Gespenster. Ein Familiendrama in drei Akten. Textausgabe mit Nachwort - Henrik Ibsen - E-Book

Gespenster. Ein Familiendrama in drei Akten. Textausgabe mit Nachwort E-Book

Henrik Ibsen

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Beschreibung

Ibsens Familiendrama von 1881 schockierte die Zeitgenossen: Dieses Stück habe ein abstoßendes pathologisches Phänomen als Hauptmotiv, vor allem aber untergrabe es die Moral, die die Grundlage der Gesellschaftsordnung bilde. Ibsen führt darin alles vor, was ihm an Norwegen verhasst war: Doppelmoral, Heuchelei, Egoismus, Profitgier, geistige Enge. E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel verwendet werden.

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Seitenzahl: 137

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Henrik Ibsen

Gespenster

Ein Familiendrama in drei Akten

Aus dem Norwegischen übersetzt von Christel HildebrandtNachwort von Aldo Keel

Reclam

Originaltitel: Gengangere (1881) Übersetzt nach der 19. Auflage der Gesammelten Werke: Henrik Ibsen, Samlede Verker, Gyldendal Norsk Forlag 2006.

 

1992, 2019 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2019

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961513-4

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019642-7

www.reclam.de

Inhalt

Die PersonenErster AktZweiter AktDritter AktNachwort

[5]Die Personen

FRAU HELENE ALVING, die Witwe von Hauptmann und Kammerherr Alving

OSVALD ALVING, ihr Sohn, Maler

PASTOR MANDERS

TISCHLER ENGSTRAND

REGINE ENGSTRAND, im Haus von Frau Alving angestellt

*

Die Handlung spielt auf dem Landsitz von Frau Alving, an einem großen Fjord in Westnorwegen.

[7]Erster Akt

Ein großzügiger Wintergarten mit einer Tür auf der linken Seite und zwei Türen auf der rechten. In der Mitte des Raumes ein großer Tisch mit Stühlen; auf dem Tisch liegen Bücher, Zeitschriften und Zeitungen. Im Vordergrund links ein Fenster und davor ein kleines Sofa mit einem Nähtisch. Im Hintergrund setzt sich der Raum in einen offenen, etwas schmaleren Wintergarten fort, der nach außen durch Glaswände und große Fensterscheiben abgeschlossen wird. An der rechten Seitenwand dieses Wintergartens befindet sich eine Tür, die hinunter zum Garten führt. Durch die Glaswand ist eine finstere Fjordlandschaft zu erahnen, durch einen stetig fallenden Regen verschleiert.

Tischler Engstrand steht an der Gartentür. Sein linkes Bein ist leicht hochgezogen; unter der Stiefelsohle klebt ein Holzklotz. Regine, mit einer leeren Gießkanne in der Hand, hindert ihn daran, näherzukommen.

 

REGINE(mit gedämpfter Stimme). Was willst du? Bleib stehen, wo du bist. Du tropfst ja alles voll.

ENGSTRAND. Das liegt am gesegneten Regen unseres Herrn, mein Kind.

REGINE. Das ist ein verdammter Höllenregen.

ENGSTRAND. Mein Gott, wie du nur redest, Regine! (Humpelt ein paar Schritte weiter in den Raum.) Aber was ich sagen wollte …

REGINE. Stampf nicht so mit dem Fuß auf, Mann! Der junge Herr schläft oben.

ENGSTRAND. Was, zu dieser Zeit schläft er? Mitten am helllichten Tag?

[8]REGINE. Das geht dich gar nichts an.

ENGSTRAND. Also, ich war gestern Abend auf einem Saufgelage …

REGINE. Das glaube ich gern.

ENGSTRAND. Ja, denn wir Menschen sind nun einmal leicht zu verführen, mein liebes Kind …

REGINE. O ja, das sind wir.

ENGSTRAND. … und die Versuchungen sind mannigfaltig in dieser Welt, weißt du …; aber trotzdem, ja, Gott sei mein Zeuge, bin ich um halb sechs heute früh bei der Arbeit gewesen.

REGINE. Ja, ja, aber jetzt sieh zu, dass du wegkommst. Ich will hier nicht länger rumstehen und ein Rendezvous mit dir haben.

ENGSTRAND. Was willst du nicht?

REGINE. Ich will nicht, dass jemand dich hier sieht. Also sieh zu, dass du wieder gehst.

