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Für Reiter und Ausbilder aller Reitweisen, die sich für die Zusammenhänge von Lernverhalten und Bewegungsabläufen bei Pferden interessieren. Gentle Horse Training vermittelt das Wissen darüber, wie Pferde lernen, und gibt dem Reiter anhand einer Vielzahl von Übungen und Tipps das Mittel an die Hand, mit seinem Pferd eine gemeinsame Kommunikationsbasis zu finden und damit den Grundstein für gemeinsames erfolgreiches Arbeiten zu legen. Übungen zum Erlangen von Gehorsam, Gleichgewicht, Balance und Versammlung sind dabei ebenso Thema wie die Schulung von Körpergefühl und Konzentration.
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Seitenzahl: 156
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Gentle Horse Training
Gut reiten, richtig ausbilden
Thies Böttcher
Haftungsausschluss
Der Autor, der Verlag und alle anderen an diesem Buch direkt oder indirekt beteiligten Personen lehnen für Unfälle oder Schäden jeder Art, die aus den in diesem Buch dargestellten Übungen entstehen können, jegliche Haftung ab.
Achten Sie immer auf die entsprechende Sicherheitsausrüstung für sich selbst: feste Schuhe und Handschuhe bei der Bodenarbeit sowie Reithelm, Reitstiefel/-schuhe, Reithandschuhe und gegebenenfalls eine Sicherheitsweste beim Reiten.
Impressum
Copyright © 2009 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek
Gestaltung und Satz der Originalausgabe: Ravenstein + Partner, Verden
Coverfoto: Jochen Becker
Fotos sofern nicht anders angegeben: Jochen Becker
Lektorat: Cora von Hindte
E-Book: Satzweiss.com Print Web Software GmbH
Alle Rechte vorbehalten.
Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Abdruck oder Speicherung in elektronischen Medien nur nach vorheriger schriftlicher Genehmigung durch den Verlag.
Printed in Germany
ISBN 978-3-86127-461-2
eISBN 978-3-84046-014-2
Erste Schritte
„War das jetzt wieder mein Fehler – oder will das Pferd nicht?“
Wer von uns hat nicht öfter diesen Gedanken, er begleitet uns auf Schritt und Tritt. Er lässt uns entweder sauer auf das Pferd werden oder frustriert zurück, weil wir es doch eigentlich langsam mal können müssten. Und eigentlich war es doch auch richtig…
Aber dürfen wir uns diese Fragen überhaupt stellen – bedeutet das nicht, beim Pferd vorauszusetzen, dass es genau weiß, was es machen soll? Woher soll dieses Wissen kommen? Hat es die genetische Veranlagung, Schenkelhilfen zu kennen und ein fremdes Wesen auf seinem Rücken zu tragen? Diese Überlegungen sind einfach zu absurd, um sie weiter zu vertiefen. Alles, was das Pferd ausführen soll, müssen wir ihm beibringen – nicht die Bewegung an sich, aber diese Bewegung auf Kommando, also auf die Hilfen des Reiters hin, auszuführen. Was ein voll ausgebildetes Pferd betrifft, ist die oben genannte Frage zulässig, aber Hand aufs Herz – wer von uns besitzt ein solches Pferd? Und wer sorgt dafür, dass es auf diesem Stand bleibt?
Ein Grundproblem in allen Sparten der Reiterei ist, dass die wenigsten Pferde voll ausgebildet sind und man dennoch versucht, sie zu reiten, als ob sie es wären. Ob Sie es wollen oder nicht – sobald Ihr Pferd sich nicht im Vollberitt bei einem Profi befindet, sind Sie selbst der Ausbilder Ihres Pferdes. Aus dieser Verantwortung heraus ergibt sich nur eine Frage: Wie kann ich dem Pferd erklären, was ich von ihm möchte? Und die zweite Frage folgt zwangsläufig: Was will ich dem Pferd überhaupt erklären?
