Gina, die Borderline-Sub - Tahía Sánchez-Meyer - E-Book

Gina, die Borderline-Sub E-Book

Tahía Sánchez-Meyer

0,0

Beschreibung

Eigentlich ist Gina von Mallorca nach Hessen gezogen, um Ruhe vor Männern zu haben. Als sie jedoch auf David Bornemann trifft, den größten BDSM-Suiten-Vermieter Deutschlands, steckt sie im Nu in einer aufregenden Dom-Sub-Beziehung, bei der die Grenzen zwischen Lust, Ekel, rauschartigen Glückszuständen und sprachlosem Entsetzen verschwimmen. Aufgrund ihrer Borderline-Störung gelingt es David spielend, Gina nicht nur dazu zu bringen, ihre geheimsten erotischen Fantasien auszuleben, sondern sich auch auf vehement abgelehnte sexuelle Praktiken einzulassen. Schnell bestimmt BDSM ihr Leben, gefährdet sogar ihren Job. Dann muss sie sich entscheiden: Ist sie bereit, sich von ihm zur Sub ausbilden zu lassen? Das Besondere an der Gina-Reihe ist, dass sie sowohl aus Sicht der Sub, wie aus der des Doms geschrieben ist und den Leser so in die spezielle Dynamik und Intensität einer BDSM-Beziehung mit hineinreißt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 462

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Buch

Eigentlich ist Gina von Mallorca nach Hessen gezogen, um Ruhe vor Männern zu haben. Als sie jedoch auf David Bornemann trifft, den größten BDSM-Suiten-Vermieter Deutschlands, steckt sie im Nu in einer aufregenden Dom-Sub-Beziehung, bei der die Grenzen zwischen Lust, Ekel, rauschartigen Glückszuständen und sprachlosem Entsetzen verschwimmen. Aufgrund ihrer Borderline-Störung gelingt es David spielend, Gina nicht nur dazu zu bringen, ihre geheimsten erotischen Fantasien auszuleben, sondern sich auch auf sexuelle Praktiken einzulassen, die sie vehement ablehnt.

Schnell bestimmt BDSM ihr Leben, gefährdet sogar ihren Job.

Dann muss sie sich entscheiden: Ist sie bereit, sich von ihm zur Sub ausbilden zu lassen?

Autorin

Die Autorin ist Anfang vierzig und lebt seit fünfzehn Jahren auf Mallorca, wo sie in wechselnden Beziehungen zunehmend dem Rausch des BDSM verfiel. Heute genießt sie die sexuelle Unterwerfung als Gegensatz zu ihrem dominanten Alltags-Ich.

Mit der Erkenntnis, dass BDSM eine nicht endende Spirale in immer ausgefeiltere Spielarten der Lust und des Schmerzes ist, lässt sie den Leser unter dem Pseudonym Tahía Sánchez-Meyer an ihren Fantasien und realen Erlebnissen in ihrer Gina-Roman-Reihe teilhaben.

Wenn du in dem Moment, in dem du es erlebt hast, glücklich warst,

-

dann bereue nichts.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: Donnerstag, 27. Juli 2017 Verhängnisvolles Angebot

Kapitel 2: Dienstag, 1. August 2017 Shades of Grey-Bar

Kapitel 3: Montag, 7. August 2017 Das Schicksal nimmt seinen Lauf

Kapitel 4: Donnerstag, 10. August 2017 Monique

Kapitel 5: Freitag, 25. August 2017 Restaurant Sa Farinera

Kapitel 6: Samstag, 26. August 2017 Caribbean Feeling Beach Club

Kapitel 7: Dienstag, 29. August 2017 Eis und Bücher

Kapitel 8: Montag, 4. September 2017 Die Wochenend-Einladung

Kapitel 9: Freitag, 8. September 2015 Auf Tour mit David

Kapitel 10: Freitag, 8. September 2015 Nackte Haut

Kapitel 11: Samstag, 9. Sept. 2017 Zum 1. Mal gefesselt

Kapitel 12: Sonntag, 19. September 2017 Verliebt

Kapitel 13: Mittwoch, 20. September 2017 Warum David nicht anders kann

Kapitel 14: Samstag, 07. Oktober 2017 Am Strand

Kapitel 15: Samstag, 07. Oktober 2017 Die BDSM-Finca

Kapitel 16: Mittwoch, 11. Oktober 2017 Hörig

Kapitel 17: Freitag, 13. Oktober 2017 Pure Dominanz

Kapitel 18: Freitag, 13. Oktober 2017 Wilde Fantasien

Kapitel 19: Freitag, 20. Oktober 2017 Erotic World

Kapitel 20: Samstag, 28. Oktober 2017 Red Room

Kapitel 21: Samstag, 28. Oktober 2017 Heiß-Kalte-Session

Kapitel 22: Sonntag, 29. Oktober 2017 Sex ohne Ende

Kapitel 23: Dienstag, 07. November 2017 Der nächtliche Besucher

Kapitel 24: Dienstag, 03. November 2017 Die große Ungewissheit

Kapitel 25: Samstag, 11. November 2017 Mit Plug im Arsch auf Reise

Kapitel 26: Samstag, 11. November 2017 The Bondage-House

Kapitel 27: Montag, 13. November 2017 Liebeskummer

Kapitel 28: Samstag, 18. November 2017 Anweisung in der Nacht

Kapitel 29: Samstag, 25. November 2017 Fahrt ins Ungewisse

Kapitel 30: Samstag, 25. November 2017 Das Spiel eskaliert

Kapitel 31: Sonntag, 26. November 2017 Ein verrückter Traum

Kapitel 32: Montag, 25. Dezember 2017 Böses Erwachen

Kapitel 33: Dienstag, 23. Januar 2018 Start in ein neues Leben

Kapitel Glossar

1

Donnerstag, 27. Juli 2017

Verhängnisvolles Angebot

GINA

»Hey Gina, ich habe die ultimative Story für dich!«

In der linken Hand wild einen Zettel schwenkend, kommt Julia keuchend auf mich zugerannt.

»Das ist die Chance für dich«, strahlt sie. »Das Interview des Jahres!«

Verdutzt ziehe ich meine Augenbrauen nach oben.

»Das Interview des Jahres?«, wiederhole ich ihre Worte. »Was meinst du damit?«

Julias rehbraune Augen funkeln.

Wir wohnen beide erst seit kurzem in Kassel. Julia wurde Anfang des Jahres von Frankfurt aus in eine hier neu eröffnete Privatklinik versetzt, wo sie als Krankenschwester arbeitet, und ich habe seit März einen Job als Journalistin bei der wöchentlich erscheinenden Zeitschrift Hessen Pur, nach acht Jahren Mallorca Leben.

»Du hast am kommenden Dienstag um genau achtzehn Uhr ein Date mit David Bornemann. In Frankfurt allerdings«, räumt sie ein.

»David Bornemann?« Ich grüble - habe ich diesen Namen schon einmal gehört? In Frankfurt ... Sie hat den Vornamen amerikanisch ausgesprochen:

Julias Grinsen wird noch eine Spur breiter. Vergnügt beißt sie sich auf die Unterlippe.

»David Bornemann! David Bornemann«, zwitschert sie, »vierundfünfzig Jahre, der Begründer überhaupt beim Vermieten gewisser Apartments und Suiten hier in Hessen und ganz Deutschland! Nebenbei auch auf deiner Lieblingsinsel«, wirft sie augenzwinkernd ein. »Multimillionär und ...«

»Gewisser Suiten? Ich verstehe nicht wirklich, wovon du redest«, unterbreche ich ihren chaotischen Redefluss.

»Gina!« Julia verdreht ihre Augen und zieht mich zu einem frei werdenden Tisch auf der Terrasse unseres Lieblings-Eiscafés. »Du bist doch nicht frisch aus dem Ei geschlüpft. Hast sicher schon von Shades of Grey und BDSM gehört, oder? Vielleicht auch selbst mal Seitensprung- und Datingplattformen benutzt, um deine erotischen Fantasien auszuleben?«

Gewissen Suiten, Datingplattformen, Shades of Grey - ich verstehe nur noch Bahnhof und sehe Julia ratlos an, die mir in diesem Moment eine rote Visitenkarte mit Goldrand und Goldschrift über den Tisch schiebt.

Love Suiten Deutschland GmbH

David Bornemann

An der Hauptwache 137

60313 Frankfurt am Main

»Love Suiten? Was soll das sein? Reden wir über käufliche Liebe?« Neugierig geworden beuge ich mich zu ihr vor, verstumme aber, als der Kellner an unseren Tisch tritt.

Nachdem Julia sich einen Fruchtbecher und ich mir einen Eiskaffee mit Sahne bestellt habe, überlegt meine, mit ihren vierzig Jahren knappe sieben Jahre ältere Freundin, wie sie mir ihre Idee näher bringen kann.

