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Was bedeutet es, als ein Mensch mit vielen Persönlichkeiten zu leben und sich immer wieder nach Amnesien verloren wieder zu finden? Welche täglichen Herausforderungen und unerwarteten Hürden begleiten einen solchen Menschen? Dieses Buch gewährt einen tiefen Einblick in diese komplexe Welt, nämlich unserer Welt, unserem Leben mit der Dissoziativen Identitätsstörung. Ihr erlebt mit, wie unterschiedliche Persönlichkeitsanteile ihre Geschichten erzählen. Ihre Ängste, Freuden und Kämpfe offenbaren. Jede Seite enthüllt neue Facetten und macht die Unterschiede zwischen den einzelnen Anteilen lebendig und greifbar. Taucht ein in ein faszinierendes Mosaik der menschlichen Seele, das uns gleichermaßen berührt und erstaunt.
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Seitenzahl: 428
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Vorwort
Einführung
Persönlichkeitsanteile die im Buch mitwirken
Wer wir sind und wie wir jahrelang funktionierten
Was ist der Unterschied zwischen einer partiellen Dissoziativen Identitätsstörung und einer kompletten Dissoziativen Identitätsstörung?
Vor der Diagnose
Kommunikation
Die Innenwelt
Pflegefamilien
Täterloyale/ Zerstörerische Anteile
Trauma Erinnerungen
Flashbacks
Amnesien
Vermeidungsverhalten
Glaubenssätze
Sozialphobie
Die Herausforderungen in der Therapie
Abhängigkeit
Bindung und Bindungsverlust
Schlafprobleme
Zu viele Emotionen
Der Umgang mit Triggern
Die Suche nach Identitäten
Tagesstruktur
Die Herausforderungen des Alltags
Unterschiede und Unverträglichkeiten
Essgewohnheiten
Die Bedeutung von Selbstfürsorge
Handlungen von außenstehenden Personen, die uns verletzen
Zu wenig Unterstützung
Abwertung
Was wir uns von außenstehenden Personen wünschen
Hoffnung und Ziele für die Zukunft
Gute Zeiten und Vorteile
Tipps für Betroffene
Anlaufstellen für Betroffene
Häufige Fragen
Schlusswort
Gedichte und Reime
Liebe Leserinnen und Leser,
wir möchten jedem von euch, der dieses Buch in den Händen hält und liest, von Herzen danken. Eure Unterstützung bedeutet uns unglaublich viel. “Wir” sind Viele. Ich bin Svetlana und mit mir zusammen gibt es viele Persönlichkeiten/Anteile, die sich mit mir mein Leben und unseren Körper teilen. Schon seit längerem hatten wir den Wunsch, ein Buch zu schreiben, das sich intensiver mit unserem Leben, mit der Dissoziativen Identitätsstörung auseinandersetzt. Zu Beginn des Jahres haben wir uns vorsichtig herangetastet und ein kleineres Buch mit dem Titel “Die bunte Vielfalt: Mein Leben mit der Dissoziativen Identitätsstörung” veröffentlicht. Nun haben wir den Mut gefasst, ein umfassenderes Werk zu schreiben, welches das vorherige ersetzt. Das Werk gibt euch einen noch tieferen Einblick in unser Leben und zeigt verschiedene Strategien auf, die wir in unterschiedlichen Situationen ausprobiert haben.
Wir sind unendlich dankbar, dass ihr euch für dieses Buch interessiert und versucht, unser Erleben besser zu verstehen. Ein besonderer Dank gilt unseren Freunden und allen, die uns tatkräftig bei diesem Buchprojekt unterstützt haben. Danke, dass ihr die Texte Korrektur gelesen und uns bei der Behebung von Rechtschreibfehlern geholfen habt. Danke, dass wir uns immer mit Fragen an euch wenden konnten, sei es zum Aufbau des Buches oder zu anderen Aspekten.
Ein weiterer Dank gilt allen, die uns immer wieder Fragen zu diesem Thema gestellt haben. Diese Fragen haben uns inspiriert, am Ende des Buches ein Kapitel mit den häufigsten Fragen und unseren Antworten darauf zu erstellen.
Vielen lieben Dank an alle und nun wünschen wir euch ganz viel Freude beim Lesen.
Herzliche Grüße
Vom Sonnenkind-System
In diesem Buch werdet ihr viele spannende Entdeckungen über uns machen und viel über die Dissoziative Identitätsstörung erfahren. Ihr werdet tiefere Einblicke in die verschiedenen Anteile erhalten. Es war eine Herausforderung festzustellen, welche Anteile gerne bei diesem Buch mitwirken möchten. Wir haben uns bemüht, eine überschaubare Anzahl von Mitwirkenden auszuwählen. Es war auch kurzzeitig die Überlegung, es offen zu lassen und zu sehen, ob sich während des Schreibens weitere Anteile zu Wort melden möchten. Doch wir haben uns dagegen entschieden, da dies zu Verwirrung führen könnte. Nicht alle Anteile möchten zu jedem Kapitel etwas sagen, aber ihr werdet dennoch die Meinungen und Ansichten der verschiedenen Anteile kennenlernen. Wir sind alle sehr unterschiedlich, und das zeigt sich deutlich in unseren Ansichten, Meinungen und Interessen, was euch beim Lesen auffallen wird. Jedes Kapitel enthält zudem einen Reim oder ein Gedicht, das wir geschrieben haben. Am Ende gibt es noch einen Abschnitt nur mit Reimen und Gedichten, da es jemanden unter uns gibt, der dies gerne macht. Die Vorbereitung dieses Buches war lang, aber wir sind froh, dass wir es geschafft haben.
Abschließend möchten wir noch eine kurze Anmerkung machen. Besonders im Kapitel über Trauma-Erinnerungen könnte es passieren, dass Sie gedanklich aussteigen, weil das Gelesene Ihre Vorstellungskraft übersteigt. Möglicherweise denken Sie: “So etwas gibt es doch gar nicht”, oder “Das hätte doch jemand bemerken müssen, wenn solche schlimmen Dinge passiert wären.”
Wir verstehen, dass einige der beschriebenen Dinge für Außenstehende abschreckend oder unvorstellbar sind. Würden wir ein Buch ausschließlich über sexuelle Gewalt schreiben, würden wahrscheinlich weniger Menschen in eine Abwehrhaltung gehen und behaupten, dass so etwas nicht existiert. Warum? Weil über sexuelle Gewalt gesprochen wird. Es ist ein Thema, das für viele greifbarer ist, weil es zahlreiche offensichtliche Fälle gibt und viel darüber berichtet wird. Rituelle Gewalt hingegen ist weniger bekannt, da darüber weniger gesprochen wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sie nicht gibt. Nur weil ein Thema nicht oft besprochen wird, heißt das nicht, dass die Ereignisse unwahrscheinlich oder gelogen sind. Viele Menschen wenden ihren Blick ab, wenn sie von ritueller Gewalt hören, da es so unvorstellbar erscheint, dass man es nicht wahrhaben möchte. Es fällt vielen leichter, wegzuschauen.
Auch viele Betroffene, mit denen wir im Austausch stehen, wissen anfangs nicht, dass sie solche Erlebnisse hatten. Täter können Kinder so gezielt manipulieren, dass diese im Alltag keine Erinnerungen an die Übergriffe haben. Viele werden überrascht sein und sich fragen: “Wie kann es sein, dass Menschen so viel Macht über ein Kind besitzen und es so kontrollieren können, dass es keine Erinnerungen an die Übergriffe hat?” Doch es funktioniert, und wir sind das lebendige Beispiel dafür. Vor einem Jahr hätten wir selbst nicht daran gedacht, ein solches Buch zu schreiben. Wir wussten zwar, dass etwas mit uns nicht stimmte und in der Vergangenheit Schlimmes passiert sein musste, aber wir wussten nicht was.