Meine Tätigkeit als Kursleiter hatte großen Einfluss auf die Auswahl der in diesem Buch vorgestellten Übungen. Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob man jemanden über Wochen und Monate ständig betreut oder aber auf einem Wochenendkurs auf ganz unterschiedliche Reiter-Pferd-Kombinationen trifft. Techniken, die man für den Unterricht in Kursen verwenden kann, müssen effektiv und leicht von den meisten umzusetzen sein, denn eine weiterführende Betreuung findet, wenn überhaupt, auf weiteren Kursen statt. Insofern ist die Gestaltung des Umfelds interessant, bei dem man das Pferd selbst herausfinden lässt, was es machen soll. Diese Ansprüche treffen meines Erachtens auch auf Lehrbücher zu, denn wie auf einem Kurs weiß ich nicht, wer es lesen wird. Allerdings sehe ich auf einem Seminar die Teilnehmer, ich kann mich auf die Pferde setzen und so besser einschätzen, wo genau die Problematik liegt und dementsprechend das Training darauf einstellen. Vor diesem Hintergrund wird die Reihenfolge der Übungen wichtig. Es geht vom Einfachen zum Schweren, und die Vorübungen sind meistens die Korrektur für die folgenden Übungen.
Damit begeben wir uns auf einen spannenden Weg; es geht nicht mehr um Reitweisen, Schuldfragen und ähnliche Dinge. Lernverhalten, Psychologie und Bewegungsabläufe rücken plötzlich in den Mittelpunkt. Lassen Sie uns einfach schauen, wohin der Weg führt.
Ihr Thies Böttcher
Grundprinzipien
Jeder hat seine eigene Vorstellung vom perfekten Pferd. Die Realität sieht freilich meist anders aus, denn unser Pferd hat keinerlei Vorstellung von unserer Idee. Training beziehungsweise Ausbildung besteht darin, dem Pferd unsere Sicht der Dinge zu vermitteln. Nehmen wir uns fünf Minuten Zeit herauszufinden, wie dieses Bild vom perfekten Pferd aussehen könnte: Zeichnen Sie Ihr Bild. Allerdings sollten wir dabei nach konkreten Dingen suchen. Floskeln wie „Partner“, „gut erzogen“ oder „vertraut dem Menschen“ hören sich schön an, aber wie erreicht man, dass das Pferd dem entspricht?
Mein Bildhintergrund besteht aus drei „Grundfarben“: Bewegung, Distanz und Weichheit. Es sind immer diese Dinge, die Mensch und Pferd Probleme bereiten.
Bewegung
Eines meiner interessantesten Pferde erwartete mich in Gestalt eines neunjährigen Quarterhorse-Wallachs. „Nach der Aufwärmphase geht er nicht mehr vorwärts“, so seine Besitzerin. Ein Treffen war schnell vereinbart, und so erwartete sie mich mit gesatteltem Pferd in der Halle. Der Sattel- und Tierarztcheck hatte bereits stattgefunden, sodass von dieser Seite keine Probleme zu erwarten waren.
In der Aufwärmphase lief Jet, so der Name des Pferdes, eigentlich sehr schön, die Überraschung kam, als ich die Besitzerin bat, die Zügel aufzunehmen und mit leichter Biegearbeit zu beginnen: Jet bog in die Mitte der Volte ab und stellte sich hin. Es war nicht mehr möglich, dieses Pferd von der Stelle zu bewegen. Ich hatte nicht erwartet, dass „nicht vorwärtsgehen“ wörtlich zu nehmen war. Der Einsatz von Gerte und Sporen führe zum Steigen oder Bocken, klärte mich die Besitzerin auf.
Guten Mutes stieg ich auf und begann mit meiner „Standard-Taktik“ – wenn ein Pferd nicht vorwärts antreten will, dann tritt es eben zur Seite oder nach hinten an. Gerade das seitliche Antreten ist eine sehr effektive Methode, Pferde in Bewegung zu setzen, ohne zu grob werden zu müssen. In diesem Fall versagte sie gänzlich. Es war auch nicht möglich, mit dem Bein die Pferdehüfte zu verschieben, um daraus eine Bewegung zu entwickeln.
Das einzige Zugeständnis des Pferdes war ein Nachgeben im Hals nach links und rechts. Durch schnelles Hin- und Herbewegen des Pferdekopfes kann man Pferde oft aus dem Gleichgewicht und somit in Bewegung bringen – Jet blieb jedoch resistent.
Eine kleine Denkpause war angesagt. Da jedes Lebewesen aus seiner Situation lernt, um sie zu verbessern, musste ein Umfeld geschaffen werden, in dem Bewegung angenehmer ist als Stehen. Mein Weg konnte also nur über die Psyche des Pferdes führen – es musste sich dazu entscheiden, sich zu bewegen. Der Versuch, das Pferd zu zwingen, würde aller Voraussicht nach im Sand enden.