»Okay, pass auf, meine Gute, fangen wir ganz von vorne an.« Sie streicht sich mit beiden Händen ihre langen braunen Haare hinter die Ohren und rutscht näher heran. »David Bornemanns Karriere begann mit ein paar Erotik-Suiten in und um Frankfurt herum, die er stunden- oder nächteweise an verliebte Pärchen oder sonstiges interessierte Publikum vermietet. Love Suiten ganz in rot, mit rundem Wasserbett in der Zimmermitte und roten Kissen in Herzchenform darauf, Kerzen in den Ecken und großen Spiegeln an den Wänden. Wie auch etwas gewagtere Zimmer und Appartements. Du weißt schon, so mit Ringen und Peitschen an den Wänden, statt rosa Plüschkissen auf dem Laken.«

Mit großen Augen nicke ich. Allerdings ohne zu begreifen, warum das jetzt die Story des Jahres für mich werden soll.

»Das machte er natürlich nur nebenberuflich. Und auch nicht offiziell. Hauptberuflich betrieb er einen großen Erotikshop im Internet. Als im Jahre 2011 dann Fifty Shades of Grey von Erika Leonard herauskam, hat Bornemann sofort erkannt, dass dieses Buch wie ein Tsunami einschlagen wird. Was es ja auch tat. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie viele Bücher der Serie verkauft wurden?«

Ich schüttle den Kopf. »Auf jeden Fall viele.«

»Über 120 Millionen Exemplare weltweit! Mittlerweile dürften es rund 6 Millionen alleine in Deutschland sein.«

»Stolze Zahl«, gebe ich anerkennend zu.

»Genau. Und so ziemlich zeitgleich mit dem Erscheinen des zweiten Bandes hat Bornemann sich Kredite bei den Banken und jedem Mann, der ihm noch irgendetwas schuldig war, besorgt. Mit denen hat er dann, wo er nur konnte, Appartements und abgelegene Häuschen aufgekauft und in Windeseile zu Erotik- und BDSM-Suiten umgestaltet, welche er über verschiedene Erotikportale, Singletreffseiten und Fremdgehbörsen vermietet. Und zwar von der Preisklasse an, die sich auch die ganz einfachen Leute leisten können, bis hin zu Top-Erotik-Villen mit Garten, Sauna, geheiztem Pool und Wasserfall sowie verschiedenen Themenzimmern auf Fünf-Sterne-Niveau, wo du pro Nacht auch locker mal mehrere tausend Euro hinblätterst.«

»Wie bitte?« Ich muss husten, weil ich mich alleine beim Hören dieser Summe an meinem Eiskaffee verschluckt habe. »Wer bitte schön ist so verrückt und zahlt eine solch hohe Summe für eine einzige Nacht?« Ungläubig ziehe ich meine Stirn in Falten.

»So verrückt ist das gar nicht.« Julia lacht über meinen Gesichtsausdruck. »Es gibt alleine in Deutschland rund eine Million gelangweilter Millionäre und circa neunzehntausend Multimillionäre. Du kommst doch frisch aus Mallorca und hast dort jahrelang täglich auf die unzähligen Villen, Boote und Autos der Reichen und Privilegierten gucken dürfen.

Ich gebe es auf, an meinem Strohhalm zu nuckeln und lehne mich baff zurück. »Ja, klar tummeln sich dort abartig viele Reiche auf einem Haufen um sich zu vergnügen, aber ich wusste nicht, dass es so viele Millionäre alleine in Deutschland gibt.« Ich seufze. »Und warum muss ich jeden Euro doppelt und dreifach umdrehen, um über die Runden zu kommen? Das Geld ist wirklich ungerecht verteilt!«

»Ja, das stimmt«, gibt sie mir Recht, »aber um wieder auf die Story zurückzukommen: David Bornemann ist genau durch diesen Boom, diese Lust der Leser, auch mal für ein paar Stunden oder gar Tage wie Christian Grey zu leben, vom einfachen Geschäftsmann zum Multimillionär aufgestiegen. Indem er ihnen statt einfacher Hotelzimmer Apartments und Wohnungen, bis hin zu kompletten Häusern vermietet, die keine sexuellen Wünsche offen lassen. Wer nur mal ein bisschen spielen möchte, kann sich in Love Worlds was Nettes in seiner Nähe aussuchen. Für alle, die es ein wenig spezieller möchten, gibt es eine ganze Palette von Themenwelten: SM, BDSM, Latex oder Clinic Worlds, Red Rooms and Black Rooms, Hard Core etc.«

Ich schlucke. »Na, du kennst dich ja ganz schön aus.«

Julia grinst vielsagend, geht aber nicht weiter drauf ein, als sie weiterspricht. »Tja, und nun zum Clou der Geschichte: David ist der beste Freund von Tobias, welcher wiederum seit nun fast zehn Jahren eine feste Affäre mit mir hat.«

Wow. Ich versuche, Ordnung in mein Hirn zu bringen. Starre abwechselnd auf ihren im Gegensatz zu meinem fast schon riesigen Busen und dann auf ihren zierlichen silbernen Nasenring. Stimmt, sie hat mal von ihrem Freund Tobias erzählt und auch, dass der nicht wirklich frei ist, aber dass das trotzdem schon ein ganzes Jahrzehnt so geht. Krass!

»Wie hältst du das aus? Zehn Jahre einen Mann zu lieben, der nie bei dir einzieht?«

»Gut. Tobias hat, sagen wir mal, sehr spezielle sexuelle Vorlieben und noch speziellere Vorstellungen zum Thema Beziehung. Der Sex macht mega Spaß und ist bis heute herausfordernd, aber zum Zusammenleben ist er mir einfach zu crazy. Zu abgefahren. Nein, nein, ist schon gut so, so wie es ist.«

»Wie meinst du das?«

»Na ja, daheim lebt er mit einer 24/7 zusammen.«

»24/7?« Ich verstehe nur Bahnhof.

»Oh Gina, wie soll ich dir das in wenigen Sätzen erklären? Also Monika, mit der er bereits seit zwölf Jahren verheiratet ist, ist eine Sub. Seine Privatsklavin. Sie steht ihm vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, zur Verfügung.«

»Zur Verfügung?«

»Ja. Sie arbeitet nicht. Hält dafür das Haus blitzsauber, kocht, macht die Wäsche, bügelt und steht ihm Tag und Nacht zur Verfügung, egal wann er Bock auf sie hat. Sie hat niemals Migräne, ihre Tage oder einfach nur so keine Lust auf Sex. Das gibt es nicht. Beziehungsweise wenn doch, ist das kein Grund, ihn abzuweisen.«

»Er hält sie gefangen?«

Julia lacht über meinen entsetzten Kommentar. »Nein. Es ist ihre gemeinsame Art, eine Beziehung zu führen. Sie darf nur raus, wenn er dabei ist. Also niemals alleine oder mit einer Freundin shoppen gehen oder zum Arzt. Wobei sie eh keine Kontakte nach außen mehr hat. Ich sag ja: er lebt eine sehr schräge Vorstellung von Beziehung. Und auch von Sex. Da geht es deftig zur Sache. Auch hier darf sie niemals etwas ablehnen. Egal wie abgefahren oder brutal er dabei vorgeht.«

Als Julia mein Entsetzen sieht, fühlt sie sich genötigt, es mir genauer zu erklären. »Keine Angst. Er weiß genau, was er tut, und wie weit er gehen kann. Er liebt sie schließlich! Und er ist ja auch nicht immer nur grob und dominant. Tobias genießt es genauso, sich einfach nur von ihr verwöhnen zu lassen. Jeden Abend macht Monika ihm ein Fußbad, wenn er von der Arbeit kommt, bringt ihm kaltes Bier, und auf Wunsch bekommt er auch eine Massage. Sie würde ihm niemals von irgendwelchen Problemen erzählen oder es wagen, sich zu beschweren, wenn er mal später oder gar nicht heimkommt. Dafür trägt er sie auf Händen und sorgt gut für sie.«

»Und du?« Es gelingt mir nicht wirklich, das Gehörte zu verarbeiten.

Wieder lacht Julia. »Ich lebe wesentlich freier, wie du siehst.« Sie breitet gut gelaunt ihre Arme aus. »Aber wenn er kommt, dann ist der Sex schon sehr speziell. Ich bin sozusagen seine Anastasia Steele. Blöd nur, dass er weiterhin in Frankfurt wohnt, während ich nun zwei Jahre in Kassel verbringen muss. Aber bislang klappt es ganz gut. Und was wirklich geil ist: ich habe endlich mal eine echte Freundin gefunden! Ein Hoch auf unser Fitnessstudio!«, strahlt sie mich begeistert an.

»Und ich habe also dank deiner Beziehung mit Tobias ein Interview-Date mit besagtem Mister Bornemann«, schlage ich den Bogen zurück zum Ausgangspunkt und beginne langsam Gefallen an der Sache zu finden, obwohl mich Julias Geständnis gerade ganz schön aus der Bahn geworfen hat. »Was für eine geniale Geschäftsidee!«

»Genau. David hasst Interviews. Aber weil er gerne in Not geratenen jungen Frauen hilft ...«

»In Not geratenen jungen Frauen?« Protestierend beuge ich mich vor, wobei ich fast das hohe Glas mit dem Rest meines Eiskaffees umkippe. »Ich bin weder in Not, noch eine wirklich junge Frau. Was hast du bloß über mich erzählt?«

Julia grinst breit. »Na ja, du sagtest mir doch, dass dein Chefredakteur noch eine richtig gute Story von dir erwartet, damit es am Ende der sechsmonatigen Probezeit zu der gewünschten Festanstellung kommt, und da ich dich echt gern habe, habe ich ein wenig auf die Mitleidsdrüse gedrückt und dich auf Mitte Zwanzig verjüngt.«

»Mitte Zwanzig? Hey, ich werde in zehn Tagen vierunddreißig!«, protestiere ich und stemme meine Hände in die Hüfte.