Vor sechs Jahren erlebten wir einen emotionalen Zusammenbruch und konnten nicht mehr wie früher funktionieren. Wir waren verzweifelt und ständig überreizt, ohne zu wissen warum. Mit 16 gingen wir zum ersten Mal in Therapie, weil wir merkten, dass wir das Leben nicht gut bewältigen konnten, aber auch da wussten wir nicht warum. Es dauert oft sehr lange, bis Betroffene überhaupt darüber sprechen und wissen, was passiert ist. Die Diagnose DIS führt häufig zu Abwertungen, weshalb viele weiterhin schweigen, selbst wenn sie im Inneren Klarheit gewinnen. Wir konnten erst sprechen, als wir das Gefühl hatten, dass es erlaubt war, und selbst heute sprechen wir nicht mit jedem darüber. Viele Dinge dürfen nicht nach außen getragen werden. Am Anfang der Therapie saßen wir oft schweigend da, bevor wir anfangen konnten zu sprechen. Erst nach und nach öffnen sich die Anteile, die Traumatisierungen erlebt haben und die vom Alltagsbewusstsein getrennt sind. So kommen nach und nach Dinge an die Oberfläche, die jahrelang verborgen blieben.
Unser Anliegen ist es, die Gesellschaft darauf aufmerksam zu machen, dass sie nicht weiterhin wegschaut. Wir wissen, dass es schwer ist, etwas zu akzeptieren und zu glauben, das man selbst nicht erlebt hat. Doch es hilft keinem Betroffenen, wenn man wegschaut. Unser Wunsch ist es, dass mehr Menschen diese Erfahrungen zumindest akzeptieren und nicht sofort in Abwehrhaltung gehen, wenn sie davon hören oder wenn sich Betroffene öffnen.
Ich möchte gerne noch kurz erwähnen, dass manche Anteile in dem Buch nicht mit dem richtigen Namen erwähnt werden, da sich das für manche einfach nicht richtig anfühlt. Daher haben wir uns für diese Mitwirkenden andere Namen ausgedacht, um es für diese Anteile leichter zu machen, sich überhaupt zu gewissen Themen hier im Buch zu äußern.
Svetlana (25 Jahre):
Ich bin ein Anteil des Alltagsystems und sorge gemeinsam mit anderen Anteilen dafür, dass der Tag einigermaßen reibungslos verläuft. Hauptsächlich bin ich für den Haushalt verantwortlich und erledige diese Aufgabe immer dann, wenn ich an der Reihe bin. Wir versuchen, die Aufgaben bestmöglich unter uns aufzuteilen, da sie für einen einzelnen Anteil viel zu umfangreich wären.
In meiner Freizeit lese ich viele Fachbücher über Medizin und teilweise auch über Psychologie, da mich diese Themen sehr interessieren. Eigentlich möchte ich am liebsten Medizin studieren, doch das ist aufgrund unseres niedrigen Schulabschlusses und der Tatsache, dass ich nicht konsequent 24/7 vorne bleiben kann, nicht möglich. Ich bin jedoch überzeugt, dass ich ein Medizinstudium theoretisch schaffen könnte, da ich bereits viel Wissen in diesem Bereich besitze. Leider bin ich die Einzige von uns, die sich für Medizin interessiert und sich damit auseinandersetzt. Trotzdem nutze ich jede freie Minute, um mich weiterzubilden und neue medizinische Fachbegriffe oder Aspekte zu lernen und zu verstehen. Es bereitet mir große Freude, mein Wissen zu erweitern und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Sonja (28 Jahre):
Ich bin ebenfalls einer der Alltagsanteile und bemühe mich gemeinsam mit den anderen, die täglichen Aufgaben zu bewältigen. Ob es sich um Einkaufen, Termine, Haushaltsarbeiten oder andere Erledigungen handelt, für uns alle ist es eine enorme Herausforderung, sodass keiner von uns den Alltag allein meistern kann. Daher wechseln wir uns ab, jedoch geschehen diese Wechsel unkontrolliert. Leider geschieht es nicht oft, dass jemand anderes nach vorne tritt, wenn der Vordere keine Kraft mehr hat. Es geschieht einfach, wie es geschieht und ist jedes Mal unterschiedlich.
Ich spiele leidenschaftlich gerne Klavier. In unserer Freizeit setze ich mich oft an unser E-Piano und genieße es zu spielen. Es ist ein Instrument, das vielen von uns gefällt und es ist selten etwas zu finden, das niemanden von uns abschreckt oder niemandem unangenehm ist. Beim Klavierspielen fühle ich keine zusätzliche Anspannung oder inneres Chaos, da viele im Hintergrund es schön finden und gerne zuhören. Ich improvisiere gerne und entwickle dabei neue Melodien, die ich immer wieder spielen kann. Manchmal motiviert es mich richtige Lieder zu lernen, die ich schön finde. Dazu schaue ich mir YouTube-Videos an, da ich keine Noten lesen kann.
Ich bemühe mich auch im Inneren um Ruhe und spreche behutsam mit den Anteilen, denen es nicht gut geht. Mit meiner ruhigen Art versuche ich keinen zusätzlichen Stress oder Unruhe ins Chaos zu bringen. Es ist wichtig, dass jemand die Ruhe bewahrt, da ohnehin schon viel Chaos herrscht. Meine sanfte Stimme kann manchmal dazu beitragen, dass wir innerlich ruhiger werden, auch wenn es oft Zeit braucht und nicht immer möglich ist.
Ich achte darauf, dass wir regelmäßig zur Therapie gehen und stationäre Aufenthalte in Anspruch nehmen, um unsere psychische Gesundheit zu unterstützen. Viele von uns möchten stabil im Leben stehen und etwas erreichen, daher ist es wichtig die Therapie fortzuführen und nicht abzubrechen. Manchmal sind Anteile kurz davor unüberlegt die Therapie oder stationäre Aufenthalte abrupt zu beenden, was ich für kontraproduktiv halte. Viele andere von uns sehen das genauso. Deshalb versuche ich sicherzustellen, dass dies nicht geschieht und habe es oft geschafft, Anteile mit meiner ruhigen Art davon abzuhalten, unüberlegte Entscheidungen zu treffen und die Therapie einfach zu beenden.
Lisa (22 Jahre):
Ich bin ein Alltagsanteil und übernehme oft die Führung, um notwendige Aufgaben zu erledigen. Allerdings habe ich nicht so viel Kraft wie andere Anteile und brauche häufiger Pausen. Zudem bin ich nicht lange vorne, da mich vieles schnell überfordert. Obwohl ich einige traumatische Erinnerungen habe, erscheinen sie mir weniger schwerwiegend, seit ich von den weiteren Erlebnissen des Körpers weiß. Dennoch fühle ich mich schlecht, dass mich Mobbing-Erfahrungen in der Schule so stark belasten, während andere Anteile weitaus Schlimmeres durchgemacht haben. Dieses ständige Vergleichen mit den anderen Anteilen verstärkt meine Gefühle von Minderwertigkeit, obwohl die Mobbing-Erfahrungen mein Leben genauso erheblich beeinträchtigen.
Mein Name ist Lisa, der nun auch der offizielle Name des Körpers ist. Es hat lange gedauert, bis die Namensänderung durchgesetzt wurde, aber wir sind alle sehr froh darüber. Vorher hatte ich einen anderen Namen, der jedoch bei vielen von uns Flashbacks auslöst und deshalb nicht genannt wird. Ich heiße Lisa, weil ich die Einzige bin, die sich mit dem Aussehen des Körpers identifizieren kann. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich oft vorne bin. Im Gegenteil. Ich bin meist im Inneren.
Dennoch trägt der Körper meinen Namen, weil er mit mir identifiziert wird.
In meiner Freizeit höre ich sehr gerne Musik, da sie mich ablenkt und auf andere Gedanken bringt. Musik ist für mich etwas Besonderes und ich habe eine enge Verbindung zu ihr. Ich schreibe auch gerne eigene Lieder und erfinde Melodien dazu. Es ist einfach wunderschön, Gedanken und Gefühle in Musik auszudrücken. Es macht mir viel Spaß und hilft mir besser mit schwierigen Situationen umzugehen.
