitten«, erwiderte Connor und legte die Hand auf Duncans Schulter, »wenn du nicht der einzige Mann wärst, den ich schicken kann.«
»Ich bin der Kapitän deiner Leibwache«, gab Duncan zu bedenken. »Du brauchst mich hier, damit ich die Männer ausbilde. Wie du selbst gesehen hast, müssen sie noch eine Menge lernen.«
Trotz seiner Einwände wusste er, dass die Entscheidung längst gefallen war. Connor war nicht allein sein Clanchef, sondern zugleich sein bester Freund. Er würde alles tun, was er von ihm verlangte – wie hoch der Preis auch sein mochte.
Was allerdings nicht hieß, dass es ihm gefiel.
»Kann ich mir jetzt ebenfalls den Regen aus dem Gesicht wischen«, scherzte Connor, »oder bekomme ich dann dein Schwert genauso zu spüren wie die anderen?«
Duncan holte so schnell aus und schlug so blitzartig zu, dass er den Freund beinahe überrumpelt hätte. Ein paar Minuten kämpften die beiden im Hof der Burg und zeigten den anderen, wie ein richtiger Schwertkampf aussah. Als sie schließlich aufhörten, goss es in Strömen, und der Regen ließ ihre erhitzte Haut dampfen.
»Das hat Spaß gemacht.«
Connor grinste Duncan an, während er sich mit dem Ärmel seines Hemdes übers Gesicht fuhr. Die Verantwortung, die als Oberhaupt der MacDonalds auf seinen Schultern lastete, war riesig, und es tat ihm sichtlich gut, wenigstens für einen Moment mal wieder ganz er selbst zu sein.
»Nachdem ich einen ganzen Tag mit dem Versuch vergeudet habe, aus diesen Jungs Krieger zu formen«, sagte Duncan und warf einen Blick auf den Nachwuchs, »ist es eine Freude und Erleichterung zu sehen, dass mein Chief noch immer weiß, wie man kämpft.«
»Sie sind in Ordnung«, entgegnete Connor und klopfte Duncan auf die Schulter. »Sie sind bloß nicht so gut wie wir.«
Als sie durch tiefe Pfützen zur Burg gingen, erinnerte sich Duncan daran, wie sie als Kinder in dem Regenwasser herumgesprungen waren. Bei einer solchen Gelegenheit war einmal Moira unvermutet die Treppe in den Hof heruntergekommen. In ihrem leuchtend gelben Kleid, das sie aussehen ließ wie ein funkelnder Sonnenstrahl. Leider war sie von Connor, der sie nicht bemerkt hatte, von oben bis unten mit Schlamm vollgespritzt worden. Woraufhin sie laut loskreischte und so lange auf ihren Bruder einschlug, bis Ragnall hinzukam und sie in die Burg zurückschleppte.
Duncan lächelte wehmütig.
Die meisten seiner Erinnerungen an Moira stammten allerdings nicht aus ihrer Kindheit, sondern aus jenem verzauberten Sommer, als sie süße siebzehn gewesen war.
Während er die Stufen zum Turm emporstieg, der gleichermaßen als Wohnung wie als Verteidigungsbasis im Fall eines Angriffs diente, blickte Duncan hinauf zu dem Fenster des Zimmers, das einst ihr gehört und von dem aus sie eines schönen Tages ihn beim Training beobachtet hatte. In diesem Moment habe sie beschlossen, vertraute sie ihm später an, dass er der Mann sei, den sie wolle.
Und mit diesen Worten war seine Welt auf den Kopf gestellt worden.
Es war zwei Jahre her, dass sie aus Frankreich zurückgekehrt waren und Dunscaith Castle von Connors Onkel zurückerobert hatten. Trotzdem erinnerten ihn noch jeder Winkel und jeder Stein an sie. Und als Narr, der er nun einmal war, hegte und pflegte er die Erinnerungen. Schließlich waren sie alles, was ihm von ihr geblieben war – und alles, was er je von ihr haben würde.
Sie hingegen schien ihn innerhalb von zwei Wochen vergessen zu haben. Hatte sie zuvor nicht sogar behauptet, ihr Vater werde sie nie zu einer Heirat zwingen, die sie selbst nicht wollte? Also war sie dem Sohn des irischen Chiefs offenbar völlig freiwillig in seine Heimat gefolgt.
Als Duncan hinter Connor die Burg betrat, schimpfte seine Schwester Ilysa gerade mit den durchnässten Männern, reichte ihnen Handtücher und ermahnte sie, keinen Dreck in die Halle zu tragen. Sonst würde sie vergessen, wo sie den Whisky versteckt hätte. Ilysa oblag die Führung des Haushalts von Dunscaith Castle. Wie es dazu gekommen war, einem so jungen Mädchen diese schwierige Aufgabe zu übertragen, wusste niemand so recht – es hatte sich einfach irgendwie ergeben. Trotzdem kam die zierliche Achtzehnjährige ihren Pflichten gewissenhaft, umsichtig und mit strenger Hand nach. Ein strafender Blick von ihr und alle zogen gleich ihre schlammigen Stiefel aus oder reinigten sie zumindest, bevor sie die Halle betraten.
»Kannst du uns bitte Whisky bringen lassen?«, bat Connor sie.
»Er steht schon auf dem Tisch und wartet auf euch – falls deine beiden Cousins ihn nicht inzwischen ausgetrunken haben«, antwortete sie mit einem kleinen Lächeln.
Ilysa war trotz ihrer Jugend bereits einmal verheiratet gewesen – ganz kurz nur, denn ihr Mann war vor über zwei Jahren wie Connors Vater und Bruder in der Schlacht von Flodden Field gefallen. Seitdem zeigte sie kein Interesse an einer neuen Ehe. Spätestens aber, wenn Connor sich eine Frau ins Haus holte, würde Duncan sich mit ihrer Zukunft befassen und eine neue Ehe arrangieren müssen.
Ian und Alex saßen vor dem Kamin, die langen Beine ausgestreckt, und hielten Becher mit Whisky in der Hand. Ians Haare waren so schwarz wie Connors, während Alex das blonde Haar der Wikinger geerbt hatte, die während ihrer Schreckensherrschaft vor langer, langer Zeit hier an den Küsten viele Kinder gezeugt zu haben schienen. Obwohl die beiden immer noch aussahen wie Schwerenöter, vor denen ein kluger Vater seine Töchter warnte, waren sie inzwischen hingebungsvolle Familienväter.
»Ihr hättet am Training teilnehmen sollen«, sagte Duncan statt einer Begrüßung. »Wenn ihr euch aufs Kindermachen beschränkt, werdet ihr schwach und seid im Kampf keine Hilfe mehr.«
»Großartige Krieger wie wir brauchen kein Training.«
Alex erhob sich aus seinem Sessel und streckte sich. Warf dann seinen Becher hoch, ließ ein paarmal sein Schwert durch die Luft zischen, drehte sich einmal um die eigene Achse und fing den Becher am Henkel mit den Zähnen auf. Die Männer in der Halle fingen an zu johlen und klopften mit ihren Schwertern auf den Boden. Duncan hingegen ignorierte diese Vorstellung, wenngleich sie eindrucksvoll demonstrierte, dass Alex nach wie vor in Topform war.
Connor begab sich zu seinem Platz an der großen Tafel und füllte die beiden leeren Becher, die dort standen, mit Whisky auf. Als er seinen Cousins und Duncan ein Zeichen gab, zu ihm zu kommen, zogen sich die anderen Männer in der Halle etwas zurück. Alle begriffen, dass der Clanchef mit seinen Vertrauten etwas Wichtiges zu besprechen hatte.
Seit jeher standen die vier jungen Männer sich näher als Brüder. Das Band, das sie in ihrer Kindheit geknüpft hatten, war durch die gemeinsamen Kämpfe in unzähligen Schlachten nur noch stärker geworden. Falls sie lange genug lebten, würden sie irgendwann als alte Männer vor diesem Kamin an langen Winterabenden junge Krieger stundenlang mit ihren Geschichten langweilen.