»Ja, aber aussehen tust du wie Anfang, Mitte zwanzig.«

»Na gut, dann lass ich mich mal überraschen.«

2

Dienstag, 1. August 2017

Shades of Grey-Bar

GINA

Gott, bin ich nervös! Mit übereinandergeschlagenen Beinen sitze ich auf einem mit rotem Leder bezogenen Hocker am Tresen der mittlerweile mehr als berühmten Shades of Grey-Bar, die sich zwischen Bornemanns Firmensitz an der Hauptwache und der Frankfurter Börse befindet und zu seinem Imperium gehört. Ich blicke auf mein Handy. Es ist 18:25 Uhr. Seit fast einer halben Stunde lässt Bornemann bereits auf sich warten, was mich wütend macht. Ich hasse nur wenige Dinge mehr als Unpünktlichkeit.

Ich schwenke die immer kleiner werdenden Eiswürfel in meinem Wasserglas und lasse die Augen durch die Bar schweifen, in die nur Erwachsene hineingelassen werden. Sie ist beeindruckend. Ich weiß gar nicht, wohin ich meinen Blick zuerst richten soll, beziehungsweise wovon ich ihn viel lieber abwenden will, weil mich jeder Gegenstand erröten lässt, der an der Decke und den Wänden angebracht ist. Fesselequipment und Sexspielzeuge in Übergröße sowie grausame Fotos von Frauen und Männern bei SM-Spielen dominieren provozierend das gesamte Ambiente. Aber es sind eindeutig keine pornografischen, sondern tief verstörende Fotos. Immer stehen nur winzige Details aus den verschiedensten BDSM-Szenen, meist in schwarz-weiß gehalten, überdimensional groß im Vordergrund, während im Hintergrund, stark verblasst, die komplette Szene dargestellt ist.

Die Großaufnahme eines tränenüberströmten Frauengesichts beunruhigt mich am meisten. Es ist das Gesicht einer ganz normalen Frau Mitte vierzig, deren gelockte Haare wirr und nass von ihrem verschwitzten Kopf abstehen. Das Make-Up läuft ihr, mit Tränen vermischt über die Wangen am Kinn herunter. Im Hintergrund die Szene, die diesem Foto vorausgegangen ist: die gleiche Frau an einem Kreuz fixiert, wie sie brutal gepeitscht wird, während kaum noch ein Zentimeter ihres Körpers frei von Striemen ist. Seltsamerweise scheint sie gar nicht verzweifelt. Im Gegenteil. Ihr Gesicht leuchtet, wirkt erschöpft, aber stolz und glücklich.

Schockiert wandert mein Blick hin und her, irritiert vom Kontrast der beiden Bilder. Der Brutalität auf der einen Seite und dem glücklichen Gesichtsausdruck auf der anderen. Warum lassen Frauen sich freiwillig Schmerz zufügen?

»Hallo, junge Schönheit. Ich schätze, Sie warten auf mich?« Eine tiefe, angenehme Stimme schreckt mich aus meinen Gedanken auf.

Es muss Bornemann sein. Wortlos sehe ich ihn mir von oben bis unten an. Okay, ziemlich unprofessionell nicht zurückzugrüßen, aber ich bemerke es im ersten Moment nicht einmal. Bleibe sogar sitzen, anstatt aufzustehen.

David Bornemann ist 1,85 Meter groß, hat kurze, verwuschelte, straßenköterblonde Haare, strahlend blaue Augen, ein auffallend symmetrisches Gesicht mit markanten Wangenknochen und eine wohlgeformte Nase. Er wirkt frisch rasiert und hat eine sportliche Figur. Auf offener Straße hätte ich ihm wohl trotzdem keinen zweiten Blick geschenkt oder ihm gar mit offenem Mund hinterher gestarrt. Nicht dass er unattraktiv wäre, aber eben auch kein Christian Grey. Nun gut, schließlich ist Bornemann auch keine siebenundzwanzig, sondern stolze vierundfünfzig. Und für das Alter hat er sich gut gehalten. Sieht definitiv einige Jahre jünger aus.

Was habe ich eigentlich erwartet? Einen alten Knacker mit grauen Haaren, gut sichtbarem Bauchansatz und vielen Goldkettchen um Hals und Handgelenke, die seine pekuniäre Situation nach außen hin für alle dokumentieren? Ja, das habe ich wohl. Wobei, sein grauer Anzug ist garantiert maßgeschneidert. Und auch die blaue Krawatte passt perfekt.

DAVID

Amüsiert mustere ich die junge Journalistin aus Kassel, die Freundin von Tobias' Langzeit-Sub Julia. Gute Figur, keine Frage. Circa 1,65 Meter, sportlich, drahtig und meiner Einschätzung nach maximal 60 kg schwer. Ihre naturblonden, kinnlangen Haare stehen ungezähmt vom Kopf ab. Es passt zu ihr, obwohl ich, wie die meisten Männer, lange Haare bevorzuge. Sie wirkt sympathisch.

Da sie mich weiterhin schweigend ansieht, betrachte ich abwartend erst ihre grünen Augen und dann die frechen Sommersprossen auf Wangen und Nase. Niedlich, die Buchner. Und verdammt nervös. Ich lasse meinen Blick über ihre weiße Bluse mit überschaubar großem Busen und den rotkarierten Rock hinab zu ihrer hellen Strumpfhose und den unschuldigen schwarzen Büroschuhen mit maximal drei Zentimeter hohen Absätzen gleiten. Sie hat eine schmale Taille, ein breites Becken und geradezu perfekte Beine. Echt sexy.

»Hat es Ihnen die Sprache verschlagen, oder sind Sie doch nicht Frau Buchner?«, erkundige ich mich, ihr meine Hand erneut zum Gruß hinhaltend.

»Doch, doch.« Errötend ergreift ihre schmale Hand diesmal die meinige.

Mein Schwanz zuckt, als sie dabei, beschämt über ihr unhöfliches Verhalten, ihren Blick einen kurzen Moment gen Boden richtet. Ich blicke auf ihre Gel-Nägel in French-Look. Wie langweilig. Dafür frisch gemacht. Es ist keinerlei Übergang zum Nagelbett zu sehen. Ob sie sich die extra für unser Treffen hat erneuern lassen? Ich schüttle über mich selbst den Kopf, als ich ihr kräftig die Hand drücke. Nein, denn dann wäre der Nagellack rot ausgefallen, oder?

»Kommen Sie mit.« Ich zeige mit meinem Kinn zum hinteren Bereich der Bar, wo es viele kleine Nischen mit knallroten Ledersitzbänken und schmalen Tischchen zum Plaudern gibt. »Dort hinten ist es ein wenig intimer.«

Gina Buchner zieht bei meinem letzten Wort die Augenbrauen hoch, läuft mir aber brav hinterher.

Ich lasse mich auf die hinterste Bank gleiten, mit Blickrichtung zur Bar und lehne mich entspannt zurück. Aufmerksam sehe ich zu, wie sie ihren Rock rafft, bevor sie sich mir gegenüber setzt. Wirklich süß.

Unsicher sieht sie mich an. Reibt dabei unaufhörlich ihre Hände. Dafür, dass sie Journalistin ist, ist sie verblüffend unsicher. Fehlt ihr die Erfahrung, oder ist es das Ambiente hier?

»Dann schießen sie mal los«, fordere ich sie auf, um das nervige Interview so schnell wie möglich hinter mich zu bringen.Ich hasse es, in der breiten Öffentlichkeit auf mich aufmerksam zu machen. Da ich jedoch mehrere neue Objekte in Hessen auf dem Markt gebracht habe, ist ein wenig Werbung nicht verkehrt.

Aufmerksam sehe ich Frau Buchner in die Augen. Sie bestehen aus mindestens drei unterschiedlichen Grüntönen, durchzogen von winzigen grauen Fäden. Wann habe ich zuletzt eine Frau mit derart grünen Augen gevögelt?

Wann hast du überhaupt zum letzten Mal eine Frau gevögelt, empört sich mein Schwanz und bewegt sich. Ich sehe einen kurzen Moment auf meinen Schritt. Er hat Recht. Es sind mindestens drei Wochen seit dem letzten Mal vergangen. Und den Fick hätte ich mir sparen können. Ich komme nicht einmal mehr auf den Namen dieser kurvigen Kellnerin, die sich im Bett als dominante Oberemanze entpuppte und mich somit noch vor Morgengrauen für immer aus ihrem Leben vergrault hatte.