Lilly (6 Jahre):
Ich bin auch ein Anteil von unserem Alltag, auch wenn ich nicht immer vorne bin und nicht die großen Sachen machen kann, die die Großen machen. Aber ich bin in der hellen Welt, nicht in der dunklen. Ich bin froh, dass ich in der hellen Welt bin und dass ich keine schlimmen Sachen erlebt habe. Aber die anderen tun mir total leid, die noch in der dunklen Welt sind. Ich finde das schade, dass viele so schlimme Sachen erlebt haben und ich wünschte, es wäre nicht so. Wenn ich könnte, würde ich das alles rückgängig machen.
Eileen (9 Jahre):
Ich bin auch immer mal wieder im Alltag und auch im Alltagssystem. Ich bin noch zu klein und kann vieles noch nicht, was die Großen schon können. Deshalb mache ich jetzt auch nicht so viel im Alltag wie die Großen. Aber es gibt schon Sachen, die ich schon selbstständig machen kann. Wenn ich vorne bin und zum Beispiel sehe, dass gespült werden muss, dann kann ich das machen. Oder wenn die Waschmaschine fertig ist und die Wäsche aufgehängt werden muss,kriege ich das auch hin. Aber so wichtige Alltagsaufgaben, die die Großen machen, kann ich nicht bewältigen. Ich bin aber oft da und kriege sehr vieles mit, was die Großen machen. Aber manchmal bin ich auch gar nicht da und wenn ich nicht da bin, dann weiß ich auch nicht wo ich bin. Ich bin dann, glaube ich, ganz tief im Inneren und habe dann erst wieder Erinnerungen, wenn ich im Hintergrund bin und sehe, was der Vordere macht oder wenn ich ganz vorne bin. Ansonsten spiele ich sehr gerne, und wir haben auch zu Hause viel Spielzeug für uns Kinder, die vorne gerne spielen. Ich habe keine Erinnerungen an Trauma, aber weiß mittlerweile, dass wir schlimme Dinge erlebt haben und dass es vor allem viele jüngere Anteile in uns gibt, die diese schlimmen Erinnerungen an damals haben. Ich habe das aber nicht und bin auch froh drum, weil ich das Gefühl habe, wenn ich vorne bin, wirklich Spaß zu haben. Die anderen, glaube ich, haben gar keinen Spaß oder dürfen keinen haben. Aber mir macht das ein bisschen Angst, dass dem Körper schlimme Dinge passiert sind und dass wir alle so unterschiedlich sind, dass wir nicht alle wissen, was passiert ist. Aber irgendwo ist das, glaube ich, auch wirklich gut, dass wir nicht alle wissen, was passiert ist.
Norah (7 Jahre):
Ich bin aus der dunklen Welt in die helle Welt gekommen. Anfangs hatte ich Angst vor der hellen Welt, weil ich das nicht kannte und es gefährlich fand. Aber eigentlich ist die dunkle Welt gefährlich, nicht die helle Welt. Es ist schwer für mich, das wirklich zu verstehen. Manchmal gehe ich zur Therapie und am Anfang hatte ich Angst bestraft zu werden. Aber das ist gar nicht so und ich lerne langsam, dass unser Körper nicht mehr in Gefahr ist. Ich gehöre nicht zum Alltagssystem, auch wenn ich manchmal dabei bin. Ich kann keine alltäglichen Aufgaben erledigen und nicht aktiv im Alltag sein. Ich habe Angst, wenn ich im Hellen bin und bleibe lieber im Dunkeln. Ich bekomme auch Kopfschmerzen, wenn ich lange bei den Großen im Hintergrund bin und sehe, was sie machen, weil die Helligkeit mir Kopfschmerzen bereitet. Früher war ich immer nur da, wenn es dunkel war. Ich habe schlimme Dinge erlebt, die andere von uns nicht erlebt haben. Es hat lange gedauert, bis ich verstanden habe, dass das, was ich erlebt habe, wirklich schlimm ist. Ich dachte, dass das alles normal ist und dass es in Ordnung ist, wenn man uns Schaden zufügt und gemein zu uns ist. Aber das stimmt nicht, und ich versuche langsam zu lernen, dass das nicht nett ist, was damals mit uns passiert ist.
Liv (Alter unbekannt):
Ich bin immer traurig. Ich habe doofe Sachen erlebt. Ich muss oft schreien und weinen, manchmal weiß ich nicht warum. Mein ganzer Körper tut oft weh, die Schmerzen gehen nicht weg. Lange Zeit war ich in der dunklen Welt, aber dann habe ich auch die helle Welt gesehen. Aber die helle Welt macht mir oft Angst und ich bin weit weg. Manchmal bin ich nicht in der dunklen Welt. Ich bin nicht vorne und wenn ich vorne bin, habe ich Angst und bin zusammengekauert.
Ergänzung: In der hellen Welt leben wir Alltagsanteile, aber auch leben dort Anteile, die nicht wirklich im Alltag aktiv sind. Es ist eine Welt, in der alle Anteile leben, die keine traumatischen Erinnerungen haben, im Gegensatz zur dunklen Welt. In der dunklen Welt leben alle Anteile die Traumatisierungen erlebt haben.
Flip (16 Jahre):
Hey, ich bin der Beschützer im Alltagssystem. Ich bin mega konsequent und emotionslos, das macht es echt schwer, mit mir zu reden. Meistens endet das nur im Streit, weil ich mich einfach nicht in die anderen reinfühlen kann. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass unserem Körper kein Schaden mehr zugefügt wird und wir alle sicher weiterleben können, ohne ständig in Gefahr zu sein. Wenn uns jemand in der Öffentlichkeit angreift oder wir in eine doofe Situation geraten, dann springe ich ein und beschütze uns. In heiklen
Situationen kriegen die anderen das gar nicht mit und das ist auch gut so, denn die sollen nicht wissen, wenn ich eingreifen muss. Mit mir sollte man sich echt nicht anlegen.
Der Körper mag von außen zerbrechlich aussehen und es mag verlockend sein, uns weh zu tun, weil wir schüchterne Anteile haben und weiblich sind, aber wenn ich eingreife, hat niemand mehr was zu lachen. Mich kann man nicht verletzen und ich kann mich super durchsetzen. Ich bin ein echt starker Anteil. Wenn’s sein muss, wehre ich mich und nehme kein Blatt vor den Mund.
Wir sind das Sonnenkind-System. Irgendwann, als viele von uns die Diagnose akzeptieren konnten, haben wir einen passenden Systemnamen für uns gewählt. Es gibt immer noch viele Anteile, die nicht wahrhaben möchten, dass wir viele sind, die wegsehen und die Wahrheit leugnen wollen. Aber wir, die greifbaren Anteile, die im Alltag aktiv sind, können das akzeptieren und fühlen uns mit unserem Systemnamen wirklich wohl. Dieser Name repräsentiert im Grunde genommen unser gesamtes DIS-System.
Wenn es etwas gibt, das wir definitiv gut können, dann ist es funktionieren. Das hat auch jahrelang gut funktioniert, bis wir schließlich komplett zusammengebrochen sind. Wir haben einen Hauptschulabschluss und haben uns damals während der Schulzeit regelmäßig mit Freunden getroffen. Nach der Schule haben wir immer Zeit mit anderen Menschen verbracht. Wir saßen in Menschenmengen, von denen wir heute nur noch träumen können. Manchmal haben wir freitags abends mit einer großen Gruppe gefeiert und Alkohol getrunken. Obwohl einige Anteile Angst haben in der Dunkelheit herumzulaufen, waren wir damals oft in der Dunkelheit unterwegs.
Wir haben damals eine Vielzahl von Unternehmungen unternommen. Wir waren mit Freunden Schlittschuhlaufen, haben den Europapark und das Phantasialand besucht. Wir waren auch auf einer Skifreizeit, bei der wir viele fremde Menschen getroffen haben. Wir waren eigentlich nie alleine und haben es immer genossen, unter Menschen zu sein. Heute ist das alles leider ganz anders. Wir leben sehr zurückgezogen und vermeiden Menschenmengen. Aktuell käme es uns nicht einmal in den Sinn, auf ein Konzert oder eine Freizeit wie damals zu gehen. Damals haben wir es sogar geschafft, auf ein Konzert zu gehen. All diese Unternehmungen fanden laut unserer Erinnerungen mit 16 statt. Aber mit etwa 20 Jahren hörte das alles plötzlich komplett auf und wir brachen zusammen. Heute ist uns klar, warum das so ist und warum wir damals so viel machen konnten, aber jetzt nicht mehr. Wir waren einfach sehr gut darin, zu funktionieren. Aber irgendwann endet dieses Funktionieren, denn es funktioniert nicht ein Leben lang, sondern hat eine begrenzte Dauer und irgendwann bricht alles zusammen.
