Gesellschaftliche Bedingungen von Bildung und Erziehung -  - E-Book

Gesellschaftliche Bedingungen von Bildung und Erziehung E-Book

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  • Herausgeber: Kohlhammer
  • Kategorie: Bildung
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2010
Beschreibung

Das Buch vermittelt grundlegende Kenntnisse der Bedingungen, unter denen Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisationsprozesse stattfinden. Erläutert werden politische, ökonomische, kulturelle, soziale und rechtliche Aspekte des Aufwachsens in der heutigen Gesellschaft. Es wird untersucht, welcher Stellenwert den sich wandelnden Beziehungen zwischen den Generationen und den Geschlechtern zukommt, welche Veränderungen die multikulturelle Gesellschaft für Bildung und Erziehung mit sich bringt, wie soziale Ungleichheit, Benachteiligung und Behinderung im Bildungswesen oft sogar verstärkt werden, wie sich Lernen und Ausbildung in der Wissensgesellschaft entwickeln und wie wir unsere Wahrnehmung der Welt durch die Neuen Medien verändern. Gefragt wird nicht zuletzt danach, woher wir eigentlich wissen, was wir wissen: Denn nicht nur die gesellschaftlichen Bedingungen von Bildung und Erziehung selbst sind in historischen Wandel einbegriffen, sondern auch die Art und Reichweite, wie wir sie zu erkennen vermögen.

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Seitenzahl: 393

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Das Buch vermittelt grundlegende Kenntnisse der Bedingungen, unter denen Erziehungs-, Bildungs- und Sozialisationsprozesse stattfinden. Erläutert werden politische, ökonomische, kulturelle, soziale und rechtliche Aspekte des Aufwachsens in der heutigen Gesellschaft. Es wird untersucht, welcher Stellenwert den sich wandelnden Beziehungen zwischen den Generationen und den Geschlechtern zukommt, welche Veränderungen die multikulturelle Gesellschaft für Bildung und Erziehung mit sich bringt, wie soziale Ungleichheit, Benachteiligung und Behinderung im Bildungswesen oft sogar verstärkt werden, wie sich Lernen und Ausbildung in der Wissensgesellschaft entwickeln und wie wir unsere Wahrnehmung der Welt durch die Neuen Medien verändern. Gefragt wird nicht zuletzt danach, woher wir eigentlich wissen, was wir wissen: Denn nicht nur die gesellschaftlichen Bedingungen von Bildung und Erziehung selbst sind in historischen Wandel einbegriffen, sondern auch die Art und Reichweite, wie wir sie zu erkennen vermögen.

Dr. Andrea Liesner ist Professorin am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg mit den Arbeitsschwerpunkten Bildungsprozesse im Kontext ökonomischer Transformationen. Dr. Ingrid Lohmann ist dort Professorin für Ideen- und Sozialgeschichte der Erziehung.

Andrea Liesner Ingrid Lohmann (Hrsg.)

Gesellschaftliche Bedingungen von Bildung und Erziehung

Eine Einführung

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikrofilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Alle Rechte vorbehalten © 2010 W. Kohlhammer GmbH Gesamtherstellung: W. Kohlhammer Druckerei GmbH + Co. KG, Stuttgart Printed in Germany

ISBN 978-3-17-021211-4

E-Book-Formate

pdf:

978-3-17-022846-7

epub:

978-3-17-027830-1

mobi:

978-3-17-027831-8

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Sozialisation, Geschlecht und Generationen

Hannelore Faulstich-Wieland Sozialisation, Habitus, Geschlecht

Christine Mayer Bildung - Beruf - Geschlecht: Historische und aktuelle Entwicklungsprozesse

Karl-Josef Pazzini Bildung von Gesellschaft als Bildung von Generationen

2 Benachteiligungen, Behinderungen und soziale Ungleichheiten

Iris Beck Lebenslagen und Bildungschancen behinderter und benachteiligter Kinder und Jugendlicher

Birgit Herz Armut und Bildungsbenachteiligung

Vera King, Anke Wischmann & Janina Zölch Bildung, Sozialisation und soziale Ungleichheiten

3 Migration und multikulturelle Gesellschaft

Sabine Bertram & İnci Dirim Auswirkungen von Einwanderung und Auswanderung auf das Bildungssystem