»›Vom einfachen Geschäftsmann zum Multi-Millionär – dank Shades of Grey‹, soll mein Artikel heißen,« reißt mich die Stimme der jungen Frau aus meinen Gedanken. »Ich habe eine Doppelseite vorgesehen,« fährt sie fort, »und es wäre wirklich nett, wenn Sie mir erlauben, ein persönliches Foto von Ihnen sowie von zwei oder drei unterschiedlichen Suiten drucken zu lassen, um dem Leser die Bandbreite Ihres Angebots näherzubringen. Ich habe mir eine kleine Fotoauswahl aus verschiedenen Portalen im Internet auf mein Handy heruntergeladen. Von Ihnen habe ich leider nur ein einziges Porträtfoto gefunden, welches auch nicht gerade von beeindruckender Schärfe ist.«

Fotos. Von mir. Kalte Schauer laufen meinen Rücken herunter. Frauen sind schöne Motive. Aber nicht ich. Ich möchte auf keinen Fall in der Öffentlichkeit erkannt werden. Schätze meine Privatsphäre über alles. Schnell unterbreche ich ihren Redefluss. »Was darf ich Ihnen zum Trinken kommen lassen?«

»Einen Mojito?«, entfährt es ihr spontan, mit einem Blick zum Nachbartisch, wo sich ein frisch verliebtes Pärchen an so einem gemeinsam labt. Augenblicklich schlägt sie sich stöhnend an die Stirn. »Sorry. Eine Cola bitte. Light. Ohne Eis.«

Ihr Gesicht und der schmale lange Hals überziehen sich mit leicht roten Flecken.

»Viktor, einen großen Mojito für die junge Dame hier«, rufe ich laut Richtung Bar, während ihr tief aus der Kehle kommendes, erotisches Aufstöhnen beim Erkennen ihres Fauxpas weiterhin angenehm in meinem Ohr vibriert.

Peinlich berührt schlägt Frau Buchner erst die getuschten Wimpern nieder, dann bedeckt sie Augen und Nase zusätzlich noch mit der linken Hand. Sie trägt keine Ringe. Selten für eine Frau in ihrem Alter. Aber es passt zu ihr. Ich trage auch keine.

»Es tut mir leid. Ich trinke keinen Alkohol während eines Interviews. Eine Cola reicht. Wirklich.«

Endlich lächelt sie mich an. Ihre Augenbrauen bleiben jedoch skeptisch nach oben gezogen. Ihr ist klar, dass ich es bei dem Cocktail belassen werde. Das gefällt mir.

Grinsend lehne ich mich zurück und beobachte sie. Mein Blick verharrt auf ihren eher zum Herbst passenden, rotbraun geschminkten Schmolllippen. Sie setzt sich gerade und versucht, zumindest halbwegs professionell, auch mich einzuschätzen. Ich lasse ihr Zeit. Stelle mir vor, wie meine Zungenspitze langsam über ihrer Unterlippe gleitet, über jede noch so kleine Unebenheit. Wie es wäre, sie zu küssen. Wie sie wohl schmeckt?

Meine Eichel zuckt und dehnt sich, als wäre sie direkt mit meinem Sehnerv verbunden. Schnell konzentriere ich mich auf ihre faszinierenden Augen und den leicht fragenden Ausdruck in ihnen, bevor meine Hose noch mehr anschwillt. »Was geht Ihnen gerade durch den Kopf?«

Ertappt zuckt sie zusammen. Ihre Pupillen erweitern sich kurz, was nun meinen kompletten Schwanz zum Leben erweckt. Eine ebenso unkontrollierbare Reaktion meinerseits.

Beschämt schüttelt die Buchner den Kopf. Es gelingt ihr nicht mehr, den Augenkontakt zu halten.

»Sagen sie es nur«, fordere ich sie lachend auf. Gespannt auf ihre Antwort.

Sie hebt ihren Kopf. »Ganz ehrlich?«

Ich nicke.

»Ich frage mich, warum ein Mann in ihrer Position keinen besseren Frisör hat.« Erschrocken presst sie ihre Lippen aufeinander.

Ich brülle vor Lachen. Ich kann gar nicht anders. Was für eine geniale Direktheit. »Sie gefallen mir!«

Meine Antwort lässt ihre leicht roten Flecken noch deutlicher hervortreten. Zu ihrem Glück tritt in diesem Moment Viktor mit unseren Getränken an den Tisch. Einem Glas meines Lieblings-Champagners und einem großen Mojito, in dem fünf frisch gezupfte Minzblätter schwimmen.

Unbewusst leckt sich Frau Buchner über ihre trockenen Lippen und saugt, wie eine Verdurstende, sofort am Strohhalm. Ihr Gesichtsausdruck entspannt sich.

Wieder muss ich lachen. Sie wird noch röter, als sie bemerkt, dass ich ihr mein unberührtes Champagnerglas entgegenhalte. »Sind Sie jetzt in der Lage, mit mir anzustoßen?«, amüsiere ich mich.

Sie schließt die Augen.

Es rührt mich, wie sie tief durch die Nase einatmet und die verbrauchte Luft dann hörbar durch die fast geschlossenen Lippen herauspresst. Ihr dunkler BH drückt sich gegen die helle Bluse. Für meinen Geschmack besteht er aus zu wenig Spitze und zu viel geschlossenem Stoff. Sie schwitzt zwischen den Brüsten. Zumindest soweit ihre Bluse mir Einblick gewährt.

»Können wir noch mal ganz von vorne anfangen?« Gina öffnet die Lider und sieht mich an. Bemerkt sofort, wo mein Blick ruht. Ihre Augen blitzen.

Ich muss meine Sitzposition verändern, um das Drücken in der Hose abzumildern. Obwohl ich mich nur wenige Millimeter bewegt habe, verziehen sich ihre Augen zu schmalen Schlitzen. Ihr Mundwinkel zuckt, in einer Mischung aus Arroganz und Sieg. Das typische Geschlechter-Spiel. Zeit, das Zepter wieder in die Hand zu nehmen.

»Okay, und an welchem Tag in Ihrem Leben möchten Sie ansetzen?«, frage ich.

GINA

Verblüfft sehe ich Bornemann an. »Äh, wie bitte?« (Ja, reichlich platt für eine Journalistin, ich weiß).

Statt einer Antwort lehnt er sich zurück, schlägt die Beine übereinander und nimmt genüsslich einen tiefen Schluck aus seinem Glas. Dabei sieht er mir entspannt in die Augen. Zeigt mir, dass er die Situation verdammt genießt. Auf meine Kosten.

Im Nu sind zwei Stunden vergangen. Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wie ich es am Ende geschafft habe, mich aus dieser Aneinanderreihung von peinlichen Momenten zu lösen und den Übergang zu meinen eigentlichen Fragen zu finden. Und es ist auch nicht bei einem Mojito geblieben. Meine Fragen für den geplanten Artikel sind alle schon längst beantwortet, doch jede seiner Antworten hat weitere bei mir aufgeworfen.

»Eine letzte Frage, Herr Bornemann«, versuche ich den interessanten Abend zu beenden.

Er nickt freundlich.

»Wie oft benutzen Sie selbst Ihre Etablissements?«

Bornemann schmunzelt. »Das kommt ganz auf die Zeit an, die ich erübrigen kann, und wie interessant die Damen sind, die gerade eine Rolle in meinem Leben spielen. Zudem erwähnte ich schon, dass die meisten meiner Etablissements, wie Sie meine Love Suiten so nett umschreiben, meist durchgehend ausgebucht sind.«

Hm, da hat er sich ja geschickt aus der Affäre gezogen. Ich unternehme einen weiteren Anlauf, ihn ein wenig in die Enge zu treiben und am glatten Geschäftsmann vorbei zum privaten Bornemann vorzustoßen.

»Gibt es irgendeine Themenwelt aus ihrem umfangreichen Programm, die Sie selbst noch nie benutzt haben?«

»Können Sie das Wort benutzen in diesem Zusammenhang näher definieren?«

Ich knurre innerlich. Er ist so verdammt aalglatt! »Sex haben? Frauen schlagen? Welchen Ausdruck bevorzugen Sie für das, was man dort treibt? Liebe machen ist wohl definitiv der falsche Ausdruck, oder?« Ich klopfe mir innerlich vor Stolz auf die Schulter über meine Schlagfertigkeit.

»Finden Sie?«, fragt er mit einem unschuldigen Augenaufschlag.

»Ja, finde ich.«

»Dann definieren Sie doch mal den Begriff Liebe machen«, fordert er mich auf, bemüht ernst zu bleiben. Doch ich sehe in seinen Augen, dass ihm unser Wortgefecht gefällt. Wie bei einem Tennismatch fliegen die Wörter hin und her, und jeder versucht auf seine Art zu gewinnen oder zumindest zu punkten.

»Nun gut«, setze ich an, und richte mich ein wenig gerader auf. »Unter Liebe machen verstehe ich alle sexuellen Praktiken, bei denen es um Lust und Vergnügen geht. Für beide Seiten.«

Bornemann lehnt sich auf seiner Bank zurück. »Dann muss ich gestehen, dass ich wohl schon alle benutzt habe.«

»Bitte?«, entfährt es mir. Ich kann mein Entsetzen nicht länger verbergen. »Was hat es mit Liebe machen zu tun, eine Frau nackt in einen Käfig zu sperren, womöglich noch gefesselt und geknebelt? Oder sie hier«, ich drehe mich, so gut es im Sitzen geht, um meine eigene Achse und zeige auf das Bild mit der weinenden Frau. »So sieht für mich keine Frau nach ›Liebe machen‹ aus.« Empört streiche ich mir meinen Pony aus der Stirn.

