GERMAN KAIJU - Operation M.E.L.B.A. - Markus Heitkamp - E-Book

GERMAN KAIJU - Operation M.E.L.B.A. E-Book

Markus Heitkamp

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Beschreibung

Nun ist sie da, die erste Novelle aus dem GERMAN KAIJU-Universum. Nach der erfolgreichen Anthologie aus dem Jahre 2019 erweitert Markus Heitkamp zusammen mit dem Leseratten Verlag die Welt. Er spürt den lockenden Ruf der Freiheit und folgt dem Fluss immer weiter in Richtung Meer. Seine Sehnsucht ist groß, aber seine Begleiter haben ständig Hunger. Und sie wollen spielen. Gewaltige Zerstörungen flussaufwärts der Elbe rufen Friedhelm Jansen von der Hamburger Wasserschutzpolizei auf den Plan. Denn Zeugen sprechen von einem riesigen Wels und zwei monströsen Aalen. Friedhelm, Dienststellenleiter einer geheimen Abteilung, soll sich um seltsame Monster kümmern. Mittels einer Dienststelle ohne Namen. Ohne Mitarbeiter. Ohne moderne Ausrüstung. Aber mit einem unerschöpflichen Vorrat an Kräuterlikör. Mehr Zerstörung, mehr Fressen, mehr Eroberung.

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Vorwort von Henning Strauß
Prolog
Teil 1: Ein, zwei, drei Monster
Kapitel 1: Der Schuh
Kapitel 2: Der Binnenschiffer
Kapitel 3: Ein paar Schuhe
Kapitel 4: Havarie
Kapitel 5: Jansen
Kapitel 6: And the Winner is …
Kapitel 7: Hamburg und Umland
Teil 2: Jagdzeit
Kapitel 8: Mutant X, dat war wohl nix
Kapitel 9: Die drei von der Tankstelle
Kapitel 10: Aalsuppe
Kapitel 11: Zu spät
Kapitel 12: Halali (oder das Ende des Anfangs)
Kapitel 13: Treibjagd auf Elba
Kapitel 14: Hamburg brennt
Teil 3: Wer ist das Monster?
Kapitel 15: Ein Honda kommt selten allein
Kapitel 16: Mitgehangen, mitgefangen
Kapitel 17: Hamburg brennt … nochmal
Kapitel 18: Aufklärung
Kapitel 19: Der Polizeipräsident, der aus dem Fenster sprang und von einem Aal gefressen wurde
Kapitel 20: Herr Jansen, was sollen wir tun?
Teil 4: Aus der Asche
Kapitel 21: Der Plan
Kapitel 22: Kein Plan überlebt die Begegnung
mit dem Feind
Kapitel 23: Drei, zwei, ein Monster
Kapitel 25: Rüm Hart, Klaar Kiming
Kapitel 26: Das Kind hat einen Namen
Epilog
Glossar
Entschuldigung
Danksagung

Operation M.E.L.B.A.

Operation M.E.L.B.A.

Markus Heitkamp

ISBN 978-3-945230-62-6

1. Auflage, Allmersbach im Tal 2022

Cover: Christian Günther

Satz und Layout: Tanja und Marc Hamacher

Lektorat: Tanja und Marc Hamacher

© 2022, Leseratten Verlag, Allmersbach im Tal

www. leserattenverlag.de

Der Leseratten Verlag ist Fördermitglied beim

PAN Phantastik-Autoren-Netzwerk e.V.

Weitere Infos unter:

www. phantastik-autoren.net

Widmung

Dieses Buch widme ich der deutschen Riesenmonster-Community.

Stellvertretend möchte ich namentlich

Timo Rose,

Jörg Buttgereit

und

Andreas »Elle« Gillmeister

nennen.

Natürlich seid ihr (sind wir) viel mehr Interessierte und ohne eure Gemeinschaft und eure stetigen Bemühungen, den klassischen Monsterfilm in Film, Fernsehen, Social Media, Hörfunk und Literatur sichtbar zu machen, wäre ein Buch wie dieses gar nicht möglich.

Macht weiter so!

