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Der Feind in meinem Beet: ein Baum, der Sie mit Giftpfeilen befeuert, ein glänzender roter Samen, der Ihren Herzschlag stoppt, ein Strauch, der Lähmungen verursacht, eine Kletterpflanze, die Sie erdrosselt, und ein Blatt, das einst einen Krieg auslöste. Dieses Buch hält alle wichtigen Informationen zu den fiesesten Pflanzen, den bösesten Blumen und gemeinsten Gewächsen bereit; sie lauern nicht nur in fernen Ländern, sondern direkt in unseren Vorgärten und Wohnzimmern. Amy Stewart erzählt uns von diesen botanischen Teufeleien und gleichzeitig aus Geschichte, Literatur, Politik und Sage. Ein Buch wie aus Harry Potters Handbibliothek, eine Chronik des Skurrilen und des alltäglichen Zaubers, die in den USA zum Überraschungsbestseller avancierte. Gemeine Gewächse ist ein verschlagenes Lesevergnügen voller wunderbarer Zeichnungen.
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Aus dem Amerikanischen
von Stephan Pauli
Radierungen von Briony Morrow-Cribbs
Illustrationen von Jonathon Rosen
Berliner Taschenbuch Verlag
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Für PSB
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Würde nicht die Erde, von seinem Blick zu bösem Treiben angefeuert, ihn mit Giftpflanzen unterschiedlichster Art begrüßen …
Würde er nicht plötzlich in die Erde versinken und eine unfruchtbare, verdorrte Stelle zurücklassen, wo im Laufe der Zeit tödlicher Nachtschatten, blutroter Hartriegel, Bilsenkraut und was das Klima sonst noch an Giftkräutern hervorbrachte, widerwärtig wuchern würden?
Nathaniel Hawthorne, Der scharlachrote Buchstabe
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Seien Sie gewarnt
Ein Baum, der Giftdolche abfeuert. Ein leuchtend roter Samen, der den Herzschlag stoppt. Ein Strauch, der unerträgliche Schmerzen verursacht, eine Kletterpflanze, die berauscht, ein Blatt, das einen Krieg auslöst: Im Reich der Pflanzen lauern unermessliche Gefahren.
1844 beschrieb Nathaniel Hawthorne in seiner Erzählung »Der Garten des Bösen« einen bejahrten Arzt, der einen verwunschenen, von Mauern umgebenen Garten pflegte. Sobald sich der alte Mann in der Nähe seiner Sträucher und Schlingpflanzen befand, war es, »als ginge er unter bösen Gewalten einher, wilden Furien, todbringenden Schlangen, bösen Geistern, von denen ihm furchtbares Unheil drohe im kleinsten unbeherrschten Augenblick«. Der Held der Geschichte, der junge Giovanni, beobachtete dies von seinem Fenster aus und fand es höchst beunruhigend, »diese Unsicherheit an einem Menschen zu beobachten, der einen Garten pflegt, bei dieser einfachsten und unschuldigsten aller menschlichen Beschäftigungen«.
Unschuldig? So sah Giovanni die üppige Vegetation unter seinem Fenster, und genauso nähern sich die meisten von uns den Pflanzen in unseren Gärten und in der freien Natur: mit blindem Gottvertrauen. Nie würden wir aus einer am Straßenrand abgestellten Kaffeetasse trinken, doch auf Wanderungen naschen wir von unbekannten Beeren, als wären sie nur dazu da, unseren Hunger zu stillen. Wir brauen Arzneitee aus fremdartigen Rinden und Blättern, die uns ein Freund geschenkt hat, und glauben, alles Natürliche könne nichts anderes als gesund sein. Und kommt ein Baby ins Haus, laufen wir los und besorgen Sicherheitskappen für die Steckdosen, übersehen aber die Zimmerpflanze in der Küche und den Strauch neben der Haustür – und das, obwohl allein in den USA jährlich gerade einmal 3900 Menschen durch Stromschläge zu Schaden kommen, während knapp 70 000 durch Pflanzen vergiftet werden.