ENGSTRAND(kommt ein paar Schritte näher). O nein, ich gehe nicht, bevor ich nicht mit dir gesprochen habe. Heute Nachmittag werde ich mit der Arbeit unten im Schulgebäude fertig werden, und kommende Nacht werde ich dann mit dem Dampfer in die Stadt fahren, nach Hause.

REGINE(murmelt). Gute Reise!

ENGSTRAND. Danke, mein Kind. Morgen soll ja das Asyl eingeweiht werden, und dann ist wohl eine ziemlich große Feier zu erwarten, sicher auch mit alkoholischen Getränken. Und da soll keiner behaupten dürfen, dass Jakob Engstrand nicht Versuchungen widerstehen kann.

REGINE. Ha!

ENGSTRAND. O ja, denn morgen werden hier so einige [9]vornehme Leute kommen. Pfarrer Manders wird auch aus der Stadt erwartet.

REGINE. Der kommt heute schon.

ENGSTRAND. Da siehst du es. Und außerdem möchte ich auf Teufel komm raus nicht, dass er mir lange Reden hält, weißt du.

REGINE. Ach, so liegen die Dinge!

ENGSTRAND. Welche Dinge?

REGINE(sieht ihn vielsagend an). Womit willst du Pfarrer Manders jetzt wieder reinlegen?

ENGSTRAND. Psst, bist du verrückt? Zu behaupten, dass ich Pfarrer Manders reinlegen wollte? O nein, dafür war der Pfarrer Manders immer viel zu gut zu mir. Aber gerade darüber wollte ich mit dir reden, weißt du, dass ich also heute Nacht wieder nach Hause fahre.

REGINE. Je früher du abreist, um so besser.

ENGSTRAND. Ja schon, aber ich will, dass du mitkommst, Regine.

REGINE(mit offenem Mund). Du willst, dass ich …? Was sagst du da?

ENGSTRAND. Ich möchte dich mit nach Hause nehmen, sage ich.

REGINE(höhnisch). Nie im Leben bringst du mich dazu.

ENGSTRAND. Ach, das werden wir noch sehen.

REGINE. Ja, du kannst sicher sein, dass wir das noch sehen werden. Ich, die bei der Kammerherrin Alving aufgewachsen ist? Ich, die fast wie ein Kind hier im Hause war? Ich sollte nach Hause zu dir ziehen? In so ein Haus? Niemals!

ENGSTRAND. Was soll das heißen? Widersetzt du dich deinem Vater, Mädchen?

[10]REGINE(murmelt, ohne ihn anzusehen). Du hast oft genug gesagt, dass ich dich nicht interessiere.

ENGSTRAND. Quatsch; das war doch nicht so gemeint.

REGINE. Hast du mich nicht immer wieder ausgeschimpft, du; und genannt hast du mich eine, eine …? Fi donc!

ENGSTRAND. Gott bewahre, so ein hässliches Wort habe ich nun wirklich nicht benutzt.

REGINE. Oh, ich weiß sehr wohl, was für Worte du benutzt hast.

ENGSTRAND. Ja, aber doch nur, wenn ich einen Schwips hatte – hm. Die Versuchungen sind mannigfaltig in dieser Welt, Regine.

REGINE. Ach!

ENGSTRAND. Und dann ist deine Mutter so widerspenstig geworden. Da brauchte ich doch etwas, um sie zu ärgern, mein Kind. Immer musste sie so schrecklich vornehm tun. (Äfft sie nach.) »Lass mich, Engstrand! Lass mich in Ruhe! Ich habe drei Jahre beim Kammerherrn Alving auf Rosenvold gedient!« (Lacht.) Meine Güte, immer musste sie betonen, dass der Hauptmann Kammerherr geworden ist, als sie in seinem Haus gearbeitet hat.

REGINE. Arme Mutter – du hast sie zu Tode gequält.

ENGSTRAND(windet sich). Ja, das ist natürlich klar, ich habe an allem die Schuld.

REGINE(wendet sich ab, halblaut). O je! Und dann das Bein.

ENGSTRAND. Was sagst du, mein Kind?

REGINE. Pied de mouton.

ENGSTRAND. Ist das Englisch?

REGINE. Ja, sicher.

ENGSTRAND. Ja, ja, richtig gebildet bist du hier draußen geworden, und das kommt dir nun zugute, Regine.

[11]REGINE(nach kurzem Schweigen). Und warum sollte ich jetzt unbedingt mit dir in die Stadt kommen?

