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Geschichten aus Herties KaDeWe - Remastered. Das KaDeWe ist eines der weltweit bekanntesten Kaufhäuser. Seit über 100 Jahren am Wittenbergplatz, hat es zwei Weltkriege und eine vierzigjährige Teilung überstanden. Im Jahr 1978 arbeitet Irmgard im Wiener Café und begegnet in teils herausfordernden Szenarien der Freude, der Trauer und dem Tod. Begleiten Sie unsere Hauptpersonen, wie sie die schwierigsten Probleme meistern und werden Sie berührt von den Lebensgeschichten der Vergangenheit. Das einzige, das größte, das beste. Kommen Sie in das Kaufhaus des Westens.
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Seitenzahl: 71
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„Wir arbeiten um uns selbst zu verbessern - und den Rest der Menschheit.“
Jean-Luc Picard
Für Irmgard
Kapitel 1: Willkommen im KaDeWe
Kapitel 2: Ihre Bestellung bitte
Kapitel 3: C‘est la chaise!
Kapitel 4: Das Winterwunderland
Kapitel 5: Das Einhorn und der Reverend
Kapitel 6: Der Konditor und seine Torte
Kapitel 7: Die neue Leitung
Kapitel 8: Das Ende einer Ära
Der Fernseher knackt und rauscht, bis er den nächsten Sender gefunden hat. Noch die Antenne ausrichten und - ahh, jetzt wird das Bild klar. Eine Frauenstimme fängt an,aus dem blechern klingenden Lautsprecher zu sprechen: „…mit der Wundersauberformel von Ceraclean wird auch ihr Kochfeld makellos sauber…“. Eine Stimme sagt plötzlich: „Schalt mal um, Johannes“. Ein Finger drückt die Nummer 1 auf der leicht vergilbten Fernbedienung und das Bild im Fernseher verschwindet. Der Kasten rauscht und knackt. Es dauert einige Momente bis der in Holzoptik gehaltene Fernsehapparat den neuen Sender eingestellt hat. Die Mattscheibe flackert und rauscht. Dann wird ein Bild sichtbar. Leicht kratzig, aber klarer werdend fängt die Kiste an zu sprechen: „Das Kaufhaus des Westens! - Das einzige, Das größte, Das beste! Kommen Sie in das einzige Kaufhaus in Westberlin und lassen sich verzaubern. Kommen Sie in das Kaufhaus des Westens am Wittenbergplatz.“
Am Wittenbergplatz.
Laut kreischen die Räder der Untergrundbahn. Ein Zug am Hebel und die Türen der Wagen der U1 öffnen sich. Als nächstes strömen Massen an Menschen aus dem Zug in Richtung der Treppe. Männer, Frauen, alte, junge, Berliner und Touristen. Alle gehen in die gleiche Richtung. „Zurückblaib’n“, ertönt es schallend und quäkend aus der Lautsprecheranlage des Bahnsteigs. Ein Warnton ertönt und die Türen schließen sich ratternd und stolpernd. Dröhnend beschleunigt der Zug und fährt aus dem Bahnhof. Die Menschenmassen stolpern die Treppen hinauf, schnellen durch die Bahnhofshalle und verlassen in Richtung Wittenbergplatz die Halle. Ein paar Menschen, vor allem Touristen halten sich noch in der Bahnhofshalle auf. Viele lassen sich vom Marktschreier aufhalten. „Eeerrdbeeeren, Erdbeeren, das Pfund 2 Mark 50 - schlagen Sie jetzt zu - Erdbeeeeren, frische Erdbeeren nur 2,50 das Pfund“ wiederholt er immer und immer wieder. Nebenan steht ein Zeitungsjunge mit der neuesten Illustrierten. Er hält sie hoch in die Luft und bewirbt sie mit den wichtigsten Artikeln darin: „Lesen Sie über die ersten Menschen, die den Atlantik in einem Heißluftballon überqueren - Großbritannien wird Weltmeister im Springreiten - lesen Sie die neuesten Nachrichten“. Allmählich bildet sich eine Schlange vor dem Zeitungsjungen. Ein älterer Herr fragt nach einer Zeitung. Er nimmt eine Ausgabe und will bezahlen, als ihm die Münzen aus der Hand fallen und quer über den Granitboden der Eingangshalle kullern und er ihnen hinterher stolpert. So langsam leert sich die Halle. Die Menschen verteilen sich auf dem Wittenbergplatz. Doch viele gehen in ein großes Gebäude. Unter dem Gesims steht in großen Lettern geschrieben - KAUFHAUS DES WESTENS. Da ist es also. Das größte Kaufhaus in Westberlin. Egal ob Bekleidung, Schmuck oder Accessoires, Haushaltswaren oder Lebensmittel - Spielzeug oder noch etwas Kuchen - alles findet man hier auf fünf Etagen verteilt. Tritt man ein, betritt man eine neue Welt. Alles funkelt und glitzert - ist verziert und dekoriert. Zu jeder Saison neu und anders, aber einzigartig. Immer hell und freundlich begrüßt das KaDeWe jeden einkehrenden Gast, egal ob Bummler oder Schnäppchenjäger, egal ob Jung oder Alt, ob Mallwalker oder GrannySmith - für jeden hat das KaDeWe immer etwas Neues, aber auch alt Bewährtes. Eines steht fest - sobald die Tore geöffnet werden, hält Leben Einzug in diesem Haus. Tritt man durch die kleine Eingangspforte, überrascht der erste Eindruck. Denn man betritt eine gewaltige Halle, in der man den Blick schweifen lassen kann und sich fühlt wie in einem Dom. Das Zentrum der Halle wird durch eine reichhaltig verzierte Freitreppe eingefasst, über die man in die erste Etage gelangt. Unmittelbar davor befindet sich die Rezeption, an welcher mehrere Damen den Gästen behilflich sind und nur wenige Wünsche ausschlagen. Die Struktur ähnelt der einer Kathedrale. Rechts und links von der Rezeption ragen massive, dorische Marmorpfeiler in die Höhe. Diese münden in einem Gesims, welches sich in einer halbrunden Apsis trifft. Das Halbrund wird durch hohe, lange Fenster aufgebrochen. So fällt viel Licht in die Halle - das macht sie hell und freundlich. Die Fenster sind mit floraler Ornamentik ausgeschmückt und werden durch kleine Rundbögen begrenzt, welche das Gesims berühren. Auf dem Gesims liegt ein gewaltiges Oberlicht-Gewölbe. Dieses Gewölbefenster besteht aus vielen kleinen viereckigen Glasscheiben, die in einem Eisenskelett eingefasst sind. Jede Glasscheibe ist mit Rauten und einer Lotusblüte in der Mitte verziert, wodurch ein detailliertes florales Geflecht entsteht. An dem Gewölbe hängen vier opulente, verchromte und mit Tropfkristallen ausgeschmückte Kronleuchter. Die Freitreppe geleitet einen bis in die oberste Etage. Die jeweiligen Seitenflügel sind durch geschwungene Übergänge miteinander verbunden. Von dort aus kann man alles überblicken. Schmuck und Accessoires, Kleidung und Spielwaren, Wiener Café und die Silberterrassen - alles unter einem Dach - alles in einem Raum. Die Silberterrassen sind ein besonders beliebtes und meist ausgebuchtes Etablissement direkt unter dem Dach in der obersten Etage. Aber keine Sorge, die Silberterrassen sind bequem mit dem hölzernen Fahrstuhl zu erreichen. Jedoch - ohne Reservierung wird es schwierig einen freien Tisch zu bekommen. Ebenfalls schreibt die vornehme Klasse