Vielleicht hast du schon einmal ein schwieriges Ereignis erlebt und wolltest mit niemandem darüber sprechen, sondern es allein bewältigen. Es hat dich enorm belastet und du hast versucht, dich abzulenken und so zu tun, als ob nichts wäre. Aber dieses schwierige Ereignis taucht immer wieder in deinem Kopf auf und du versuchst, es zu verdrängen und zu verstecken, damit es keiner bemerkt. Unsere Erfahrung zeigt, dass dieses Funktionieren auf Dauer nicht funktioniert. Irgendwann kommt alles doppelt und dreifach zurück und man hält es nicht mehr aus. Es ist besser, sich in solchen Momenten direkt jemandem anzuvertrauen, damit man nicht so lange allein damit kämpfen muss und die Gefahr vermeidet, dass durch das Verdrängen alles nur noch schlimmer wird.
Inzwischen haben viele von uns verstanden, dass wir damals einfach nur funktioniert haben. Dennoch ist es für viele von uns frustrierend, dass wir all das, was wir früher anscheinend konnten, jetzt nicht mehr können. Viele von uns sind in Therapie und haben den Ehrgeiz, voranzukommen. Wir möchten stabil im Leben stehen und etwas erreichen. Viele von uns haben den Traum, irgendwann auch anderen Menschen helfen zu können, indem wir etwas im sozialen Bereich lernen. Und wir glauben wirklich daran, dass wir das schaffen können. Wir arbeiten hart an uns selbst, mit intensiver Therapie und der Unterstützung von anderen Menschen. Wir haben die Kraft und den Ehrgeiz, stabil und fest im Leben zu stehen. Alles, was wir brauchen, ist etwas mehr Geduld mit uns selbst. Viele von uns setzen sich enorm unter Druck, aber wir müssen begreifen, dass Therapie ein Prozess ist und dass es lange dauert.
Bevor ich jedoch tiefer einsteige, möchte ich noch einmal genauer erklären, was eine Dissoziative Identitätsstörung (DIS) ist und wie sie sich anfühlt. DIS bedeutet, dass mehrere Identitäten denselben Körper teilen, wobei jede abwechselnd die Kontrolle übernimmt und Einfluss auf Gedanken, Handlungen und Gefühle hat. Diese Identitäten leben oftmals isoliert voneinander und nehmen voneinander kaum Notiz. Es fühlt sich an, als würden viele verschiedene Menschen einen Körper bewohnen, da jede Identität ihre einzigartigen Fähigkeiten und Vorlieben hat – die eine kann zeichnen, eine andere Klavier spielen, wieder eine andere kocht, während bei der nächsten das Essen regelmäßig versalzen ist. Viele von uns können sich nicht mit dem Körper identifizieren, da wir uns innerlich komplett unterschiedlich wahrnehmen. Wenn ich “vorne” bin, fühle ich mich fremd, da mein inneres Bild nicht mit dem äußeren Erscheinungsbild übereinstimmt. Ich meide Spiegel, da der Anblick für mich befremdlich ist und ich mich nicht wiedererkenne. Selbst unsere Stimmen können variieren, was bei einer DIS nicht ungewöhnlich ist. In unserer Welt kann einfach alles anders sein.
Vielfältig und bunt, ein Haufen voller Leben, in uns wohnen viele, niemals allein daneben. Im Inneren kommunizieren sie miteinander. es ist laut und wild, sowohl innen als auch draußen, ohne Wunder.
Wir sind so verschieden, als wären wir fremde Wesen, mit unterschiedlichen Fähigkeiten, Talenten, Schwächen, ganz gewesen. Unsere Erscheinung ist vielfältig, wie ein kunterbuntes Gemälde. Einige können sich im Inneren sehen, obwohl sie im Spiegel verweilen.
Der Körper ist uns fremd, wir können uns nicht darin finden. Viele meiden den Blick, um sich nicht zu binden. Doch trotz der Unterschiede sind wir stark und vereint. Ein Haufen voller Menschen, der in uns gemeinsam scheint.
Die dissoziative Identitätsstörung (DIS), früher bekannt als multiple Persönlichkeitsstörung, ist eine komplexe psychische Störung, die durch das Vorhandensein von zwei oder mehr unterschiedlichen Identitäten oder Persönlichkeitsebenen gekennzeichnet ist. Der Unterschied zwischen einer partiellen und einer kompletten dissoziativen Identitätsstörung lässt sich wie folgt erklären:
Partielle Dissoziative Identitätsstörung (DIS):
Bei der partiellen Form treten die alternativen Identitäten oder Persönlichkeitszustände nur zeitweise und in bestimmten Kontexten auf.
Die betroffene Person hat meist eine dominante Hauptidentität und die anderen Identitäten beeinflussen das Verhalten und Erleben nur in bestimmten Situationen.
Die Übergänge zwischen den Identitäten sind weniger ausgeprägt und die betroffene Person hat oft eine kontinuierliche Erinnerung an Ereignisse, auch wenn sie in einem anderen Zustand war.
Komplette Dissoziative Identitätsstörung (DIS):
Bei der kompletten Form gibt es mehrere, klar voneinander getrennte Identitäten, die jeweils ihre eigenen Muster im Denken, Fühlen und Verhalten haben.
Die verschiedenen Identitäten können völlig unabhängig voneinander agieren und sich unterschiedlich verhalten, als ob sie eigenständige Personen wären.
Die Übergänge zwischen den Identitäten sind oft abrupt und es kann zu signifikanten Gedächtnislücken kommen, da die Person sich nicht an Ereignisse erinnern kann, die in einem anderen Zustand passiert sind.
Bei einer partiellen Dissoziativen Identitätsstörung treten weitaus weniger oder gar keine Amnesien auf. Die Betroffenen können sich untereinander besser abstimmen und die innere Kommunikation ist effizienter als bei Menschen mit einer kompletten Dissoziativen Identitätsstörung, welche bei uns vorliegt. In unserem Fall nehmen wir nur sehr wenig voneinander wahr und erst durch die Therapie ist es uns gelungen, zumindest ansatzweise eine kleine Kommunikation aufzubauen. Vorher war dies absolut nicht möglich. Wir leben komplett getrennt und sind so stark abgespalten, dass wir eigentlich nie etwas voneinander mitbekommen. Oftmals ergeben sich für uns Dinge erst im Nachhinein und das auch nur, wenn der jeweilige Anteil, der vorne war, es schafft mit uns zu kommunizieren. Die Kommunikation ist bei uns ein großes Thema und es war sehr schwer überhaupt eine Kommunikation zu etablieren. Es ist immer noch schwierig, weil wir bei weitem nicht alle Anteile kennen und nicht jeder Anteil mit jedem kommunizieren kann. Ein großer Unterschied besteht in den extremen Gedächtnislücken, die wir im Alltag haben, Menschen mit einer partiellen Dissoziativen Identitätsstörung jedoch nicht oder nur viel geringer ausgeprägt erleben. Wir kennen eine andere Betroffene mit einer partiellen Dissoziativen Identitätsstörung, die immer weiß, was passiert ist und auf alle ihre Anteile zugreifen kann. Auch wenn die Kommunikation bei ihr nicht immer freundlich und sehr kräftezehrend ist, ist es möglich, dass sich alle im Inneren unterhalten und einander kennen. Sie kann alle ihre Anteile mit Namen und Alter benennen und kennt deren Vorlieben, Bedürfnisse und Schwierigkeiten. Sie hat eine Hauptperson, die den Alltag bewältigt.
