Geöffnetes Narren-Turney - Anonym - E-Book

Geöffnetes Narren-Turney E-Book

Anonym

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Beschreibung

In dem anonymen Werk "Geöffnetes Narren-Turney" entfaltet sich ein faszinierendes Spiel, das sich mit den Themen der menschlichen Natur, der Gesellschaft und der Rolle des Individuums innerhalb einer Gemeinschaft auseinandersetzt. Der literarische Stil ist von einer Mischung aus Satire und Ernst geprägt und reflektiert die Dialoge und Auseinandersetzungen zwischen Narren und Weisen. Diese allegorische Erzählung schafft es, sowohl unterhaltsame als auch tiefgründige Einblicke in die menschlichen Abgründe zu gewähren und dabei die gesellschaftlichen Normen und Werte der Entstehungszeit zu hinterfragen. Der Autor bleibt anonym, was die Rezeption des Werkes zusätzlich anregt. Diese Entscheidung könnte durchaus eine bewusste Herausforderung an konventionelle Autorität und Identität sein, die sich im gesamten Text widerspiegelt. Durch die Anonymität wird der Leser dazu angeregt, sich auf die Inhalte und die darin behandelten Ideen zu konzentrieren, anstatt sich mit dem Leben und der Person des Autors auseinanderzusetzen, was dem Werk eine universelle Relevanz verleiht. "Geöffnetes Narren-Turney" ist nicht nur ein Werk von literarischer Bedeutung, sondern auch ein Anstoß zur Reflexion über die eigene Position in der Gesellschaft. Es bietet dem Leser die Möglichkeit, sich in einer Welt voller Narren und Weiser zu orientieren und stellt essentielle Fragen zu Macht, Wissen und Identität. Das Buch ist eine Einladung zu einem erkenntnisreichen Abenteuer, das den Geist anregt und das Herz berührt.

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Anonym

Geöffnetes Narren-Turney

Eine Reise durch Symbolismus und Allegorie im Herzen der deutschen Barockliteratur
Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2024
EAN 8596547836605

Inhaltsverzeichnis

Cover
Titelblatt
Text
Fasching 1843.
Karlsruhe.
Verlag, Druck und Lithographie von F. Gutsch und Rupp.

Geöffnetes Narren Turney 18431tes Stürk. Schmutziger Donnerstag

Narrenturney.
1843.

Schnetterdeng! Hurrah Trompeten! Hei! Trompeten! Schnetterdeng! Seht einmal nur das Gedräng, Und die holden Schwerennöthen! Ernst wohl scheint es jetzt zu werden, Und die Narrheit bricht hervor, Schlägt der Klugheit eins an’s Ohr, Daß von ihr befreit wir werden. Lange haben wir gelassen Ihrem Unfug zugeschaut – März kommt, wo die Katz miaut: Nur wer liebet – kann auch hassen! – – – Sehet nur die wilden Schaaren; Wie sie bäumen sich mit Macht; Doch wir treiben sie zu Paaren, Und gewonnen wird die Schlacht. Stolz auf Greisen, hoch in Lüften Hebet sich der Narrheit Kraft, In der Klugheit Nieren, Hüften Senkt sie ihres Speeres Schaft. Und die Ruhe Karl’s gestöret, Recket sich vom Schlummer los: „Welch’ ein Wahnsinn sich gebähret? Gibt der Bürger so sich bloß? – Was wir von Epidemien Schon gehöret weit und breit, Seh’n wir hier vorüberziehen; Lieben Leute seyd gescheut!“ Aber da ist nichts zu halten, Rasend stürzt der Trödel fort, Und die Jungen, wie die Alten, Kämpfen hier und kämpfen dort. – Die in faltigen Talaren, Die im steifen Glanzcollet, Die behängt mit Modewaaren, Aufgewichset und adrett; Die zu Pferde, die zu Fuße, Die voll Spott und die voll Wuth, Sprechen uns von Bann und Buße, Wollen rauben uns den Muth. Schnetterdeng! Hurrah! Trompeten! Auf Ihr Narren! In den Kampf! Jetzt ist Siegen uns von Nöthen; Schlaget in die Flucht Hans Dampf! Und das Herz lacht uns im Leibe, Seh’n wir wie die Pritsche fliegt, Und als wie zum Zeitvertreibe Die Kohorten rings besiegt. Ihr Philister an den Ecken, Leimensteder dort vom Eck, Uns’re Pritsche wird Euch strecken, Wanket Ihr nicht gleich vom Fleck; Watschelt mit den dicken Bäuchen, Still in Euer Kämmerlein, Platz da! Platz! Lebend’ge Leichen! Unser muß die Wahlstadt seyn! Unser ist die Welt, die frohe! Rette Dich, so gut Du kannst, Eh’ die lustig glüh’nde Lohe, Nicht versenget Deinen Wanst. Bist Du aber klug, so werde Närrisch toll wie unser Eins, Heute fei’rt die ganze Erde, Froh ein Fest, wie wohl noch Keins! Schnetterdeng! Hurrah! Trompeten! Blaset, daß die Brust Euch springt! Abgesagt den schweren Nöthen, Uns der frei’ste Sieg gelingt!