Ingrid Gogolin Kulturelle und sprachliche Heterogenität in der Schülerschaft

Ursula Günther Religiöse Bildung in der multikulturellen Gesellschaft

4 Medien und Ästhetik

Torsten Meyer Mediologische Bedingungen von Bildung und Erziehung

Renate Luca Medien – Sozialisation – Geschlecht

Andrea Sabisch Bedingungen von Bildung als ästhetischem Prozess

5 Frühkindliche, außerschulische und berufliche Bildung

Anja Tervooren Bildung in der frühen Kindheit

Ursula Peukert Eine neue Kultur des Aufwachsens für Kinder. Zur Sicherung frühkindlicher Bildungsprozesse

Benedikt Sturzenhecker & Elisabeth Richter Kinder- und Jugendarbeit zwischen Aktivierung und Bildung

Jens Siemon Berufsausbildung in der Wissensgesellschaft

6 Bildungsinstitutionen

Ingrid Lohmann Schule im Prozess der Ökonomisierung

Andrea Liesner Universitäre Bildung und wirtschaftlicher Strukturwandel

Lutz R. Reuter Politisch-rechtliche Rahmenbedingungen von Erziehung und Bildung

7 Bildungsforschung

Knut Schwippert Internationale Vergleichsuntersuchungen oder: Was wir von anderen lernen können – und was nicht

Hans-Christoph Koller Grundzüge einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse

Peter Faulstich Lernen und Bildung

Michael Wimmer Autorität als soziokulturelle Bedingung des Aufwachsens

Einleitung

Andrea Liesner & Ingrid Lohmann

Kaum ein erziehungswissenschaftliches Thema ist so vielgestaltig wie das der gesellschaftlichen Bedingungen von Bildung und Erziehung. Denn Bildung und Erziehung können zwar von anderen pädagogischen Begriffen und Praktiken unterschieden werden. Gleichzeitig gibt es aber keine auf Erziehung und Bildung gerichteten Handlungen und Prozesse, die nicht von gesellschaftlichen Bedingungen gerahmt, durchformt, strukturiert und auf verschiedenste Weise beeinflusst wären.

Auf Erziehung und Bildung ›an sich‹ lässt sich also nicht schauen. Sie existieren nicht außerhalb gesellschaftlicher Bedingungen, sondern bestehen gerade wegen ihrer Funktionen für die Gesellschaften, zu deren Fortbestand sie mittels Tradierung von Wissen, Wertvorstellungen, Einstellungen, Haltungen, Kenntnissen und Fähigkeiten an die nachwachsenden Generationen beitragen. Das gilt selbst für Bildungs- und Erziehungskonzepte, die sich ausdrücklich gegen bisherige Traditionen richten und auf eine Überwindung bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse zielen: Auch sie tragen in ihren Theorien und in ihren Praktiken, bis hin zur Architektur z.B. der Schulgebäude (vgl. Burke/Grosvenor 2008), doch unverkennbar die Züge der historisch-gesellschaftlichen Epoche, der sie angehören, und deren jeweiliger Diskurse.

Wie Gesellschaftlichkeit mit Bildung und Erziehung verwoben ist, hängt von vielen Momenten ab: vom jeweiligen historischen und kulturellen Kontext, vom Stand der Wissenschaften und Technologie, vom Grad der gesellschaftlichen Arbeitsteilung, von je unterschiedlichen moralischen und religiösen Überzeugungen der Bevölkerungen, von zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen divergierenden politischen und ökonomischen Zielsetzungen, ja sogar vom Maß an Vertrauen oder Misstrauen der Generationen zueinander, das mit dem je zugrunde liegenden Welt- und Menschenbild zusammenhängt. Für wissenschaftliche Untersuchungen wird außerdem nach Faktoren wie Alter, Geschlecht, Behinderung, Arbeitsmarkt und Berufsstruktur, Schicht/Klasse/Milieu usw. differenziert. Vor allem sozialtheoretische und bildungshistorische Studien verweisen nachdrücklich auf die gesellschaftliche Bedingtheit von Bildung und Erziehung (vgl. etwa Blankertz 1982, Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte 1987 ff, Petrat 1987, Herrlitz u. a. 2005, Mayer/Lohmann 2009, Mayer u. a. 2009).