Das ist ebenfalls typisch für eine partielle Dissoziative Identitätsstörung: Es gibt einen dominanten Hauptanteil, der für die Alltagsaufgaben zuständig ist, während die anderen Anteile eher im Hintergrund bleiben und ab und zu nach vorne kommen, jedoch nicht die Hauptkontrolle über den Körper übernehmen. Das ist ein großer Unterschied zu uns mit einer kompletten Dissoziativen Identitätsstörung. Wir kennen nicht alle Anteile und können sie auch nicht alle vorstellen. Manchmal ist jemand vorne, der gar nicht weiß, wer er ist, wie er heißt oder wie alt er ist. Wir haben ein komplettes Alltagssystem, aber selbst wir sind oft voneinander getrennt und bekommen nicht alles voneinander mit. Mehrere Anteile bewältigen den Alltag und sind aktiv, aber auch außerhalb der Alltagsanteile
übernehmen immer wieder Anteile die Kontrolle, die wir gar nicht kennen. Durch den Austausch mit einer Person mit partieller Dissoziativen Identitätsstörung wissen wir, dass sie die Switches untereinander besser beeinflussen kann. Sie kann zwar nicht immer steuern, wer da ist, jedoch kennt sie bestimmte Triggerpunkte und kann versuchen, diesen aus dem Weg zu gehen.
Zum Beispiel könnte ein Innenkind nach vorne kommen, wenn ein großer Anteil in ein Spielzeuggeschäft geht. Sie kann das im Großen und Ganzen beeinflussen und schafft es als Hauptanteil, den Alltag gut zu bewältigen, ohne dass jemand im Inneren plötzlich die Kontrolle übernimmt. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Bei uns ist das undenkbar. Wir können weder Triggerpunkte umgehen noch die Switches beeinflussen. Wir kennen noch nicht einmal alle Triggerpunkte und das scheint auch unmöglich zu sein. Es switcht, wenn es switcht, ohne dass wir es irgendwie beeinflussen können.
Zusammenfassend würde ich sagen, dass die partielle Form der DIS durch weniger ausgeprägte und seltener auftretende Identitätswechsel gekennzeichnet ist, während die komplette Form durch häufigere und deutlichere Wechsel der Identitäten gekennzeichnet ist, die oft mit Gedächtnisverlust verbunden sind.
Quelle:https://icd.who.int/browse11/l-m/en-
Artikel: 6B64 und 6B65
Einige von uns ahnten bereits, dass etwas nicht stimmte, während andere im Unklaren waren. Mittlerweile ist es uns möglich, uns auszutauschen und Erfahrungen zu teilen. Nicht alle haben die gleichen Erfahrungen gemacht oder Erinnerungen, die bis in die frühe Kindheit zurückreichen. Unser Alltag war sich dessen unbewusst, was in unserer Kindheit geschah. Wir erhielten Einblicke lediglich durch die Berichte einzelner Persönlichkeitsanteile. Vor der Diagnose lebten wir in Unsicherheit, blieben unauffällig und funktionierten einfach – eine Bewältigungsstrategie, die erstaunlich effektiv war. Uns fehlte eine Bezugsperson, jemand, der uns Halt und Liebe gab. Wir verstanden nicht, was mit uns los war und viele von uns hielten die erlittenen Traumata fälschlicherweise für normal. Jetzt werdet ihr Einblicke in die Meinungen und Perspektiven verschiedener Persönlichkeitsanteile bekommen. Dies möglich zu machen, war ein langwieriger und komplexer Prozess. Um euch diese Inhalte verständlich zu machen, wurde alles hier Beschriebene schrittweise erarbeitet. Die Gefühle und Wahrnehmungen, die vor der Diagnose verborgen waren, kamen erst durch intensive Selbstreflexion und seit der Diagnose zum Vorschein. Denn erst mit der Diagnose begannen wir zu verstehen, was mit uns ist, hörten auf, im Dunkeln zu tappen und unternahmen Schritte, um untereinander zu kommunizieren und die Puzzleteile unseres Lebens zusammenzufügen.
Allerdings gibt es auch viele Anteile von uns, die die Diagnose als gefährlich erachteten, da sie das Gefühl hatten, dadurch als auffällig zu gelten. Einige von uns leugnen die Diagnose bis heute und haben sie auch damals als Verdachtsdiagnose vehement abgelehnt, weil sie überzeugt waren, keine Traumatisierungen erlebt zu haben. Unsere unterschiedlichen Erinnerungen führen dazu, dass manche von uns keinerlei negative Erlebnisse haben und sogar positive Erfahrungen mit den Tätern verbinden, was das Verständnis für traumatische Erfahrungen erschwert.
Einige Anteile blockieren jegliche Hilfe, da sie der Meinung sind, diese sei unnötig oder gefährlich. Es gibt auch Anteile, die bestimmte Themen nicht angesprochen haben und die Täter schützen wollen. Dies führt dazu, dass in Therapiesitzungen oft geschwiegen wird, wenn ein anderer Anteil im Inneren das Sprechen hindert. Bis vor etwa einem Jahr war Therapie schwierig besonders im stationären Setting, bei welchem wir in vielen verschiedenen Kliniken waren, und unterschiedliche Diagnosen erhielten. Einmal bekamen wir die Borderline-Diagnose und es gab keinen Widerstand dagegen.
Einige Anteile wussten schon immer, dass wir viele sind, und wollten verhindern, dass diese Information herauskommt. Die falschen Diagnosen waren für diese Anteile hilfreich, da sie so das Gefühl vermeiden konnten, erwischt worden zu sein. Hauptsächlich die im Alltag funktionierenden Anteile konnten sich mit den Diagnosen und dem Schwerbehindertenausweis von 100% nicht identifizieren, weil es sich falsch anfühlte. Vor unserer Diagnose waren die stationären Aufenthalte für uns sehr unterschiedlich, mit geteilten Empfindungen.
Auch heute, mit der festen Diagnose, leugnen einige Anteile diese und versuchen, sie zurückzuziehen, indem sie behaupten, allein im Körper zu sein. In einer Klinik kam die Wahrheit nach und nach ans Licht und wir erhielten die Verdachtsdiagnose. Dies führte zu Panik im Inneren, da einige Anteile sich erwischt fühlten und das Verborgene nicht an die Oberfläche geraten sollte. Trotz innerem Wissen leugnen einige Anteile die Diagnose, während andere sie aufgrund ihrer positiven Erinnerungen nicht glauben können.
Es war sehr schwierig, als diese Verdachtsdiagnose plötzlich im Raum stand, aber wir funktionierten weiterhin gut im Alltag, auch wenn wir uns mehr zurückzogen. Wir fühlten uns von inneren Anteilen beeinflusst, was dazu führte, dass wir in der Therapie eher oberflächliche Themen besprachen. Dennoch gab es Anteile, die reden wollten, was manchmal zu Gesprächen führte, was oft von anderen Anteilen unterbrochen wurde, wir plötzlich schweigend in der Therapiesitzung saßen und gar nicht mehr sprechen konnten.
Irgendwann versuchte die Mehrheit, sich mit der Diagnose abzufinden, obwohl es immer noch Anteile gibt, die die Therapie behindern. Beim zweiten Aufenthalt in derselben Klinik war es zumindest möglich, teilweise über die Problematiken zu sprechen und sich mit der Diagnose der Dissoziativen Identitätsstörung auseinanderzusetzen. Richtige Therapie war jedoch immer noch schwierig, da viele Anteile verhinderten, dass bestimmte Themen angesprochen wurden. In jeder Therapiesitzung ging es hauptsächlich darum, was besprochen werden darf und was nicht, was oft zu der Erkenntnis führte, dass nichts wirklich angesprochen werden darf.
Erst vor kurzem, bei unserem letzten Aufenthalt, war es möglich tiefgehende Gespräche zu führen. Anteile öffneten sich und erzählten. Obwohl noch lange nicht alles erzählt werden darf, können mittlerweile viele Themen angesprochen werden. Ein großer Fortschritt.