Sie können jahrelang im Garten arbeiten, ohne von der fatalen Wirkung des Eisenhuts auch nur zu ahnen, dessen strahlend blaue Blüten ein Gift enthalten, das zum Erstickungstod führt. Sie können meilenweit wandern, ohne je auf den Coyotillostrauch zu stoßen, dessen Beeren bei Verzehr eine langsame, aber tödlich verlaufende Lähmung verursachen. Doch eines Tages könnten auch Sie den dunklen Mächten des Pflanzenreichs gegenüberstehen. Und wenn das geschieht, sollten Sie vorbereitet sein.
ICH HABE DIESES BUCH nicht geschrieben, um den Menschen Angst einzujagen. Ganz im Gegenteil. Ich glaube, dass es uns allen guttut, mehr Zeit in der Natur zu verbringen – allerdings sollten wir begreifen, welche Macht sie hat. Ich lebe an der zerklüfteten Küste Nordkaliforniens, und jeden Sommer schleicht sich der Pazifik im Rücken von Familien heran, die sich gerade noch eines unbeschwerten Tages am Meer erfreuten, und fordert Menschenleben. Wir, die hier leben, wissen, dass die sogenannten Schläferwellen ohne jede Vorwarnung töten können. Ich liebe das Meer, aber nie würde ich ihm den Rücken zukehren. Pflanzen verdienen dieselbe respektvolle Vorsicht. Sie können uns nähren und heilen, aber sie können auch zerstören.
Einige der Pflanzen in diesem Buch haben eine wahrhaft skandalträchtige Geschichte. Ein Unkraut tötete Abraham Lincolns Mutter. Ein Strauch hätte beinahe Frederick Law Olmsted, Amerikas berühmtesten Landschaftsarchitekten, das Augenlicht gekostet. Eine blühende Blumenzwiebel ließ die Männer der Lewis-und-Clark-Expedition erkranken, Schierling tötete Sokrates, und das gemeinste aller Gewächse – Tabak – hat 90 Millionen Leben gekostet. Ein anregender kleiner Busch in Kolumbien und Bolivien, Erythroxylum coca, hat einen weltweiten Drogenkrieg angezettelt, und in einem der ersten Fälle chemischer Kriegsführung setzten die alten Griechen Nieswurz ein.
Aber auch Pflanzen mit sagenhaft schlechten Manieren verdienen es, hier erwähnt zu werden: Kudzu hat im amerikanischen Süden ganze Autos und Gebäude verschlungen, und ein Seegras, bekannt als Killeralge, erstickt weltweit die Meeresböden, seit es aus Jacques Cousteaus Aquarium in Monaco entkommen konnte. Die abscheuliche Leichenblume riecht nach Verwesung, die Fleischfressende Nepenthes truncata kann ganze Mäuse verspeisen, und die Flötenakazie beherbergt Armeen von aggressiven Ameisen, die jeden angreifen, der sich dem Baum auch nur nähert.
Sollte dieses Buch Sie gleichzeitig unterhalten, warnen und aufklären, habe ich alles richtig gemacht. Ich bin weder Botanikerin noch Wissenschaftlerin, sondern eine naturbegeisterte Autorin und Gärtnerin. Für dieses Buch habe ich unter Tausenden von Pflanzen rund um den Globus die faszinierendsten und gemeinsten ausgewählt. Und für die, die sich für die Bestimmung giftiger Pflanzen interessieren, habe ich einige Lesetipps im Literaturverzeichnis zusammengestellt. Falls Sie glauben, jemand wurde durch eine Pflanze vergiftet, verlieren Sie bitte keine wertvolle Zeit, indem Sie dieses Buch nach Symptomen oder Diagnosen durchforsten. Wenn ich auch die möglichen oder wahrscheinlichen Wirkungen vieler Toxine beschreibe, so hängt ihre tatsächliche Stärke doch von vielen Faktoren ab: Wann und wie wurde welcher Teil der Pflanze bei welcher Temperatur gegessen? Versuchen Sie erst gar nicht, es selbst herauszufinden. Rufen Sie lieber den Giftnotruf Ihrer Stadt an oder suchen Sie schleunigst einen Arzt auf.