Programm

der Festlichkeiten, welche am 28. Februar und an den vorhergehenden Tagen in der guten und weisenHaupt- und Residenzstadt Karlsruhe ganz unerhörter Weise abgehalten werden sollen. Zum ersten Mal an’s Licht gezogen und der ganzen Einwohnerschaft, den Frommen sowohl wie den Gottlosen, zum Aerger, wie zur Erbauung, andurch mitgetheilt, vom hohen Directorium des Departements der närrischen Angelegenheiten.

Schon längst munkelte man in sehr ehrbaren Zirkeln und andern Kreisen von dem Vorhandenseyn einer im Finstern heimlich schleichenden Sekte, die es darauf abgesehen haben sollte, nicht etwa das Bestehende zu untergraben und umzustürzen, sondern das Untergrabene und Umgestürzte wieder zu Bestehen zu bringen. Der „göttliche Wahnsinn“, wie unser alter weiser Wieland ihn nennt, war wie ausgestorben; die ganze Welt schien nur auf’s Praktische gerichtet; sie ächzte in der Gebundenheit, und wenn zwar nicht geläugnet werden konnte, daß sie Thorheiten und Narrheiten bis zum Ueberdruß gebahr, so geschah es doch in so praktischer Richtung, mit solcher bocksteifledernen Gravität, daß man sich wohl darüber ärgern konnte, aber dabei Niemand in den Sinn kam, von Herzen darüber zu lachen.

Immer weiter und weiter griff das Verlangen, dem Uebelstande abzuhelfen und so kam es denn auch, daß es an der sauber gelichteten Stelle des Hartwaldes, wo jetzt die steinerne Zeile den in Gott ruhenden Karl umfängt, wo „sich die Nachbarn freundlich grüßen“ und wo es an den mannigfachsten Abwehrversuchen der Langweil gar nicht fehlt, an einem nebligen Herbstabende zu spuken begann; es erschienen nämlich Männer, winterlich gekleidet, die unter der frostigen Miene Verschmitztheit bargen, und scheinbar einen Krug trinkend, Worte von ihrem Lippen träufeln ließen, die ohne Hopfen und Malz besser den Ohren mundeten, als der Trank dem Munde. Das waren Ausgeschickte der Königin Fastnacht, die sich bereits zum alljährlichen Rundzug rüstete, wirkliche Vollblutnarren, die, Gott weiß wie! die Wachsamkeit und den nie genug zu preisenden Ernst der vorsichtigen Behörde täuschend, wie Diebe in der Nacht sich eingeschlichen hatten und jetzt ihre verführerischen Werbungen anstellten.

Zuerst bemächtigten sie sich der kriegerischen Geister, in denen der Hang zu Zopf, Degen, Mannszucht, Subordination vorherrschte; ganz nach Art der alten Weiber des vorigen Jahrhunderts spiegelten sie diesen wackern Gesellen die schöne Uniform vor, sprachen von Ehren und Auszeichnungen, von Vorrechten und Belehnungen mit Titeln und Aemtern, und siehe da! es war bald ein Häuflein zusammengebracht, das Achtung und Lob verdiente. Eine Narrenguardia, eine Zopfmiliz, eine Ranzengarde stand da, „eine eherne Mauer“, um den Thron der geliebten Königin zu schirmen und zu schützen.

Hatten die Verschwörer aber erst das Heer, so war ihr Spiel gewonnen und in der That waren die Siege so leicht, die sie in den Gemüthern erfochten, daß es nicht die Mühe lohnt, hier aufzuzählen, wie sie mit ihrer mächtigen Wünschelruthe die närrischen Schätze hoben und zu Tage förderten, die in nie geahnten Maße in Karlsruh’s ruhiger Genossenschaft versenkt lagen.