»Wenn Sie als Fachfrau das so sagen ...«

Sein rechter Mundwinkel zuckt. Oder habe ich mich getäuscht? Warum muss er mir die ganze Zeit direkt in die Augen schauen? Es macht mich ganz kirre. Er macht mich ganz kirre. »Okay, erlauben Sie mir einen letzten Versuch zu diesem Thema.«

»Nur zu«, ermuntert er mich, stellt seine überkreuzten Beine ordentlich nebeneinander, setzt sich aufrecht hin und faltet seine Hände auf dem Tisch liegend wie zum Gebet.

Seine Haltung verwirrt mich, und ich brauche ein paar Sekunden, um mich wieder zu sammeln. »Wenn, also ich weiß ja nicht, ob Sie wirklich ... Also nur für den theoretischen Fall, dass Sie irgendwann einmal in ihrem Leben ...« Ich komme ins Stocken. Gnädigerweise schweigt er dieses eine Mal. Hat sogar die Mundwinkel unter Kontrolle. Nur seine Augen blitzen vergnügt.

»Haben Sie jemals mit so einer Peitsche eine Frau geschlagen?«, gebe ich mein Gestammel auf und frage ihn so direkt wie möglich. Oh Gott, bitte lass ihn nicht ja sagen.

»Ja. Und nicht nur mit so einer. Da gibt es weit effektivere.«

Er sagt es so gelassen, als wenn ich von ihm hätte wissen wollen, ob er seinen Kaffee schwarz oder mit Milch trinkt.

Ich schlucke. Mein Mund ist staubtrocken. »Und was hat das mit Liebe machen zu tun?«, krächze ich.

Er beugt sich zu mir vor. »Gehört ein gutes Vorspiel für Sie nicht zum Liebe machen dazu?«

Ich gebe mich geschlagen. Auf diesem Terrain kann ich unmöglich gewinnen. »Okay, das war es dann. Sie haben all meine Fragen beantwortet. Herzlichen Dank, dass Sie sich dafür Zeit genommen haben. Auch wenn Sie mir keine Erlaubnis gegeben haben, ein persönliches Foto von Ihnen zu drucken. Was ich wirklich schade finde, aber nachvollziehen kann.« Geschäftig nehme ich mein kleines Notizbuch in die Hände und befestige meinen Kugelschreiber in der dafür vorgesehenen Lasche.

»Was irritiert Sie mehr,« hakt er nach, »über ein gutes Vorspiel zu reden oder über Sadomasochismus? Ich glaube, Ihre wirkliche Angst liegt darin begründet, dass wir am Ende zum Begriff Orgasmus gelangen, womit die meisten Frauen in der Regel ihre Schwierigkeiten haben.«

Empört und seltsamerweise auch verletzt, stehe ich auf. »Ich muss mal kurz wohin«, entschuldige ich mich. Leider bin ich nicht schnell genug, so dass ich sein erotisch betontes ›Nur zu‹ noch höre. Was garantiert auch so von ihm gewollt ist. Himmel Herr, der Kerl glaubt doch nicht ernsthaft, dass mich diese Debatte sexuell erregt hat und ich deshalb jetzt ins Bad will?

Überrascht stelle ich auf der Toilette fest, dass ich tatsächlich feucht zwischen den Beinen bin. Ziemlich feucht sogar.

Ich bereue es zutiefst, mich auf dieses Interview eingelassen zu haben. Fühle mich weder dem Thema noch Bornemann gewachsen. Nur gut, dass der Abend jetzt vorbei ist, und ich zurück nach Kassel kann. Obwohl, mal ganz ehrlich: Bornemann hat mein Interesse geweckt. Entgegen meiner ursprünglichen Annahme ist er weder schmierig noch ungehobelt. Im Gegenteil. Er macht einen intelligenten Eindruck und spricht voller Achtung und mit viel Respekt über Frauen, ihre sexuellen Wünsche und Interessen. Und darüber, wie Beziehungen sich zur vollen Blüte entfalten können, wenn man offen und ehrlich miteinander über sexuelle Fantasien und Ängste spricht, ihnen gemeinsam begegnet, sie ausprobiert und mit ihnen experimentiert. ›Farbe in den Alltag bringt‹, wie er es so schön formuliert hat.

Während ich meine Hände wasche, denke ich über mein Sexualleben nach. Warum habe ich so selten wirklich guten Sex? Und warum gehen meine Beziehungen immer so schnell den Bach herunter? Gebe ich mir nicht genug Mühe, oder mache ich es den Männern zu leicht, weil ich ihnen ein bequemes Leben bereite und sie ihre sexuelle Abenteuerlust eh früher oder später außerhalb unserer Beziehung ausleben? So wie mein spanischer Ex Felipe. Der Auslöser meiner überstürzten Flucht aus Mallorca. Ausgerechnet drei Tage vor Silvester habe ich ihn beim Sex mit einer anderen erwischt - ausgerechnet auf dem neuen Sofa! In der gleichen Sekunde wurde mir klar, dass ich wegmusste von dieser verfluchten Insel. Egal ob deutsch, spanisch, englischbulgarisch oder italienisch-mallorquinisch - aus welchen Gründen auch immer schaffte es kein Mann, mir länger als ein paar Wochen treu zu bleiben. War die Insel mit all ihren hübschen Konkurrentinnen und ständigem Partyflair oder ich selbst daran schuld? Ich wusste es nicht. Wusste nur, das ich die Schnauze mehr als voll hatte und nach acht Jahren Inselleben einen totalen Neustart brauchte.

Ich werfe einen letzten Blick in den Spiegel und gehe zurück zum Tisch, um meine Jacke zu holen. Als ich nach ihr greife, erhebt sich Bornemann. »So, dann kommen Sie mal mit, liebe Gina. Begleiten Sie mich zu meinem Lieblings-Italiener. Ich habe verdammten Hunger auf Pizza Spinaci con frutti di mare. Sie sind selbstverständlich eingeladen.«

Ich bin verwirrt. Wie jetzt, liebe Gina. Seit wann duzen wir uns? Und warum lädt er mich zum Essen ein? Ich sehe auf mein Handy: 21:10 Uhr. Ich bin mit dem Zug gekommen und wollte spätestens um kurz nach einundzwanzig Uhr mit dem letzten ICE zurückfahren. Das kann ich jetzt vergessen, da sich der heutige Abend bereits länger hingezogen hat, als von mir geplant und offensichtlich noch nicht zu Ende ist. Mist! Wie soll ich nachher nach Hause kommen? Ob ich am Ende in Frankfurt übernachten muss?

Schnell schiebe ich den Gedanken beiseite und lasse mir von Bornemann in die Jacke helfen. Mal abgesehen von seinen provozierenden Antworten, die selten aus einem reinem ›Ja‹ oder ›Nein‹ bestehen, ist er völlig normal. So, wie soll ich sagen? Wenn ich es durch Julia nicht besser wusste, würde ich ihn weder für einen Millionär noch für einen Mann halten, der seine Befriedigung daraus zieht, Frauen zu unterdrücken und zu schlagen.

Wie viele Gläser hat er eigentlich mittlerweile intus? Zusammen mit meinem zweiten Cocktail, der nicht der letzte war, hatte der Kellner unaufgefordert einen Sektkühler in Form von zwei üppigen Frauenbusen auf den Tisch gestellt, in dem sich eine geöffnete Flasche der mir total unbekannten Marke La Vierge befand.

Champagner, kein Sekt, wie Bornemann mir leicht blasiert erklärt hat. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Flasche jetzt leer ist oder zumindest so gut wie.

Zum Glück wartet vor der Bar eine schwarze, elegant aussehende Mercedes-Limousine samt Chauffeur auf uns. Bornemann muss also nicht selbst fahren.

Wir werden in eine ruhige Wohngegend chauffiert, wo ein kleines, gemütliches, italienisches Restaurant auf uns wartet. Definitiv kein Szene-Restaurant.

»Mein italienischer Zufluchtsort«, erklärt Bornemann und öffnet mir galant die Eingangstür. Offensichtlich ist er ein gern gesehener Stammgast.

»Ciao David, come stai?«, begrüßt ihn der Chef persönlich, mit einem freundschaftlichen Schlag auf die Schulter.

»Bene perfetto, e tu, Giuseppe«, erwidert er.

Der Rest entzieht sich überwiegend meiner Sprachkenntnis. Aber es klingt herrlich lebhaft. Viel fröhlicher als das Spanische, das ich mittlerweile fast perfekt beherrsche. Verlegen bekomme ich dennoch mit, das Giuseppe mich mit einer wahren Flut an schmeichelhaften Worten überschüttet. Und ich habe gedacht, die Spanier wären da Meister - weit gefehlt!

Mit einem Mal ist es nach Mitternacht, und wir sind die letzten Gäste. Worüber haben wir uns die ganze Zeit unterhalten? Ich erinnere mich diffus, dass wir über meine jetzige Arbeit bei Hessen Pur und die damals auf Mallorca, also vor nicht einmal einem halben Jahr, unterhalten haben, sowie kurz über meine Beweggründe nach Deutschland zurückzukehren. Da ich keine Lust auf Gespräche über meine Beziehungsprobleme hatte, lenkte ich das Thema geschickt auf die Unterschiede des ›typisch deutsch‹ und ›typisch spanisch‹. Bornemann lachte Tränen, als ich ihm erzählte, dass in meinen Augen die Steigerungsform von typisch Spanisch typisch mallorquinisch‹ sei.

