Gespenster-Krimi 51 - Brian Elliot - E-Book

Gespenster-Krimi 51 E-Book

Brian Elliot

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Beschreibung

James Grey, im Look des untadeligen Londoner Geschäftsmannes, stieg mit schweren Schritten die Stufen zum Eingang von Barclay’s Bank empor. Er durchquerte die Schalterhalle und schritt einen teppichbelegten Gang entlang. Dann klopfte er an eine Mahagonitür mit der goldenen Aufschrift "Secretary of Managing Director". Auf ein mit heller Stimme gerufenes "Herein!" betrat er das Vorzimmer und überreichte der blonden Frau, die ihn freundlich anlächelte, seine Karte.
"Ich werde Sie sofort melden, Mister Grey", sagte sie und verschwand im Nebenraum.
James Grey hatte keinen Blick für ihre betörend hübschen Beine. Sorgenfalten standen auf seiner Stirn, und seine schmale Hakennase zuckte nervös, als die junge Frau erst nach einiger Zeit zurückkehrte ...


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Seitenzahl: 152

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Inhalt

Cover

Impressum

In der Todeszone

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati / BLITZ-Verlag

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0023-8

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

In der Todeszone

von Brian Elliot

James Grey, im Look des untadeligen Londoner Geschäftsmannes, stieg mit schweren Schritten die Stufen zum Eingang von Barclay’s Bank empor. Er durchquerte die Schalterhalle und schritt einen teppichbelegten Gang entlang. Dann klopfte er an eine Mahagonitür mit der goldenen Aufschrift „Secretary of Managing Director“. Auf ein mit heller Stimme gerufenes „Herein!“ betrat er das Vorzimmer und überreichte der blonden Frau, die ihn freundlich anlächelte, seine Karte.

„Ich werde Sie sofort melden, Mister Grey“, sagte sie und verschwand im Nebenraum.

James Grey hatte keinen Blick für ihre betörend hübschen Beine. Sorgenfalten standen auf seiner Stirn, und seine schmale Hakennase zuckte nervös, als die junge Frau erst nach einiger Zeit zurückkehrte …

„Mister McDonald lässt bitten.“

Immer noch stand das Lächeln in ihrem Gesicht. Aber die scharfen Augen von James Grey erkannten trotzdem, dass der Direktor sich nicht besonders erfreut über den Besuch gezeigt hatte.

Er betrat ein riesiges Büro. Das Geräusch seiner Schritte wurde von einem dicken Teppich verschlungen, als er auf den Schreibtisch zutrat. Dahinter erhob sich ein breitschultriger Hüne mit eisgrauem Haar und rotem Gesicht. Er streckte Grey die fleischige Hand entgegen, drückte sie aber kaum und deutete auf einen Ledersessel.

„Nun, wie laufen die Geschäfte, Mister Grey?“, erkundigte er sich mit dröhnender Bassstimme.

„Es zeigen sich Silberstreifen am Horizont, Mister MacDonald“, schnarrte Grey zögernd. Dann reckte sich sein spitzes Kinn vor. „Ich gehe anschließend in die Auktion von Wintershall und habe dort vor, einen bestimmten Teil der Diamantenkollektion von Lord Kingsley zu erwerben. Ich habe bereits einen Liebhaber als Käufer gefunden, und noch vor dem zwölften Glockenschlag werde ich an dem kleinen Geschäft sechzig Prozent verdient haben.“

Der Bankier strich mit Daumen und Zeigefinger über seine Knollennase.

„Wie viel würde das in Geld bedeuten?“

„Zwölftausend Pfund. Nicht die Welt, aber es reicht, um kurzfristig wieder eine Basis zu finden.“

„Und was führt Sie jetzt zu mir, Mister Grey?“

James Grey drehte seine Mütze im Kreis, die er auf den Schreibtisch des Bankdirektors gelegt hatte.

„Wie Sie wissen, wird bei Auktionen Barzahlung verlangt. Ich brauche daher zwanzigtausend Pfund Überziehungskredit, Sir.“

McDonald kniff die kleinen Schweinsäuglein noch mehr zusammen. Er deutete auf eine Kiste mit Zigarren, und als Grey ablehnte, steckte er sich selbst eine zwischen die gewaltigen Zähne und ließ das goldene Tischfeuerzeug aufflammen.