»Wir haben viel erreicht, seit wir aus Frankreich zurückgekehrt sind und erfahren mussten, dass mein Vater und mein Bruder nicht gefallen sind, sondern ermordet wurden und dass unser Clan sich in höchster Gefahr befand«, eröffnete Connor das Gespräch. »Unsere Ländereien auf der Halbinsel Sleat werden im Westen von Dunscaith Castle und im Osten von Knock Castle geschützt.«
Sie erhoben ihre Becher und tranken auf Ian, dem die meiste Anerkennung für diesen Erfolg gebührte. Er hatte nämlich wesentlich dazu beigetragen, Knock Castle aus den Fängen der räuberischen MacKinnons zu befreien und Dunscaith Castle von Connors Onkel zurückzuerobern. Nachdem Hugh Dubh, der schwarze Hugh, wie er genannt wurde, die Burg und den Status als Familienoberhaupt wieder verloren hatte, war er geflohen und machte seitdem als Pirat die schottischen Gewässer unsicher – und bereitete Connor und seinen Männern jede Menge Ärger.
»Unsere Leute auf der Insel North Uist sind zum Glück nun auch in Sicherheit«, fuhr Connor fort.
Dieses Mal stießen sie mit ihren Bechern auf Alex an, der in Vertretung des Clans auf der Insel in einer stark befestigten Burg herrschte. Zwar war es ihnen gelungen, die Piraten von North Uist und den benachbarten Eilanden zu vertreiben, doch Hugh war wieder einmal entkommen.
»Trotz beachtlicher Erfolge können wir erst Ruhe geben, wenn wir auch die Ländereien zurückerobert haben, die uns die MacLeods oben im Norden gestohlen haben«, mahnte Connor. »Es ist höchste Zeit.«
Auf diese Aufforderung hatten sie alle gewartet. Gemeinsam erhoben sie die Becher und riefen: »A’ phlàigh oirbh, a Chlanna MhicLeòid – Zum Teufel mit den MacLeods!«
Die MacLeods of Dunvegan waren ihre schärfsten Gegner auf der Isle of Skye. Eine blutige Geschichte verband die beiden Clans, die sich seit Urzeiten gegenseitig irgendwelche Besitztümer streitig machten. Vor nicht allzu langer Zeit hatte der listige Chief der MacLeods, Alastair Crotach, die Schwäche der MacDonalds nach der Schlacht von Flodden ausgenutzt und die Ländereien auf der Halbinsel Trotternish einschließlich der dortigen Burg an sich gerissen.
»Es wird nicht leicht werden«, meinte Ian und stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab. »Die MacLeods haben mehr Männer und mehr Kriegsgaleeren als wir. Außerdem muss sich Alastair im Gegensatz zu Connor nicht mit elenden Verwandten herumschlagen, die versuchen, ihm die Stellung als Clanchef streitig zu machen.«
»Am fear nach eil làidir ’s fheudar dha ’bhith carach«, warf Alex ein, was nicht mehr und nicht weniger besagte, als dass derjenige, der nicht stark war, schlau sein müsse.
»Die MacLeods sind immerhin zu stark, um allein gegen sie anzutreten«, sagte Connor.
»Vielleicht sollten wir uns stärker um die Campbells als Verbündete bemühen – immerhin stellen sie einen gewaltigen Machtfaktor dar, nachdem die Krone ihnen die Herrschaft über die Western Isles zugestanden hat«, gab Ian zu bedenken. »Könnten sie davon überzeugt werden, an unserer Seite zu kämpfen?«
»Nur wenn wir angegriffen werden«, dämpfte Connor seinen Optimismus. »Sie werden keine Krieger schicken, um bei der Rückgewinnung von Ländereien zu helfen.«
»Es besteht außerdem das Risiko, dass andere rebellische Clans sich mit den MacLeods gegen uns zusammenschließen«, warf Duncan ein und bereute seine Worte sofort, als er Connors Blick auf sich spürte.
»Deshalb sollst du ja unsere ›Verbündeten‹ in Irland aufsuchen«, wies Connor ihn zurecht. »Wir müssen wissen, auf wessen Seite sie stehen.«
»Schick einen anderen«, brummte Duncan verdrossen und nahm einen Schluck Whisky.