Er seinerseits erzählte lustige Geschichten über die verrücktesten Reklamationsversuche seiner Sex-Shop-Kunden.

Außerdem stellten wir fest, dass wir beide hausgemachte Panna Cotta lieben, wobei ich sie nur mit Erdbeersauce mag, während er sich seine mit frischen Blaubeeren kommen ließ.

Als wir uns jetzt bis obenhin vollgestopft mit gutem Wein, Antipasti, Pizza und Panna Cotta geschlagen geben, bringt uns Giuseppe persönlich eine große Flasche Grappa und drei Gläschen an den Tisch, um sich noch ein wenig ins Gespräch mit einzuklinken.

Als David - wir sind mittlerweile bei Sie und Vornamen angekommen - uns zum zweiten (oder gar dritten?) Mal nachschenkt, dreht sich plötzlich alles in meinem Kopf. Ich muss mich anlehnen, um nicht umzufallen. Von einer Sekunde auf die andere bin ich nicht mehr in der Lage, die Augen offen zu halten. Wie durch einen Nebel höre ich David meinen Namen rufen. Ein starker Arm legt sich um meine Schultern. Dann Schwärze.

Als Nächstes bekomme ich mit, wie Giuseppe und David mich fürsorglich hinaus in die erschreckend kalte Nacht zur Limousine führen. Bornemanns Chauffeur hilft ihnen, mich auf die Rückbank zu bugsieren, wo einer der drei eine Jacke über mich breitet, nachdem David mir, weniger unbeholfen als erwartet, den Gurt um mein Becken legt und fixiert. Gott, riecht sein After Shave gut! Gerade als ich mir vorstelle, wie David während der Fahrt meine Hilflosigkeit ausnutzt, ist er bereits ums Auto herumgegangen und nimmt auf dem Beifahrersitz Platz.

»Fahren Sie mich zum Ático und danach Frau Buchner nach Kassel«, höre ich ihn aus unendlich weiter Ferne sagen.

Erleichtert, wenn auch leicht schuldbewusst, legt sich ein Lächeln um meine Lippen, bevor ich in einen komatösen Schlaf falle, aus dem mich Toni kurz vor Kassel wieder erweckt, da er meine genaue Adresse benötigt.

3

Montag, 7. August 2017

Das Schicksal nimmt seinen Lauf

GINA

Es ist kurz nach elf Uhr vormittags, und ich quäle mich an meinem Arbeitsplatz mit einem Artikel über einen angeblichen Korruptionsskandal bei einem kleinen, aufsteigenden Frauenhandballverein in unserem Einzugsgebiet. Vor mir ein Glas, in dem sich sprudelnd eine Kopfschmerztablette auflöst. Mein Schädel brummt. Die Folge meiner gestrigen Mini-Feier. Mein vierunddreißigster Geburtstag. Mit Julia als einzigem Gast. Sie hatte mich erst ins Kino und danach zum Griechen eingeladen. Im Anschluss hatten wir noch zwei Flaschen Sekt am Fuldaufer sitzend geleert und dabei über das Leben und die Männer philosophiert - bis kurz vor drei Uhr heute Morgen.

»Ping. Sie haben Post«, erschallt es aus meinem PC. Super! Alles ist besser, als Worte zu suchen, die eine Lächerlichkeit zu einem echten Korruptionsskandal hochpuschen würden. Verlogener Redaktionsalltag eben.

Happy über die kleine Unterbrechung schalte ich meinen Bildschirm auf E-Mail-Eingang um.

Von: david.bornemann@love-suiten-deutschland. com

An: gina.buchner@hessen-pur. com

Betreff: Dank Shades of Grey zum Millionär

Guten Morgen Frau Buchner, vielen Dank für die Zusendung eines Belegexemplars Ihrer Zeitschrift vom letzten Samstag. Ich muss gestehen, dass mir der Artikel auf Seite 12 - 13 besonders gut gefallen hat. Er könnte mich durchaus dazu inspirieren, mich auf beschriebenem Portal mal nach einem netten Wochenendvergnügen umzusehen ;-)

Doch nehmen Sie zur Kenntnis, dass besagte Randgruppen eher und sogar regelmäßig meine Villen und Fincas für ihre Privat-Partys buchen; die Suiten und Appartements zu diesen Themen (Sie sind ja gar nicht auf Fetisch und Psycho eingegangen ;-)) zu über 95 % von ›braven Durchschnittsbürgern‹ benutzt werden. Auch wenn Sie es sich immer noch nicht vorstellen können (und daher wohl auch nicht in ihrem Artikel erwähnt haben), meine Appartements und Suiten sind an mindestens siebenundzwanzig von dreißig Tagen im Monat ausgebucht! Zum Spielen, Experimentieren und ja, auch zum Liebe machen. Es tut mir furchtbar leid, wenn ich hiermit Ihr heiles Weltbild durcheinanderbringe.

Nichtsdestotrotz wünsche ich Ihnen weiterhin einen angenehmen Arbeitstag und gratuliere aufrichtig zum Gesamtartikel, der offensichtlich keine oder nur sehr oberflächliche Brührungspunkte mit Ihrem eigenen bürgerlichen Leben hat. Viele Grüsse aus Frankfurt, Ihr David Bornemann

PS: Ich habe die Bandbreite unserer Gesprächsthemen sehr genossen! Melden Sie sich, wenn Sie das nächste Mal in Frankfurt sind.

Wow. Das sitzt! Schnell greife ich mir die aktuelle Ausgabe, die wie immer griffbereit auf dem Schreibtisch liegt und schlage Seite zwölf auf. Obwohl ich meinen ersten doppelseitigen Artikel bei der jeden Samstag erscheinenden Zeitschrift Hessen Pur heute schon mindestens ein halbes Dutzend mal mit großem Stolz gelesen habe, muss ich kurz suchen, bevor ich den Abschnitt auf den Bornemann sich bezieht, schon fast am Ende auf Seite dreizehn finde:

»David Bornemann ermöglicht es durch sein Portal wirklich jedem, seinen ganz persönlichem Traum von Shades of Grey-Ambiente zumindest einmal im Leben zu verwirklichen. Sich ein paar Stunden der Illusion hinzugeben, reich und begehrt zu sein. Je nach Geldbeutel können fast endlos viele Extras wie z.B. ein Chauffeur, der einen mit der Limousine abholt, Candle-Light-Dinner und/ oder Romantik-Frühstück im Bett, Mietsklaven/ innen bzw. Miet-Doms/ Dominas, erotische Massagen und vieles mehr hinzugebucht werden. Bornemanns Romantik- und Themen-Suiten ermöglichen jedem, seine sexuellen Fantasien gefahrlos im stilvollem Ambiente ausleben zu dürfen, ohne sich dafür ins Rotlicht-Milieu begeben zu müssen. Bornemann betont an diesem Punkt, dass er im Gegensatz zur zunehmenden Konkurrenz die meist illegal vermietet, großen Wert auf Sicherheit, Sauberkeit und Hygiene in all seinen Etablissements legt. Wobei die spezielleren Themen-Welten, wie Latex, Clinic, Dungeon of Pain und Slaves Sky, um nur einige zu nennen, eher spezielle Randgruppen interessieren dürfte, als den Durchschnittsbürger, der nur mal für ein paar Stunden dem Alltag entfliehen möchte.«

Was bildet sich der Typ eigentlich ein, über mein Privatleben zu urteilen – und das mit einer ganz offiziellen E-Mail an meinen Arbeitsplatz, welche von den verschiedensten Vorgesetzten jederzeit gelesen werden kann. Nein, ich kann und will mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass seine über zweihundert Appartements und Suiten, die er derzeit laut eigenen Angaben deutschlandweit besitzt, zu über 95 Prozent von Nicht-Randgruppen gebucht werden. Über die Anzahl der Villen im In- und Ausland hatte er sich nicht geäußert. Auch war ich diesbezüglich mit meinen Online-Recherchen nicht weitergekommen. Scheinbar lässt er sie über Tochter-Firmen laufen, aber da das Angebot fast unüberschaubar ist, wie ich mit großen Augen festgestellt hatte (Ja, sind denn plötzlich alle pervers in Deutschland?), hatte ich meine Nachforschungen bald aufgegeben.

Unauffällig lasse ich meine Augen durch das Großraumbüro schweifen und stelle mir vor, wie jeder Fünfte (oder jeder Dritte womöglich?) der Anwesenden am Wochenende oder an seinem freien Tag statt auf dem Sofa zu liegen oder den Wocheneinkauf zu erledigen, mit seinem Lebensgefährten oder einem/einer Bekannten zu so einem Ort der Perversion fährt. Es schüttelt mich. Nicht dass ich verklemmt wäre, aber mal ganz ehrlich: Welche normale Frau würde sich von einem Menschen, den sie liebt, an einem Ort vögeln oder gar misshandeln lassen, der eher als Steigerung eines Puffs, denn als Liebesnest bezeichnet werden müsste?