Vorwort von Henning Strauß

Das Monster, genannt Mensch.

In der Realität und den Gedanken des Menschen, die sich in vielerlei Ausführungen beobachten lassen, gibt es immer etwas, was den sozialen Gegebenheiten des »Normalen« zuwider läuft. Das »Normale« sind Zustände, die von einer Masse als solche geprägt und ausgelebt werden. Aus diesem Zustand entsteht auch das Konzept der »Moral«.

Seien es reale Taten oder nur fiktionale. Fiktionen in vielerlei Gestalt. Bewegte Bilder, Standbilder, Skulpturen, Text, Musik, Sprache. Die Ausprägung dessen hat vielerlei Gesichter.

Doch was lässt einen Menschen zu einem Monster werden? Und was ist überhaupt ein »Monster«? Diese Frage begleitet den Menschen seit Anbeginn seines Denkens. Häufig ist das allein gedankliche Alleinstellungsmerkmal, was den Menschen zu Taten veranlasst, die jenseits der Erfahrungen der Masse liegen. »Krone der Schöpfung« wird es häufig genannt.

Als »Monster« wird ein Wesen bezeichnet, das in seiner Existenz ebenfalls allem bekannten Wissen und Erkenntnissen widerspricht. Doch wie entsteht ein solches »Monster« aus dem Menschen?

Das können physische oder psychische Verletzungen sein, oder auch Zwänge und Erwartungen unserer Gesellschaftsform. Aber auch ein gestörtes, geistiges Entwicklungsverhältnis zwischen den Altersklassifizierungen, die wir »Kinder« beziehungsweise »Erwachsene« nennen.

Es ist eine Form von Drang, die Freiheit des Gedankens in andere Taten umzugestalten. Diese Tiefe ist gleichzeitig die Dunkelheit in der Psyche. Es gibt aber auch das Phänomen, wo sich der Mensch nicht nur körperlich und äußerlich, sondern auch psychisch vollkommen seinen animalischen Urinstinken hergibt, um so die erwähnte »Normalität« zu erweitern. Auch der religiöse Aspekt kann ein Auslöser sein. Die Ritualisierung von Vorgängen, die Sicherheit bieten sollen, werden nun anders getätigt. Darüber hinaus gibt es dann noch die Gestalt des Avatars. Ein Avatar ist ein Stellvertreter. Hier kann der Avatar selbst mit demjenigen sein, oder auch körperlich entrückt. Körperlich entrückt heißt, er kann ein Gegenstand sein, der entweder permanent dabei ist, oder sich in dem Raum befindet, wo der veränderte Mensch sich sicher fühlt.

Die Anzahl dieses Avatars ist dabei sehr beliebig. Das Gefühl von Zielstrebigkeit, dessen extreme Form die Obsession bildet, wird auch gerne begleitet von einem höheren Bildungsgrad und oder der Kompetenz zur Problemlösung, oder auch Intelligenz genannt.

Viele dieser Faktoren treten häufig in Kombination auf. Zumindest was ihre mediale Ausformung angeht.

Als Fazit dieser eher nüchternen Betrachtung wäre festzustellen, dass es nicht weit vom Menschen zum Monster oder vom Monster zum Menschen ist.

Oftmals sind es nur unterschiedliche Blickwinkel.

Denkt mal darüber nach, wenn ihr demnächst irgendwo ein Monster oder womöglich einen Menschen trefft.

Henning Strauß

Henning Strauß

Geboren am 14.02.1986 in der niedersächsischen Stadt Wildeshausen im Landkreis Oldenburg. Im Alter von sechs Jahren sah er den Film DIE RÜCKKEHR DES KING KONG (1962), seinen ersten Godzilla-Film. Neben Godzilla war der zweite Star dieses Filmes King Kong. Dieser Film sollte ihn prägen und seine lebenslange Passion für Japan, seine Menschen, Geschichte, Philosophien und Unterhaltungsindustrie wecken. »Professor Kaiju«, wie ihn seine Freunde nennen, hat bereits 2 Audiodokumentationen im Heim-Kino-Markt und drei Artikel im Fachmagazin G-FAN veröffentlicht.