Und schließlich: Experimentieren Sie nicht mit unbekannten Pflanzen und unterschätzen Sie nicht deren Macht. Tragen Sie während der Gartenarbeit Handschuhe. Überlegen Sie es sich gut, ob Sie wirklich diese Beere am Wegesrand hinunterschlucken oder jene Wurzel in den Suppentopf werfen wollen. Sollten Sie kleine Kinder haben, bringen Sie ihnen bei, keine Pflanzen in den Mund zu nehmen. Sollten Sie Tiere haben, entfernen Sie giftige Pflanzen aus ihrer Umgebung. Die Gartenbaubranche kennzeichnet giftige Pflanzen leider nur sehr lax. Teilen Sie dem Gartencenter Ihres Vertrauens mit, dass Sie gut sichtbare und präzise beschriftete Schilder an gefährlichen Pflanzen begrüßen würden. Verwenden Sie verlässliche Quellen zur Bestimmung giftiger, heilkräftiger und essbarer Pflanzen. (Im Internet kursiert eine Unzahl an Falschinformationen, mit tragischen Folgen.) Ich habe mich nicht davor gescheut, Pflanzen mit berauschender Wirkung aufzunehmen, allerdings, um vor ihnen zu warnen, keinesfalls, um zu ihrem Gebrauch zu ermutigen.
ICH GESTEHE, DASS mich das kriminelle Element im Reich der Pflanzen magisch anzieht, und ich auf einer Gartenshow von einem Prachtexemplar der Euphorbia tirucalli, des Bleistiftstrauchs, dessen Milchsaft Striemen auf der Haut hinterlässt, genauso fasziniert bin wie von einer halluzinogenen Mondblume, Datura inoxia, die einsam in der Wüste blüht. Es hat etwas Betörendes, ihre dunklen kleinen Geheimnisse zu kennen. Und diese Geheimnisse lauern nicht nur in entlegenen Dschungelwelten. Sie warten im heimischen Garten.
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BERAUSCHEND
Alraune
MANDRAGORA OFFICINARUM
FAMILIE: Solanaceae (Nachtschattengewächse)
HABITAT: Felder und sonnige Freiflächen
VERBREITUNG: Europa
NAMEN: Satansapfel
Geh, fang einen Stern, der fällt,
Schwängere mir den Alraun,
Sag, wo blieb die Zeit der Welt?
Wer hat des Teufels Huf zerhaun?
John Donne
Die Alraune mag zwar nicht der verschlagenste Verbrecher aus der Nachtschattenfamilie sein, aber sie hat ganz sicher den fürchterlichsten Ruf. Oberirdisch ist sie eine unscheinbare kleine Pflanze mit einer 30 Zentimeter hohen Blattrosette, blassgrünen Blüten und leicht giftigen Früchten, die kleinen unreifen Tomaten ähneln. Doch die Macht der Alraune verbirgt sich unter der Erde.
Ihre langen spitzen Wurzeln wachsen bis zu einem Meter tief und verzweigen sich wie Karotten, die in steiniger Erde wachsen. In der Antike sagte man, die gegabelte haarige Wurzel sähe wie eine teuflische kleine Person aus. Die Römer glaubten, mit Alraunen Dämonen austreiben zu können, und die Griechen meinten, eine Ähnlichkeit zum männlichen Glied zu erkennen und nutzten die Wurzel folglich als Potenzmittel. Weit verbreitet war auch der Glaube, dass die Alraune zu kreischen begänne, sobald man sie aus der Erde zog – so laut, dass ihre Schreie jeden töten würden, der sie hörte.
Flavius Josephus, ein jüdischer Historiker aus dem 1. Jahrhundert vor Christus, beschrieb in seinen Schriften eine Möglichkeit, die schrecklichen Schreie der Alraunen zu überleben. Man band einen Hund an den Fuß der Pflanze und sein Besitzer zog sich auf eine sichere Entfernung zurück. Sobald der Hund loslief, würde er die Wurzel aus dem Boden reißen. Selbst wenn die Schreie ihn töten sollten, könnte man im Anschluss die Wurzel auflesen und verwerten.