ENGSTRAND. Wie kannst du nur fragen, warum ein Vater sein einziges Kind bei sich haben will? Schließlich bin ich ein alleinstehender, verlassener Witwer.

REGINE. Ach, komm mir nicht mit solchen Floskeln. Warum willst du, dass ich mitkomme?

ENGSTRAND. Nun gut, ich will es dir sagen – ich will etwas ganz Neues anfangen.

REGINE(stößt die Luft aus). Das hast du doch schon so oft versucht, aber jedes Mal ist es schiefgegangen.

ENGSTRAND. Ja, schon, aber dieses Mal wirst du sehen, Regine! Der Teufel soll mich holen.

REGINE(stampft mit den Füßen auf). Hör auf zu fluchen!

ENGSTRAND. Ist ja gut, du hast ja vollkommen Recht, mein Kind. Ich wollte doch nur sagen, ich habe nicht gerade wenig Geld zur Seite legen können, solange ich an dem neuen Asyl hier gearbeitet habe.

REGINE. Wirklich? Wie schön für dich.

ENGSTRAND. Denn wofür soll man seine Groschen hier auf dem Lande auch ausgeben?

REGINE. Ja, und nun?

ENGSTRAND. Weißt du, ich habe mir gedacht, dass ich am besten das Geld in etwas stecke, was sich lohnt. Es soll so eine Art Wirtshaus für die Seeleute werden …

REGINE. O je!

ENGSTRAND. Ein richtig feines Wirtshaus, weißt du; nicht so ein Schweinestall für Matrosen. Nein, verdammt noch mal – das soll für Kapitäne und Steuermänner sein – und richtig feine Leute.

REGINE. Und da soll ich …?

[12]ENGSTRAND. Du sollst mithelfen, ja. Aber nur zum Schein, das kannst du dir doch denken. Verdammt, du wirst es nicht schwer haben, mein Kind. Du sollst ein Leben führen, wie es dir gefällt.

REGINE. Ja, wenn das so ist!

ENGSTRAND. Aber Frauenzimmer, die braucht so ein Haus, das ist doch klar. Denn abends wollen wir uns ja ein bisschen vergnügen, mit Gesang und Tanz und so weiter. Schließlich sind das alles weitgereiste Seeleute von allen Weltmeeren. (Kommt näher.) Nun sei nicht dumm und steh dir nicht selbst im Weg, Regine. Welche Möglichkeiten hast du denn hier draußen? Was nützt es dir, dass die gnädige Frau dir die ganze Bildung beigebracht hat? Soweit ich gehört habe, sollst du dich ja in dem neuen Asyl um die Kinder kümmern. Ist das etwa was für dich? Hast du so unbändig Lust, dich für diese dreckigen Kinder aufzureiben?

REGINE. Nein, wenn es danach ginge, wozu ich Lust habe, dann … Aber das kann ja noch kommen. Ja, das kann ja noch kommen!

ENGSTRAND. Was bitteschön kann noch kommen?

REGINE. Das geht dich gar nichts an. Hast du hier draußen viel Geld zur Seite gelegt?

ENGSTRAND. Grob geschätzt wird es sich wohl um sieben-, achthundert Kronen handeln.

REGINE. Das ist nicht schlecht.

ENGSTRAND. Es genügt, um etwas damit in Gang zu bringen, mein Kind.

REGINE. Bist du nicht auf die Idee gekommen, mir etwas von dem Geld abzugeben?

[13]ENGSTRAND. Nein, weiß Gott, die Idee ist mir nie gekommen.

REGINE. Willst du mir nicht einmal ein Stück armseligen Stoff für ein neues Kleid schicken?

ENGSTRAND. Komm einfach mit mir in die Stadt, dann wirst du schon genügend Kleiderstoff kriegen.

REGINE. Ha, das kann ich auch allein, wenn ich Lust dazu habe.

ENGSTRAND. Nein, an der leitenden Hand des Vaters ist es besser, Regine. Jetzt kann ich mir ein hübsches Haus in der Lille Havnegaten besorgen. Dafür ist nicht viel Bargeld nötig, und dort könnte eine Art Seemannsheim entstehen, weißt du.

REGINE. Aber ich will nicht bei dir sein! Ich habe mit dir nichts zu schaffen. Geh endlich!

ENGSTRAND. Verdammt, du wirst nicht lange bei mir bleiben, mein Kind. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Wenn du verstehst, dich zu benehmen. Schließlich bist du in den letzten paar Jahren ein hübsches Mädchen geworden …

REGINE. Also …!

ENGSTRAND. Es dauert bestimmt nicht lange, bis so ein Steuermann kommt, ja, vielleicht sogar ein Kapitän …

REGINE. Ich will so einen nicht heiraten. Seeleute haben kein savoir-vivre.

ENGSTRAND. Was haben sie nicht?

REGINE. Ich kenne die Seemänner, das sage ich dir. Das sind keine Leute, die man heiraten sollte.

ENGSTRAND. Dann heiratest du eben keinen. Aber es kann sich dennoch lohnen. (Vertraulich.) Er – dieser Engländer – der mit dem Sportboot – er hat dreihundert [14]Speciestaler gegeben – und sie war nicht hübscher als du.

REGINE(geht auf ihn zu). Raus mit dir!

ENGSTRAND(weicht zurück). Nun, nun, du willst mich doch wohl nicht schlagen.

REGINE. O doch. Wenn du anfängst, so von Mutter zu reden, dann schlage ich dich. Raus mit dir, habe ich gesagt. (Schiebt ihn zur Gartentür.) Und knall nicht mit den Türen, der junge Herr Alving …

ENGSTRAND. Er schläft, ja, ich weiß. Schon auffällig, wie sehr du dich um den jungen Herrn Alving sorgst – (Leiser.) Hoho, ist er es etwa, der …?

REGINE. Raus, und zwar schnell. Du redest doch nur wirres Zeug, Mann! Nein, nicht da lang. Da kommt Pastor Manders. Die Küchentreppe runter mit dir.

ENGSTRAND(nach rechts gehend). Ja, ja, ich gehe ja schon. Aber dann rede jedenfalls mit dem, der da kommt. Er ist der Mann, der dir sagen kann, was ein Kind seinem Vater schuldig ist. Denn trotz allem bin ich immer noch dein Vater. Das kann ich mit dem Kirchenbuch beweisen. (Er geht durch die zweite Tür ab, die Regine ihm geöffnet hat und die sie nach seinem Abgang schließt.)

  (Regine schaut schnell in den Spiegel, wedelt sich mit dem Taschentuch etwas Luft zu und zupft an ihrem Blusenkragen; danach widmet sie sich den Blumen.

  Pastor Manders, im Mantel, mit Regenschirm, eine kleine Reisetasche über der Schulter, kommt durch die Gartentür in den Wintergarten.)

PASTOR MANDERS. Guten Tag, Fräulein Engstrand.

REGINE(dreht sich freudig überrascht um). Na so etwas, guten Tag, Herr Pastor! Hat der Dampfer schon angelegt?

[15]PASTOR MANDERS. Gerade eben. (Geht in den Wintergarten.) Das war ja ein schreckliches Regenwetter, das wir die letzten Tage hatten.

REGINE(folgt ihm). Für den Bauern ist so ein Wetter ein Segen, Herr Pastor.

PASTOR MANDERS. Ja, da haben Sie natürlich Recht. Das bedenken wir Stadtmenschen so selten. (Er zieht sich den Mantel aus.)

REGINE. Darf ich helfen? – Sie sind aber wirklich nass! Ich werde ihn gleich in der Diele aufhängen. Und dann noch der Regenschirm. Ich werde ihn aufspannen, dann trocknet er besser.

  (Sie geht mit den Sachen durch die zweite Tür rechts ab. Pastor Manders legt seine Reisetasche und den Hut auf einen Stuhl. Inzwischen kommt Regine wieder herein.)

PASTOR MANDERS. Oh, das hat richtig gutgetan, ins Haus zu kommen. Nun, hier auf dem Hof steht hoffentlich alles zum Besten?

REGINE. Ja, danke der Nachfrage.

PASTOR MANDERS. Nun, ich kann mir denken, dass es viel zu tun gibt an Vorbereitungen für den morgigen Tag?

REGINE. O ja, hier ist so einiges zu tun.

PASTOR MANDERS. Aber Frau Alving ist doch hoffentlich zu Hause?

REGINE. Ja, sicher; sie ist nur oben und kümmert sich um eine Schokolade für den jungen Herrn.

PASTOR MANDERS. Ja, stimmt – ich habe unten am Anleger gehört, dass Osvald nach Hause gekommen sein soll.