MOBY-DICK; ODER: DER WAL (1851) von Herman Melville ist sein Lieblingsbuch, in dem ja auch ein menschliches »Monster« Jagd auf ein anderes »Monster« macht.

Henning Strauß ist auf Facebook aktiv und wer ihn mal live erleben will, der sollte die Kaiju-Con in Uelzen besuchen, die seit 2017 von Detlef Claus organisiert wird.

Sein Traum ist, auch mal ein Buch zu schreiben und zu veröffentlichen.

Prolog

Sie bekam absolut nichts davon mit, was sich da hinter ihr, oben am Hang, aus dem dort liegenden Speicherbecken schob. Dann mehr gewollt als gekonnt über die Röhren kreuchte und fleuchte, um sich letztlich mit wellenförmigen Bewegungen gleich einer Mischung aus gestrandetem Wal und übergroßer Schlange ihrem Standort entgegenwälzte.

Sie stand gerne hier. Und sie stand zum letzten Mal hier. Was sie aber noch nicht wusste. Zur falschen Zeit am falschen Ort würde später irgendjemand schlau von sich geben. Fakt war, ihr Physiotherapeut würde am nächsten Morgen vollkommen umsonst hektisch seinen viel zu heißen Kaffee runterstürzen, weil er verschlafen haben würde. Und da er sich dabei die Lippen verbrennen und Tränen in seine Augen schießen würden, würde er beim Ausparken den Wagen seines Nachbarn touchieren. Und mit dem würde sich irgendwann einmal der Kreis schließen. Aber wir sind ja noch ganz am Anfang dieser unglaublichen Geschichte.

Abertausende Kubikmeter Wasser passierten die drei Röhren unter ihren Füßen durch den Beton und sorgten für ein stetig spürbares Prickeln in ihrem Körper und auf ihrer Haut. Sie hatte sich schon oft gefragt, warum sie so allein dieses Gefühl hier an diesem Ort genießen konnte. Nur ganz selten verirrte sich ein anderer Mensch hier hin. Vielleicht lag es daran, dass sie taub war. Der Lärm hier war ohrenbetäubend, hatte ihr ein Taxifahrer mal gesagt. Sie hatte es von seinen Lippen gelesen. Sie hörte den Lärm nicht, aber sie spürte ihn. Sie spürte die Urgewalt des Wassers, die unbändige Kraft. Es schien ihr immer, wenn sie hier stand, fast so, als ob sie ein wenig dieser Kraft in sich aufnehmen konnte. Dann nahm sie noch etwas wahr. Die Haare an ihren Armen stellten sich auf, als wären sie elektrisch geladen, die Luft um sie herum schien zu vibrieren und es roch nach Ozon … und nach Fisch. Es hatte hier noch nie nach Fisch gerochen.

Irgendwann hatte der Zaun nachgegeben. Sie waren ihrer unliebsamen Heimstatt entkommen.

Der, der sich immer nach der Freiheit gesehnt hatte.

Die, die so voller Hass war.

Und der, der immer nur eines wollte: Fressen.

Gemeinsam waren sie gewachsen, hatten sich entwickelt und so lag es nahe, dass sie auch gemeinsam flohen.

Es war leicht. Doch schnell hatte er, der Anführer, gemerkt, dass ihre neue Freiheit nur ein größeres Gefängnis war und wiederum er, der vorneweg schwamm, hatte einen weiteren Ausweg gefunden. Und er hatte auch gleich ein ganz besonderes Objekt der Begierde ausfindig gemacht. Etwas, was sie stärken und nähren konnte. Denn neben Freiheit, Hass und Hunger trieb sie noch etwas Gemeinsames an: die Gier nach bestimmten Kräften. Genauer derer zwei. Nichts Natürliches. Eher etwas Strahlendes und etwas Blitzendes. Über Jahre hatte es ihnen ein Wesen verabreicht, welches zunächst viel größer als sie selbst war, im Laufe der Zeit jedoch im Gegensatz zu ihrem eigenen Wachstum immer mehr zu schrumpfen schien. Kleiner, zu vernachlässigen, unwichtig … dann vergessen. Sie hatten eine kurze Erinnerung an dieses Wesen,  als sie über den Asphalt glitten und das unglücklicherweise dort verweilende andere Mitglied eben dieser Spezies, den Fleischling, gut durch garten, in kleine Stücke bissen und sich anschließend der eigentlichen Quelle ihrer Begierde zuwandten. Gleich darauf war diese Erinnerung schon wieder verblasst.