»Hugh hat Spione hier in der Burg.« Connor beugte sich vor und sprach leise weiter. »Solange ich nicht herausgefunden habe, um wen es sich handelt, kann ich lediglich euch dreien trauen. Ian brauche ich auf Skye, damit er Knock Castle verteidigt, und Alex muss auf North Uist für die Sicherheit unserer Leute sorgen. Also bleibst nur du für diese Aufgabe übrig, Duncan.«
»Sieh es positiv – vielleicht hilft ein Wiedersehen mit Moira dir ja, sie endlich zu vergessen«, gab Alex mit dem für ihn typischen Mangel an Taktgefühl seinen Senf dazu und setzte gleich noch eins obendrauf. »Ist es nicht an der Zeit, dass ihr beide, du und Connor, euch eine Braut sucht?«
»Ja«, stimmte Ian zu. »Connor, du bringst den Clan in Gefahr, wenn du nicht bald für einen Erben sorgst.«
»Ich muss mit einer Heirat die bestmögliche Allianz für den Clan anstreben. Und welche das ist, weiß ich erst, wenn die Aufregung sich nach diesem verdammten Aufstand gelegt hat.«
»Was schätzungsweise bedeutet, dass Moiras Sohn in der Zwischenzeit dein Erbe ist«, hakte Ian nach.
Connor nickte. »Noch ein Grund mehr, warum ich Duncan nach Irland schicke. Hugh hat deutlich genug gezeigt, dass er jeden umzubringen bereit ist, der zwischen ihm und der Position des Chiefs steht. Der Vater des Jungen muss unbedingt vor der drohenden Gefahr gewarnt werden.«
Verdammt, verdammt, verdammt.
»Also dann, auf nach Irland.« Alex erhob seinen Becher und zwinkerte Duncan zu. »Viel Glück übrigens, wenn du es Rhona sagst. Mann, die Frau macht mir Angst.«
»Du hättest sie längst rauswerfen sollen«, meinte Ian. »Nimm ihr wenigstens den Dolch ab.«
Obwohl sie Unsinn redeten, ließ Duncan ihnen den Spaß.
Plötzlich flogen die Türen zur Halle auf, und Wind und Regen wehten herein. Duncan war bereits mit gezogenem Schwert auf den Beinen, ehe er die kleine, gebeugte Gestalt in der Tür erkannte.
Gott im Himmel, was suchte die alte Seherin denn in der Burg? Teàrlag war alt, uralt. Soweit Duncan sich erinnern konnte, verließ sie normalerweise niemals ihr Haus.
»Ich hatte eine Vision«, hob Teàrlag in klagendem Ton an. »Wehe, ich bringe euch schreckliche Nachrichten!«
Kapitel 3
Endlich ließ Sean von Moira ab und stapfte Richtung Strand. Wütend starrte sie ihm hinterher, während sie Salzwasser aushustete und gegen die Strömung ankämpfte, die sie aufs Meer hinausziehen wollte.
»Falls ich den Hund noch einmal sehen sollte, schlitze ich ihm die Kehle auf«, brüllte Sean, als er an Ragnall vorbeiging.
Es kümmerte ihn nicht, dass der Junge, der bis zu den Knien in den Wellen stand, jeden Moment umgerissen zu werden drohte. Nicht einmal einen Blick warf er zurück.
»Komm nicht weiter«, rief Moira ihrem Sohn zu.
Sie stolperte und fiel der Länge nach ins Wasser. Keuchend rappelte sie sich wieder auf. Ihre Knie und Hände hatte sie sich an den scharfen Kanten der Seepocken aufgeschnitten, die hier das Wasser bevölkerten, doch sie beachtete die Verletzungen nicht, sondern konzentrierte sich ganz auf das Gesicht ihres Kindes. Stück für Stück kämpfte sie sich weiter voran, bis sie nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt war. Jetzt stürmte Ragnall zu ihr und warf sich ihr in die Arme. So standen sie eine Weile in den Wellen, die sie immer wieder von den Füßen zu reißen drohte, bis der Junge ihre Hand ergriff und sie in Richtung des rettenden Ufers zog.
Als sie schließlich in Sicherheit waren, ließ Moira sich erschöpft in den Sand fallen, während Ragnall losrannte, um die Decke zu holen, die sie aus der Burg mitgebracht hatten, sie seiner Mutter um die Schultern zu legen und sich auf ihren Schoß zu setzen. Obwohl ihre Zähne noch immer vor Kälte klapperten, wiegte sie zärtlich ihren Sohn, der ihren durchgefrorenen Körper wärmte. Das Meerwasser, das aus ihrem Haar tropfte, vermischte sich dabei mit den Tränen auf seinem Gesicht.
»Wir können nicht länger hierbleiben«, erklärte sie nach einer Weile.
