Giants - Zorn der Götter - Sylvain Neuvel - E-Book

Giants - Zorn der Götter E-Book

Sylvain Neuvel

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Beschreibung

Hat die Menschheit gegen diese Roboter eine Chance?

Dr. Rose Franklin und ihr Team haben ihr Leben dem mysteriösen, außerirdischen Roboter gewidmet, den Rose als Kind vergraben fand. Gerade als die Wissenschaftler glauben, das Rätsel um die gewaltige Maschine endlich gelöst zu haben, taucht ein zweiter Roboter auf – noch größer und noch tödlicher als der erste. Und das ist erst der Anfang: Die Riesenroboter landen überall auf der Erde, und die Menschheit muss sich der größten Herausforderung ihrer Geschichte stellen, denn die Alien-Invasion hat begonnen ...

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Seitenzahl: 454

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Das Buch

Mehr als zehn Jahre sind vergangen, seit der außerirdische Riesenroboter auf der Erde entdeckt wurde, doch bei seiner Erforschung sind die Wissenschaftler noch keinen Schritt weitergekommen. Noch immer weiß man nicht, wer den Roboter, der inzwischen Themis getauft wurde, gebaut und vor über 6 000 Jahren auf der Erde versteckt hat. Dazu kommt, dass Dr. Rose Franklin, die Leiterin des wissenschaftlichen Teams, bei einem Unfall ums Leben kam – und dann auf mysteriöse Weise von den Toten zurückgekehrt ist. Jetzt versucht sie, neben dem Geheimnis des Roboters auch noch das ihrer eigenen Herkunft zu lösen, denn ihr ist klar, dass die außerirdischen Erbauer bei ihrer Wiederauferstehung die Hand im Spiel hatten. Doch dann taucht wie aus dem Nichts ein zweiter Roboter auf – mitten in London! Tagelang bewegt er sich nicht von der Stelle, und jeder Versuch, Kontakt mit den Fremden aufzunehmen, scheitert. Die Stimmung auf der ganzen Welt wird immer angespannter, bis den Regierungen nur noch eine Möglichkeit bleibt: Sie müssen Themis nach England schicken. Doch wie werden die Außerirdischen auf den Roboter reagieren? Und können die beiden Themis-Piloten Kara und Vincent den Aliens überhaupt etwas entgegensetzen, wenn es zum Äußersten kommt?

Der Autor

Sylvain Neuvel wurde in Quebec City, Kanada, geboren und studierte Sprachwissenschaften in Montreal und Chicago. Er arbeitete unter anderem als Jounalist und Übersetzer, bevor er das Schreiben für sich entdeckte. Seine lebenslange Faszination für Roboter inspirierte ihn zu seinem ersten Roman Giants, der in den USA bereits ein Riesenerfolg ist. Der Autor lebt mit seiner Familie in Montreal.

Mehr über Sylvain Neuvel und seine Romane erfahren Sie auf:

www.diezukunft.de

SYLVAIN NEUVEL

GIANTS

ZORN DER GÖTTER

ROMAN

Aus dem Amerikanischen übersetzt

von Marcel Häußler

WILHELM HEYNE VERLAG

MÜNCHEN

Titel der amerikanischen Originalausgabe

WAKING GODS – THE THEMIS FILES BOOK 2

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.

Deutsche Erstausgabe 06/2017

Redaktion: Elisabeth Bösl

Copyright © 2017 by Sylvain Neuvel

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Das Illustrat, München, unter Verwendung eines Motivs von Ociacia/Shutterstock

Satz: Leingärtner, Nabburg

e-ISBN 978-3-641-16816-2V001

www.diezukunft.de

Für Barbara und Han Solo.

Bara, du bist mein Fels in der Brandung,

mein Ein und Alles, aber Han ist tot!

Es macht dir doch nichts aus zu teilen, oder?

PROLOG

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TAGEBUCHEINTRAG VON EVA REYES

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Melissa hat sich heute in der Schule über mich lustig gemacht. Sie steht jetzt total auf Jungs. Enzo und seine Freunde fingen wieder an, mich La Evita Loca zu nennen, und sie hat mitgemacht. Sie rief: »Guckt mal! Die verrückte Eva fängt gleich an zu heulen!« Ich hasse sie.

Sie war meine letzte gute Freundin. Angie geht jetzt auf die Baldwin School, und wahrscheinlich höre ich nie mehr von ihr. Essie ist nach Bayamón gezogen. Das waren die Einzigen, mit denen ich mich nach der Schule getroffen habe. Wir haben oft am Rio Pedras Steine gesammelt. Essie liebt Steine, besonders diese blauen. Kyanit heißen sie, glaube ich. Neulich bin ich alleine losgezogen und habe tonnenweise davon gefunden. Ich habe ihr gesagt, dass ich welche mitbringe, wenn ich sie besuchen komme, aber ich weiß nicht, wann meine Mutter mich zu ihr lässt. Sie sagt, es müsse mir erst besser gehen. Sie sagt auch, dass ich mehr rausgehen soll, doch ich habe niemanden mehr zum Spielen.

Heute Abend gehe ich wieder zu dem Psychiater. Er glaubt, ich sei verrückt, wie alle anderen auch. Sie sagen mir immer wieder, es ist normal, schlechte Träume zu haben. Aber ich weiß, dass es keine Träume sind. Es passiert jetzt auch, wenn ich wach bin. Heute in der Schule habe ich es wieder gesehen und angefangen zu schreien. Es war dasselbe wie seit Monaten. Alle sind tot. Auf den Straßen sind Tausende von Toten, eine ganze Stadt voll Leichen. Ich sehe meine Eltern in einer Blutlache in unserem Haus liegen. Das habe ich ihnen nicht erzählt. Heute ist etwas Neues passiert. Ich habe einen Roboter gesehen, der so ähnlich aussah wie Themis, eine große Frau aus Metall, die in die Wolken fällt.

ERSTER TEIL

FREUNDE UND VERWANDTE

FILE 1398

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REPORTAGE VON JACOB LAWSON,

BBC LONDON

ORT: REGENT’S PARK, LONDON, ENGLAND

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Heute Morgen tauchte mitten im Regent’s Park eine zwanzig Stockwerke hohe Metallstatue auf. Tierpfleger des London Zoo entdeckten sie gegen 4:00 Uhr morgens. Sie steht auf einem der Fußballfelder im nördlichen Teil des Parks und ähnelt in Größe und Form dem Roboter der UN, den wir unter dem Namen Themis kennen. Der neue Riese ist jedoch ein Mann oder, besser gesagt, einem Mann nachempfunden. Er ist viel muskulöser als der schlanke weibliche Titan, der vor knapp einem Jahr nach London kam, und möglicherweise größer. Auch die Farbe ist anders, ein helleres Grau als bei dem UN-Roboter, und im Gegensatz zur türkis geäderten Themis ist er von gelben Lichtstreifen durchzogen.

Erste Zeugen berichten, der Roboter sei aus dem Nichts mitten im Park erschienen. »Er war von einem Augenblick zum anderen einfach da«, sagte einer der Tierpfleger. Zum Glück waren die Fußballfelder beim Hub zu dieser frühen Stunde leer, und bisher wurde kein einziges Opfer gemeldet. Natürlich ist nicht bekannt, ob das frühe Erscheinen beabsichtigt war, da wir nicht wissen, woher der Roboter kommt oder wer ihn geschickt hat. Falls es sich tatsächlich um einen Roboter wie Themis handelt und er auf dieselbe Art gesteuert wird, müssten Piloten an Bord sein. Sind es Russen, Japaner oder Chinesen? Oder kommen sie von ganz woanders? Zu diesem Zeitpunkt können wir darüber nur spekulieren. Vielleicht befindet sich auch überhaupt niemand in der gewaltigen Maschine. Während der vier Stunden, die sie nun dort steht, hat sie sich keinen Zentimeter bewegt.

Die EVT, die Erdverteidigungstruppe, hat noch keine offizielle Verlautbarung abgegeben. Wir konnten Dr. Rose Franklin, die Leiterin der wissenschaftlichen Abteilung der EVT, in Genua erreichen, wo sie am Vormittag eine Rede halten wird. Sie wollte nicht über die Herkunft dieses zweiten Roboters spekulieren, versicherte jedoch, dass er nicht zur Planetenverteidigung der UN gehöre. Falls das stimmt, wurde entweder ein zweiter außerirdischer Roboter auf der Erde entdeckt, ohne dass es bekannt gegeben wurde, oder er ist gerade erst auf unseren Planeten gekommen. Die EVT hat in New York für fünfzehn Uhr Londoner Zeit eine Pressekonferenz anberaumt.