„Wie Sie wissen, Mister Grey“, knurrte er dann langsam, „waren Ihre Geschäfte in letzter Zeit nicht sehr vom Glück begünstigt. Das beweist schon die Tatsache, dass Sie sich mit so verhältnismäßig kleinen Fischen abgeben müssen. Der für mich noch entscheidendere Beweis liegt im Diamantentresor der Firma Calhoun & Grey. Er ist nämlich leer. Da Ihr Geschäftskonto schon ziemlich überzogen ist, würde das bedeuten, dass ich Ihnen zwanzigtausend Pfund ohne bankübliche Sicherheit zur Verfügung stellen soll. Das ist einigermaßen gegen jede Gepflogenheit, Mister Grey.“

Der schmallippige Mund von James Grey zog sich zu einem Strich zusammen.

„Soll das heißen, dass Sie mir das Geld nicht geben wollen, McDonald? Sie wissen genau, dass ich Ihnen innerhalb von einer Stunde keine bankmäßigen Sicherheiten beschaffen kann.“

Der Bankier klopfte leicht auf den Tisch.

„Keine Aufregung, Mister Grey. Schließlich ist Ihr Haus ein alter Kunde, und von Verweigerung kann keine Rede sein. Nur auf einer kleinen Formalität muss ich bestehen. Das Quittungsformular müsste von Ihrem Teilhaber Mister Calhoun mit unterschrieben werden.“

Der Bankier bückte sich hinter seinen Schreibtisch, holte eine vorgedruckte Quittung heraus und zückte den goldenen Füllhalter.

„Behalten Sie Ihren Wisch, Mister McDonald!“, rief James Grey, grün vor Wut. „Ich bin kein Mensch zweiter Klasse, der einen Vormund braucht. Der nächste Akt wird sein, dass wir unsere Konten in Ihrem Hause löschen. Guten Tag, Mister McDonald.“

Er sprang auf, nahm seine Mütze vom Tisch und strebte der Zimmertür zu.

„Aber bitte erst nach Ausgleich der zehntausend Pfund, die Sie uns noch schulden, Mister Grey!“, dröhnte ihm die Bassstimme des Bankiers in die Ohren.

Wütend schlug er die Tür hinter sich zu und verschwand ohne Gruß aus dem Vorzimmer. Das hübsche Mädchen blickte ihm stirnrunzelnd nach.

Die Stimmung von James Grey war auf dem Tiefpunkt angelangt, als er in die Bond Street einbog und dem Juweliergeschäft von Grey & Calhoun zustrebte.

Die Firma war eine der angesehensten in London, und das wollte schon etwas heißen. Vor fünf Jahren hatten sich der erfahrene Spekulant Grey und der Juwelier zusammengetan. Anfangs hatte Grey Glück, und es gelang ihm, ein erhebliches Vermögen für die Firma anzusammeln. Dann aber ließ er sich in riskante Spekulationen ein, zum Teil auf eigene Gewinnrechnung, um den pedantischen Partner bald loszuwerden. Die Sache aber ging immer mehr schief, und es wurde für Grey immer schwieriger, die ruinösen Verluste vor seinem Partner zu verheimlichen. Besonders seit Calhouns Sohn Jeff vor einem Jahr in das Geschäft eingetreten war. Der machte kein Hehl daraus, dass er Grey nicht leiden konnte und dessen geheimnisvollen Geschäften misstraute.

Das Geschäft mit den Kingsley-Brillanten wäre eine todsichere Sache gewesen. Es hätte Grey wenigstens vorübergehend retten können. Und nun rückte der Geizhals von Bankdirektor das notwendige Geld nicht heraus. Stattdessen sagte er ihm offen ins Gesicht, dass seine Person ohne Thomas Calhoun in Bankkreisen keinen roten Heller mehr wert war.

Es war völlig ausgeschlossen, Calhoun um die Zweitunterschrift zu bitten. Das hätte diesem die Augen geöffnet. Aber trotzdem, das Geschäft in Wintershall musste klappen. Irgendetwas würde seinem findigen Hirn schon einfallen.