Alraunen wurden mit Wein zu einem starken Beruhigungsmittel vermischt, mit dem man auch Feinden zusetzen konnte. Während einer Schlacht um die nordafrikanische Stadt Karthago entwickelte der Feldherr Hannibal circa 200 v. Chr. eine Frühform chemischer Kriegsführung, als er sich aus der Stadt zurückzog und ein Festbankett hinterließ, dessen Getränk aus Mandragora bestand, einem betäubenden Wein, der mit Alraunen angereichert war. Die afrikanischen Krieger tranken und schliefen bald, bis sie von Hannibals zurückkehrenden Truppen hinterhältig überfallen und getötet wurden.
William Shakespeare dachte vielleicht an dieses Ereignis, als er dem Gift in Romeo und Julia eine Rolle auf den Leib schrieb. Der Mönch übergibt Julia mit dem folgenden düsteren Versprechen ein Schlafmittel:
Der Lippen und der Wangen Rosen werden
Wie Asche fahl; die Augenlider sinken,
Wie wenn der Tod abschließt den Lebenstag;
Die Alraune verdankt ihre einschläfernde Magie vielen jener Alkaloide, die auch ihre Nachtschatten-Cousins zu einer tödlichen Plage machen. (Alkaloide sind organische Verbindungen mit oftmals pharmakologischer Wirkung auf den menschlichen und tierischen Organismus.) Atropin, Hyoscyamin und Scopolamin sind Wirkstoffe dieser Pflanze, können das Nervensystem lähmen und einen komatösen Zustand herbeiführen. Hat man von der Frucht gegessen, kann das starke Gegengift Physostigmin helfen, das ironischerweise aus der noch giftigeren Kalabarbohne stammt.
FAMILIENBANDE: Zur berüchtigten Nachtschattenfamilie gehören u. a. Paprika, Tomaten und Kartoffeln, aber auch die Tollkirsche.
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TÖDLICH
PFEILGIFTE
Ureinwohner in Südamerika und Afrika verarbeiten seit Jahrhunderten toxische Pflanzen zu Pfeilgiften. Der giftige Saft tropischer Ranken, auf eine Pfeilspitze gerieben, ist für Krieger und Jäger gleichermaßen eine wirkungsvolle Waffe. Viele Pfeilgifte, darunter der tropische Kletterstrauch Curare, verursachen Lähmungen. Die Lungen versagen ihren Dienst und das Herz hört auf zu schlagen, obwohl äußerlich noch keine Anzeichen eines Todeskampfes zu erkennen sind.
CURARE – Chondrodendron tomentosum
Die robuste, holzige Kletterpflanze ist in ganz Südamerika zu Hause. Sie enthält das starke Alkaloid D-Tubocurarin, das die Muskeln bis zur Bewegungsunfähigkeit entspannt und somit ideal für Jäger ist, da es binnen kürzester Zeit die Beute lähmt, und getroffene Vögel einfach von den Bäumen fallen. Dabei kann Wild, das mit Curarepfeilen erlegt wurde, bedenkenlos verzehrt werden, weil das Toxin nur dann wirkt, wenn es direkt in den Blutkreislauf und nicht lediglich über den Verdauungstrakt in den Körper gelangt.
Sollte das Tier (oder der Feind) nicht sofort geschlachtet werden, tritt nach wenigen Stunden der Tod durch Atemlähmung ein. Experimente an Tieren, die auf diese Weise vergiftet wurden, haben gezeigt, dass das Herz noch kurze Zeit nach Aussetzen der Lungentätigkeit weiter schlägt, obschon die arme Kreatur bereits tot zu sein scheint.