Die Erdverteidigungstruppe, die vor neun Jahren, nachdem die Amerikaner Themis entdeckt hatten, von den Vereinten Nationen gegründet wurde, hat den Auftrag, zum Nutzen der Menschheit und zum Schutz des Planeten vor fremden Bedrohungen neue Technologien aus der außerirdischen Konstruktion zu gewinnen. Es wird sich noch herausstellen, ob wir heute einer solchen Bedrohung gegenüberstehen.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs hat sich noch nicht zu Wort gemeldet, aber wie zuverlässige Quellen mitteilten, wird sich der Premierminister im Laufe der nächsten Stunde an die Nation wenden. Auf eine Stellungnahme der anderen Seite muss das britische Volk nicht warten. Die Opposition gab schon heute Morgen ein Statement ab und forderte den Premierminister auf, unsere Sicherheit zu garantieren. Oppositionsführerin Amanda Webb sah sich vor einer Stunde zu folgender Aussage veranlasst: »Mitten in London steht eine außerirdische Maschine, und dem Premierminister fällt nichts Besseres ein, als den Zugang zum Park einzuschränken. Kann er den dreizehn Millionen Menschen, die im Großraum London leben, zusagen, dass sie in Sicherheit sind? Falls ja, schuldet er der Bevölkerung eine Erklärung, falls nein, würde ich gern wissen, warum wir nicht über eine Evakuierung reden.« Die ehemalige Außenministerin schlug des Weiteren vor, zuerst die Innenstadt zu evakuieren, was nach ihrer Rechnung in weniger als achtundvierzig Stunden geordnet vonstattengehen könnte.

Die Londoner hingegen scheinen es nicht eilig zu haben, irgendwohin zu gehen. Möglicherweise genauso überraschend wie das Auftauchen des Roboters ist die Gelassenheit, die die Einwohner seither an den Tag gelegt haben. Die Gestalt ist von beinahe überall in London zu sehen, und obwohl man Unruhen oder eine gewaltige Fluchtbewegung hätte erwarten können, sind die meisten Londoner ihren Geschäften nachgegangen. Viele sind sogar zum Regent’s Park gekommen, um den neuen Titanen aus der Nähe zu betrachten. Die Polizei hat das Gebiet südlich der Prince Albert Road und nördlich der A501 zwischen der A41 und der Albany Street abgesperrt, aber vielen ist es gelungen, unbemerkt in den Park zu gelangen. Eine Familie, die sich wenige Meter neben den metallischen Füßen des Eindringlings zu einem Picknick niederlassen wollte, musste von der Polizei zum Verlassen des Geländes aufgefordert werden.

Man kann den Londonern kaum vorwerfen, dass sie ein Wesen, das Themis ähnelt, nicht als Bedrohung betrachten. Ihnen wurde gesagt, eine außerirdische Spezies habe Themis zu unserem Schutz auf der Erde zurückgelassen. Ihr metallisches Gesicht und ihre verkehrt herum abknickenden Beine sind seit fast einem Jahrzehnt nahezu jeden Tag im Fernsehen und auf den Titelseiten der Boulevardblätter zu sehen. An jeder Ecke gibt es Themis-T-Shirts zu kaufen, und junge Londoner sind mit Themis-Actionfiguren aufgewachsen. Themis ist ein Star. Ihr Auftritt in einem anderen königlichen Park Londons vor einem Jahr fühlte sich eher wie ein Rockkonzert an, als wie eine Begegnung mit etwas aus einer fremden Welt.

Dies ist ein prägender Augenblick in der kurzen Geschichte der EVT. Die Organisation, die aus einer sehr labilen Koalition hervorging, wurde von ihren Gegnern schon als Werbegag bezeichnet. Viele behaupteten, ein einzelner Roboter, so mächtig er auch sein möge, könne einen Planeten nicht gegen Invasoren verteidigen. Indem sie einen zweiten Roboter in ihr Arsenal aufnähme oder eine Allianz mit einer anderen Spezies schmiedete, würde die EVT ihre Kritiker vielleicht zum Schweigen bringen.

FILE 1399

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TAGEBUCHEINTRAG VON ROSE FRANKLIN, PH. D.,

WISSENSCHAFTLICHE LEITERIN,

ERDVERTEIDIGUNGSTRUPPE

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Ich hatte eine Katze. Aus irgendeinem Grund erinnert sich niemand, dass ich eine Katze hatte. Ich habe mir vorgestellt, wie sie zusammengerollt auf dem Küchenboden liegt und langsam verhungert, während sie darauf wartet, dass ich nach Hause komme. Ich vergesse immer wieder, dass Rose Franklin an diesem Abend nach Hause kam, dass sie – mein anderes Ich – nie weggegangen ist. Ich bin froh, dass die Katze nicht verhungert ist, andererseits wünschte ich, sie hätte an der Tür auf mich gewartet. Ich vermisse sie. Meine Wohnung fühlt sich unglaublich leer an ohne dieses kleine Wesen.

Vielleicht ist sie gestorben. Aber sie war noch nicht besonders alt. Vielleicht habe ich sie abgegeben, als meine Arbeit zu anstrengend wurde. Vielleicht hat die Katze diejenige, die an diesem Abend nach Hause kam und vorgab, ich zu sein, nicht erkannt und ist weggelaufen. Hoffentlich. Wahrscheinlich hätte sie Angst vor mir, wenn sie noch hier wäre. Wenn es eine »echte« Rose Franklin gibt, besteht die Möglichkeit, dass ich es nicht bin.

Vor dreizehn Jahren hatte ich auf dem Weg zur Arbeit einen Verkehrsunfall. Fremde zogen mich aus meinem Auto, und ich wachte am Straßenrand auf, vier Jahre später in Irland. Ich war um keinen Tag gealtert.

Wie ist das möglich? Bin ich in die Zukunft gereist? War ich vier Jahre lang … eingefroren, in Kryostase? Wahrscheinlich werde ich es nie erfahren. Damit kann ich leben. Was mir wirklich Kopfzerbrechen bereitet, ist, dass ich in diesen vier Jahren nicht wirklich weg war. Ich – oder jemand wie ich – war hier. Rose Franklin ging am nächsten Tag zur Arbeit. Sie machte in diesen Jahren eine ganze Menge. Irgendwie wurde sie mit der Erforschung der riesigen Metallhand betraut, in die ich als Kind gefallen war. Sie gelangte zu der Überzeugung, dass noch mehr riesige Körperteile herumliegen, und entwickelte eine Methode, sie zutage zu fördern. Sie setzte einen gigantischen außerirdischen Roboter namens Themis zusammen. Dann starb sie.

Es waren arbeitsreiche vier Jahre.

Natürlich erinnere ich mich an nichts. Ich war nicht da. Wer auch immer all das getan hat, starb. Ich weiß mit Sicherheit, dass dieses Ich es nicht war. Rose Franklin war achtundzwanzig, als sie die Leitung des Forschungsteams zur Untersuchung der Hand übernahm. Sie starb mit dreißig. Ein Jahr später wurde ich gefunden. Ich war siebenundzwanzig.

Themis ist bei den Vereinten Nationen gelandet. Sie haben eine Abteilung zur Verteidigung des Planeten gegründet, die EVT, deren wichtigstes Mittel der Roboter ist. Da war ich auch nicht dabei. Eines meiner Ichs war gestorben. Das andere war noch nicht gefunden worden. Einen Monat, nachdem ich wieder auftauchte, wurde mir die Forschungsabteilung der EVT anvertraut. Die andere Rose muss ziemlich Eindruck hinterlassen haben, denn ich war vermutlich diejenige, die für diese Aufgabe am wenigstens qualifiziert war. Ich hatte Themis noch nie gesehen. Das letzte Mal, dass ich einen Teil von ihr gesehen hatte, war an meinem elften Geburtstag. Es schien niemanden zu stören. Mich störte es auch nicht. Ich wollte den Job unbedingt. Jetzt bin ich seit neun Jahren dabei. Neun Jahre. Man sollte meinen, das wäre genug Zeit, um über das wegzukommen, was mir zugestoßen ist. Aber das stimmt nicht. Ich musste vier Jahre aufholen, das hat mich eine Weile beschäftigt. Doch als ich mich eingelebt hatte und mit meiner neuen Aufgabe wohler fühlte, wurde die Frage, wer und was ich bin, immer drängender.