Teil 1: Ein, zwei, drei Monster

»

Monster sind tragische Wesen. Sie werden zu groß, zu stark, zu schwer, aber nicht grundsätzlich böse geboren. Es ist eine Tragödie, dass die Menschen meinen, ihnen bleibe keine Wahl, als sich gegen diese schiere Größe verteidigen zu müssen. Aber nach mehreren dieser Tragödien beginnen die Menschen zu verstehen, hinterfragen sie und beginnen, sich um das eigentliche Problem zu kümmern.«[Fußnote 1]

Ishir⁠ō Honda

Filmregisseur

Kapitel 1: Der Schuh

»Was ist das da vorne im Wasser?« Polizeimeisteranwärter Hein Dierks stocherte mit einem Bootshaken im trüben Wasser der Elbe und machte wild winkende Handbewegungen.

»Was solln dat fürn Handzeichen sein, Kollege?« Polizeihauptmeister Hartmut Knudsen brummte kurz in das Außenmikro der WS22 Afrikahöft. Eigentlich war Kaffeezeit. Aber sein Kollege musste ja bei dem Schietwetter in der Elbe angeln.

Dierks reagierte nicht und starrte vom Bug ins Wasser.

Das Schiff der Hamburger Wasserschutzpolizei war in den frühen Morgenstunden elbaufwärts in den Bereich Geesthacht beordert worden. Eigentlich hatten sie hier überhaupt keine Befugnisse, die endeten nämlich an der Schleuse Geesthacht eine Seemeile hinter ihnen, aber die zuständigen Kollegen der Wasserschutzpolizei Mecklenburg-Vorpommern, Holstein hatte hier nämlich keine, hatten um Amtshilfe gebeten.

Amtshilfe, dachte Hartmut bei sich. So ein Scheiß. Es regnete, es war arschkalt und es war Montagmorgen, 07:30 Uhr. Amtshilfe am Arsch. Sollen die Idioten doch ihre Vermissten selbst suchen. Aber scheinbar hatten die einfach keinen Bock. Oder wie es offiziell hieß: Es liegen derzeit strukturelle sowie personelle Entwicklungsprobleme vor. Eigentlich leisteten er und Dierks somit Entwicklungshilfe.

Grummelnd riss er die Kajüte auf und brüllte: »Dierks, du Hornochse, was is‘n nu? Zeit für Kaffee, Mann!«

»Ja, mehr Backbord …«, rief der und deutete hektisch nach rechts.

»DAS IST STEUERBORD, DU HONK!« Hartmut trat zurück ins Steuerhaus, fluchte vor sich hin, drehte das Ruder leicht und stoppte. Dann riss er das Ölzeug vom Haken und schickte sich an, seinen Kollegen in der Elbe zu ersäufen. Oder ihm wenigstens den Unterschied zwischen Steuerbord und Backbord beizubringen. Wobei er sich nicht sicher war, ob seine erste Idee nicht die bessere für die Zukunft der Hamburger Wasserschutzpolizei wäre.

Er hatte seine Überlegungen noch nicht ganz beendet, als er hinter den Kollegen trat und Dierks ihm die Entscheidung abnahm. Oder es zumindest versuchte. Die WS22 bockte plötzlich wie ein alter Esel, was bei gestopptem Motor eigentlich gar nicht hätte passieren dürfen. Dann hob sich das Heck des Bootes und fiel beinahe augenblicklich wieder zurück ins Wasser. In dieses fiel auch Polizeimeisteranwärter Hein Dierks. Er hatte sich zu weit über die Reling gebeugt und als der unerwartete Ruck die Afrikahöftdurchfuhr, verlor er den Halt.