Ob es beispielsweise als normal gilt, dass die Mutter zuhause bleibt und sich der Erziehung der Kinder widmet, oder dass sie berufstätig ist und die Kinder möglichst früh pädagogische Förderung im Kindergarten erfahren, ist ein augenfälliges Exempel dafür, wie sich mit der Änderung des gesellschaftlichen Umfelds auch Bildungs- und Erziehungspraktiken und damit verbundene Wertvorstellungen grundlegend ändern können (vgl. Ecarius/Malmede 2009). Ähnliches wird sichtbar beim Blick auf andere Epochen und Kulturen. Selbst als im 19. Jahrhundert, in den Anfängen modernen Erziehungs- und Bildungsdenkens, nach vermeintlich allgemein und überzeitlich gültigen Grundstrukturen von Bildung und Erziehung gesucht wurde, wusste man doch andererseits auch um deren Veränderlichkeit und Vielgestaltigkeit in Abhängigkeit vom jeweiligen historisch-kulturellen Kontext.

Dennoch war lange umstritten, ob und inwiefern Analysen der gesellschaftlichen Bedingungen von Bildung und Erziehung mit zum Fach gehören oder nicht: »Die Frage nach der sinnbestimmten Einrichtung der Erziehung« sei eine Sache, »sozialwissenschaftliche Analysen des Bedingungsgefüges der Erziehungswirklichkeit« eine andere. Es sei falsch, diese »als Erziehungswissenschaft auszugeben« (Benner 1973, 122). Mit Blick auf die vielrezipierte Schrift Die Illusion der Chancengleichheit (Bourdieu/Passeron 1971) bezeichnen ähnlich Luhmann/Schorr (1979, 19) die Hereinnahme gesellschaftskritischer Untersuchungen in die Pädagogik als fatal und wenig hilfreich.

Bei der Kontroverse, die Anlass für solche Positionierungen gab, ging es zum einen um die Frage nach der Eigenlogik von Erziehung und Bildung gegenüber anderen Handlungsformen (wie z.B. politischen, ökonomischen, künstlerischen oder rituellen). Zum anderen ging es um den wissenschaftlichen Status der Pädagogik: Wie lässt sich die Wissenschaft von Bildung und Erziehung von anderen Wissenschaften, z. B. der Psychologie oder der Soziologie, unterscheiden, wenn sie deren Aussagen über Bildung und Erziehung als pädagogische rezipiert? Und wie kann Pädagogik als Wissenschaft von und gleichzeitig für Bildung und Erziehung begründet werden, ohne sich mit dieser besonderen Struktur zum Spielball der jeweils geschichtlich vorherrschenden gesellschaftlichen Interessen zu machen?

Siegfried Bernfeld hatte Fragen wie diese schon nach dem ersten Weltkrieg provoziert, als er in seiner Streitschrift Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung (vgl. 1925, 67) gegen die damals vorherrschende geisteswissenschaftliche Pädagogik die These vertrat, dass gesellschaftskritische Analysen für die Pädagogik unerlässlich sind. Anderenfalls verkenne sie ihre ideologischen Funktionen und damit ihre eigene Beteiligung an der Stabilisierung von Herrschaft.

In den 1960er und 1970er Jahren lebte diese Diskussion wieder auf: Sozialkritische Ansätze problematisierten die restaurativen Tendenzen der Nachkriegszeit und wurden von der Studentenbewegung aufgegriffen. Die Rezeption von Bernfelds Sisyphos war dabei eine wichtige Wegmarke in der Auseinandersetzung mit den Ursachen des Zweiten Weltkriegs und der Verstrickung der Elterngenerationen in den Nationalsozialismus (vgl. Jahrbuch für Pädagogik 2008, Horn/Ritzi 2001). In neuer Schärfe wurde die Funktionalität vorgeblich ideologiefreier Erziehung und Bildung für ideologische Zwecke und kriegerische Aggression zum Thema gemacht. Wissenschaftlich stellten die Freudsche Psychoanalyse und die Kritische Theorie der Frankfurter Schule (Adorno, Horkheimer, Marcuse u.a.) die Möglichkeit in Aussicht, hinter die gesellschaftlichen Kulissen blicken zu können; es ging darum, Aufschluss zu erhalten über die verborgenen Seiten der Wirklichkeit, auch des Erziehungsgeschehens.

Dieser Impetus war weit verbreitet. In Gestalt der Etablierung von Psychologie und Soziologie als verpflichtenden Nebenfächern fand er 1969 sogar Eingang in die Rahmenordnung des damals neu entstehenden Diplomstudiengangs Pädagogik. Allerdings verhärteten sich in diesem Kontext auch die wissenschaftlichen Fronten: Nicht nur in der Pädagogik warfen sich nun Vertreter der ›traditionellen‹ und der ›kritischen‹ Wissenschaft gegenseitig Ideologisierungen vor: Die einen, weil sie mit ihrem Festhalten an Objektivität und Werturteilsfreiheit die bestehenden gesellschaftliche Machtverhältnisse verschleierten, die anderen, weil sie unter Berufung auf Emanzipation, Mündigkeit und Autonomie ihre eigenen normativen Ansprüche an Bildung und Erziehung durchzusetzen versuchten.

Seit den 1980er Jahren ebbt diese Auseinandersetzung ab. Das liegt jedoch nicht daran, dass die Frage nach den gesellschaftlichen Bedingungen von Bildung und Erziehung an Brisanz verloren hätte, im Gegenteil: Der Anspruch auf Selbstbestimmung nimmt nicht deshalb ab, weil er in unserer Gesellschaft zunehmend realisiert wäre. Er verliert vielmehr deshalb an provokativer Kraft, weil Fremdbestimmungen in vielen Bereichen unsichtbarer und zum Teil sogar mit Aufforderungen zur Selbstbestimmung verbunden werden (vgl. Meyer-Drawe 2000, Bröckling 2007).

Anstöße für kritische Untersuchungen, die sich auf diese komplexer werdenden gesellschaftlichen Bedingungen von Bildung und Erziehung richten, ergaben sich in jüngerer Zeit aus der Rezeption der Schriften Michel Foucaults: Wichtig sind hier insbesondere seine Untersuchungen zu den Verflechtungen von Macht und Wissen in komplexen historischen Formationen sowie zur Gouvernementalität, d. h. zum Regieren und zur Machtausübung mit Einverständnis der Beherrschten (vgl. Weber/Maurer 2006, Bröckling u. a. 2000). Hinzu kommen jüngst Studien, die sich mit den Wirkungsweisen der neuen Steuerungsformen in Bildungsinstitutionen beschäftigen (vgl. Altrichter u. a. 2007).

Aus solchen Entwicklungen heraus zählt das Thema des vorliegenden Buchs zu jenem Fundus an Kenntnissen, Denkweisen und Reflexionen, der für grundständige erziehungswissenschaftliche Studiengänge wie für die entsprechenden Teile des Lehramtsstudiums als grundlegend angesehen wird. Daher führt die Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE), die Vereinigung der in Forschung und Lehre tätigen FachwissenschaftlerInnen, in ihren Empfehlungen für das Kerncurriculum die Studieneinheit »Gesellschaftliche, politische und rechtliche Bedingungen von Bildung, Ausbildung und Erziehung in schulischen und nicht-schulischen Einrichtungen unter Einschluss internationaler Aspekte« gleichrangig neben der Studieneinheit »Grundlagen der Erziehungswissenschaft« auf.

Die Aufgaben werden wie folgt umrissen: »Einführung in empirische und sozialhistorische Bedingungen pädagogischen Handelns und erziehungswissenschaftlicher Fragestellungen in nationaler und internationaler Perspektive; Befähigung zur kritischen Auseinandersetzung mit erziehungswissenschaftlicher Forschung und pädagogischen Aufgabenstellungen im Hinblick auf ihre historischen, kulturellen, politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen; Befähigung zur Beurteilung und Entwicklung von Handlungskonzepten« (DGfE 2008, 25 und passim). Weiterhin gemäß den Empfehlungen zählen zu der Studieneinheit »Gesellschaftliche Bedingungen«:

Theorien, Funktionen und geschichtliche Aspekte von Bildungs-, Erziehungs- und Hilfeinstitutionen sowie von Sozialisationsinstanzen;

Bildungspolitik, Bildungsrecht und Bildungsorganisation sowie Systeme der sozialen Sicherung unter Einschluss international vergleichender Fragestellungen;

Differenz und Gleichheit, kulturelle, soziale und sprachliche Heterogenität (vgl. ebd., 26 und passim).