Ich naives Ding! Absolut ahnungslos, wo und wie ich dank Mister Bornemann in nur zwölf Monaten meinen 35. Geburtstag verbringen würde.

4

Donnerstag, 10. August 2017 Monique

DAVID

Ich sitze in meinem Büro in der 36. Etage und trommle mit den Fingern auf der Schreibtischplatte herum, während ich auf den Boten mit meinem Mittagessen warte. Gina Buchner hat noch immer nicht auf meine Montagsmail geantwortet. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie es jetzt noch tut, geht gegen Null. Verdammt schlechte Aussicht.

Warum schwirrt sie mir eigentlich noch immer im Kopf herum? Seit sie mich vor neun Tagen interviewt hat, fick ich sie gedanklich jeden Abend in einer anderen Stellung durch, bis es mir endlich gelingt einzuschlafen.

Mein Handy klingelt. Monique!

»Bonjour, Monique.«

»Bonsoir, Meister.«

»Lange nichts mehr von dir gehört.«

»Ich weiß. Verzeih.«

»Was ist los? Hast du es mal wieder nötig?«

»Oui, Meister.«

»Okay. Heute Abend um Punkt acht.« Ich rufe am PC den Buchungsplan meiner Firmenobjekte in Frankfurt auf. Es gibt nur noch zwei freie Möglichkeiten. »Ich erwarte dich in der Wohnung am Messegelände. Ganz in schwarz.«

»Oui, Meister.«

Ich lege auf. Monique ... Sie kommt mir wie gerufen, um Miss Gina mit ihren grünen Augen und diesen herrlichen Schmolllippen aus meinem Kopf zu bekommen.

Ich habe Monique vor vielen Jahren ausgebildet. Sie war damals frisch geschieden und hatte, so wie ich jetzt, jemanden gebraucht, der ihr die unerwünschten Bilder und Gefühle aus dem Hirn vögelt. Und den Gefallen habe ich ihr dermaßen gut erfüllt, dass sie fortan ein Teil meines Lebens wurde. Wir trafen uns über viele Monate hinweg ein bis zwei Mal pro Woche, und ich habe sie jedes Mal gefickt, als hinge unser Überleben davon ab. Ich brachte sie dazu, meine sexuellen Bedürfnisse vollständig zu befriedigen. Formte sie zu meiner perfekten Sub. Bis sie eines Tages meinte, ihr Krug wäre nun voll, was BDSM anginge, und wenn ich weiterhin nicht zu mehr als nur Sex bereit wäre, würde sie die Beziehung beenden.

So kam es dann auch. Sie zog beleidigt und emotional verletzt ins Ausland und ließ zwei Jahre lang nichts mehr von sich hören. Bis sie mich eines Tages aus heiterem Himmel heraus vom Frankfurter Flughafen aus anrief und um ein sofortiges, deftiges Treffen bat, dem ich selbstverständlich nicht widerstehen konnte. Seitdem treffen wir uns in unregelmäßigen Abständen, meist zwischen ihren immer wieder scheiternden Beziehungsversuchen und machen dort weiter, wo wir beim letzten Mal aufgehört haben.

Monique ist, wie nicht anders erwartet, pünktlich auf die Minute. Ich öffne ihr die Tür und zerre noch im Flur ihren schwarzen Latexrock hoch, presse sie gegen die Wand und dringe sofort in sie ein. Sie stöhnt fantastisch und laut, während ich sie hart durchficke und sie braucht keine zwei Minuten, für ihren ersten Orgasmus.

Ich packe sie bei den Haaren und ziehe sie wortlos in den nächsten Raum. Kette sie ans Kreuz. Mit dem Gesicht zur Wand. Kein Wort ist bislang zwischen uns gefallen. Einen Begrüßungskuss bekommt sie schon lange nicht mehr. Genauer gesagt, seit ihrer Rückkehr aus dem Ausland. Es verhindert, dass sie sich wieder Hoffnungen macht, dass da mal mehr sein könnte zwischen uns.

Als ihr Rücken und Arsch knallrot von meinen Gürtelhieben leuchten, kommt mir plötzlich die kleine Buchner in den Kopf. Was, wenn sie da jetzt stehen würde?, frage ich mich, und bevor ich weiß, wie mir geschieht, beginne ich, Moniques Rücken abzuküssen. Jeden einzelnen Striemen mit meinen Lippen und Fingern zu liebkosen.

Ich schließe die Augen. Lasse meine Hände langsam und zärtlich über Ginas Seiten gleiten. Über den Rücken hoch und nach vorne, hin zu ihren kleinen, zierlichen Brüsten – und treffe stattdessen auf Moniques ausgeprägte Monstertitten. Erschrocken halte ich die Luft an. Mein Schwanz erschlafft peinlicherweise sofort. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich keine Lust mehr auf Monique. Weder auf ihre Professionalität und Gelassenheit, noch auf ihre durch die Jahre extrem hoch gewordene und mich dadurch ständig neu herausfordernde Schmerzgrenze.

Verflucht, es wird Zeit für eine jungfräuliche Sub! Eine, die mich mit riesengroßen, tränengefüllten Augen zutiefst verletzt ansieht, wenn ich sie demütige. Und nicht wie Monique, die tut, als würde es ihr gar nichts ausmachen, dass ich sie kommentarlos losbinde und mitten im Spiel nach Hause schicke. Nur ihr zusammengebissener Kiefer verrät mir ihre Gefühle. Als ich ihr die Jacke reiche, sieht sie mir in die Augen. Geradezu wissend. Verstehend. Noch nie habe ich sie spüren lassen, dass es gleichzeitig andere Frauen in meinem Leben gibt, obwohl das ja meist der Fall war. Und genauso wenig hat mein Schwanz jemals den Dienst bei ihr versagt. Und jetzt ist genau das passiert – wegen einer Frau, die ich bislang noch nicht einmal geküsst, geschweige denn nackt zu Gesicht bekommen habe!

Die Tür fällt ins Schloss. Monique ist fort. Schätzungsweise für längere Zeit. Frauen sind extrem nachtragend bei so was. Es ist mir egal in diesem Moment. Gina, wie kann ich nur unauffällig noch mal an dich herankommen um herauszufinden, ob du dich nicht doch auf ein kleines Spiel mit mir einlässt?

Ich hole mir eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. Setze sie an die Lippen und wünsche mir, Gina bei mir zu haben. Sie mit meinen Händen in Schach zu halten, in ihre smaragdgrünen Augen zu blicken und ihre Grotte vollkommenen auszufüllen. Sie zum Keuchen zu bringen. Ich will ihre Kraft spüren, wenn sie sich vor Schmerz und Lust unter mir vergeblich aufzubäumen versucht. Ich will, nein, ich muss ihre Schreie hören, wenn der Orgasmus sie zur Raserei bringt!

Da kommt mir eine Idee. Schnell beende ich den Flugmodus meines Handys, öffne das Adressbuch und suche die Telefonnummer meines IT-Experten.

5

Freitag, 25. August 2017

Restaurant Sa Farinera

GINA

Schallendes Gelächter. Soeben habe ich mein frisch gefülltes Rotweinglas erhoben und eine witzige Anekdote aus einem chaotischen Arbeitstag in Kassel beendet. Ich genieße den Abend mit meinen ehemaligen Kollegen der Zeitschrift Mallorca-Sol y Mar mit jeder Faser meines Körpers. Eine ganze Woche lang Sonne tanken und im Meer baden, anstatt mit einem Regenschirm durch das graue Hessen zu jagen, auf der ewigen Suche nach einer guten Story, für die mich die Leser und vor allem mein Chef-Redakteur lieben werden. Da dieser stockschwul ist, ein ziemlich schwieriges (okay, aussichtsloses) Unterfangen.

Auf jeden Fall sitzen wir gerade, wie früher jeden letzten Freitag im Monat, in dem urigen mallorquinischen Grill-Restaurant Sa Farinera, welches in einer uralten restaurierten Mühle untergebracht ist, ganz in der Nähe vom berüchtigten Ballermann. Man hat uns einen langen Tisch im Patio gedeckt, mit Blick auf den riesigen Holzkohlegrill in der Mitte, auf dem hier so ziemlich alles zubereitet wird: das mallorquinische Brot (welches wegen der hohen Luftfeuchtigkeit ohne Salz hergestellt wird, und als Vorspeise mit Tomaten, Salz und Knoblauchzehen gereicht wird), die halben Kartoffeln, das Gemüse, sowie das Fleisch. Nur der Nachtisch kommt nicht vom Grill.

Zufrieden seufzend schiebe ich meinen Teller mit den Resten der costillas de cordero (Lammrippchen) und der hausgemachten Pfeffersoße zur Seite. Ich habe mich soeben selbst dabei erwischt, wie ich mit meinem rechten Zeigefinger über den Teller gerieben und dann die Soßenreste von ihm abgeleckt habe. Okay, ein ziemlich undamenhaftes Benehmen, aber die Soße ist einfach zu gut, um sie auf dem Teller zurückzulassen.