James Grey betrat den vornehm eingerichteten Laden. In der dezenten Beleuchtung blitzten ihm von der glasbedeckten Theke und aus den Wandvitrinen Pretiosen für Hunderttausende entgegen. Die Ausstattung des Geschäfts hatte unter seinen Fehlspekulationen noch nicht gelitten. Dafür aber waren die Banktresors mit den Rohdiamanten restlos geplündert.

„Tag, Jeff“, sagte James Grey und tippte nachlässig an seine Mütze. „Wo ist Tom?“

Jeff Calhoun, ein blendend aussehender Junge von fünfundzwanzig, streckte James die Hand entgegen.

„Papa ist im Labor“, sagte er strahlend. „Er hat eine Überraschung für Sie.“

James war über die Freundlichkeit des jungen Calhoun, der ihm sonst ziemlich reserviert gegenüberstand, überrascht. Da musste etwas Besonderes passiert sein. Er hielt sich nicht lange im Laden auf, sondern schlenderte durch die Hintertür ins Labor.

Dort saß ein Mann in mittleren Jahren mit ziemlich spärlichem Haarwuchs an einem Arbeitstisch und betrachtete mit einer Lupe im gleißenden Licht einer Quarzlampe den Inhalt einer kleinen Schachtel.

James warf nur einen kurzen Blick darauf. Seine grauen Augen blitzten. Da lagen in braunem Körnerstaub drei Rohdiamanten von zusammen mindestens siebzig Karat.

„Wer hat dir denn die Dinger ins Haus geschneit, Tom?“, fragte er heiser.

Jetzt erst blickte Thomas Calhoun auf.

„James?“, fragte er verwundert. „Ich dachte, du bist bei Wintershall.“

„Kommt noch“, sagte Grey kurz. „Wollte nur rasch mal vorbeisehen.“

„Du hast eben immer einen untrüglichen Instinkt“, meint der Juwelier grinsend. „Die Dinger kamen gerade mit Sonderpost direkt aus Südwestafrika. Das Päckchen war eigentlich an dich adressiert, aber ich hoffe, du nimmst mir meine Neugier nicht übel. Dein alter Freund Lesley Baker hat uns die Steine zur Prüfung geschickt.“

James Grey stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne, nahm Calhoun die Lupe aus der Hand und prüfte sorgfältig einen Stein nach dem anderen.

„Wenn sich die Dinger splitten lassen, bestreiten wir damit unser ganzes Weihnachtsgeschäft“, prophezeite James Grey.

„Wo denkst du schon wieder hin“, brummte Calhoun unwillig. „Die Steine gehören nicht uns. Er hat sie uns lediglich zum Test überlassen. Das Begleitschreiben ist wohl noch interessanter.“

Der Juwelier reichte seinem Teilhaber einen handgeschriebenen Brief. James Grey begann zu lesen, und seine kalten grauen Augen wurden dabei immer größer.

„… ich schätze“, lautete die wichtigste Passage des Schreibens, „den Claim auf mindestens zwanzig Millionen Pfund Ausbeute, obwohl ich es noch nicht gesehen habe. Aber meine Leute sind zuverlässig, und wenn man solche Brocken schon durch Zufall findet, muss es sich um ein gewaltiges Lager handeln. Natürlich erfährt kein Mensch außer Dir etwas davon, lieber James. Ich bin sicher, dass Deine Prüfung positiv ausfällt. Dann aber kann ich Dir nur den guten Rat geben, sofort hierherzukommen und den Claim in Augenschein zu nehmen. Am besten bringst du Calhoun mit, denn vier fachmännische Augen sehen mehr als zwei, und der Ausflug wird nicht ganz ohne Strapazen abgehen. Ich bin sicher, dass wir uns über den Kaufpreis des Platzes, der zu meiner Farm gehört, einig werden. Ich selbst habe kein Interesse, denn ich möchte bald von hier verschwinden, weil die politische Lage in Südwestafrika von Tag zu Tag unsicherer wird. Aus dem gleichen Grund eilt die ganze Angelegenheit. Denn nur solange der Vertrag mit der Regierung in Pretoria noch abgeschlossen werden kann, seid ihr für später sicher. Ich erwarte daher Deine Eilnachricht und überhaupt Eure baldige Ankunft …“

Die Augen von James Grey glitzerten, als er den Brief wieder auf den Tisch legte.