Unterstrichen wird der zentrale Stellenwert dieser Studieneinheit dadurch, dass sie, zusammen mit der Studieneinheit »Grundlagen« (vgl. dazu etwa Koller 2006), für alle erziehungswissenschaftlichen und Lehramtsstudiengänge gleichermaßen empfohlen wird. Die Studienordnungen vieler Universitäten enthalten daran orientierte Umsetzungen, die für die jeweiligen Lehr- und Studienbedingungen vor Ort konkretisiert sind.

Unsere Bitte an die hier versammelten AutorInnen, als wir sie für unser Buchprojekt zu gewinnen hofften, lautete: einen Beitrag zu verfassen, wie man ihn selber immer schon gern zur Verfügung gehabt hätte, wenn man Lehre zum Thema Gesellschaftliche Bedingungen von Bildung und Erziehung anbietet. (Ansonsten gab es nur wenige weitere Vorgaben: Abstract des Beitrags und kurze Autorenangabe; keine Fuß- und Endnoten; ggf. historischer Rückblick auf das jeweilige Teilthema; Eingehen auf Forschungsstand, Kontroversen, offene Fragen; gute Lesbarkeit des Textes; Angabe weiterführender Literaturhinweise). Alle Autorinnen und Autoren haben vielfältige Forschungserfahrung und meist auch langjährige Lehrerfahrung im in Rede stehenden Themenbereich. Da sie jedoch unterschiedliche theoretische Perspektiven, methodische Herangehensweisen und auch verschiedene Schreibstile einbringen, bilden die Beiträge gemeinsam nicht nur eine sachlich breit gefächerte, sondern auch eine spannungsreiche und lebendige Einführung. Dies entspricht, wie wir finden, sehr gut dem in ständiger Bewegung befindlichen Thema dieses Buches.

Wir danken den Autorinnen und Autoren für ihre Bereitschaft, daran mitzuwirken, sowie Dr. Klaus-Peter Burkarth für seine verlegerische Betreuung und hoffen, dass das Buch Studierenden im Grundstudium zahlreiche Anstöße für weitere Lektüre und vielfältige Anregungen fürs Studium gibt!

Literatur

Altrichter, H./Brüsemeister, Th./Clement, U. u. a. (Hg.) (2007 ff): Educational Governance. (Buchreihe) Wiesbaden.

Benner, D. (1973): Hauptströmungen der Erziehungswissenschaft. Eine Systematik traditioneller und moderner Theorien. München.

Bernfeld, S. (1925): Sisyphos oder die Grenzen der Erziehung. Frankfurt a. M. 1967.

Blankertz, H. (1982): Die Geschichte der Pädagogik. Von der Aufklärung bis zur Gegenwart. Wetzlar.

Bourdieu, P./Passeron, J.-Cl. (1971): Die Illusion der Chancengleichheit. Untersuchungen zur Soziologie des Bildungswesens am Beispiel Frankreichs. Stuttgart. (Teil I in neuer Übersetzung unter dem Titel: Die Erben. Studenten, Bildung und Kultur. Konstanz 2007).

Bröckling, U. (2007): Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. Frankfurt a. M.

Bröckling, U./Krasmann, S./Lemke, Th. (Hg.) (2000): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt a. M.

Burke, C./Grosvenor, I. (2008): School. London.

DGfE, Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (2008): Kerncurriculum Erziehungswissenschaft. Empfehlungen der DGfE. Opladen (2., erweiterte Aufl. 2010).

Ecarius, J./Malmede, H. (Hg.) (2009): Familie und öffentliche Erziehung. Theoretische Zugänge, historische Analysen, aktuelle Perspektiven. Wiesbaden.

Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte (1987 ff). 6 Bde., Berg, C. u. a. (Hg.). München.

Herrlitz, H.-G./Hopf, W./Titze, H./Cloer, E. (2005): Deutsche Schulgeschichte von 1800 bis zur Gegenwart. Eine Einführung. Weinheim, München.

Herrmann, U. (Hg.) (1977): Schule und Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Sozialgeschichte der Schule im Übergang zur Industriegesellschaft. Weinheim, Basel.