Die Wirkung dieses Mittels entging auch den Medizinern des 19. und 20. Jahrhunderts nicht, als sie bemerkten, dass man damit Patienten während einer Operation hervorragend stillhalten konnte. Zwar hat Curare keine schmerzlindernde Wirkung, doch immerhin erlaubte es dem Arzt, seine Arbeit ohne die Störung durch wild um sich schlagende Patienten zu erledigen. Lediglich die Lungentätigkeit musste während der Operation mithilfe künstlicher Beatmung aufrechterhalten werden – die Wirkung des Curare ließ schließlich nach und es blieben keine dauerhaften Schäden zurück.
Man benutzte die Extrakte der Pflanze in Kombination mit anderen anästhetischen Mitteln fast während des gesamten 20. Jahrhunderts, bis sie von neuen, verbesserten Medikamenten abgelöst wurden.
Der Begriff curare bezeichnet allgemeiner eine Vielzahl von Pfeilgiften, die aus Pflanzen gewonnen werden, darunter:
GIFT-BRECHNUSS – Strychnos toxifera
Ein südamerikanischer Kletterstrauch und naher Verwandter des Strychninbaums Strychnos nux-vomica. Wie Curare verursacht er Lähmungserscheinungen. Beide werden oft zusammen verwendet.
KOMBE – Strophanthus kombe
Die afrikanische Liane enthält ein Glykosid, das direkt auf das Herz wirkt. Zwar führen hohe Dosen zu Herzstillstand, in geringer Konzentration setzte man das Mittel jedoch bei Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen ein. Als der Pflanzenforscher Sir John Kirk im 19. Jahrhundert für die königlichen Kew Gardens in London Kombeproben erwarb, nahm er versehentlich ein medizinisches Experiment auf sich: Durch Zufall gelangte etwas Pflanzensaft auf Kirks Zahnbürste, was er erst nach dem Zähneputzen durch den schnellen Abfall seines Pulsschlags bemerkte.
UPASBAUM – Antiaris toxicaria
Ein in China und anderen Teilen Asiens beheimatetes Mitglied der Maulbeerenfamilie. Rinde und Blätter produzieren einen hochgiftigen Milchsaft. Charles Darwins Großvater Erasmus behauptete, dass allein die Düfte dieses Baums jeden töten könnten, der sich auf zwei Meilen heranwagte. Zwar handelt es sich dabei nur um eine Legende, doch Hinweise auf die gesundheitsschädlichen Ausdünstungen des Upasbaums finden sich auch in Texten von Charles Dickens, Lord Byron und Charlotte Brontë. Eine Figur aus einem Roman Dorothy L. Sayers’ beschrieb einen Serienmörder als »Cousin ersten Grades des Upasbaums«. Wie auch andere Pfeilgifte enthält der Saft ein starkes Alkaloid, das zu Herzversagen führen kann.
ACOKANTHERA – Acokanthera spp.
Dieser Busch gehört zur Familie der – nomen est omen – Hundsgiftgewächse und stammt aus Südafrika. Dort wurde er auf besonders hinterlistige Weise eingesetzt: Man schmierte seinen Saft auf die scharfkantigen Samen des Erdsternchens (Tribulus terrestris). Dieser Samen hat die Form eines Krähenfußes, einer einfachen Waffe mit meist vier spitzen Stacheln, von denen einer immer nach oben zeigt. Eisenvarianten dieser Waffe sind seit der Römerzeit in Gebrauch: Zur Verteidigung schleuderte man sie einfach in die Laufwege sich nähernder Feinde. Ähnlich bohren sich auch mit Acokanthera beschmierte Erdsternchensamen rasch in die Füße der Angreifer und bremsen mit ihren zentimeterlangen Dornen merklich deren Elan.
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SCHMERZHAFT
Australische Brennnessel
DENDROCNIDE MOROIDES
FAMILIE: Urticaceae (Brennnesselgewächse)
HABITAT: Regenwälder, vor allem in zerstörtem Gelände, in Schluchten oder an Hängen
VERBREITUNG: Australien
NAMEN: Gympie Gympie
Die Australische Brennnessel wird als der meistgefürchtete Baum Australiens bezeichnet. Sie erreicht Höhen von bis zu zwei Metern und trägt anziehende Trauben mit roten Früchten, die Himbeeren ähneln. Die Pflanze ist vollständig von feinen Silikonhärchen überzogen, die an Pfirsichflaum erinnern, aber ein bösartiges Neurotoxin enthalten. Es reicht, einmal über die Pflanze zu streichen, um unerträgliche Schmerzen zu erleiden, die bis zu einem Jahr andauern können. In einigen überlieferten Fällen war der Schock über den Schmerz so groß, dass er einen Herzinfarkt auslöste.