Svetlana (25 Jahre): Ich bin ein paar Jahre älter als der Körper, nämlich 25 Jahre alt. Meine Erinnerungen setzen jedoch erst ein, als der Körper 16 Jahre alt war. Ich kann mich nicht an die traumatischen Ereignisse erinnern, und das gilt eigentlich für alle Anteile, die im Alltag präsent sind. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, ob etwas mit uns nicht stimmen könnte oder nicht. Ich erinnere mich daran, dass man uns oft als dumm und behindert bezeichnet hat, aber ich habe das nie so empfunden oder daran geglaubt. Ich wusste, dass ich stark bin und den Menschen zeigen muss, wie stark ich wirklich bin. Es fällt mir schwer zu sagen, wie sich alles vor der Diagnose angefühlt hat. Es war normal für uns, weil wir es nicht anders kannten.
Lisa (22Jahre): Mit einem Körperalter von 19 Jahren habe ich endlich gemerkt, dass etwas nicht stimmt, da ich das Gefühl hatte komplett zusammenzubrechen. Schon immer war mir bewusst, dass ich sehr vergesslich bin, und habe das auf meine geistige Behinderung geschoben. Niemals hätte ich erwartet, dass dahinter eine Dissoziative Identitätsstörung (DIS) steckt. Anfangs konnte ich das auch gar nicht glauben und habe es verleugnet. Vor der Diagnose funktionierte ich einfach, bewältigte meinen Alltag und versuchte sogar eine Ausbildung zu beginnen, die ich leider abbrechen musste, da es psychisch nicht mehr machbar war. Ich dachte, ich bin die Hauptperson, da ich viele Dinge im Alltag erledigt habe und immer noch erledige. Heute ist mir klar, dass dem nicht so ist und dass die Vergesslichkeit daher rührt, dass es mehrere Anteile gibt, die gemeinsam mit mir die Alltagsaufgaben erledigen. Seit der Diagnose ist es nun möglich, im Inneren zu kommunizieren. Mal mehr, mal weniger, und manchmal ist es ziemlich blöd, wenn wichtige Informationen nicht ausgetauscht werden können.
Eileen (9Jahre): Ich war allein. Keiner war da. Ich habe viel geweint und mich nicht gehört gefühlt. Ich hatte Angst und fand es komisch, dass ich mich so klein fühle, während mein Körper viel größer und älter ist als ich. Heute ist das anders, da die Erwachsenen versucht haben, mir zu erklären, was mit uns los ist und dass es viele von uns gibt. Ich kann zwar immer noch nicht mit Kindern in meinem Alter spielen, was ich mir immer gewünscht habe, aber ich kann mit den anderen Innenkinder spielen, mit denen ich mich gut verstehe. Wir können gemeinsam malen und manchmal machen wir auch gemeinsam etwas im Außen, indem ich male und ein anderes Innenkind im Nachhinein auch etwas darauf malt. Auf jeden Fall darf ich jetzt da sein und wir haben zu Hause ganz viel Spielzeug, sodass ich manchmal spielen kann und mich nicht mehr einsam und allein fühle.
In der Dunkelheit irrten wir lange Zeit herum, unsicher, was mit uns geschieht, wir waren stumm. Doch mit 16 Jahren, aus Gefahren wir entflohen, bemerkten wir, dass mit uns etwas anders war, geworden.
Auffällige Lücken fielen uns auf, sie regten uns zum Nachdenken an, darauf. Doch wir glaubten nur, dass wir vergesslich sind, vielleicht geistig nicht auf dem neuesten Stand, geschwind.
Wir sprachen mit niemandem darüber, aus Angst, Verrückt erklärt zu werden, war uns nicht bang. Verzweifelt und überfordert waren wir mit uns selbst, ohne Hilfe fühlten wir uns wie im dunklen Gewölb.
Doch seit der Diagnose hat sich viel verändert, wir tappen nicht mehr im Dunklen, sind nicht mehr verwirrt. Wir wissen nun, was mit uns los ist, das ist klar, und setzen uns intensiv mit uns selbst auseinander.
Positive Schritte gehen wir in der Therapie nun, seit der Diagnose haben wir viel gewonnen. Die Dunkelheit hat der Klarheit Platz gemacht, wir gehen voran, sind stark und voller Kraft.
Die Kommunikation gestaltet sich sowohl intern als auch extern als recht herausfordernd. Im Inneren herrscht leider oft keine angemessene und vernünftige Kommunikation. Manchmal gelingt es uns, respektvoll miteinander zu kommunizieren, aber häufig kommt es zu Auseinandersetzungen. Einige von uns fühlen sich gefangen, weil sie sich im falschen Körper befinden. Wir können nicht einfach fliehen oder verschwinden. Besonders für den vorderen Anteil ist die Kommunikation mit anderen Menschen schwierig, da im Inneren alles bewertet wird. Nicht alle sind im Hintergrund, wenn der vordere Anteil aktiv ist. Jeder von uns hat unterschiedlichen Zugriff oder auch keinen Zugriff auf das Geschehen. Wenn ich zum Beispiel der vordere Anteil bin und andere Anteile im Hintergrund mitbekommen, was ich tue, kommt es oft zu negativen Äußerungen wie: „Du kannst das doch nicht so machen, das ist dumm von dir. Ich würde es anders machen. Bist du bescheuert?“ Es gibt natürlich viele Anteile, die in bestimmten Situationen anders handeln würden als ich. Das ist verständlich, da wir alle unterschiedlich sind. Aber für viele ist es schwierig, in einem Körper zu sein, der von so vielen verschiedenen Anteilen bewohnt wird. Wir müssen akzeptieren, dass wir nicht drum herumkommen. Mein Ziel und das vieler anderer ist es, uns gegenseitig zu akzeptieren und jedem zu erlauben, sein Leben so zu leben, wie er möchte, ohne dass alles im Inneren bewertet wird. Die Kommunikation ist ein ständiges Chaos und ein permanenter Kampf im Inneren. Aber auch nach außen hin gestaltet sich die Kommunikation als schwierig, obwohl wir gut darin sind, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Wir haben keine andere Wahl, wir sind es gewohnt, aber es ist dennoch anstrengend. Wenn wir Gespräche führen, gibt es oft Anteile im Hintergrund, die mitreden möchten, Einwände haben und natürlich auch bewerten. Oft wird behauptet, dass der vordere Anteil sich falsch verhält oder etwas Falsches sagt, weil der jeweilige Anteil in dem Moment etwas anderes gesagt hätte.
Natürlich stehen auch wir, wie alle anderen Menschen auf der Welt, vor Entscheidungsprozessen. Dabei gibt es sowohl kleinere als auch größere Entscheidungen, die im Leben getroffen werden müssen. Unter den kleineren Entscheidungen verstehen wir zum Beispiel, was wir morgens anziehen möchten oder was wir zum Frühstück essen wollen. Größere Entscheidungen könnten sein, wo wir unsere Ausbildung machen möchten oder welche Unterstützungsmöglichkeiten wir für uns als gut erachten. Sowohl bei uns als auch bei allen anderen Menschen gibt es eine Vielzahl von größeren und kleineren Entscheidungen. Allerdings haben wir das Problem, dass wir keine einzige gefestigte Persönlichkeit haben und es uns daher unglaublich schwerfällt, Entscheidungen zu treffen. Aufgrund der unterschiedlichen Meinungen der Anteile würden verschiedene Entscheidungen getroffen werden. Das ist jedoch nicht möglich, da wir uns alle einen Körper teilen. Sobald eine Entscheidung ansteht, herrscht absolutes Chaos in uns, ähnlich wie bei vielen anderen Dingen. Wir als Alltagssystem versuchen oft, realistisch abzuwägen und Pro- und Contra-Listen zu erstellen, um eine gute Entscheidung für uns alle zu finden. Doch oft gestaltet sich das enorm schwierig, insbesondere bei größeren Entscheidungen. Es ist ein Kampf in uns und wir haben festgestellt, dass bei Entscheidungen oft ein starker Anteil eingreift und einfach das tut, was er für richtig hält, ohne es mit den anderen wirklich zu kommunizieren. Die richtige Entscheidungsfindung ist derzeit so schwierig, dass wir noch nicht alle auf einen Nenner kommen und in ständiger Ambivalenz leben. Das bedeutet, dass Entscheidungen oft im Sande verlaufen und keine Entscheidung getroffen wird, bis jemand anderes von uns die Kraft hat und es einfach tut. Wie bereits erwähnt, gibt es auch im Alltag kleinere Entscheidungen, die getroffen werden müssen, die für andere Menschen vielleicht völlig normal und alltäglich erscheinen. Es beginnt morgens, wenn der Körper aufwacht und sich fertig machen möchte. Dabei ist es nicht immer dieselbe Person, die morgens aufwacht, und wir haben versucht, uns darauf zu einigen, dass der vordere Anteil einfach das anzieht, was er möchte, ohne dass dies im Inneren boykottiert wird. Nun, das funktioniert nicht ganz so reibungslos, da auch hier alles kommentiert und bewertet wird. Wenn ich jetzt aufstehe, würde ich mich am liebsten schminken, da ich gerne gut aussehe und mich schön fühlen möchte, während andere innere Anteile das eklig finden und das Gefühl von Make-up auf der Haut nicht mögen. Es gibt auch männliche Anteile, die das als uncool empfinden. Manchmal habe ich Glück und kann mich trotzdem so schminken und kleiden, wie ich möchte, aber oft werde ich im Inneren von anderen Anteilen so beeinflusst, dass ich letztendlich in irgendeinem schlabberigen Outfit herumlaufe.