Moira hatte Seans Zorn bereits zu Beginn ihrer Ehe zu spüren bekommen, aber an diesem Tag zum ersten Mal um ihr Leben gefürchtet. Zwar waren seine Launen in den letzten Monaten ständig unberechenbarer geworden, doch naiverweise hatte sie geglaubt, ihn weiterhin beruhigen zu können, indem sie die unterwürfige Ehefrau spielte.
Der Augenblick indes, als Ragnall den Stock gegen seinen Vater erhob, hatte alles verändert. Sie hätte wissen müssen, dass ihr Sohn versuchen würde, sie zu beschützen. Ragnall besaß einen angeborenen Sinn für Anstand und Ehre, der Sean völlig abging und den er deshalb nicht verstand. Und genau diese Konstellation würde den Kleinen in Gefahr bringen.
»Ich weiß noch nicht, wie, aber wir werden nach Dunscaith Castle zurückkehren.«
Sie streichelte ihrem Sohn über den Kopf und starrte in die Ferne, wo irgendwo hinter dem Horizont die Isle of Skye lag. Sie würde tun, was immer notwendig wäre, um ihr Kind in Sicherheit zu bringen.
»Ich wünschte mir, er wäre nicht mein Vater.« Ragnall sah sie verzweifelt an. »Werde ich einmal genauso sein wie er?«
»Nein.« Moira umfasste zärtlich sein Gesicht und blickte ihm in die Augen. »Du bist nicht wie er und wirst auch niemals so werden.«
»Woher weißt du das?«
Sie erkannte die Zweifel in seinen dunkelblauen Augen, die er als Einziges von ihr geerbt hatte.
»Weil du mit deinen sechs Jahren bereits ein besserer Mensch bist als er.« Sie strich ihm die Haare aus dem Gesicht. »Du wirst später einmal ein großer Krieger und ein wundervoller Mensch werden und deine Mutter stolz machen.«
Sàr kam zurück zu ihnen und legte sich neben Moira.
»Er will dich wärmen«, sagte Ragnall.
»Er ist ein guter Hund«, bestätigte sie und kraulte den zottigen Kopf. »Trotzdem musst du ihn freilassen, denn dein Vater wird ihn töten, sobald er ihn sieht.«
Sean war ein Teufel, dachte sie. Wie sonst könnte er ein Kind zwingen, sich zwischen dem Leben seines geliebten Hundes und dem seiner geliebten Mutter zu entscheiden?
»Er wird ihn niemals erwischen«, widersprach der Junge. »Sàr ist viel zu schnell.«
»Möglich, aber bis wir eine Fluchtmöglichkeit gefunden haben, müssen wir alles daransetzen, Sean nicht zu reizen. Hast du das verstanden?«
Ragnall schmiegte sich an sie. »Und wie soll Sàr etwas zu essen finden?«
»Wann immer wir können, werden wir ihm an unserem Lieblingsplatz in der alten Festung etwas hinlegen.«
Das Kind dachte schweigend nach. »Können wir Sàr später nach Skye mitnehmen?«
Moira war versucht, ihn anzuschwindeln, doch sie wollte nicht, dass er mit Lügen und falschen Hoffnungen aufwuchs. Sie streichelte ihm über den Kopf und küsste ihn auf die Stirn.
»Ich fürchte nein, mo chroí, mein Herz. »Aber du und ich, wir werden fliehen.«
Moira würde alles tun, um ihren Sohn zu retten.
Kapitel 4
Während alle Männer Teàrlag anstarrten, die stöhnend im Eingang zur großen Halle stand und mit den Händen herumfuchtelte, trat Ians siebzehnjähriger Bruder Niall ein und schloss die Türen.
»Bist du etwa der Narr, der Teàrlag bei diesem Wetter hergebracht hat?«, fragte Ian, während Connor und Ilysa die alte Seherin zu einem Sessel führten, der direkt vor dem Kamin stand. »Sie hätte sich den Tod holen können.«
Niall wirkte verlegen und stellte sich neben Duncan. »Ich habe ja versucht, es ihr auszureden«, flüsterte der Junge ihm zu. »Aber die Alte hat gedroht, mich mit einem Fluch zu belegen, der meine männlichen Teile schrumpfen lässt.«
Duncan lachte leise. Teàrlag war bekannt und gefürchtet für ihre bisweilen drastischen Prophezeiungen. Zwar verfügte sie zweifellos über eine seherische Gabe, interpretierte diese jedoch recht eigenwillig, wenn sie sich davon einen Vorteil versprach.