Die Lösung lag darin, das Stehen für das Pferd unbequem zu machen, ohne dabei grob zu werden und es zu Verteidigungsmaßnahmen zu zwingen. Ich nahm den rechten Zügel so an, dass der Pferdekopf etwa im rechten Winkel abgestellt war, und wartete. Durch die Biegung im Hals ist es dem Pferd nicht mehr möglich, ausbalanciert zu stehen, und die Halsmuskulatur ermüdet ebenfalls.
Nach etwa fünf Minuten wurde es Jet langsam unbequem, wobei er schon vorher versucht hatte, seinen Kopf freizubekommen. Ein „halber Schlag“ ums Horn des Sattels sorgte jedoch dafür, dass er mir nicht den Zügel aus der Hand reißen konnte. Dieser halbe Schlag lässt sich jedoch mit einer Bewegung lösen, sodass man in Situationen, die zu eskalieren drohen, den Zügel sofort nachgeben kann. Das hat zur Sicherheit von Pferd und Mensch oberste Priorität.
Aus dem leichten Zappeln heraus begann Jet das rechte Bein hochzunehmen, um sich auszubalancieren.
Ich löste den Zügel und lobte ihn. In den nächsten Minuten begriff er, dass ihn die Bewegung aus der unangenehmen Situation befreite. Nach weiteren fünf Minuten, die er durch die Gegend humpelte – das Annehmen des Zügels brachte ihn kurzfristig in Bewegung –, konnte man erkennen, dass er anfing, sich konstant vorwärtszubewegen. Das eigentliche Training konnte beginnen.
Glauben Sie mir, es gibt kaum ein komischeres Bild als ein Reiter auf einem Pferd, das sich nicht bewegt – wenn man als Zuschauer am Rand steht.
Das Training muss immer die Natur des Pferdes berücksichtigen. Bewegung ist dabei ein grundlegendes Element. (Foto: Böttcher)
Es ist eine simple Rechnung: 600 Kilogramm auf vier Beinen. Wollen wir irgendetwas mit auch nur einem (!) Bein machen, sind wir körperlich nicht in der Lage, diese 150 Kilogramm zu bewegen. Das Pferd muss sich demnach bewegen, dieses Bein anheben – erst dann können wir Einfluss auf die Bewegung nehmen und das Bein lenken. Egal was wir vorhaben, vorher muss das Pferd losgehen.
Ist das selbstverständlich? Sicher – aber wie viele Pferde kennen Sie, die sich vor dem Hänger einfach hinstellen? Oder unser liebes Pony frisst genüsslich am Wegesrand, und wir kommen nicht einen Meter von der Stelle?
Viele Probleme basieren auf dieser Abwesenheit von Bewegung beziehungsweise darauf, dass Menschen aus einem Bedürfnis nach Kontrolle heraus versuchen, Bewegung zu verhindern. Ein Pferd soll gezwungen werden, unter dem Reiter stillzustehen – es steigt. Ein weiteres wird einfach angebunden und reißt sich los. Dem nächsten Vierbeiner wird eine Kandare ins Maul geschnallt, um den Vorwärtsdrang zu bremsen. Ein stehendes Pferd stellt vielleicht keine Gefahr dar, es lässt sich aber nicht trainieren. Niemand muss Angst auf einem stehenden Pferd haben, aber im Notfall wird es sich bewegen. Haben Mensch und Pferd nicht gelernt, in der Bewegung miteinander zurechtzukommen, wird die Situation immer wieder gefährlich werden.
Viele Reiter-Pferd-Beziehungen sind genau durch diesen Umstand geprägt. Wir versuchen das auszuschalten, was wir eigentlich benötigen: die Bewegung des Pferdes. Haben wir das endlich geschafft, kommen Gerten und Sporen zum Einsatz, um das Pferd wieder zu veranlassen, vorwärtszugehen.
Takt und Losgelassenheit, die ersten Phasen in der Ausbildungsskala, sind nur zu erreichen, wenn wir die Bewegung des Pferdes erhalten und in geregelte Bahnen lenken.
Die richtige Distanz ist eines der Schlüsselelemente in der Pferdeausbildung.
Distanz
10 Grad Celsius kaltes Wasser tut gut – vor allem, wenn man seine geschwollenen, blauen Zehen darin abkühlen kann. Aber irgendwie hatte ich mir meinen Sommerurlaub auf Gran Canaria doch anders vorgestellt: schön am Pool liegen, ein kühles Getränk in der Hand …
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