Interessenskonflikte: Da jeder Anteil innerhalb unseres Systems unterschiedliche Interessen, Fähigkeiten und Talente hat, ist esschwierig, Entscheidungen zu treffen, die allen gerecht werden. Interessenkonflikte führen zu Unsicherheit oder Konfusion.
Kommunikationsprobleme: Die Kommunikation zwischen den verschiedenen Anteilen innerhalb unseres Systems ist herausfordernd. Da jeder Anteil seine eigenen Vorlieben und Meinungen hat, ist es schwierig, Konsens zu finden und eine gemeinsame Entscheidung zu treffen.
Verantwortlichkeiten: Die Übernahme von Verantwortung für Entscheidungen ist schwierig, insbesondere wenn sich die Anteile innerhalb unseres Systems nicht bewusst sind oder keine Kenntnis von den Entscheidungen der anderen Anteile haben. Dies führt zu Unsicherheit und Schuldgefühlen.
Zeit- und Energiemanagement: Da jeder Anteil seine eigenen Prioritäten hat, ist es schwierig für uns, Entscheidungen zu treffen. Die Notwendigkeit, Ressourcen aufzuteilen und Prioritäten zu setzen, führt zu Stress und Überlastung.
Zweifel und Unsicherheit: Aufgrund der Vielzahl von Anteilen und Entscheidungen kommt es häufig zu Zweifeln und Unsicherheit. Es ist herausfordernd, sich auf eine bestimmte Entscheidung festzulegen und sich sicher zu fühlen, dass es die richtige Wahl gewesen ist.
Externalisierung von Entscheidungen: Manchmal ist es für uns einfacher, Entscheidungen an externe Personen oder Autoritäten abzugeben, anstatt sie intern zu treffen.
Selbstreflexion: Wir haben versucht, uns selbst besser zu verstehen und die Meinungen und Bedürfnisse der verschiedenen Anteile zu erkennen. Obwohl dies zu einer gewissen Einsicht in unsere inneren Konflikte geführt hat, haben wir immer noch Schwierigkeiten, unsere Unsicherheiten bei der Entscheidungsfindung zu überwinden.
Innere Integration: Wir bemühen uns, die verschiedenen Anteile zu integrieren und gemeinsame Ziele zu entwickeln.
Emotionsmanagement: Wir haben versucht, den Umgang mit den starken Emotionen, die mit den verschiedenen Anteilen verbunden sind, zu verbessern. Obwohl wir gelernt haben, diese Emotionen besser zu kontrollieren, beeinträchtigen sie immer noch unsere Entscheidungsfindung und machen sie herausfordernd.
Innere Dialoge: Wir haben versucht, einen konstruktiven Dialog zwischen den verschiedenen Anteilen herzustellen. Trotz dieser Bemühungen bleiben unsere inneren Dialoge oft uneinheitlich und es fällt uns schwer, Kompromisse zu finden, die für alle Beteiligten akzeptabel sind.
Klarheit schaffen: Wir haben versucht, klare Kriterien für unsere Entscheidungen festzulegen, und schreiben dies immer auf.
Obwohl wir bestimmte Ansätze zur Entscheidungsfindung angewendet haben, stehen wir immer noch vor enormen Schwierigkeiten bei der Bewältigung der Entscheidungsfindung. Unsere Bemühungen haben bisher nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht und wir suchen weiterhin nach effektiven Methoden, um diese Herausforderungen zu bewältigen.
Auch unsere Therapiesitzungen gestalten sich oft als Herausforderung. Es fällt uns schwer, uns auf ein bestimmtes Thema für die Sitzung zu einigen. Wenn der Therapeut fragt, wer gerade Redebedarf hat oder wenn wir ein bestimmtes Thema diskutieren und gefragt wird, wie andere Anteile dazu stehen, entsteht oft absolutes Chaos. Alle reden durcheinander und es fällt schwer, zu verstehen, was im Inneren vor sich geht. Jeder möchte unterschiedliche Themen ansprechen oder es gibt Meinungsverschiedenheiten zwischen den Anteilen. Es ist klar, dass nicht allen Anteilen in den Sitzungen gerecht werden kann, aber viele fühlen sich zurückgewiesen, wenn sie nicht präsent sein können. Besonders für die jüngeren Anteile ist das besonders schwierig, da sie oft noch kein Verständnis für die Therapie haben. Wir möchten gerne eine Situation schildern, die wir vor einiger Zeit erlebt haben.
Nach und nach öffnen sich Anteile aus der dunklen Welt und kommen zu uns ins Alltagssystem. Für uns, die den Alltag managen, ist das nicht einfach, da wir mit Erfahrungen aus der Vergangenheit konfrontiert werden, die wir nicht zuordnen können, da andere Anteile diese gemacht haben. In der dunklen Welt gibt es viele jüngere Innenkinder, die traumatische Erfahrungen gemacht haben. Eine davon, sieben Jahre alt, hat es geschafft, sich in der Therapie zu öffnen. Mit viel Kraft hat sie dem Therapeuten einige Dinge erzählt, die in der Vergangenheit passiert sind. Dieser Prozess war stationär. Nun wird sie auch bei uns immer präsenter, wir sehen und spüren ihr Leid, können ihr aber nicht richtig helfen. Auch wir im Alltagssystem und viele andere haben Bedarf an Therapie und das war für das Innenkind sehr schwer zu akzeptieren. Sie fühlte sich zurückgewiesen. Dann kam die Situation, als die Therapeutin im Urlaub war. Für uns Erwachsene ist es klar, dass sie unsere Therapeutin ist und dass sie auch Urlaub hat. Für das Innenkind ist es jedoch sehr schwer zu verstehen. Es denkt nur: „Gerade habe ich mich geöffnet und jetzt verschwindet die Person.“
Schwierigkeiten beim Ausdruck von Emotionen: Innerhalb unseres Systems haben verschiedene Anteile Schwierigkeiten, ihre Emotionen offen auszudrücken. Einige Anteile sind ängstlich und trauen sich nicht, ihre Gefühle zu zeigen, während andere Schwierigkeiten haben, ihre Emotionen zu erkennen oder zu verbalisieren.
Herausforderungen bei der Koordination und Zusammenarbeit der Anteile: Wenn es darum geht, sich auf ein bestimmtes Thema für die Therapiesitzung zu einigen oder verschiedene Meinungen und Bedürfnisse der Anteile zu berücksichtigen, kommt es häufig zu Konflikten und innerem Chaos. Die Kommunikation zwischen den Anteilen gerät durcheinander, was es schwierig macht einen Konsens zu finden und zu verstehen, was im Inneren unseres Systems vor sich geht.