»Was hast du Wichtiges gesehen, dass du sogar dein Haus verlassen hast, dazu bei diesem Wetter?«, erkundigte sich Connor und ging neben der Seherin in die Hocke.
Teàrlag schaute mit ihrem gesunden Auge in die Runde. »Will eigentlich niemand einer alten Frau einen Becher Whisky bringen, bevor sie vor Unterkühlung stirbt?«
Ilysa holte die Flasche und schenkte ihr einen kleinen Becher voll ein, während die anderen sie erwartungsvoll ansahen.
Nachdem Teàrlag alles ausgetrunken und sich mit dem Handrücken über den Mund gewischt hatte, warf sie Connor einen traurigen Blick zu.
»Mein Vorrat an Whisky ist fast aufgebraucht …«
»Ich werde dir einen neuen Krug schicken lassen«, versprach Connor und tätschelte geduldig ihren Arm. »Bist du jetzt bereit, uns zu sagen, was du gesehen hast?«
Duncan traute der Alten nicht wirklich über den Weg. Er hielt sich lieber an das, was er mit eigenen Augen sehen konnte. Seine Mutter hatte früher gelegentlich seltsame Visionen gehabt – oder es sich zumindest eingebildet. Solche Dinge waren ihm unheimlich, verunsicherten ihn. Und es gefiel ihm überhaupt nicht, dass seine Schwester solchen Hokuspokus von der Seherin lernen wollte.
»Ich habe einen großen Sturm auf dem Meer gesehen.« Teàrlag schwankte auf ihrem Sessel hin und her und hob die gichtigen Hände. »Donner grollte über dem Wasser, und Blitze zuckten am Himmel.«
Es bedurfte keiner prophetischen Fähigkeiten, um den Sturm zu sehen, der draußen tobte, dachte Duncan verächtlich und blickte sehnsüchtig zur Treppe. Sollte er versuchen, sich unbemerkt aus der Halle zu schleichen, was bei seiner Größe allerdings nicht ganz einfach war?
Er hatte noch keine zwei Schritte gemacht, als Teàrlags nächste Worte ihn erstarren ließen.
»Bevor ich den Sturm gesehen habe, habe ich Moiras Stimme gehört.«
»Die Stimme meiner Schwester?«, vergewisserte sich Connor. »Geht es Moira gut?«
»Würde ich zum ersten Mal seit Jahren mein Haus verlassen, nur um euch zu berichten, dass es ihr gut geht?«, zischte Teàrlag ungehalten.
Duncan durchquerte den Raum, schob die anderen zur Seite und baute sich vor Teàrlag auf.
»Was siehst du?«
Die Alte schloss die Augen und summte leise, bevor sie weitersprach. »Ich kann Moira nicht sehen, höre jedoch ihre Stimme … Und dann sehe ich eine Blutlache.«
In diesem Moment war es Duncan, als hätte man ihm ein Schwert in die Brust gestoßen.
»So viel Blut«, heulte Teàrlag.
»Und es ist Moiras Blut?«, drängte Connor.
»Ich habe keine Ahnung«, gestand Teàrlag und kehrte erstaunlich schnell aus ihrer »Trance« zurück. Als sie sich erhob, sah sie kaum größer aus als sitzend. »Jetzt werde ich mich kurz hinlegen, bevor ich mich auf den Heimweg mache.«
»Bleib heute Nacht hier«, schlug Ilysa vor und legte die Hand auf die Schulter der alten Frau.
»Nein. Meine Kuh muss gemolken werden.« Teàrlag sah mit ihrem guten Auge Duncan an. »Du, mein Junge, wirst mich nach oben bringen.«
Langsamen Schrittes führte Duncan sie durch die Halle zur Treppe und fragte sich, ob es ihren Stolz verletzen würde, wenn er sie einfach hochhob und nach oben trug.
»Weißt du noch«, stieß die Seherin zwischen ihren pfeifenden Atemzügen hervor, »wie ich dir vorausgesagt habe, dass du großen Kummer erleiden würdest?«
Duncan nickte. Das war nichts, was ein Junge mit elf Jahren so einfach vergessen konnte.