REGINE. Das stimmt, er ist gestern gekommen. Wir hatten ihn erst heute erwartet.

[16]PASTOR MANDERS. Und gesund und munter, will ich hoffen?

REGINE. Ja, ist er sicher. Aber schrecklich müde von der Reise. Er ist in einem Zug direkt von Paris hierhergefahren – ich meine, er ist die ganze Strecke in ein und demselben Zug gefahren. Ich glaube, momentan schläft er ein wenig, deshalb ist es besser, wenn wir ein bisschen leiser sprechen.

PASTOR MANDERS. Oh, wir werden ganz leise sein.

REGINE(während sie einen Sessel am Tisch zurechtschiebt). Aber setzen Sie sich doch, Herr Pastor, machen Sie es sich bequem. (Er setzt sich; sie schiebt ihm einen Schemel unter die Füße.) So! Sitzt der Herr Pastor jetzt gut?

PASTOR MANDERS. Danke, vielen Dank; ich sitze vortrefflich. (Betrachtet sie.) Wissen Sie was, Fräulein Engstrand, ich glaube wirklich, Sie sind gewachsen, seit ich Sie das letzte Mal gesehen habe.

REGINE. Finden Sie das, Herr Pastor? Die gnädige Frau meint, dass ich auch dicker geworden bin.

PASTOR MANDERS. Dicker? Nun ja, vielleicht ein klein wenig – gerade richtig.

  (Kurze Pause.)

REGINE. Soll ich vielleicht der gnädigen Frau Bescheid sagen?

PASTOR MANDERS. Vielen Dank, aber das eilt nicht, mein liebes Kind. – Aber sagen Sie mir, meine beste Regine, wie geht es Ihrem Vater hier draußen?

REGINE. Oh, danke, Herr Pastor, es geht ihm gut.

PASTOR MANDERS. Als er das letzte Mal in der Stadt war, hat er bei mir vorbeigeschaut.

[17]REGINE. Tatsächlich? Er freut sich immer so, wenn er mit dem Pastor reden kann.

PASTOR MANDERS. Und Sie besuchen ihn sicher häufig dort?

REGINE. Ich? Doch, ja, das tue ich, sooft ich Zeit habe, dann …

PASTOR MANDERS. Ihr Vater ist keine starke Persönlichkeit, Fräulein Engstrand. Er braucht wahrhaftig eine ihn leitende Hand.

REGINE. Das kann schon sein.

PASTOR MANDERS. Er braucht jemanden, dem er vertrauen kann und auf dessen Urteilskraft er sich verlassen kann. Das hat er mir so treuherzig selbst gesagt, als er das letzte Mal bei mir war.

REGINE. Ja, er hat mit mir auch über etwas in der Richtung gesprochen. Aber ich weiß nicht, ob Frau Alving mich gehen lassen würde – und das erst recht jetzt nicht, wo wir das neue Asyl leiten müssen. Und auch ich möchte nur schrecklich ungern weg von Frau Alving, denn sie ist immer so gut zu mir gewesen.

PASTOR MANDERS. Aber die töchterlichen Pflichten, mein liebes Mädchen. – Natürlich müssen wir zuerst die Zustimmung der gnädigen Frau einholen.

REGINE. Und ich weiß nicht, ob das gut für mich ist, in meinem Alter, das Haus eines alleinstehenden Mannes zu führen.

PASTOR MANDERS. Wie bitte? Aber liebes Fräulein Engstrand, das ist doch Ihr eigener Vater, von dem wir hier reden!

REGINE. Ja, das mag schon sein, aber trotzdem. Nun ja, [18]wenn es in einem guten Hause wäre und bei einem richtigen Herrn …

PASTOR MANDERS. Aber meine liebe Regine …

REGINE. … bei einem, dem gegenüber ich Ergebenheit zeigen könnte, zu dem ich aufsehen könnte und geradezu die Stelle der Tochter einnehmen …

PASTOR MANDERS. Aber mein liebes, gutes Kind …

REGINE. Dann würde ich natürlich gern in die Stadt gehen. Hier draußen ist es schon sehr einsam – und der Herr Pastor weiß ja selbst, was es heißt, einsam durchs Leben zu gehen. Und ich darf wohl von mir sagen, dass ich fleißig und anspruchslos bin. Weiß der Herr Pastor nicht so eine Stelle für mich?

PASTOR MANDERS