„Ausnahmsweise verzeihe ich dir die Verletzung des Briefgeheimnisses, Tom“, sagte er grinsend und schlug seinem Partner jovial auf die Schulter. „Trotzdem möchte ich sichergehen.“

Er wickelte die Diamanten sorgfältig in ein Stück Seidenpapier und steckte sie in die Tasche.

„Was hast du vor, James?“, fragte Calhoun bestürzt.

„Ich werde sie von der Kommission prüfen lassen. Dann fahre ich zu Wintershall, verdiene unser Reisegeld, und mittags sehen wir uns hier wieder. Du kannst inzwischen auf Verdacht zwei Flugkarten nach Windhuk bestellen. Via Pretoria, anders kommt man zurzeit nicht mehr in das verdammte Nest.“

Calhoun schüttelte den Kopf.

„Du bist so grausam schnell in deinen Entschlüssen, James“, tadelte er. „Die ganze Sache braucht Überlegung. Lesley Baker ist nicht gerade der vertrauenswürdigste Mensch unter der Sonne. Du erinnerst dich, dass er nach Afrika ging, weil man ihm hier wegen krummer Dinge die Lizenz an der Diamantenbörse entzogen hat. Und dann schreibt er selbst, dass die politische Lage dort unten …“

„Eben deshalb, bester Freund. Ich will sichergehen, dass er uns keine Glasscherben als Lockvögel geschickt hat – und wenn ich weiß, dass das nicht der Fall ist, möchte ich nicht länger warten. Lieber kratze ich den Claim dort unten noch mit der Kinderschaufel aus – so long, Tom.“

In weitaus besserer Laune noch als vor zehn Minuten verließ James Grey das Labor, winkte Jeff Calhoun hinter der Ladentheke freundlich grinsend zu und bestieg draußen das erste Taxi, das leer die Bond Street heruntergefahren kam.

In den geheiligten Räumen der Diamantenkommission war James Grey immer noch ein angesehener Mann. Er durfte der eingehenden Prüfung der drei Riesendiamanten persönlich beiwohnen.

Alle noch so vorsichtig ausgesprochenen Fragen nach der Herkunft der bewunderten Steine lehnte er mit geheimnisvollem Lächeln ab. Ohne jede Schwierigkeit erhielt er ein Wertzertifikat über fünfzigtausend Pfund ausgestellt und fuhr damit zur renommierten Privatbank von Prescott Ltd. in der St. James Street.

Mr. Prescott selbst empfing James Grey in seinem Privatbüro. Obwohl auch hier noch ein mäßiger Sollsaldo zu Lasten von Calhoun & Grey bestand, rechnete es sich Mr. Prescott als Ehre an, Mr. James Grey gegen Hinterlegung der Diamanten nebst Zertifikat sofort zwanzigtausend Pfund auszuhändigen. Gegen vierzehn Prozent Zinsen allerdings, wie er unter freundlichem Lächeln hinzufügte.

James Grey zog seine Hakennase hoch und drehte die Sportmütze über dem Daumen.

„An diesem Wucher werden Sie nicht viel Freude haben, mein Bester.“ Er grinste höhnisch. „Noch bevor Big Ben die Mittagsstunde verkündet, haben Sie Ihre verdammten Moneten wieder.“

Er schob das Banknotenbündel in die Tasche und ließ den verdutzten Mr. Prescott in seinem Chefsessel zurück.

Gerade noch rechtzeitig erreichte er die Auktionsräume von Wintershall, um den Teil des Brillantschmucks von Lord Kingsley, auf den er es abgesehen hatte, zu ersteigern. Er ging blitzschnell mit seinem Angebot auf achtzehntausend Pfund, und der Auktionator ließ seinen Hammer zum dritten und letzten Mal niedersausen, bevor die Konkurrenten überhaupt etwas begriffen hatten.