Die Härchen selbst sind so winzig, dass sie die Haut mühelos durchdringen und danach kaum noch entfernt werden können. Das Silikon wird im Blutkreislauf nicht abgebaut, und auch das Toxin selbst ist überraschend widerstandsfähig. Selbst in alten, bereits vertrockneten Exemplaren bleibt es aktiv. Der Schmerz wird noch Monate später durch extreme Hitze oder Kälte, manchmal auch durch bloße Berührung reaktiviert. Sogar ein Spaziergang durch Wälder mit Australischen Brennnesseln kann gefährlich sein. Die Pflanze haart fortwährend und Passanten müssen damit rechnen, ihre Härchen zu inhalieren oder sie in die Augen zu bekommen.
Ein australischer Soldat hatte besonderes Pech, als er während seiner Ausbildung im Jahr 1941 gestochen wurde. Er fiel mitten in eine der Pflanzen, sodass sein ganzer Körper fürchterlich malträtiert wurde. Drei qualvolle Wochen war er ans Krankenhausbett gefesselt. Einen anderen Offizier hatte es derartig schlimm erwischt, dass er Selbstmord beging, um den Schmerzen zu entkommen. Doch nicht nur Menschen sind betroffen – Zeitungen berichteten im 19. Jahrhundert von Pferden, die durch die Stiche starben.
Jeder, der den australischen Regenwald durchquert, ist gut beraten, sich vor dieser Pflanze zu hüten. Sie durchdringt auch Schutzkleidung ohne Mühe. Mit handelsüblichen Wachsstreifen lassen sich neben den eigenen auch die feinen Härchen der Pflanze entfernen. Experten empfehlen vor dieser Behandlung einen großzügigen Schluck Whiskey.
FAMILIENBANDE: Die Australische Brennnessel gehört zur Familie der Nesseln; zu dieser Gattung zählt Dendrocnide moroides, die angeblich schmerzhafteste Art. Auch D. excelsa, D. cordifolia, D. subclausa und D. photinophylla sind Mitglieder der Familie der Brennnesseln.
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BERAUSCHEND
Betelnuss
ARECA CATECHU
FAMILIE: Arecaceae (Palmengewächse)
HABITAT: Tropischer Regenwald
VERBREITUNG: Südostasien
NAMEN: Betelnusspalme, Arecanuss, Pinang
Anmutig erhebt sich die Betelpalme auf einem schlanken dunkelgrünen Stamm in Höhen von bis zu 20 Metern. Sie hat glänzende, dunkelgrüne Blätter und bildet hübsche weiße Blüten, die tropische Düfte verströmen. Diese Palme verantwortet aber auch die Betelnuss, ein suchterzeugendes Genussmittel, das die Zähne schwarz und den Speichel rot färbt. Weltweit wird sie von 400 Millionen Menschen konsumiert.
Der Brauch, Betelnüsse zu kauen, existiert bereits seit mehreren tausend Jahren. In einem Grab in Thailand wurden 7000 bis 9000 Jahre alte Samen gefunden, und auf den Philippinen entdeckte man ein Skelett von etwa 2680 v. Chr., dessen Zähne vom Saft der Betelnuss gefärbt waren.
Ähnlich wie Coca wird die Betelnuss zwischen Kiefer und Gaumen gepresst, oft mit einer kleinen Beigabe für den besonderen Kick. In Indien wickelt man dünne Scheiben der Nuss zusammen mit Löschkalk (aus Asche extrahiertes Kalziumhydroxid), indischen Gewürzen und hin und wieder auch Tabak in ein Betelblatt. Das Betelblatt stammt vom Piper betle oder Betelpfeffer, einem niedrig wachsenden Immergrün, dessen Blätter ein Aufputschmittel enthalten. Die Betelnusspalme hat ihren Namen von der Zweckgemeinschaft mit dieser zwar nicht verwandten, aber synergetischen Pflanze.