Teàrlag war in seinen Augen schon damals uralt gewesen. Er, Connor, Alex und Ian waren zu ihrem Haus gegangen, damit sie ihnen die Zukunft vorhersagte, bevor sie starb. Eigentlich hatten sie alle nur hören wollen, dass sie einmal große Krieger würden, und waren enttäuscht gewesen, dass Teàrlags Prophezeiungen bloß von Liebe und Frauen handelten. Nun ja, die alte Seherin war schon immer eigenwillig gewesen.
»Ich habe dir damals gesagt, dass ein Mensch sein Schicksal manchmal verändern kann«, sagte sie schwer atmend. »Es ist an der Zeit, dass du das endlich tust, Duncan Ruadh MacDonald.«
Hatte er sein Schicksal nicht bereits verändert?
Schließlich war er nicht mehr einfach der vaterlose Sohn eines Kindermädchens. Eine Schande und ein Verstoß gegen die Tradition der Highlands, derzufolge ein Mann Anspruch auf seinen Sohn erheben musste – egal, ob er mit der Mutter verheiratet war oder nicht. Duncan hatte die bitteren Erfahrungen inzwischen hinter sich gelassen, war sogar gestärkt daraus hervorgegangen. Er hatte es zum Kapitän von Connors Leibwache gebracht und galt als überragender Krieger, dem ein furchterregender Ruf vorauseilte.
»Du strapazierst die Geduld einer alten Frau. Du magst ja ein großer Krieger sein, das war dir immer bestimmt …« Teàrlag tippte Duncan mit ihrem gichtigen Zeigefinger gegen die Brust. »Aber bist du auch mutig genug, um an die Liebe einer Frau zu glauben? Denn nur dann kannst du dein Schicksal wirklich verändern.«
Durchaus möglich, schoss es Duncan durch den Kopf. Aber womöglich zum Schlimmeren.
»Trägst du noch die alte Flöte mit dir herum?«, erkundigte sich Teàrlag unvermittelt.
Er stutzte. Die Alte schien ein bisschen durcheinander zu sein.
»Ja«, sagte er und berührte die zwanzig Zentimeter lange, aus Knochen geschnitzte Flöte, die an einem Lederband um seinen Hals baumelte. Es war ein Geschenk seiner Mutter, und er trug es immer bei sich.
»Gut«, nickte die Seherin. »Du wirst sie brauchen, ehe deine Reise vorbei ist. Und in Notzeiten unseres Clans wird deine Musik die Antwort geben«, fügte sie kryptisch hinzu.
Moira hasste es, das hier tun zu müssen, doch anders würden sie niemals fliehen können. Das Blut rauschte in ihren Ohren, als sie sich ein weiteres Mal davon überzeugte, dass Sean ganz in die Geschichte versunken war, mit der er sich gerade vor seinen Männern brüstete. Dann erst erwiderte sie Collas Blick, der ihr gegenüber am Tisch saß, und fuhr sich mit der Zungenspitze über die Oberlippe. Ihr Schwager beugte sich vor und starrte sie mit offenem Mund an.
Vielleicht hätte sie sich lieber einen Mann aussuchen sollen, der etwas scharfsinniger und weniger einfältig gewesen wäre. Aber nachdem sie die Familienväter von ihrer Liste gestrichen hatte, blieb kaum jemand übrig, der ein eigenes Boot besaß. Abgesehen davon begehrte Colla sie seit Jahren. Ihn würde sie am leichtesten überreden können, sie aus Irland fortzubringen. Und zwar so schnell wie möglich.
Moira erhob sich vom Tisch und legte die Hand auf die Schulter ihres Mannes.
Als Sean sich zu ihr umwandte, erinnerte sie sich für einen winzigen Moment daran, wie gut aussehend und charmant sie ihn fand, als sie sich zum ersten Mal begegneten. Der Charme war schon vor langer Zeit verpufft, während sein Äußeres trotz seines Alkoholkonsums bislang kaum gelitten hatte. Sein Körper war nach wie vor straff und gestählt, sein Gesicht noch nicht aufgedunsen.
Unangenehm wirkten vor allem seine Augen, die kalt blickten wie die einer Schlange.
»Der Wein geht zur Neige«, sagte sie leise zu ihm. »Ich kümmere mich darum, dass ein neues Fass aufgemacht wird.«
»Geh schon und beeil dich gefälligst«, befahl er.