In einem kleinen Café gegenüber dem Parlamentsgebäude wurde James Grey schon von einem dunkelhäutigen Herrn aus Kuweit erwartet. Während der Diamantenhändler sich einen doppelten Whisky einschenken ließ, betrachtete der Mann aus Nahost nur kurz die Brillanten des Lords und das mit Siegeln versehene Zeugnis des berühmten Hauses Wintershall. Dann trank er den Rest aus seinem Limonadenglas und zückte die dicke Brieftasche.

„Ich hoffe, es ist nicht unser letztes Geschäft gewesen, Mister Grey“, meinte er wohlwollend, während James Grey mit flinken Fingern das Geld nachzählte.

„Keineswegs, Sir, in nächster Zeit kann ich Ihnen mit ähnlichen Angeboten dienen.“

James Grey benutzte immer noch das gleiche Taxi. Der Chauffeur sprang aus dem Wagen und öffnete dem eleganten Fahrgast die Tür, denn er witterte immerhin das Geschäft der Woche.

Mr. Prescott verneigte sich fast im rechten Winkel, als James Grey ihm die zwanzigtausend Pfund wieder auf den Tisch zählte. Mit keiner Miene ließ er sich die Enttäuschung anmerken, trotz seiner vierzehn Prozent bei diesem Betrag so gut wie nichts verdient zu haben. James Grey erlaubte dem Bankier mit schiefem Grinsen einen Blick auf das zurückbleibende Geldpaket in seiner Brieftasche und ging.

Vor dem Laden von Calhoun & Grey angelangt, entlohnte James Grey den Taxichauffeur ganz gegen seine sonstige Gewohnheit mit einer Fünfzigpfundnote und betrat den Laden.

Jeff Calhoun bediente mit zuvorkommendem Lächeln gerade eine Lady, deren glitzernder Brillantschmuck an den dürren Fingern und um den langen Schwanenhals eigentlich weiteren Bedarf an Juwelen ausgeschlossen hätte. Thomas Calhoun stand etwas im Hintergrund und bewunderte mit schiefgeneigtem Kopf seinen Sohn, der der Dame ein Collier für fünfzigtausend Pfund vorgelegt hatte.

Thomas Calhoun war fast etwas ungehalten, als ihm James Grey zuwinkte, mit ins Büro zu kommen.

„Jeff macht gerade das Geschäft des Monats“, grollte er.

„Natürlich, er ist ein tüchtiger Kerl“, sagte Grey. „Hast du die Flugkarten bestellt? Hier ist das Reisegeld.“

Er warf zwei Tausendpfundnoten auf den Tisch.

Calhoun starrte ihn mit großen Augen an.

„So glaubst du wirklich an die Geschichte?“, fragte er misstrauisch.

„Für zwanzig Millionen fliege ich zehnmal um die Welt, auch wenn es dann nur zehn sein sollten“, erklärte Grey kurz und bündig. „Wenn du Bedenken hast – ich nehme die Angelegenheit allein auf mich.“

Er griff in die Sakkotasche und warf die Rohdiamanten mitsamt dem Zertifikat der Kommission auf den Tisch.

„Nun, Tom, was sagst du jetzt?“, fragte er triumphierend.

Thomas Calhouns gedrungene Gestalt richtete sich auf.

„In Ordnung, James“, knurrte er. „Wenn Jeff das Collier verkauft hat, fliegen wir morgen. Ich bitte dich zu verstehen, dass ich den Laden nur jemandem in der Zwischenzeit überlassen kann, der … unseren Geschäftssinn geerbt hat.“

Im selben Moment riss Jeff die Tür zum Büro auf. „Das Collier ist verkauft.“ Er strahlte.

„Großartig“, sagte sein Vater. „Aber lass den Laden nicht allein. Du wirst ihn die nächsten Wochen selbst führen müssen.“

„Dann fliegst du zur Mine nach Afrika?“, fragte Jeff.

Thomas Calhoun nickte, und Jeff verschwand.

Die Standuhr in der Ecke des Büros, eine getreuliche Nachbildung des berühmten Big Ben, schlug im Westminsterklang zwölf Uhr mittags.

Lesley Barker stand auf der Terrasse seiner Farm und blickte ungeduldig auf das endlose Grasland hinaus. Er war ein untersetzter Mann Ende vierzig mit wilden dunkelblonden Haaren, in die selbst ein Stahlkamm keine Ordnung hätte bringen können.