einen strikten Kleidungsstil vor. Die Herren im Anzug und die Damen ganz in Weiß. Wenn man aber in den Silberterrassen sitzt, bestechen diese durch eine durchgängig einheitliche Einrichtung und Dekoration. Die Wände und Säulen sind mit dunklem Nussholz verkleidet. In den Säulen eingelassen sind Spiegel mit einer Gravur zweier Rosenblätter. An den Säulen selbst hängen versilberte Rosenblätter, die in den Raum hineinragen. Diese werden vom Licht der Deckenbeleuchtung angestrahlt und funkeln und blitzen. Solange man auf sein Essen wartet nimmt dessen Platz ein Silberteller ein. Dieser wird erst dann ausgetauscht, wenn das Essen serviert wird. Drei Gänge sind klassisch, aber auch ein Stück Kuchen, Kaffee oder ein Espresso darf es sein. Rauchen ist natürlich drinnen gestattet, aber auch draußen auf der Terrasse der Silberterrassen gern gesehen. An einem warmen Sommertag wird dort - mit dem Blick auf den Wittenbergplatz gerne gesessen. Tritt man in die Halle des KaDeWe’s, wird man jedoch rechter Hand zuerst vom Kuchenbuffet des Wiener Café‘s begrüßt. Es gibt so gut wie keinen Kuchen und kein Gebäck, was man dort nicht kaufen kann. In dem viereckigen Karree werden einem sämtliche Wünsche um Kuchen erfüllt. Ob zum hiesigen Verzehr oder zum Mitnehmen, ob Kuchenstück oder gleich die ganze Torte - hier geht es immer um den Geschmack. Täglich werden sämtliche Spezialitäten frisch zubereitet, dekoriert, präsentiert und verkauft.
KaDeWe - 4:00 Uhr morgens.
Es ist noch dunkel. Es regnet. Bereits seit gestern Nachmittag. In einem monotonen Rauschen prasselt der Regen auf die Berliner Dächer. Ein Auto fährt auf der Tauentzienstraße in Richtung Wittenbergplatz. Seine Scheinwerfer spiegeln sich in dem nassen Dunkel des Asphalts. Kurz hinter ihm überquert eine dunkel gekleidete Person die Straße, nur angeleuchte t von einer funzeligen Straßenlaterne. Sie verschwindet in einer Seitengasse. Die Person nähert sich einer Tür und schlüsselt am Personaleingang des KaDeWe‘s in der Passauer Straße. Konditor Albert murmelt leise vor sich hin: „Ah, geh schon auf. Was ein Wetter. Jetzt bloß nicht verkühlen.“ Endlich. Albert öffnet die Tür, tritt ins Dunkel und schließt sie hinter sich. Stille. Nur der Regen ist zu hören. Ein geübter Dreh am Schalter und allmählich klimpern Neonröhren und es wird hell. Es ist ruhig - nur das leise Summen der Lampen ist zu hören. „Schön, na dann“ sagt Albert sich, streift seinen Regenmantel ab, verstaut ihn in seinem Spind und zieht sich seine weiße Schürze an. Noch das Haarnetz aufsetzen und dann frisch ans Werk. Oben im KaDeWe befindet sich die Backstube. Albert fährt mit einem Aufzug in die fünfte Etage. Er schaltet die Öfen ein, da sie vorgeheizt sein müssen, wenn die anderen Konditoren kommen. In der Zwischenzeit bereitet Albert einen Brötchenteig zu. Einfache Schrippen, aber auch Kaiserbrötchen werden in der Lebensmittelabteilung von der Kundschaft gerne genommen.
Im Wiener Café - 6:00 Uhr morgens.
Mittlerweile sind Zehn Bleche mit jeweils 60 Brötchen fertig geformt. Da tritt ein Mann im gelben Mantel durch die Tür. „Brrr - ist das kalt heute. Und dazu der Regen - man o’man.“ Er zieht sich um, kommt in die Backstube und begrüßt Albert: „Guten Morgen Herr