Gemeinsame Erinnerung oder geteilte Vergangenheit? - Melanie Rennert - E-Book

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Melanie Rennert

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Beschreibung

Bachelorarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Geschichte Deutschlands - Neuere Geschichte, Universität Leipzig (Institut für Kulturwissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Nach dem Ende der DDR und den damit verbundenen tief greifenden Veränderungen im politischen System wandelte sich auch der kulturelle Umgang mit der Vergangenheit. Unterschiedliche politische Ziele, Geschichtserfahrungen und individuelle Einstellungen trafen aufeinander. Bei der nach 1990 einsetzenden Neubetrachtung der Vergangenheit und ihrer musealen Umsetzung kam es auf Grund dieser verschiedenen Perspektiven und Erinnerungen zu lang andauernden Auseinandersetzungen über die Funktion, Ausrichtung und Ziele von Gedenkstätten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Besondere Beachtung fanden die Gedenkorte ehemaliger Konzentrationslager. Auch das ehemalige Konzentrationslager (nachfolgend „KZ“) Buchenwald, als einer der wichtigsten erinnerungskulturellen Orte in der DDR, stand im Zentrum der Auseinandersetzungen. Nachdem Anfang 1990 Massengräber in unmittelbarer Nähe des ehemaligen KZs gefunden wurden, entwickelte sich die Frage nach der Neukonzeption der Gedenkstätte zu einer emotionalen, teilweise polemisch geführten Kontroverse über das Verhältnis von Nationalsozialismus (nachfolgend „NS“) und Kommunismus. Wolfram von Scheliha fragte in seinem Beitrag „Sackgasse Totalitarismus“ im „Deutschland Archiv“ aus dem Jahr 2006: „Welchen Platz nehmen die sowjetischen Speziallager und das SED-Unrecht insgesamt in der deutschen Erinnerungskultur ein und in welchem Verhältnis steht es zur Erinnerung an die nationalsozialistischen Konzentrationslager?“2 Dass diese Frage auch heute noch im Forschungsfeld der Historiographie steht, zeigt welch zentrale Bedeutung die Problematik der Internierungslager in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in der Erinnerungspolitik und Zeitgeschichtsforschung einnimmt. Bereits in den Jahren 1989/1990 wurden die Speziallager als Teil der DDR-Geschichte aufgegriffen und ihre Aufarbeitung gefordert. Dabei kam es zeitweise zu unsachlichen Kontroversen über den Umgang mit den Orten ehemaliger Speziallager, der Anerkennung der dort internierten Häftlinge als Opfergruppe und daraus folgend der Neukonzeption der Gedenkstätten mit „zweifacher Vergangenheit“.[...]

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Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung.
2. Die Geschichte Buchenwalds im historischen Rückblick.
2. 1. Das nationalsozialistische Konzentrationslager.
2. 2. Das sowjetische Speziallager Nr. 2.
2. 2. 1. Entstehungskontext.
2. 2. 2. Die Wahrnehmung der „Speziallager“ - Internierten in DDR und BRD.
2. 2. 3. Das „Speziallager Nr. 2“
3. Der Umgang mit der NS-Vergangenheit in BRD und DDR von 1945 - 1990.
3. 1. Der Umgang mit dem Nationalsozialismus in der BRD.
3. 2. Der Umgang mit dem Nationalsozialismus in der DDR.
4. Die „Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald“
5. Die Kontroversen um die Neuorientierung der Gedenkstätte Buchenwald
5. 1. 1. Die Enttabuisierung der „Speziallager“
5. 1. 2. Die Debatten über das „Speziallager Nr. 2“ 1990.
5. 1. 3. Das Jahr 1991. Der Einsatz der Historikerkommission.
5. 1. 4. Die Reaktionen auf die Empfehlungen der Historikerkommission.
5. 2. Weitere Konflikte um die Gedenkstätte Buchenwald.
6. Der Umgang mit der DDR-Vergangenheit nach 1990.
7. Fazit.
8. Literatur- und Quellenverzeichnis.
8. 1. Literaturverzeichnis.
8. 2. Quellenverzeichnis.

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1. Einleitung

Nach dem Ende der DDR und den damit verbundenen tief greifenden Veränderungen im politischen System wandelte sich auch der kulturelle Umgang mit der Vergangenheit. Unterschiedliche politische Ziele, Geschichtserfahrungen und individuelle Einstellungen trafen aufeinander. Bei der nach 1990 einsetzenden Neubetrachtung der Vergangenheit und ihrer musealen Umsetzung kam es auf Grund dieser verschiedenen Perspektiven und Erinnerungen zu lang andauernden Auseinandersetzungen über die Funktion, Ausrichtung und Ziele von Gedenkstätten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Besondere Beachtung fanden die Gedenkorte ehemaliger Konzentrationslager. Auch das ehemalige Konzentrationslager (nachfolgend „KZ“) Buchenwald, als einer der wichtigsten erinnerungskulturellen Orte in der DDR, stand im Zentrum der Auseinandersetzungen. Nachdem Anfang 1990 Massengräber in unmittelbarer Nähe des ehemaligen KZs gefunden wurden, entwickelte sich die Frage nach der Neukonzeption der Gedenkstätte zu einer emotionalen, teilweise polemisch geführten Kontroverse über das Verhältnis von Nationalsozialismus (nachfolgend „NS“) und Kommunismus.