Seine breiten Bartkoteletten und der wüste Vollbart schimmerten schon ins Graue. Das harte Gesicht hatte die Sonne des schwarzen Kontinents dunkel gefärbt. Trotzdem hätte ihn niemand ohne Weiteres für den Vater des reizenden Mädchens an seiner Seite halten können.

Marylou war siebzehn. Eine bildhübsche Tochter des gefürchteten Hererostammes hatte Marylou geboren, und Lesley Barker, nie ein Mensch von besonderer Moral, hatte sie dafür von der Farm gejagt.

Trotzdem war er auf die junge Frau stolz und behandelte sie, wie man eine Tochter eigentlich zu behandeln hat. Ihre verwaschenen Jeans und die geflickte rote Baumwollbluse betonten ihre verlockenden Formen. Die wirren schwarzen Locken brauchten keinen Friseur, und das hellbraune Gesicht mit den ausdrucksvollen Augen wirkte voll von Steppenstaub hübscher als manches zivilisierte Make-up-Lärvchen.

„Sie kommen, Dad!“, rief Marylou plötzlich und streckte den Arm aus.

Am Horizont zeigte sich eine Staubwolke, und auf der einzigen Straße, die zur Farm von Lesley Baker führte, die man aber in Europa als miesen Feldweg eingestuft hätte, rollte ein Jeep heran.

„Na also“, knurrte Baker und steckte sich ein Zigarillo an. „Ich habe ihnen nicht umsonst Joba als Führer mitgegeben. Er wird sie auch zum Diamantenclaim begleiten.“

„Du willst nicht mit, Daddy?“, fragte Marylou.

„Unsinn – sie wollen die Steine, nicht ich.“

„Du fürchtest Tamboo und willst sie ihm allein überlassen“, sagte das Mädchen.

„Lass mich mit diesen Albernheiten in Ruhe“, fuhr er seine Tochter an. „Du hast schwarzes Blut in den Adern und schlägst dich trotz deiner Intelligenz, die du schließlich von mir geerbt hast, mit diesem verdammten Gespensterglauben herum. Es wird höchste Zeit, dass wir dieses Land verlassen, Lou. Aber jetzt kommen sie. Sei freundlich zu ihnen, und lass dir ja nicht einfallen, die Leutchen mit Erzählungen von Tamboo zu verunsichern. Mir genügt es schon, dass ich ihnen die Anwesenheit der Hereros nicht verheimlichen kann. Aber Joba wird sie vor ihnen beschützen, und schließlich darf ihnen nichts passieren, bevor ich mein Geld habe. Ich hole aus diesen Burschen zehnmal mehr heraus, als ich jetzt für die ganze Farm kriege.“

Marylou verschränkte trotzig die Arme. Ihrem Vater war das inzwischen egal, denn der näher kommende Jeep brachte ihm vermutlich zwei Leute ins Haus, die von seiner fragwürdigen Vergangenheit in London mehr wussten, als ihm lieb war. Aber ohne ihre Hilfe konnte er nicht von hier weg, und das musste er, denn es war völlig klar, dass eine einheimische Regierung gerade ihm, der sich den Schwarzen gegenüber – und besonders seiner Geliebten, die ihm nach Sitten der Hereros in aller Form angetraut worden war – mehr als gemein benommen hatte, keine Chance geben würde.

Der Jeep ratterte zwischen den Palisaden der Umfriedung hindurch auf den Hof. Er war vollbepackt mit Koffern, Zelt und allerlei für die Diamantensuche nützlichen Werkzeugen. Zwischen all dem Kram schälten sich Thomas Calhoun und James Grey in hellen Tropenanzügen heraus und kamen auf das Haus zu. Ein junger Schwarzer, der am Steuer gesessen hatte, folgte langsam.

Während Marylou den Tisch zum Abendessen deckte, war Lesley Baker vor die Tür getreten, um seine Gäste zu begrüßen.

„Tag, James, Tag, Mister Calhoun. Es freut mich wirklich, in dieser verdammten Einsamkeit mal wieder bekannte Gesichter zu sehen.“

„Mensch, diese verfluchte Hitze, Lesley“, stöhnte Grey und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Und das hältst du nun schon seit zwanzig Jahren aus.“