Mir ist klar, dass mir das Wissen fehlt, um es richtig zu verstehen, aber falls ich durch die Zeit gereist bin, sollte es nicht zwei von mir geben. Wenn man ein Objekt von Punkt A zu Punkt B bewegt, ist es nur logisch, dass es sich nicht mehr an Punkt A befindet. Bin ich ein Klon? Eine Kopie? Ich kann damit leben, nicht zu wissen, was mit mir passiert ist, aber ich muss wissen, ob ich … ich bin. Es ist schrecklich, daran zu zweifeln.

Ich weiß jetzt, dass ich nicht hierhergehöre. Ich bin … aus dem Takt geraten. Jetzt, da ich darüber nachdenke, ist es ein vertrautes Gefühl. Immer wieder – vielleicht zwei- oder dreimal im Jahr – bekam ich diese Panikattacken. Meistens passierte es, wenn ich sehr müde war oder vielleicht zu viel Kaffee getrunken hatte, und dann fühlte ich mich …, ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Jede Sekunde fühlte sich an, als würde jemand mit den Fingernägeln über die Tafel kratzen. Gewöhnlich dauerte es nur eine oder zwei Minuten, aber ich hatte jedes Mal den Eindruck, dass ich mich nicht im Gleichklang mit dem Universum befand, sondern um eine halbe Sekunde oder so verschoben war. Ich konnte es nie richtig erklären, deshalb weiß ich nicht, ob ich die Einzige bin, die diese Empfindung kennt. Vermutlich nicht. Inzwischen fühle ich mich jede Minute eines jeden Tages so, nur dass die halbe Sekunde länger und länger wird.

Ich habe keine richtigen Freunde, keine richtigen Beziehungen. Die, die ich habe, beruhen auf Erfahrungen, an denen ich nicht teilhatte, und die, die verloren gegangen sind, wurden von Ereignissen zerstört, die ich nicht erlebt habe. Meine Mutter ruft mich immer noch jeden zweiten Abend an. Sie versteht nicht, dass wir über ein Jahr nicht miteinander gesprochen hatten, als ich zurückkam. Wie könnte sie auch? Sie ruft diese andere Frau an; die, die nicht noch unter dem Verlust ihres Vaters leidet; die, die alle mochten. Die, die gestorben ist. Ich habe mit keinem meiner alten Freunde von der Schule oder aus meiner Heimat gesprochen. Sie waren auf meiner Beerdigung. Es ist so ein perfektes Ende einer Beziehung, dass ich das nicht kaputt machen möchte.

Kara und Vincent könnte man am ehesten als meine Freunde bezeichnen, aber nach neun Jahren bin ich irgendwie … beschämt wegen unserer Freundschaft. Ich bin eine Betrügerin. Ihre Zuneigung basiert auf einer Lüge. Sie haben mir erzählt, was wir vermutlich zusammen durchgemacht haben, und wir geben alle vor, wir hätten dieselben Erfahrungen gemacht, wenn die Umstände anders gewesen wären. Wir tun so, als wäre ich dieser andere Mensch, und deswegen mögen sie mich.

Ich weiß nicht, was ich bin, aber ich weiß, dass ich nicht … sie bin. Ich versuche es. Versuche es verzweifelt. Ich weiß, wenn ich einfach sie sein könnte, wäre alles in Ordnung. Aber ich kenne sie nicht. Ich habe tausendmal jede einzelne Seite ihrer Notizen gelesen, und ich kann die Welt immer noch nicht so sehen, wie sie sie gesehen hat. Manchmal kann ich mich in ihren Tagebüchern wiedererkennen, doch diese flüchtigen Momente genügen nicht, um uns einander näherzubringen. Sie war schlau; ich weiß nicht, ob ich tun könnte, was sie getan hat, wenn wir jetzt nach riesigen Körperteilen suchen würden. Sie muss Forschungsergebnisse gefunden haben, von denen ich nichts weiß, wahrscheinlich etwas, das publiziert wurde, während ich »weg« war. Vielleicht bin ich eine unvollkommene Kopie. Vielleicht war sie einfach schlauer.

Auf jeden Fall war sie optimistischer. Sie glaubte – war völlig überzeugt –, dass Themis als Geschenk für uns hiergelassen wurde, das wir zur rechten Zeit finden sollten, ein Präsent einer wohlwollenden Vaterfigur an eine heranwachsende Spezies. Trotzdem wurden die Teile in den entlegensten Ecken der Erde vergraben, selbst unter dem Eis. Ich verstehe den Reiz einer Schatzsuche, aber ich sehe keinen Grund für diese zusätzlichen Hürden. Mein Bauch sagt mir, dass die Teile versteckt wurden … ja, genau. Versteckt, um nicht gefunden zu werden.

Vor allem kann ich mir nicht vorstellen, warum jemand, wie entwickelt er auch sein mag, einen Roboter zurücklassen sollte, den wir aller Wahrscheinlichkeit nach nicht benutzen können. Jeder, der über die Technologie verfügt, eines dieser Dinger zu bauen und Lichtjahre zurückzulegen, um es herzubringen, hätte auch die Fähigkeiten, die Steuerung an unsere Anatomie anzupassen. Die Außerirdischen hätten einen Mechaniker an Bord gehabt, der den Roboter reparieren oder zumindest kleine Probleme auf MacGyver-Art lösen könnte. Es wäre nur ihre Version eines Schraubenziehers nötig gewesen, um die Knieschnallen umzudrehen, sodass wir sie benutzen können. Sie können nicht erwartet haben, dass wir uns zum Krüppel machen, um das Gerät zu steuern.

Ich bin Wissenschaftlerin, und ich habe keine Beweise für all das, aber das hatte die andere Rose auch nicht, als sie das Gegenteil annahm. Ohne Belege hätte auch Occams Rasiermesser mich nicht in diese Richtung weisen dürfen.

Die Ironie des Schicksals ist, dass das ganze Programm auf meinem Fund basiert. Wenn ich ihnen gesagt hätte, wie viel Angst ich vor dem habe, was geschehen wird, hätten sie mir nie die Freiheit gelassen zu tun, was ich tue. Das Labor ist der einzige Ort, an dem ich Trost finde, und ich bin dankbar dafür. Ich bin dankbar für Themis, dafür, dass ich jeden Tag bei ihr sein kann. Ich fühle mich zu ihr hingezogen. Sie ist auch nicht von dieser Welt. Sie gehört genauso wenig hierher wie ich. Wir sind beide aus Raum und Zeit gefallen, und je mehr ich über sie erfahre, desto mehr habe ich das Gefühl, endlich zu verstehen, was wirklich mit mir geschehen ist.

Ich weiß, dass sich alle Sorgen um mich machen. Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie für mich betet. Das tut man nicht, wenn es jemandem gut geht. Ich wollte sie nicht aufregen, deshalb habe ich mich bei ihr bedankt. Mein Glaube war nie besonders stark, aber selbst wenn er es wäre, wüsste ich, dass mir kein Gott zu Hilfe kommt. Es gibt keine Vergebung für das, was ich getan habe. Ich sollte tot sein. Ich bin gestorben. Ich glaube, dass ich mithilfe fortschrittlicher Technik zurückgeholt wurde, aber man könnte es genauso gut als Hexerei bezeichnen. Vor nicht allzu langer Zeit hätte die Kirche jemanden wie mich verbrannt.

Auch wenn ich an Gott glaube, befinde ich mich im Krieg mit ihm. Ich bin Wissenschaftlerin; ich versuche Fragen zu beantworten, eine nach der anderen, und mit jeder Antwort bleibt weniger Raum für ihn. Ich stecke mein Terrain ab, und Zentimeter für Zentimeter bringe ich ihn um sein Königreich. Seltsam, aber das alles ist mir vorher noch nie in den Sinn gekommen. Ich habe nicht einmal einen Widerspruch zwischen Wissenschaft und Religion gesehen. Jetzt sehe ich ihn, glasklar.

Ich habe die Linie überschritten, die wir nicht überschreiten sollen. Ich bin gestorben. Und ich bin immer noch hier. Ich habe den Tod betrogen. Ich habe Gott die Macht genommen.

Ich habe Gott getötet, und ich fühle mich leer.

FILE 1408

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GESPRÄCH MIT BRIGADEGENERAL EUGENE GOVENDER,

KOMMANDEUR DER ERDVERTEIDIGUNGSTRUPPEN

ORT: WALDORF ASTORIA HOTEL, NEW YORK, NY

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— Sie sollten sich beeilen, Eugene.

— Wie lange kennen wir uns jetzt?

— Im September werden es vierzehn Jahre.

— Vierzehn Jahre. Und habe ich Ihnen in all der Zeit je angeboten, mich Eugene zu nennen?

— »General« kommt mir nach dem, was wir zusammen durchgemacht haben, … unangemessen vor.

— Ja, nicht wahr? Stellen Sie sich mal vor, wie es sich anfühlt, wenn man überhaupt keine Anrede zur Verfügung hat.

— Nicht dass ich es nicht genießen würde, wie Sie sich immer wieder über meine Anonymität beklagen, aber Sie sprechen in weniger als einer Stunde vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Ich weiß, wie sehr Sie Reden verabscheuen, falls Sie also meine Hilfe brauchen, wäre jetzt ein guter Zeitpunkt.

— Warum halten Sie dann nicht die Ansprache? Sie sind doch derjenige, der mir das Chaos erst eingebrockt hat.

— Lassen Sie mich den Anfang hören.

— Wo ist der verdammte Zettel? Ah, hier. Haben Sie irgendwo meine …

— Sie liegt auf dem Nachttisch.

— Danke. Es geht ungefähr so: »Ich weiß, dass viele von Ihnen Angst haben. Ich weiß, dass Sie Antworten wollen.«

— Ich meinte, wie fängt Ihre Rede an?

— Das ist der Anfang meiner verfluchten Rede.

— Eugene, Sie sprechen nicht zu den Kadetten Ihrer Akademie. Das ist die UN-Generalversammlung. Es gibt ein Protokoll. Normalerweise beginnt man mit der Anrede. Herr Präsident, Herr Generalsekretär, Mitglieder der Generalversammlung, meine Damen und Herren.

— Gut. Dann fange ich damit an. Danach sage ich: »Ich weiß, dass viele von Ihnen Angst haben. Ich weiß, dass Sie Antworten wollen.«

— Nein. Sie müssen erst etwas Tiefsinniges sagen, etwas Erbauliches.

— Etwas Erbauliches? Es steht ein verdammter Roboter mitten in London. Die Leute wollen, dass ich ihn wegschaffe. Daran ist nichts erbaulich.

— Dann sagen Sie etwas, das nichts damit zu tun hat. Hauptsache tiefsinnig. Die letzte Ansprache, die ich persönlich gehört habe, war von einem US-Präsidenten. Er hat in etwa gesagt: »Wir kommen zusammen am Scheideweg zwischen Krieg und Frieden, zwischen Chaos und Ordnung, zwischen Furcht und Hoffnung.«

— Also gut. Herr Präsident, Herr Generalsekretär, Mitglieder der Generalversammlung, meine Damen und Herren. Diejenigen von Ihnen, die mich kennen, wissen, dass ich nicht viele Worte verschwende. Diejenigen, die mich gut kennen, wissen auch, wie sehr ich Reden verabscheue. Deshalb werde ich mit Ihrer Erlaubnis meine einleitenden Worte einem ehemaligen US-Präsidenten entleihen. Er sagte: »Wir kommen zusammen am Scheideweg zwischen Krieg und Frieden, zwischen Chaos und Ordnung, zwischen Furcht und Hoffnung.«

— Das ist …

— Das war ein Scherz. Aber ich habe ein Zitat von jemand anderem, der besser mit Worten umgehen konnte. Das kann ich an den Anfang stellen, aber danach müssen Sie sich mit einigen Worten von mir begnügen. Sein Name ist Thomas Henry Huxley. Er war Wissenschaftler, einer der ersten modernen Biologen. Er sagte: »Das Bekannte ist endlich, das Unbekannte unendlich. Wir stehen mit unserem Verständnis auf einer kleinen Insel inmitten eines unermesslichen Meeres des Unerklärlichen. Unsere Aufgabe ist es, mit jeder Generation ein wenig mehr Land zu gewinnen.« Vor fast einem Jahrzehnt, als Themis der Welt präsentiert wurde, begriffen wir, dass dieses Meer viel größer ist, als wir dachten, und seit den Ereignissen in London heute Morgen ist unsere Insel der Gewissheit so klein geworden, dass ich mich frage, ob wir darauf noch stehen können.

Darf ich es jetzt sagen?

— Ich weiß, dass viele von Ihnen Angst haben.

— Machen Sie sich nicht über mich lustig.

Ich weiß, dass viele von Ihnen Angst haben. Ich weiß, dass Sie Antworten wollen. Ich sage Ihnen ganz offen, ich kenne die Antworten auf Ihre Fragen nicht. Noch nicht. Und ich muss ein Geständnis ablegen. Ich … ich habe auch Angst. Ich habe Angst, weil ich nicht weiß, was das für ein Ding ist oder was es will. Ich weiß nicht, ob noch mehr davon kommen, und ich weiß nicht, ob wir etwas dagegen tun könnten. Es gibt vieles, was wir nicht wissen. Wenn Sie mich fragen, ist ein wenig Angst nur gesund.

— Wie beruhigend. Ich fühle mich schon besser.

— Aber wir dürfen uns von der Angst nicht daran hindern lassen, das zu tun, was wir tun müssen. Wir dürfen uns von der Angst nicht unser Handeln diktieren lassen. Wir müssen uns in Geduld üben. Was wir hier haben …

— Worauf wollen Sie hinaus?

— Wir sollten abwarten, statt etwas sehr Dummes zu tun.

— Zum Beispiel?

— Sie wissen doch, dass es in England Leute gibt, die eine Machtdemonstration sehen wollen. Und auch die NATO erwägt ein militärisches Eingreifen. Ich will, dass jeder in diesem Raum seinen Einfluss geltend macht. Ich will, dass sie alle Mittel einsetzen, um das zu verhindern.

— Warum?

— Das wissen Sie doch selbst! Der zweite Roboter ist möglicherweise noch mächtiger als Themis. Vermutlich können die britischen Bodentruppen ihm keinen Kratzer zufügen. Und wir reden von London. In einer städtischen Umgebung ist es einfach unmöglich, bei einem Bodenangriff genügend Feuerkraft zusammenzuziehen. Ein umfassender Luftschlag wäre erfolgversprechender, aber dazu müssten unsere größten Luftstreitkräfte gemeinsam operieren. Und wir würden damit die Stadt dem Erdboden gleichmachen. Wenn das den Roboter nicht erledigt, wäre eine starke Atombombe unserer beste und letzte Option, obwohl wir danach den Großteil der englischen Bevölkerung umsiedeln müssten. Ist das deutlich genug?

— Wenn Sie das den Leuten klarmachen wollen, dann sollten Sie es so sagen, in diesen Worten. Erklären Sie ihnen, dass es bei einem Angriff keinen günstigen Fall gibt, und dass sie mit einem Bluff nicht weiterkommen.

— Meinen Sie nicht, dass das ein bisschen grob wäre? Sie haben doch um etwas Tiefsinniges und Erbauliches gebeten.

— Sie haben mit etwas Tiefsinnigem und Erbaulichem angefangen, sodass die Leute sich schlau vorkommen, wenn sie Sie in zwanzig Jahren beim Abendessen zitieren. Wenn es etwas gibt, das die Leute heute verstehen sollen, dann sagen Sie es, als würden Sie mit Ihren Enkelkindern reden. Die Hälfte der Anwesenden hört Sie über einen Dolmetscher, und die meisten haben die Aufmerksamkeitsspanne eines Fünfjährigen. Wenn sie den Raum verlassen, werden diese Leute in ihren Heimatländern anrufen. Wahrscheinlich sprechen sie mit ihren Verteidigungsministern, den hochrangigen Generälen und Stabschefs, Leuten, die eine Armee befehligen und sie gern einsetzen möchten. Sie bitten sie, einer Gruppe von Wissenschaftlern statt ihren eigenen Militärberatern zu vertrauen. Stellen Sie sicher, dass der Grund dafür nicht bei der Übersetzung verloren geht.

— Ich habe noch einen anderen Absatz, der mich einigermaßen intelligent wirken lässt.

— Lassen Sie hören.

— Was wir hier haben, ist kein Problem Londons. Es ist kein britisches oder europäisches Problem. Es ist auch sicher kein Problem der NATO. Es ist ein Problem der ganzen Welt. Es ist unser aller Problem, aller Länder, die hier repräsentiert sind, und wir müssen gemeinsam eine Lösung finden. Diese Institution wurde als Folge des verheerendsten Krieges der menschlichen Geschichte gegründet, um den Frieden zu fördern, indem die Länder ihre Konflikte hier lösen, in diesem Raum, statt auf dem Schlachtfeld. Sie wurde auch geschaffen, damit wir unser Wissen und unsere Ressourcen bündeln und große Ziele verwirklichen können, die ein Land allein selbst im Traum nicht erreichen kann. Heute haben wir die Chance, beides zu tun: einen Krieg unvorstellbaren Ausmaßes zu verhindern und die Menschheit an eine ganz neue Schwelle zu führen. Wenn es je eine Zeit für die Vereinten Nationen gegeben hat, dann jetzt. Wenn es je einen Grund für die EVT gegeben hat, dann ist es dieser.

— Setzen Sie das ans Ende, wenn ihre Aufmerksamkeit nachgelassen hat. Erst mal sollten Sie über Ihre militärische Laufbahn reden, damit sie eine Beziehung zu Ihnen herstellen können.

— Ich habe irgendwo ein paar Worte aufgeschrieben … Hier … Ich weiß, dass viele von Ihnen Zweifel haben. Die Entscheidung, die EVT zu schaffen, ist nicht einstimmig gefallen. Warum sollten Sie der EVT vertrauen und nicht Ihrem eigenen Militär? Das ist wahrscheinlich die einzige Frage, die ich heute beantworten kann. Ich bin Soldat, seit über vierzig Jahren. Und ich kann Ihnen Folgendes sagen: Soldaten brauchen Informationen …

— Sie müssen weiter ausholen. Erzählen Sie ihnen, in wie vielen Kriegen Sie waren, wie viele Menschen Sie getötet haben. Lassen Sie sie das Blut sehen. Präsentieren Sie sich als Kriegstreiber, der beim geringsten Anlass eine Bombe auf London werfen würde. Nur dann werden sie Ihnen glauben, wenn Sie sagen, dass sie es nicht tun sollen.

— Was soll ich sagen? Ich bin Brigadegeneral in der südafrikanischen Armee und Kommandant einer UN-Militäreinheit. In Südafrika habe ich die Army Armour Formation befehligt, das ist ein schwierig auszusprechender Ausdruck für viele Panzer. Ich habe im südafrikanischen Grenzkrieg gekämpft, ich habe an friedenssichernden Einsätzen im Sudan teilgenommen, ich habe Truppen der UN-Interventionsbrigade in der Demokratischen Republik Kongo kommandiert. Ich war mein ganzes Leben lang in der einen oder anderen Armee, und …

— Perfekt.

— … und ich kann Ihnen Folgendes sagen: Soldaten – Menschen wie ich – brauchen Informationen, um nützlich zu sein. Wir müssen wissen, was vorgeht. Ohne Informationen, das kann ich Ihnen garantieren, wollen Sie Ihr Schicksal nicht in die Hände des Militärs legen. Wir improvisieren nicht. Wir sind wie ein Elefant im Porzellanladen, und wir können großes Chaos anrichten, wenn Sie uns unseren eigenen Schwanz jagen lassen.

Ich bin auch Kommandant der Erdverteidigungstruppe, die im Prinzip eine Streitmacht mit einer einzigen gigantischen Waffe ist. Als Kommandant befehlige ich zwei Soldaten. Oder eigentlich nur einen. Der andere ist streng genommen ein kanadischer Berater. Außerdem arbeiten achtundsechzig Wissenschaftler für mich. Als mir die Aufgabe angeboten wurde, wurde mir das nicht so genau gesagt, weil alle wussten, dass ich keine Wissenschaftler mag. Wissenschaftler sind wie Kinder: Sie wollen immer alles wissen, sie stellen zu viele Fragen, und sie befolgen die Befehle nie genau.

Das, meine Damen und Herren, ist die EVT. Ein großer Roboter, ein Soldat, ein Linguist und ein ganzer Haufen ungehorsamer Kinder. Was wir brauchen, was die Welt jetzt braucht, sind meine aufsässigen Kinder. Sie wissen mehr über außerirdische Technologie als jeder andere auf diesem Planeten, und sie lernen jeden Tag dazu. Das ist ihr Job: Sie lernen unaufhörlich, jeden Tag. Sie stecken Land für unsere kleine Insel des Wissens ab, damit wir Platz zum Atmen haben.

— Berührend.

— Ich habe mich an die Rede erinnert, mit der Sie mich damals überzeugen wollten, diesen Posten anzunehmen.

— Sie haben abgelehnt.

— Stimmt, aber es war eine gute Rede. Dann habe ich noch ein paar Absätze über das, was wir wissen, und vor allem über das, was wir nicht wissen.

— Was wissen wir?

— Nicht viel. Ich sage Ihnen, was ich vorbereitet habe.

Wir hatte nur einige Stunden Zeit, uns die verfügbaren Daten anzusehen, und unsere Leute waren noch nicht vor Ort, aber Folgendes wissen wir: Der Roboter in London ist ungefähr drei Meter größer als Themis und zehn Prozent schwerer. Wir nennen ihn Kronos. Das war’s. Der Rest ist Spekulation.

Vielleicht befindet sich niemand in dem großen Metallmann. Vielleicht wird er ferngesteuert, vielleicht ist er gar kein Roboter. Er hat sich seit seiner Ankunft nicht bewegt. Wir halten das für ziemlich unwahrscheinlich, aber wir können die Option auch nicht einfach außer Acht lassen. Es könnten auch Menschen darin sein. Das würde bedeuten, dass ein weiterer Roboter irgendwo vergraben und von einem der heute hier vertretenen Länder entdeckt wurde. Auch das ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich.

Ausgehend von dem, was wir über Themis wissen, ist das wahrscheinlichstes Szenario, dass sich mindestens zwei außerirdische Piloten an Bord befinden, und da der Roboter in London Themis verdammt ähnlich sieht, lautet unsere Arbeitshypothese, dass er von derselben Spezies hergestellt wurde. Deswegen müssen wir es jedoch nicht zwangsläufig mit den Leuten zu tun haben, die Themis gebaut haben. Da sie einen riesigen Roboter auf der Erde zurückgelassen haben, könnten sie dasselbe auch auf einem anderen bewohnten Planeten getan haben, und möglicherweise sind es diese Leute, die uns besuchen. Wie gesagt, wir wissen nicht viel.

Falls wir es mit Außerirdischen zu tun haben, könnten sie uns freundlich gesinnt sein. Sie haben nicht aus allen Rohren auf uns gefeuert – das ist meistens ein gutes Zeichen –, und unsere gegenwärtige Theorie zu Themis ist, dass sie hiergelassen wurde, damit wir uns verteidigen können. Sie könnten allerdings genauso gut feindliche Absichten haben. Dann scheint es seltsam, dass sie uns so viel Zeit lassen, uns vorzubereiten, aber vielleicht ist ihre Anwesenheit nur das Vorspiel zu einer großen Invasion oder Attacke. Eine weitere, sehr einleuchtende Erklärung, zu der wir tendieren, ist, dass sie noch versuchen, mehr über uns in Erfahrung zu bringen. Vielleicht konnten sie aus der Ferne nicht feststellen, ob wir eine Bedrohung darstellen oder wie wir auf ihre Anwesenheit reagieren.

Aber genug spekuliert. Im Moment muss ich jeden Satz mit »vielleicht« oder »falls« anfangen. Ich wurde gebeten, herzukommen und eine Empfehlung abzugeben. Sie ist eine sehr einfache: Schicken Sie Themis nach England. Das wird sieben oder acht Tage dauern. Lassen Sie meine Kinder eine Woche weiterarbeiten, dann kommen wir wieder zusammen. In der Zwischenzeit bitte ich Sie alle inständig, sich in Zurückhaltung zu üben und die Dinge ihren Lauf nehmen zu lassen. Das ist nicht der Zeitpunkt für spontane Aktionen, so verlockend das auch sein mag.

Das war’s. Das ist meine Rede. Ist sie lang genug?

— Genau richtig.

— Es hat natürlich nicht geholfen, dass ich sie für die Presse komplett neu schreiben musste, nachdem Rose ihren verdammten Verstand verloren hat.

— Was hat sie getan?

— Das haben Sie nicht mitbekommen? Sie ist im Fernsehen aufgetreten und hat der ganzen Welt erzählt, dass wir uns raushalten sollten.

— Wer ist wir?

— Die EVT. Sie hat gesagt, Themis zu schicken, wäre der größte Fehler. Ich weiß, dass Sie sie mögen, aber sie ist nicht ganz klar im Kopf. Die Frau bewegt sich auf sehr dünnem Eis.

— Sie hat einige … verstörende Erlebnisse hinter sich.

— Das verstehe ich. Aber ich verstehe nicht, warum Sie ihr das Kommando überlassen haben. Sie könnte im Team mitarbeiten, ohne das Sagen zu haben. Sie mag mich nicht, weil ich der große böse Soldat bin, doch was sie tut, hilft uns nicht gerade weiter. Themis zu schicken, ist die einzige Möglichkeit, uns ein bisschen Zeit zu verschaffen. Ansonsten stehen spätestens morgen früh Truppen im Regent’s Park, und wir wissen beide, wie das endet.

— Lassen Sie hören.

— Was?

— Das, was Sie für die Presse vorbereitet haben.

— Gut. Sie haben vielleicht gehört, dass die Leiterin unserer wissenschaftlichen Abteilung, Dr. Rose Franklin, heute Morgen mit den Medien gesprochen hat. Sie hatte eine Menge zu sagen, aber im Großen und Ganzen glaubt sie, dass wir nichts tun und niemanden, nicht einmal die EVT, schicken sollten. Stattdessen sollten wir hoffen, dass der Roboter irgendwann aus eigenem Antrieb wieder verschwindet. Dr. Franklin ist eine brillante Wissenschaftlerin und sicher berechtigt, ihre Meinung zu äußern, auch wenn sie nicht für die EVT spricht. Wie Sie vielleicht wissen, wurde Dr. Franklin bei einem Unfall mit Themis in Colorado beinahe getötet, und ich glaube, der Vorfall hat sie übervorsichtig gemacht. Ich kann ihrer Schlussfolgerung nicht zustimmen, aber sie hat noch viel mehr gesagt als »Wir sollten nicht die EVT schicken«. Sie hat heute Morgen einige wichtige Dinge angesprochen.

Wir kommen zum ersten Mal mit einer außerirdischen Spezies in Kontakt. Egal, wie es läuft, das wird ein entscheidender Moment in der Geschichte der Menschheit sein. Wir sollten alle einen Augenblick innehalten, um zu begreifen, wie bedeutend und einschneidend diese Ereignisse sind.

Vor diesem Hintergrund hat Dr. Franklin darauf hingewiesen, dass wir wahrscheinlich keinen guten ersten Eindruck hinterlassen, wenn wir eine Panzerdivision und ein paar Tausend bewaffnete Soldaten anrücken lassen. Dem kann ich nur schwer widersprechen.

Sie war der Meinung, Themis zu schicken wäre ein noch größerer Fehler. Panzer und Fußsoldaten könnten als Zeichen der Aggression betrachtet werden, aber sie würden keine ernsthafte Bedrohung darstellen, falls der Roboter unserem ähnelt. Themis hingegen könnte ihnen Schwierigkeiten bereiten. Ich glaube allerdings, ein vertrautes Gesicht könnte eine gute Möglichkeit sein, den Dialog zu eröffnen, aber man kann natürlich darüber streiten, ob es eine gute Idee ist, das Einzige auf der Erde zu schicken, das diesen Leuten gefährlich werden könnte.

— Präzise. Entschlossen und trotzdem versöhnlich. Das gefällt mir. Ziehen Sie Ihr Jackett an. Es ist Zeit zu gehen.

— Erinnern Sie sich, was Sie mir beim zweiten Mal gesagt haben, um mich dazu zu bringen, die Aufgabe anzunehmen?

— Ja.

— Sie haben gesagt: »Ich habe einen militärischen Posten für Sie, auf dem Sie nie wieder jemanden töten müssen.«

— Ich weiß. Und ich habe immer noch vor, dieses Versprechen zu halten.

FILE 1416

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GESPRÄCH MIT CAPTAIN KARA RESNIK,

ERDVERTEIDIGUNGSTRUPPE

ORT: IRGENDWO AUF DEM ATLANTIK

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— Guten Morgen, Ms. Resnik. Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt.

— Scheiße! Nein! Ich komm gerade aus der Dusche. Ich bin Runden auf dem Oberdeck gelaufen. Warum kommt es mir vor, als hätten wir seit einem Jahrzehnt nicht mehr miteinander gesprochen?

—Unsere letzte Unterhaltung ist acht Jahre her. Können Sie sprechen?

— Sie meinen, ob mich jemand hören kann? Wohl kaum, Vincent schläft noch in seiner Koje.

— Ich meinte, ob Sie beschäftigt sind?

— Ich habe es vermisst.

— Was?

— Das!

— …

— Nein, ich bin nicht beschäftigt. Ich habe Zeit zu reden.

— Wo sind Sie?

— Mitten im Atlantik, aber das wissen Sie doch.

— Ich meinte, wo auf dem Schiff?

— In unserem Quartier. Wir haben ein kleines … Es ist wie ein winzig kleines Apartment. Wir haben ein Sofa, einen Fernseher, eine Kochnische.

— Freut mich, dass Sie es gemütlich haben. Ich habe um eine bessere Ausstattung gebeten, als die UN das Schiff erworben haben. Ich weiß, wie sehr Ihnen das alte missfallen hat.

— Es ist ein Unterschied wie Tag und Nacht, Sir. Das Schiff, das wir vorher benutzt haben, hat Getreide transportiert. Wir waren wie blinde Passagiere. Dieses hier wurde extra für uns überholt. Es ist für nichts anderes da. Wir schlafen aber immer noch in Kojen, auch wenn ich nicht weiß, warum. Wie ist es Ihnen ergangen? Sie langweilen sich ohne uns bestimmt zu Tode.

— Ob Sie es glauben oder nicht, es gibt Dinge auf der Welt, die sich nicht um Sie drehen. Nicht viele, aber genug, damit ich einigermaßen beschäftigt bin.

— Ich wollte nur wissen, wie es Ihnen geht. Ich habe seit acht Jahren nicht mehr mit Ihnen gesprochen!

— Sie haben nach meinem Privatleben gefragt?

— Mein Gott, wie ich Sie vermisst habe! Warum haben Sie sich so lange nicht gemeldet? Ich weiß, dass Sie öfter mit Dr. Franklin gesprochen haben.

— Sie und Mr. Couture haben sich gut geschlagen. Ich habe keine Veranlassung gesehen.

— Sie hätten einfach Hallo sagen können!

— Plaudern beruht auf gegenseitigem Austausch, den ich nicht bieten kann. Aber, wie gesagt, ich habe um einige Annehmlichkeiten gebeten, als die UN das Schiff erworben haben.

— Sie meinen, Sie haben an mich gedacht … Einmal, vor ein paar Jahren.

— Genau. Wie haben Sie mich in Puerto Rico genannt? Im Herzen butterweich? Wie geht es Dr. Franklin?

— Tja, Sie haben ja selbst mit ihr gesprochen. Sie ist ein bisschen trübsinniger als früher. Ich dachte, es würde sich nach einer Weile legen, aber es ist jetzt schon fast ein Jahrzehnt so, deshalb glaube ich, dass das ihr neues Ich ist. Wir kommen trotzdem sehr gut klar. Sie mag auch Vincent. Alle anderen nicht so sehr.

— Sie hat ein Trauma durchgemacht. Das war zu erwarten.

— Sie meinen, sie ist gestorben. Ich weiß es, ich war dabei. Dann ist sie vier Jahre jünger zurückgekommen. Sie hat mir nie gesagt, wie sie zurückgekommen ist. Weiß sie es?

— Nein.

— Wissen Sie es?

— Nein.

— Sie würden es mir auch nicht sagen, wenn Sie es wüssten.

— Wahrscheinlich nicht, aber ich weiß es wirklich nicht. Und genau genommen, fehlen ihr nur drei Jahre ihres Lebens. Das vierte Jahr war sie tot.

— Wenn ich mal Trost brauche, komme ich bestimmt nicht zu Ihnen. Kein Wunder, dass Rose Probleme hat. Ich bin nicht diejenige, die gestorben und zurückgekommen ist, aber mir macht es schon wahnsinnige Angst. Ich meine, Vincent und ich haben jeden Tag viele Stunden mit ihr verbracht, bevor sie gestorben ist. Mit wem waren wir die ganze Zeit zusammen?

— Mit Dr. Rose Franklin.

— Tja, diese Rose Franklin ist gestorben. Die Rose Franklin, mit der wir jetzt unsere Zeit verbringen, kann sich an nichts davon erinnern.

— Mir ist klar, wie verwirrend das ist. Das Ganze verstört mich genauso wie Sie. Ich werde Antworten liefern, wenn ich welche habe. Darf ich nach dem Stand Ihrer Beziehung mit Mr. Couture fragen?

— Haben Sie uns in den letzten Jahren zugesehen?

— Soweit ich weiß, stehen weder Sie noch Mr. Couture unter Überwachung.

— Wie schön. Ich meinte im Fernsehen. Wissen Sie überhaupt, was wir getan haben? Es war kein Scherz, als Sie gesagt haben, dass wir größtenteils mit Paraden und Fototerminen beschäftigt sein würden. Wir verbringen ein paar Stunden am Tag im Labor, um mehr über Themis rauszufinden. Höchstens zehn, fünfzehn Stunden pro Woche, und das nur, wenn wir in New York sind. Während wir unterwegs sind, gibt es überhaupt keine Forschung. Der Rest der Zeit ist so, wie Sie gesagt haben. Es gibt nicht viele Paraden – die Logistik ist der reine Wahnsinn, Themis zerstört alles, worauf sie tritt, sogar Straßen. Nur wenige Städte sind bereit, die Kosten und die Sicherheitsvorkehrungen auf sich zu nehmen – aber wir machen auf jeden Fall eine Menge Fotos. Meistens geht es um nette, menschliche Geschichten. Wir besuchen Schulen und Krankenhäuser. Kinderkrankenhäuser sind am besten. Vincent kann hervorragend mit Kindern umgehen. Er macht die Sache mit den Knien, das hilft, doch er kommt auch so gut mit ihnen klar. Wir sind eine Zirkusnummer.

— Sie hassen bestimmt jede einzelne Minute.

— Sollte man meinen, oder? Aber es stimmt nicht. Es ist eine angenehme Routine. Wir essen gut, die Hotels sind toll. Jenny kümmert sich prima um uns.

— Wer ist Jenny?

— Die Tourmanagerin. Sie kümmert sich um die Buchungen und spezielle Wünsche. Wie gesagt, wir sind eine Shownummer. Am Anfang dachte ich, ich würde nach einem Monat kündigen, aber irgendwie gefällt es mir. Auch wenn ich schlecht darin bin. Meine Interviews müssen alle vorher aufgezeichnet werden, oder es muss jemand bereitstehen, der jedes zweite Wort mit einem Piepston überdeckt. Vincent übernimmt jetzt größtenteils das Reden. Ich kann auch nicht besonders gut mit Kindern umgehen. Sie haben überhaupt keinen Sinn für Ironie. Einmal habe ich ein krankes Kind zum Weinen gebracht. Das Mädchen hatte Leukämie, glaube ich, und ich habe es zum Weinen gebracht.

— Ich verstehe nicht ganz, was Ihnen daran gefällt.

— Die Öffentlichkeitsarbeit ist schlimm. Wenn es nur das wäre, hätte ich … Es sind die Umstände. Wir arbeiten bloß ein paar Stunden am Tag. Jenny glaubt, sie würde uns überlasten, aber sie weiß nicht, dass wir in Denver meistens Sechzehn-Stunden-Schichten runtergerissen haben. Wie soll ich es ausdrücken? Wir reisen zusammen. Wir haben eine Menge Freizeit. Wir haben noch nicht versucht, uns gegenseitig umzubringen. Ich weiß nicht. Es fühlt sich …

— … normal an?

— Ja. Genau.

— Konnten Sie Mr. Couture davon abhalten, Ihnen ständig Heiratsanträge zu machen?

— Ehrlich gesagt, habe ich mir in den letzten Jahren keine große Mühe mehr gegeben.

— Was hat Sie umgestimmt?

— Ach, ich habe meine Meinung nicht geändert. Ich hatte nur das Gefühl, es wäre nicht mehr nötig. Er hat mich aufgegeben.

— Stört Sie das?

— Vielleicht ein bisschen. Irgendwie hatte ich wohl gehofft, dass ich wirklich meine Meinung ändern würde. Ich weiß, wie viel es ihm bedeutet. Er sollte mit jemandem zusammen sein, der genauso gerne Kinder möchte. Ich glaube, er hat endlich begriffen, dass ich dafür die Falsche bin. Im Moment spielt es sowieso keine Rolle.

— Was meinen Sie?

— Ich weiß nicht. Wir fahren rüber, um diesem außerirdischen Roboter gegenüberzutreten. Wir sind … zurück. Ich bin zurück. So fühlt es sich jedenfalls an. Bin ich ein schlechter Mensch, weil ich so empfinde?

— Sie sind wahrscheinlich auf dem Weg zu einem schnellen Tod durch einen überlegenen Feind, und das macht Sie irgendwie glücklich. Schlecht ist nicht das Wort, das mir dazu als Erstes einfällt.

— Nicht unbedingt glücklich, es ist eher … Ich fühle mich lebendig. Will sagen, ich fühle mich wieder mehr wie ich selbst. Vielleicht ist Normalität nichts für mich. Vielleicht habe ich versucht, etwas zu sein, das ich nicht bin.

— Ich möchte Ihren Selbstfindungsprozess ja nicht behindern, aber ich bin ziemlich sicher, dass es Möglichkeiten gibt, Sie selbst zu sein, die keine weltweite Krise erfordern. Haben Sie schon in Betracht gezogen, dass Sie vielleicht einfach Angst davor haben, eine Familie zu gründen?

— Hm. Mal überlegen … Nein. Das habe ich noch nicht in Betracht gezogen. Doch genug von mir. Sprechen wir über Sie … Okay, okay! Können Sie mir was Neues über unseren außerirdischen Freund erzählen? Dr. Franklin meinte, er sei größer als unser Mädchen, aber viel mehr wissen wir nicht.

— Ich komme gerade von einer Besprechung mit der EVT. Dr. Franklin und ihr Team sammeln noch Daten. Es gibt nichts Neues zu berichten.

— Hat er sich bewegt?

— Nein. Die Intensität, mit der er Licht abgibt, ist ebenfalls konstant. Er scheint keine Signale zu empfangen oder zu senden.

— Und was sollen wir tun? Einfach zu ihm gehen und seine große Alien-Hand schütteln?

— Möglicherweise ist es tatsächlich so einfach. Erst mal werden Sie im Londoner Gateway-Hafen anlegen und den Roboter auf der Freifläche dahinter zusammenbauen. Dort warten Sie auf weitere Anweisungen. Hoffentlich wissen wir dann mehr. Ich will nicht pessimistisch erscheinen, aber ich würde gern mehr über Ihre Kampfkraft wissen. Nur für den Fall, dass es zu einem Konflikt kommen sollte. Dr. Franklin hat mir berichtet, Sie hätten entdeckt, wie man einen Energiestoß auslöst und fokussiert?

— Ja. Wir wussten schon, dass wir eine Entladung auslösen können. So haben wir das Labor in Denver zerstört. Wir mussten nur feststellen, auf welche Knöpfe Vincent gefallen war. Den Rest haben wir durch Zufall rausgefunden. Es hat sich gezeigt, dass der Stoß aus dem Schwert kommt, wenn man es eingeschaltet hat. Je größer das Schwert, desto fokussierter ist der Strahl. In New York trainieren wir an der Küste bei New Rochelle und schießen ins Wasser. Der Stoß reißt ein Loch so groß wie ein Häuserblock, dann läuft es wieder voll. Das ist ein ziemlich cooler Anblick. Wir haben es auch bei festen Objekten probiert und einen ziemlich großen Felsen verschwinden lassen. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob unsere Waffe gegen den Roboter funktioniert, aber alles aus dieser Welt kann sie vernichten.

Sie wissen, dass Dr. Franklin es für eine schlechte Idee hält, nach London zu fahren.

— Ja.

— Also … Was sie gesagt hat, klang für mich einleuchtender als alles andere, das ich gehört habe. Wir setzen voraus, dass wir Themis finden sollten, aber nehmen wir mal an, es wäre nicht so. Nehmen wir mal an, sie sind gekommen, um ihn zurückzuholen oder zu zerstören oder so. Wichtiger noch, nichts, was wir dem Roboter entgegensetzen können, ist eine ernsthafte Bedrohung für ihn, abgesehen von uns vielleicht. Wollen wir wirklich beim ersten Kontakt mit einer außerirdischen Spezies das einzige Ding schicken, das sie als Bedrohung sehen könnten? Und das uns noch nicht mal gehört? Ich frage nur. Ich bin Soldat. Wenn man mir sagt, ich soll mich anschleichen und ihm in den Hintern treten, dann mach ich es. Aber wenn wir vermeiden könnten, dass Vincent und ich sterben, wäre das auch nicht schlecht.

— Das kann ich nachempfinden. Sie müssen jedoch verstehen, dass die Regierungen nicht viel länger einen außerirdischen Roboter in der bevölkerungsreichsten Stadt Englands dulden können, ohne etwas zu unternehmen. Irgendwann setzt sich die menschliche Natur durch, und sie werden irgendwas schicken. Wenn es nicht Themis ist – übrigens auch das Einzige, das dem neuen Roboter vertraut sein könnte –, dann sind es die Streitkräfte des Vereinigten Königreichs. Wenn ich die Wahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten habe, würde ich lieber Sie schicken.

— Können wir nicht irgendwas schicken, das keine Waffen hat? Etwas Süßes und Flauschiges. Schicken Sie doch jemanden von der Sesamstraße oder einen Haufen Kätzchen. Haben Sie Unheimliche Begegnung der dritten Art gesehen? Wir können ihm was auf dem Keyboard vorspielen, eine Lichtshow veranstalten oder den Leuten da drin eine Zeichensprache beibringen.

— Die britische Regierung ist Ihnen einen Schritt voraus, auch wenn Ihre Vorschläge bemerkenswert ähnlich sind. Sie hat das sogenannte Erstkontaktprogramm eingeleitet.

— Will ich wissen, was das ist?

— Rund um den Park wurden Leinwände aufgestellt, auf denen Bilder von Baudenkmälern und verschiedenen Tierarten und Ausschnitte aus alten Filmen gezeigt werden. Über eine Lautsprecheranlage wird Musik aus den Fünfzigern und Sechzigern abgespielt.

— Warum denn das alte Zeug? Was ist gegen neue Musik einzuwenden?

— Sie gehen vermutlich davon aus, dass jedes Signal, das so weit gekommen ist, dass eine fremde Spezies es auffangen konnte, die Erde vor langer Zeit verlassen haben muss.

— Sie sollen also nicht enttäuscht werden, falls sie wegen Elvis gekommen sind?

— Die Absicht ist tatsächlich, Vertrautheit zu schaffen. Es wirkt ein wenig improvisiert, aber Sie müssen verstehen, dass die Wissenschaftler Mikroben oder ein ungewöhnliches Funksignal erwartet haben, falls sie auf außerirdisches Leben stoßen sollten, nicht das, womit wir es jetzt zu tun haben. Mir ist klar, wie aussichtslos das erscheinen mag, aber zumindest läuft es nicht unseren Bemühungen zuwider und erweckt den Anschein, die Regierung würde irgendwas tun.

— Und was passiert im günstigsten Fall? Sie mögen die englische Lichtshow, steigen aus dem Roboter und bleiben zum Abendessen?

— Ich glaube, insgeheim hoffen alle, dass sie einfach verschwinden. Falls das nicht passiert, hoffen wir, dass sie den Dialog eröffnen und die Bedingungen für das gegenseitige Kennenlernen diktieren. Angesichts ihrer technologischen Überlegenheit scheint das die klügste und sicherste Vorgehensweise.

— Warum sollten sie so weit reisen, nur um nach ein paar Tagen wieder zu verschwinden?

— Wahrscheinlich würden wir es genauso machen. Interessant, nicht? Zumindest hätten wir es vor einem halben Jahrhundert so gemacht. Vielleicht ist es eine moderne Sage, aber mir hat man in den Fünfzigern erzählt, das US-Militär denke darüber nach, was es tun soll, wenn wir auf intelligentes außerirdisches Leben träfen. Es entwickelte einen Sieben-Stufen-Plan, beginnend mit der Überwachung aus der Ferne. Dann würden wir die fremde Welt heimlich besuchen, und wenn wir den Eindruck hätten, unsere Waffen und Technik seien weiterentwickelt als die der Außerirdischen, würden wir mit einer Reihe von kurzen Landungen beginnen, bei denen wir Proben von Pflanzen und Tieren nehmen und vielleicht ein oder zwei Außerirdische entführen würden. Danach würden wir unsere Existenz so vielen Außerirdischen wie möglich mitteilen, und wenn wir mit ihrer Reaktion zufrieden wären, würden wir Kontakt aufnehmen.

— Und wenn wir den Eindruck hätten, dass die Außerirdischen uns überlegen sind? Was wäre dann der Plan?

— Beten, dass sie uns nicht als Nahrung betrachten.

FILE 1422

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TAGEBUCHEINTRAG VON ROSE FRANKLIN, PH. D.,

WISSENSCHAFTLICHE LEITERIN,

ERDVERTEIDIGUNGSTRUPPE

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Genau davor hatte ich Angst. Das ist der Grund, warum ich wünschte, wir … ich … hätte Themis nie gefunden. Sie sind hier. Ihre Familie ist hier. Vielleicht kommen sie, um sie nach Hause zu bringen. Ich wünschte, sie würden es tun. Ich wünschte, sie würden mich mitnehmen. Die Welt so lassen, wie sie sein sollte. Selbst wenn ich zurückbleibe, würde ich hoffen, dass sie einfach weggehen, denn egal was sie vorhaben, wir können sie nicht daran hindern.

Der Roboter – wir haben ihn Kronos genannt – könnte sechstausend Jahre jünger und damit fortschrittlicher sein als Themis. Wenn unsere Gesellschaften einen ähnlichen Evolutionsprozess durchlaufen haben, müssen sich ihre technischen Fähigkeiten ebenfalls exponentiell verbessert haben. Wir haben in den letzten hundert Jahren mehr Dinge erfunden als in den tausend davor, und in den nächsten zehn Jahren werden wir wahrscheinlich noch mehr erfinden. Vielleicht erreicht die technische Entwicklung irgendwann einen Punkt, an dem sie abflacht, aber es übersteigt mein Vorstellungsvermögen, was sechstausend Jahre technischer Fortschritt für eine so weit entwickelte Gesellschaft bedeuten. Ich meine das wörtlich: Ich kann es mir nicht vorstellen. Zu sagen, Themis sei veraltet, ist eine enorme Untertreibung. Sie könnte für den Roboter in London das Äquivalent zu einem Holzspielzeug sein. Ich möchte sie, so lang ich kann, von dort fernhalten. Leider ist das möglicherweise nicht besonders lang. Ich habe vorgeschlagen, die Region zu evakuieren und sechs Monate zu warten, bevor wir irgendwas versuchen. Wenn die Außerirdischen Kontakt mit uns wollen, dann sollen sie ihn herstellen. Wichtiger noch, man sollte sie nicht dazu zwingen, falls das nicht der Grund ist, aus dem sie hier sind. Eugene – er würde mich umbringen, wenn er wüsste, dass ich ihn beim Vornamen nenne – hat mir klargemacht, dass die britische Regierung diese Geduld nicht aufbringt. Ich mag Eugene. Er ist ein selbstgerechter sechzigjähriger General, der genauso aufgeschlossen ist, wie man es von einem selbstgerechten sechzigjährigen General erwartet. Aber Eugene hasst Krieg. Er hat schon viel zu viele Menschen sterben sehen, und ich vertraue darauf, dass er das Richtige tut.

Falls die Alternative die Armee ist, könnte es tatsächlich das Richtige sein, Themis zu schicken. Sie sprechen vielleicht nicht unsere Sprache, aber sie kennen garantiert die Bedeutung von zehntausend Männern mit Gewehren. Wenn in unserem Bericht etwas Eindeutiges steht, dann ist es der Abschnitt über die defensiven Fähigkeiten. Ich begreife einfach nicht, warum sie auch nur erwägen, Truppen zu schicken, wenn das Einzige, das wir mit einiger Sicherheit sagen können, ist, dass die Waffen keine oder nur geringe Wirkung auf den Roboter haben werden. Und da der Roboter mindestens so mächtig wie Themis sein wird, kann er jede Armee innerhalb weniger Sekunden auslöschen. Warum sollte überhaupt jemand dem Roboter gegenübertreten? Im besten Fall wird er ignoriert, im schlimmsten Fall stirbt er einen völlig sinnlosen Tod, bevor er überhaupt begreift, was geschieht.