Horn, K.-P./Ritzi, Ch. (Hg.) (2001): Klassiker und Außenseiter. Pädagogische Veröffentlichungen des 20. Jahrhunderts. Baltmannsweiler.

Jahrbuch für Pädagogik 2008: 1968 und die neue Restauration. Bernhard, A./Keim, W. (Hg.). Frankfurt a. M. 2009.

Koller, H.-Ch. (2006): Grundbegriffe, Theorien und Methoden der Erziehungswissenschaft. Eine Einführung. 2009. 4. Aufl. Stuttgart.

Luhmann, N./Schorr, K.-E. (1979): Reflexionsprobleme im Erziehungssystem. Stuttgart.

Mayer, C./Lohmann, I. (Hg.) (2009): Children and Youth at Risk. Paedagogica Historica, International Journal of the History of Education, Jg. 45, H. 1&2, Special Issue. London.

Mayer, C./Lohmann, I./Grosvenor, I. (Hg.) (2009): Children and Youth at Risk. Historical and International Perspectives. Frankfurt a. M.

Meyer-Drawe, K. (2000): Illusionen von Autonomie. Diesseits von Ohnmacht und Allmacht des Ich. (1990) 2. Aufl., München.

Petrat, G. (1987): Schulerziehung. Ihre Sozialgeschichte in Deutschland bis 1945. München.

Weber, S./Maurer, S. (Hg.) (2006): Gouvernementalität und Erziehungswissenschaft. Wissen – Macht – Transformation. Wiesbaden.

1 Sozialisation, Geschlecht und Generationen

Sozialisation, Habitus, Geschlecht

Hannelore Faulstich-Wieland*

Illustriert am Beispiel von »Kleidungsvorschriften« für Professoren und Professorinnen werden die zentralen Begriffe Sozialisation, Habitus und Geschlecht erläutert und in ihrer historischen und theoretischen Entwicklung aufgezeigt. Das Habituskonzept ermöglicht, sowohl seine Gewordenheit durch Sozialisation aufzuzeigen wie auch seine unterschiedliche Ausformung – in diesem Fall durch Geschlecht – zu verdeutlichen. Die pädagogische Relevanz der Begriffe wird am Beitrag, den sie an der Ermöglichung oder Verhinderung von Chancengleichheit haben, analysiert.

Kann man auf einem Campus erkennen, wer die Studierenden und wer die Professoren und Professorinnen sind? Ginge es nach den Bekleidungsempfehlungen eines Universitätsfotografen, so wären die Lehrenden leicht zu erkennen. Er schlägt vor, »Herren nur Schlips und Anzug auf jeden Fall«, und begründet diese Empfehlung mit einem Hinweis auf den früheren Außenminister Joschka Fischer, der gesagt habe: »›ich vertret’ ja nicht mich, ich vertret’ ja die Bundesrepublik Deutschland. Da muss man natürlich Weste und Anzug und Schlips haben.‹ […] Und wenn Joschka Fischer das schon sagt, der eingefleischte Turnschuhminister, das heißt schon was. […] Ja, so seh’ ich das, und da is’ man immer auf der sicheren Seite. Auch bei Frauen.« Für Frauen allerdings empfiehlt er: »am besten weiße Bluse, dunklen Blazer, ein Halstuch. Passt immer, so wie Sekretärinnen, also Chefsekretärinnen. Also nicht die Tippsen, […] aber die im Vorzimmer sind, […] die ham dann nur Blazer und Schal und Bluse, toll!« Und der Pressesprecher der gleichen Universität meint: »Wenn Wissenschaftlerinnen wie ’ne gute Tante wirken, dann ist das nicht gut« (zit. nach Stegmann 2005, 78 f).

Diese Zitate stammen aus Interviews im Rahmen von Stefanie Stegmanns Untersuchung zu Effekten von Habitus, Fachkultur und Geschlecht: ›– got the Look!‹ Wissenschaft und ihr Outfit. Sie machen auf Vorschriften aufmerksam, die von Hochschullehrenden befolgt werden sollten. Zugleich weiß man, dass keineswegs alle Professoren und Professorinnen sich so kleiden, wie hier empfohlen wird – es also zumindest im Blick auf die Kleidung nicht ganz so einfach ist, sie von den Studierenden zu unterscheiden.

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