Erschrocken und ertappt zugleich zucke ich zusammen, als mir jemand von hinten fest, aber nicht unangenehm, die Hand auf die Schulter legt. Noch bevor ich mich umdrehen kann, steigt mir ein bekanntes und teures Aftershave in die Nase. Sofort versucht mein Gehirn, diesem Duft ein Gesicht zuzuordnen. Noch bevor es mir die Information zukommen lässt (mein Gehirn ist verboten schlecht, was Namen und Gesichter angeht, was in meinem Beruf fatal ist), habe ich mich umgedreht und erstarre.

DAVID

Auf diesen Moment habe ich mich den ganzen Abend schon gefreut. Mir immer wieder neu überlegt, wie ihre Reaktion wohl ausfallen wird.

Die Version, dass sie mich einfach nur wie erstarrt ansieht, war nicht dabeigewesen. Ihr Gesicht erblasst, was die sich gleichzeitig entwickelnden roten Flecken umso besser zur Geltung bringt. Mich begeistern Frauen, die ein hochempfindliches sympathisches Nervensystem haben, also extrem schnell mit sichtbaren Körpersignalen auf Stress, Angst oder Schmerz reagieren, indem sie sofort zu schwitzen beginnen oder sonstige Hautveränderungen zeigen.

Ich genieße Ginas verblüfften Blick und lasse meine Hand auf ihrer Schulter liegen, um den Zeigefinger unauffällig gegen ihre pochende Halsschlagader zu drücken. Ihren schnellen und kräftigen Puls zu fühlen, lässt meine Hosennaht fast platzen vor Begierde.

»Sie hier?«

Verständlicherweise klingt ihr Ausruf alles andere als erfreut. Deutlich erschrocken und schuldbewusst. Zu Recht! Schließlich war es sehr unhöflich, mir nicht auf meine Gratulations-E-Mail zu antworten, und dann diese maßlosen Übertreibungen, als sie eben ihren Freunden und ehemaligen Kollegen von deren Inhalt erzählte ...

Als ihre Augenlider hilflos und sprachlos zu flattern anfangen, muss ich dennoch lachen. »Ich freue mich auch von ganzem Herzen, Sie hier so überraschend wiederzusehen, Frau Buchner«. Ich grinse sie breit und offen an. Ja, ich freue mich sogar mehr, als sie ahnt!

Als sie versucht, sich zu erheben, drücke ich meine Hand fester auf ihr Schulterblatt. Es durchfährt sie wie ein Blitz, wie ich zufrieden feststelle. Auch ihr Pulsschlag beschleunigt sich nochmals, was meine Eichel zum Sabbern bringt.

Ginas Gesicht wird rot. Was definitiv nicht nur am übermäßigen Genuss des Rotweins liegt. Ist es nicht wunderbar, solch eine Wirkung auf Frauen zu haben? Ich beschließe, die Magie des Moments aufzuheben. »Bleiben Sie doch bei Ihren Freunden sitzen, liebe Gina. Ich erfreue mich schon den ganzen Abend an Ihrer Urlaubsstimmung und natürlich auch an der ein oder anderen Anekdote, die Sie heute Abend lautstark zum Besten gegeben haben.«

Verdattert sieht sie mir in die Augen. Lässt sich von meinem Blick gefangen nehmen, unfähig, ihren abzuwenden. Wie ein vom Scheinwerferlicht geblendetes Reh.

»Na dann, einen schönen Abend noch zusammen«, wende ich mich von ihr ab und an die gesammelte Mannschaft. Stecke ihr unauffällig meine präparierte Visitenkarte zu und verschwinde Richtung Parkplatz.

GINA

Gott, ist das peinlich! Bitte, liebes Universum, flehe ich zum Himmel, verrate mir, wie es passieren konnte, dass Bornemann aus dem rund 1.500 Kilometer entfernten Frankfurt plötzlich hinter mir am Tisch sitzt. Verfolgt er mich? Hat er tatsächlich die ganze Zeit gelauscht, wie ich meine Geschichten zum Besten gegeben habe? Und somit auch gehört, wie ich den anderen vom Interview mit ihm erzählte, und wie sehr mich sein letzter Satz in besagter E-Mail aufgeregt hat? Leider habe ich in meiner Vorliebe, immer dramatischer als nötig zu erzählen, ein wenig übertrieben. Ich gebe hier dem Wein die Schuld.

Meine genaue Wortwahl vorhin war: »Da schreibt das Arsch als Antwort auf diese tolle, kostenlose, zweiseitige Reklame, die ich für ihn und seine Sadomaso-Suiten gemacht habe, doch tatsächlich, dass er mir zum Artikel gratuliert, ich aber offensichtlich ein zu nonnenhaftes Leben führe, um ihn und seine Ambitionen wirklich verstehen zu können«. Was ein ungünstigeres Licht auf ihn warf, als fair ist. Was muss dieser Typ aber auch hier auftauchen und sich dann noch versteckt halten?

Ich hatte auf seine E-Mail nicht geantwortet, weil mir keine freundlichen Worte eingefallen waren, und ich ehrlich gesagt bis heute von seinem abschließenden Satz empört bin. Außerdem leidet mein Selbstbewusstsein immer noch unter meinem mehr als peinlichem und absolut unprofessionellem Abgang aus Giuseppes Taverna.

Als ich mein Gesicht in meine Handflächen vergrabe, pikst mich etwas. Verwirrt starre ich auf meine linke Hand, in der sich eine mir bereits bekannte rote Visitenkarte mit Goldrand und Goldschrift befindet. Bornemanns Visitenkarte, wie ich überrascht feststelle. Wie ist die da hinein gekommen?

Lachend zieht mir Juani die Karte aus der Hand. »Qué hombre más chulo«, haucht sie mit erotischer Stimme. »Wer war das denn?«. Ohne meine Antwort abzuwarten, beginnt sie vorzulesen: »David Bornemann, Love Suiten Deutschland GmbH, An der Hauptwache 137, 60311 Frankfurt am M... «

In dem Moment reißt Thorsten, der Lokalredakteur, der Juani gegenüber sitzt, das kleine Kärtchen an sich und liest die Rückseite vor, übertrieben laut und betont: »›Liebe Gina, bitte erlauben Sie mir, Sie morgen um 13:30 Uhr zum Essen in den Caribbean Feeling Beach Club einzuladen. Ich freue mich! Ihr Arsch ...‹- Tja, das Gekrakel hier am Ende soll wohl seine Initialen darstellen«, lacht Thorsten, und mein versammeltes Ex-Kollegium grölt.

Warum reißt der Boden unter mir nicht auf und verschlingt mich? Bornemann hat alles mit angehört! Sämtliche Storys aus meinen letzten Wochen, die ich zum Besten gegeben habe. Ich schwöre bei allen Götternamen der Welt die mir einfallen, nie nie und wirklich nie wieder zu übertreiben, wenn ich eine wahre Story erzähle. Aber es kommt noch schlimmer. Noch viel schlimmer ...

Claudia Rodriguez Meier, halb Mallorquinerin und halb Deutsche, mit dem Aussehen eines Models, die sich besser als jeder andere unserer Zeitung in den Promi und High Society Kreisen von Mallorca auskennt, starrt mich gebannt und mit offenem Mund an. Sie wirkt mindestens genauso fassungslos wie ich.

»Qué pasa, guapa?«, erkundigt sich Luís Fernandéz Morell. »Bist du neidisch auf Ginas Essenseinladung mit dem SM-King von Frankfurt?«

Claudia und ich sehen uns sekundenlang in die Augen, bevor sie aufspringt und zum Waschraum rennt, aus dem sie eben erst gekommen ist, weshalb sie Bornemanns Auftritt knapp verpasst hat.

Entnervt entreiße ich Thorsten über den Tisch hinweg die Visitenkarte und stolpere Claudia so schnell es geht hinterher.

»Du kennst ihn?«, fährt Claudia mich an, sobald ich in den Waschraum trete, und spritzt sich kaltes Wasser in ihr erhitztes Gesicht. Ihre schwarzbraunen Augen funkeln hysterisch.

Ich verstehe ihre Frage nicht. Worüber regt sie sich so auf? »Was ist dein Problem?«

»Seit wann läuft da was zwischen euch beiden?«, hakt sie nach.

Glitzern da Tränen in ihren Augenwinkeln? Der Abend erscheint mir immer unwirklicher, und der Promillegehalt in meinem Blut ist auch wenig hilfreich. Ich schweige.

»Ich habe dich was gefragt!«, brüllt Claudia und bringt eine ältere Frau, die soeben die Tür geöffnet hat, spontan dazu, auf ihren Toilettengang zu verzichten.

»Spinnst du? Ich hab nix mit dem. Also schon - ich meine, ich hatte ein Interview mit Bornemann.«

»Ein Interview, ja klar«, giftet sie. »David gibt nie Interviews. Nicht mal mir.«

David? Mein Gehirn rattert so schnell, dass es richtiggehend physisch weh tut (was wusste ich zu diesem Zeitpunkt schon von physischen Schmerzen). Plötzlich ein lichter Moment. Alles bekommt einen Sinn. Halleluja!

»Du hast was mit Bornemann am Laufen?«, frage ich ungläubig.

»Ja«, sackt Claudia in sich zusammen und stützt sich am Waschbeckenrand ab. »Also nein, nicht mehr,« schwächt sie ab, »aber es war verdammt ...«, sie sucht nach Worten, »verdammt ...«