Hartmut blickte zunächst in das trübe Wasser, welches hier nicht so aussah, als ob es eine besonders starke Strömung gab, dann warf er einen Blick über die Schulter. Da hing die Rettungsweste fest vertäut an der Wand der kleinen Brücke. Direkt daneben der Rettungsring. Hartmut ignorierte beides und griff nach dem zu Boden gefallenen Bootshaken. Lustlos begann er, im Wasser herumzustochern.

Das würde Ärger geben, wenn der Blödmann nicht wieder auftauchen würde. Dann würden sie es ihm in die Schuhe schieben. Immerhin hätte er den jüngeren Kollegen auf das Tragen der Rettungsweste hinweisen müssen.

Im gleichen Moment spürte er einen Widerstand, umfasste die Stange mit der zweiten Hand und zog. Es fühlte sich ein wenig so an, als ob man einen Stiefel aus dem Wattenmeer zog. Einen sehr tief im Watt steckenden Stiefel … oder halt einen Körper, der im Schlick der Elbe feststeckte.

Dann, ganz plötzlich, ließ der Widerstand nach, der Haken war frei und Hartmut fiel rittlings in die Taue am Bug. Ein kleines, triefendes und undefinierbaren Etwas klatschte neben ihm aufs Deck.

»Gut, du hast es gefunden.« Dierks stand plötzlich wieder neben ihm, das Wasser lief ihm aus den Stiefeln und er hatte seine Polizeimütze bei seinem unfreiwilligen Bad in der Elbe verloren.

Hartmut nahm das plötzliche Auftauchen des verloren geglaubten Kollegen mit einem Nicken zur Kenntnis. Dann blickte er auf das unförmige Ding am Haken, was ja nun definitiv nicht Dierks sein konnte. Dieser beugte sich vor, schimpfte, hustete, würgte und schimpfte erneut. Nun streckte er die linke Hand mit einem triefenden Gegenstand auf Augenhöhe.

»Ist das ein Schuh?« Hartmut blickte verwundert.

»Jo …«, würgte Dierks hervor, »… und das war drin.« Er streckte seinem Vorgesetzten die Rechte entgegen. Dierks zeigte ihm einen Fuß mit einem Stück Unterschenkel. Am Knie endete dieser in schwarz umrandeten Fetzen aus Fleisch und Dreck. Ein Stück Knochen ragte aus dem Stumpf hervor. Der mittlerweile vom Himmel schießende Starkregen wusch den Dreck von der Extremität und mit ein wenig Fantasie konnte Hartmut einen wohlgeformten Frauenunterschenkel erkennen. Der Schuh wies die dazu passende Form eines modernen Damenschuhs auf.

»Scheint, wir haben die Vermisste gefunden«, würgte Dierks noch hervor und kotze ihm in den Schoß.

Kaffee, ich brauche Kaffee, dachte Hartmut bei sich.

Sie hatten ein wenig von dem Stoff getankt, der für sie die Essenz des Lebens war.

Hass war ein schlechter Begleiter und sie hatte ihren Bruder am Ende der Gruppe mehrfach heftig dafür gebissen, dass er einfach so über eben diese Essenz hergefallen war und diese Quelle so schnell zum Versiegen gebracht hatte.

Ihr Anführer, der Große an der Spitze, hatte den Geschwisterzwist ignoriert und war ungestüm in das Gewässer vor ihnen gestürzt. Sogleich wendete er sich einem neuen, etwas weiter entfernten, aber hell leuchtenden Festmahl zu. Und die beiden folgten ihm unter immerwährendem Fauchen und Beißen.