Schwierigkeiten bei der Integration von traumatischen Erfahrungen: Innerhalb unseres Systems haben verschiedene Anteile traumatische Erfahrungen gemacht. Die Kommunikation über diese Erfahrungen und ihre Auswirkungen ist herausfordernd, insbesondere wenn es Meinungsverschiedenheiten oder Widerstand innerhalb des Systems gibt.
Schaffung einer sicheren und unterstützenden therapeutischen Umgebung: Es ist wichtig eine Atmosphäre zu schaffen, in der jeder einzelner Anteil sich sicher fühlt seine Gedanken und Gefühle zu teilen. Die Therapeutin kann eine verständnisvolle und nicht wertende Haltung einnehmen, um Vertrauen aufzubauen und die Kommunikation zu erleichtern.
Nutzung von kreativen Ausdrucksformen: Einige Anteile benutzen, um leichter über ihre Gefühle und Erfahrungen zu sprechen, alternative Ausdrucksformen wie Kunst, Musik oder Schreiben. Dies hilft uns manchmal, damit wir uns besser ausdrücken können.
Integrationstechniken und Zusammenarbeit der Anteile: Wir haben versucht Techniken zu verwenden, um die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Anteilen zu fördern. Dies beinhalten, dass die Anteile lernen, miteinander zu kommunizieren, ihre Bedürfnisse auszudrücken und gemeinsame Ziele zu identifizieren.
Im letzten Teil dieses Kapitels möchte ich gerne auf die äußere Kommunikation eingehen. Viele von uns haben Schwierigkeiten, Gespräche zu verfolgen und anschließend grob wiederzugeben, worum es ging. Dies liegt daran, dass wir nicht nur das äußere Gespräch wahrnehmen, sondern auch das innere Gespräch in unserem Kopf führen. Es ist ähnlich wie Multitasking, da wir im Inneren oft andere Gespräche führen als im Äußeren. Oft haben verschiedene Anteile von uns Einwände zu den Dingen, die im äußeren Gespräch besprochen werden.
Nehmen wir ein einfaches Beispiel einer Verabredung. Einer von uns schreibt unserer Freundin, ob wir uns noch einmal treffen möchten. Die Freundin antwortet mit einem Ja und fragt uns, was wir gerne machen würden. An diesem Punkt beginnt bereits eine große Diskussion. Ein Anteil von uns möchte vielleicht etwas Ruhigeres machen und würde der Freundin gerne vorschlagen, einen Spaziergang zu machen und anschließend kurz an der Eisdiele vorbeizuschauen. Im Inneren wird dies kommentiert und boykottiert, da es Anteile von uns gibt, die lieber andere Dinge mit der Freundin unternehmen möchten, wie zum Beispiel auf Partys gehen, ins Museum, in den Zoo oder sonst wohin. Es gestaltet sich also schwierig, zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen, und es kommt selten vor, dass alle mit der getroffenen Entscheidung zufrieden sind. Oft merken viele von uns auch, dass die Menschen im Außen durch unsere Vergesslichkeit und das häufige Nachfragen irritiert sind. Die Informationen kommen nicht immer bei allen an und der Informationsaustausch gestaltet sich derzeit noch schwierig. Es gibt jedoch einige von uns, die Experten darin sind, dies nicht wirklich zu zeigen. Während eines Gesprächs wechseln wir auch oft zu verschiedenen anderen Anteilen und diese Wechsel können wir nicht kontrollieren. Manchmal gibt es Situationen, in denen ein Anteil von uns wirklich verwirrt ist und tatsächlich nicht weiß, worum es in dem Gespräch ging. Diese Verwirrung ist dann offensichtlich und der Anteil muss erklären, was los ist und das Gegenüber sollte im besten Fall erklären, worum es gerade in diesem Gespräch geht. Aber oft schaffen wir es, Gespräche, von denen wir wenig Ahnung haben, dennoch weiterzuführen, ohne dass es groß auffällt.
Interne Ablenkung: Wenn wir mit Außenstehenden kommunizieren, haben wir oft viele Anteile, die im Inneren durcheinander sprechen. Das erschwert es uns, uns auf das Gespräch zu konzentrieren und kann zu Ablenkung führen.
Inkonsistente Antworten: Da verschiedene Anteile unterschiedliche Meinungen und Einwände haben, kommt es bei uns oft zu Inkonsistenzen in unseren Antworten. Wir müssen oft zwischen den verschiedenen Standpunkten vermitteln, was zu Verwirrung und Unsicherheit im Inneren führt.
Unterbrechungen: Unsere Anteile im Inneren haben oft Einwände gegen das Verhalten des vorderen Anteils und versuchen, das Gespräch zu unterbrechen oder die Kontrolle zu übernehmen. Dadurch kommt es bei uns zu unvorhersehbaren Unterbrechungen oder Störungen in der Kommunikation.
Multitasking: Als vorderer Anteil sind wir gezwungen, gleichzeitig mit den Anteilen im Inneren zu interagieren und das Gespräch mit Außenstehenden zu führen. Das erfordert von uns ein hohes Maß an Multitasking-Fähigkeiten und führt oft zu Überlastung und Erschöpfung.
Missverständnisse: Aufgrund der vielen Stimmen im Inneren und der möglichen Einwände kommt es bei uns oft zu Missverständnissen in der Kommunikation. Die Botschaften können verzerrt oder falsch interpretiert werden, was zu Konflikten oder Verwirrung führt.
Schwierigkeiten beim Zuhören: Unsere internen Anteile sprechen oft durcheinander, was es uns schwer macht, den Gesprächen mit Außenstehenden aufmerksam zuzuhören. Unsere Aufmerksamkeit ist oft auf die internen Stimmen gerichtet, was zu Schwierigkeiten beim Verstehen und Reagieren auf externe Informationen führt.
Emotionale Belastung: Die Kommunikation mit Außenstehenden ist für uns oft emotional belastend, besonders wenn unsere internen Anteile Einwände haben oder unzufrieden sind. Dies führt bei uns oft zu Stress, Angst oder Frustration, was sich negativ auf unsere Kommunikation auswirkt.
Wir haben bereits verschiedene Ansätze ausprobiert, um die Kommunikation im Äußeren einfacher zu gestalten. Wir haben festgestellt, dass diese uns helfen können, Fortschritte zu machen.
Klarheit und Struktur: Wir haben versucht, unsere Gedanken und Ideen klar und strukturiert auszudrücken. Indem wir unsere Aussagen präzise formulieren und uns an eine logische Reihenfolge halten, können wir die Verständlichkeit verbessern.
Aktives Zuhören: Wir bemühen uns, uns aktiv darauf zu konzentrieren, was unser Gesprächspartner sagt, und versuchen seine Aussagen vollständig zu verstehen bevor wir antworten. So können wir Missverständnisse vermeiden.
Visualisierungshilfen: Wir verwenden visuelle Hilfsmittel wie Diagramme, Skizzen oder Mindmaps, um komplexe Konzepte besser zu erklären oder zu verstehen. Diese visuellen Darstellungen helfen uns, Informationen schneller zu verarbeiten und zu verinnerlichen.
Zusammenfassen und Wiederholen: Um sicherzustellen, dass wir das Gesagte richtig verstanden haben, versuchen wir das Gehörte zusammenzufassen und bitten um Bestätigung. Indem wir das Gesagte wiederholen, stellen wir sicher, dass wir keine wichtigen Informationen überhören.
Geduld und Empathie: Wir müssen jedoch zugeben, dass wir bisher noch nicht wirklich respektvoll miteinander umgehen können. Wir sind uns bewusst, dass dies ein Bereich ist, an dem wir noch arbeiten müssen. Wir erkennen jedoch die Bedeutung von Geduld und Empathie und sind bestrebt, uns darin zu verbessern.
Wir haben festgestellt, dass diese Ansätze uns dabei helfen, die Kommunikation im Äußeren einfacher zu gestalten. Wir werden weiterhin daran arbeiten, unsere Fähigkeiten zu verbessern und uns aktiv in Gespräche einzubringen.
Svetlana (25 Jahre):