Das Paket aus Blatt und Nuss, oft als Priem bezeichnet, hat einen bitteren, pfefferigen Geschmack und entlässt Alkaloide, die jenen im Nikotin ähneln. Konsumenten erleben einen Energieschub, ein leichtes Hochgefühl und produzieren mehr Speichel, als sie bei sich behalten können.
Wenn Sie Betel kauen, gibt es nur eine Möglichkeit, dem unablässigen Fluss von rotem Speichel zu begegnen: Sie müssen ihn ausspucken (schlucken verursacht Schwindel). In Ländern, in denen Betelnüsse populär sind, sind die Gehwege deswegen mit rotem Speichel gesprenkelt. Wem das zu eklig erscheint, sollte an den Dichter und Essayisten Stephen Fowler denken: »Das Erlebnis des hemmungslos fließenden Speichels gewährt eine fast orgiastische Befriedigung. Besonders herrlich sind die Nachwirkungen: Wenn man zu Ende gekaut hat, staunt man über einen frischen und süßen Mund. Man fühlt sich auf einzigartige Weise sauber, entgiftet und entschlackt.«
Der Betelnuss wird in ganz Indien, Vietnam, Papua-Neuguinea, China und Taiwan gefrönt. Dort geht die Regierung hart gegen die »Betelnuss-Beautys« vor, knapp bekleidete Frauen, die in Straßenständen sitzen und ihre Ware an Trucker verkaufen.
Das regelmäßige Kauen von Betel macht nicht nur abhängig – Entzugssymptome sind Kopfschmerzen und Schweißausbrüche –, es führt auch zu einem erhöhten Mundkrebsrisiko und kann Asthma und Herzkrankheiten begünstigen. Der Gebrauch ist in vielen Teilen der Welt nicht reglementiert und Gesundheitsexperten befürchten, dass es dem Tabak als Gesundheitsrisiko Nummer eins den Rang ablaufen könnte.
FAMILIENBANDE: Die Betelpalme ist das vielleicht bekannteste Mitglied der Areca-Gattung, die etwa 50 verschiedene Palmenarten umfasst. Ihr Komplize, der Piper betle, ist unter anderem mit dem P. nigrum, also schwarzem Pfeffer, und P. methysticum (Rauschpfeffer), Quelle des milden Kräutergetränks Kava, verwandt.
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TÖDLICH
Blaualgen
CYANOBACTERIA
KÖNIGREICH: Bacteria
HABITAT: Salz- und Süßwassergebiete weltweit, darunter Ozeane, Flüsse, Teiche, Seen und Bäche
VERBREITUNG: Eigentlich überall und selbst in 3,5 Milliarden Jahren alten Fossilien
NAMEN: Giftalgen
Mag Schwimmschlamm auch eigentlich keine Pflanze sein – diese spezielle Algenform wird als Bakterium klassifiziert –, so bedroht diese grüne Kreatur, die auf der ganzen Welt vorkommt, doch Mensch und Tier. Einige Arten von Cyanobacteria, auch als Blaualge bekannt, können spontan erblühen und dabei Gifte ins Wasser abgeben. Menschen, die dieses Wasser trinken oder kontaminierten Fisch essen, haben mit Krämpfen, Erbrechen, Fieber, Lähmungserscheinungen und dem Tod zu kämpfen.
Aber was bringt eine gewöhnliche Algenpopulation dazu, zu erblühen und dabei ihr Gift abzusondern? Die Wissenschaft rätselt noch. Düngemittel könnten eine Rolle spielen. Auch hohe Temperaturen und ruhige Gewässer begünstigen das Wachstum der Alge, und tatsächlich scheinen Vergiftungen in warmen Klimazonen während der Sommermonate häufiger aufzutreten.