Kapitel 2: Der Binnenschiffer

Frantisek Pawlak konnte nicht sehen, was die beiden Polizisten an Bord des Polizeibootes machten. Es regnete zu stark und die Eliska, der kleine tschechische Schüttgutfrachter aus Děčínbefuhr die gegenüberliegende Fahrrinne der Elbe und war somit viel zu weit entfernt, um Genaueres erkennen zu können. Gerade eben hatte es fast so ausgesehen, als ob das Polizeiboot aufgelaufen oder mit etwas kollidiert wäre, dann verwischte das Bild im dauerhaften Guss der seitlich auf ihn einprasselnden Tropfen. Und das war auch gut so. Wenn er sie nicht sah, dann sahen sie ihn auch nicht. Nicht, dass irgendetwas Auffälliges an dem kleinen Binnenschiff gewesen wäre, was das Interesse eines Polizisten hätte erwecken können. Allerdings neigten diese halt dazu, osteuropäischen Binnenschiffern den Zoll auf den Hals zu hetzen, weil osteuropäische Binnenschiffe bekannt dafür waren, osteuropäische Schmuggelware mitzuführen. Osteuropäische Zigaretten, osteuropäischer Schnaps, in Osteuropa gefälschte Markenklamotten, exotische osteuropäische Tiere oder wie in ihrem Fall, in Osteuropa angereichertes Uran. Unter der tonnenschweren Schicht feinster Elbkiesel waren in einem von Blei ummantelten Zwischenraum, hundert Kilo waffenfähiges Uran aus einem weißrussischen Labor gelagert. Weder er noch sein Kapitän wussten, für wen die Lieferung war. Sie würden für eine Nacht im Hamburger Hafen von Bord gehen und am nächsten Tag würden die Kiesel inklusive der Zugabe nicht mehr im Lagerraum verweilen. Dann würden sie Schrott in Finkenwerder laden und sich ein paar Tage später auf den Heimweg machen. Das Geld des Vorschusses, welches sie für das kleine Extra an Bord verdient hatten, würde in der Herbertstraße in zwischenmenschlichen Beziehungen angelegt werden. In eine große Menge zwischenmenschlicher Beziehungen. Vielleicht sollte er darüber nachdenken, einen Puff gleich für eine ganze Woche zu buchen. Soweit der Plan, der sich in Frantiseks Gedanken manifestiert hatte. Er hatte die beiden Polizisten schon wieder verdrängt und starrte in sich gekehrt auf die kleinen Verwirbelungen, die ihre Schiffsschraube kurz unter dem Heck in der Elbe erzeugten. Verwirbelungen, die abstruse Bilder auf das Wasser zauberten. Miniaturpferde, die über einen Wellenkamm ritten und in der Gischt zerstoben. Rennautos, die im Kreis fuhren und im Sog eines Strudels verschwanden. Große, milchig weiße Augen, die ihn aus dem Wasser anglotzen …

Der zweite helle Schein der Kraft stellte sich als zwei stählerne Ungetüme heraus, und ihr Anführer, der, der sich nach Freiheit sehnte, stellte sich ihnen sofort zum Kampf. Ein langweiliges Unterfangen, denn die vermeintlichen Gegner waren nicht mehr als willige Opfer und trieben wenige Minuten später bäuchlings an der Oberfläche. Das Trio riss ihnen die Bäuche auf und labte sich an den strahlenden Innereien. Dann wandten sie sich um. Der Weg voraus war durch die Kadaver versperrt, aber ihr Anführer ahnte einen anderen Weg, der sie in ein großes unbegrenztes Areal bringen würde, in dem sie sicher waren. Und ganz nebenbei hatte er noch ein weiteres kleines Leckerli aufgespürt.

Kapitel 3: Ein paar Schuhe

»Der Taxifahrer hat sie am Samstagabend gegen 22 Uhr vermisst gemeldet. Er hat sie immer dahingefahren und in der Regel hat sie sich dann ein wenig später wieder bei ihm gemeldet, damit er sie abholt. Diesmal nicht. Die Wache hat das aufgenommen und weil die Deern laut Aussage eben dieses Taxifahrers alleinstehend und darüber hinaus taub und somit relativ hilflos sein soll, haben wir heute Morgen einen Wagen zu ihrer Wohnung geschickt.«

Der Regen hatte nachgelassen und Hartmut lauschte gefühlt seit mittlerweile einer halben Stunde den minutiösen Ausführungen eines Kollegen aus dem nahe gelegenen Geesthacht, dessen Namen er bereits wieder vergessen hatte.

»Ja und in ihrer Wohnung war sie dann nicht. Auch von den Nachbarn hat sie keiner seit Samstagmittag gesehen.«