Wolfram von Scheliha fragte in seinem Beitrag „Sackgasse Totalitarismus“ im „Deutschland Archiv“ aus dem Jahr 2006: „Welchen Platz nehmen die sowjetischen Speziallager und das SED-Unrecht insgesamt in der deutschen Erinnerungskultur ein und in welchem Verhältnis steht es zur Erinnerung an die nationalsozialistischen Konzentrationslager?“2Dass diese Frage auch heute noch im Forschungsfeld der Historiographie steht, zeigt welch zentrale Bedeutung die Problematik der Internierungslager in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) in der Erinnerungspolitik und Zeitgeschichtsforschung einnimmt. Bereits in den Jahren 1989/1990 wurden die Speziallager als Teil der DDR-Geschichte aufgegriffen und ihre Aufarbeitung gefordert. Dabei kam es zeitweise zu unsachlichen Kontroversen über den Umgang mit den Orten ehemaliger Speziallager, der Anerkennung der dort internierten Häftlinge als Opfergruppe und daraus folgend der Neukonzeption der Gedenkstätten mit „zweifacher Vergangenheit“.

Zentraler Bezugsrahmen dieser Arbeit ist die nach 1990 einsetzende Debatte darüber, wie mit der DDR-Geschichte umzugehen ist und was im kulturellen Gedächtnis verankert werden soll. Die Begriffe Erinnerungskultur und kulturelles Gedächtnis werden im Kontext

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kulturtheoretischer Auffassungen als vermittelte und nachträglich konstruierte Sicht auf die Vergangenheit beschrieben, „wobei diese Vergangenheitsbezüge jedoch gleichzeitig eine unabdingbare Grundlage für kulturelle Identität und Stabilität eines politischen Gemeinwesens sind.“3Erinnerungskultur ist demnach die Vermittlung der Vergangenheit in Form von beispielsweise öffentlichen Ritualen, Denkmälern, Gedenktagen und Gedenkstätten. Die „Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald“ war zentraler Punkt des kollektiven Gedächtnisses in der DDR und sollte im Rahmen der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit nach 1990 neu konzipiert werden.

In der folgenden Analyse werden die zentralen Punkte der Auseinandersetzung über die Neukonzeption der Gedenkstätte Buchenwald vorgestellt. Es soll gezeigt werden, dass die Vorstellungen von einer Neukonzeption im Sinne der jeweiligen Opferperspektiven, bis hin zu einer Gleichsetzung der beiden Lagergeschichten, in Anlehnung an klassische totalitarismustheoretische Konzepte4reichten. Zentrale Fragestellung ist dabei, wie diese Opferperspektiven von den regionalen und überregionalen Zeitungen rezipiert wurden. Darüber hinaus soll gezeigt werden, dass die Frage um die Erinnerungskultur nach 1990 auch in der Zeitgeschichtsforschung einen wichtigen Wandel durchlief.

Zunächst wird die Geschichte des Konzentrationslagers Buchenwald und des „Speziallager Nr. 2“ kurz dargestellt. Dabei wird besonders auf den intern organisierten Widerstand im Konzentrationslager eingegangen, sowie den Umgang mit den Internierten des Speziallager nach dessen Auflösung. Diese beiden unterschiedlichen Erfahrungen haben die Identität der betroffenen Menschen (und darüber hinaus) stark geprägt, wodurch die Kontroverse um den Opfervergleich nach 1990 teilweise sehr emotional verlief. Darauf folgend wird die Geschichte der „Nationalen Mahn- und Gedenkstätte“ in der DDR dargestellt, um den Konflikt über die Bewertung der Erinnerungskultur in der DDR zu verdeutlichen. Um die Forderungen nach einer Neukonzeption der Gedenkstätte nach 1990 besser verorten zu können, wird daran anschließend der Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit in der DDR und BRD skizziert. Im Hauptteil der Arbeit werden die Kontroversen um die Neugestaltung der Gedenkstätte zwischen 1990 und 1992 dargestellt. Dazu werden in chronologischer Folge Presseartikel auf die zentrale These dieser Arbeit hin untersucht. Die „qualitative Inhaltsanalyse“5dient

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als methodischer Leitfaden bei der Interpretation und Kontextualisierung des Datenmaterials. Die Auswahl besteht aus einzelnen Artikeln von regionalen und überregionalen Zeitungen und exemplarischen Pressetexten der jeweiligen „Opferverbände“ (Vgl. Anm. 58 und 68), da diese eine bedeutende Rolle in den Auseinandersetzungen um die Gedenkstätte einnahmen. Der Konflikt setzte sich noch bis zur Eröffnung des Dokumentenhauses zur Geschichte des „Speziallager Nr. 2“ 1997 fort. In dieser Arbeit werden aber primär die Jahre 1990 bis 1992 analysiert, da sich die Auseinandersetzungen um die Anerkennung als Opfer in dieser Zeit besonders zuspitzten. Zum Schluss wird der Konflikt um die Neukonzeption als ein zentraler Konflikt der politischen Umbruchphase eingeordnet. Auch die Perspektive in der

Zeitgeschichtsforschung zum Umgang mit der DDR-Vergangenheit hat sich in diesen Jahren besonders stark gewandelt, was die politische Bildung und die Vermittlung in Museen und Gedenkstätten nachhaltig beeinflusste.

2. Die Geschichte Buchenwalds im historischen Rückblick

2. 1. Das nationalsozialistische Konzentrationslager

Nach der Errichtung der ersten beiden großen Konzentrationslager Dachau und Sachsenhausen wurden im Juli 1937 die ersten Häftlinge im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert.