Glück sieht jeder anders - Irene Hülsermann - E-Book

Glück sieht jeder anders E-Book

Irene Hülsermann

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Beschreibung

Egal ob das Glück in Ranunkeln, einer Reise, in der großen Liebe, einer Freundschaft oder einem Wiedersehen steckt: "Glück sieht jeder anders". Die Lebensgeschichten, erfunden oder tatsächlich erlebt, sollen den Leser zum Nachdenken, Schmunzeln und Träumen verführen. Da ist zum Beispiel Elly, die nicht eine Reise in ihrem Leben gemacht hat, aber trotzdem so tut als ob. Oder Edeltraud, die mit zehn Jahren nach Amerika geschickt wurde. Eva und Barr, die im betagten Alter einen Neuanfang in Bayern gemacht haben. Außerdem ist über die Teilnahme an einem Alpencross mit Sportwagen zu lesen und über den ungewöhnlichen Trip von Klara und Valentina nach Griechenland. Beim Klassentreffen kommen große Geheimnisse ans Licht und es stellt sich einmal mehr heraus, wie klein doch die Welt ist.

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Seitenzahl: 135

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Die Autorin Irene Hülsermann

„Meine Eltern kommen aus Oberfranken, ich bin 1960 im Allgäu geboren, in Oberbayern aufgewachsen und lebe nun mit meiner Familie in Bayrisch Schwaben.“

Nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin, arbeitete sie in einer Boutique in München. Im Anschluss an ihre Rückkehr aus Rom, wo sie zwei Jahre lebte, arbeitete sie in einem Büro einer Computerfirma und in einem Autohaus. In Donauwörth machte sie ihr Hobby zum Beruf und unterrichtete 20 Jahre Italienisch.

2014 hat sie ihr erstes Kurzgeschichtenbuch „Sehnsucht nach Rom und Heimweh nach Bayern.“ veröffentlicht. Im Jahr 2017 folgte ihr Roman „Reise Ihres Lebens“, beides spielt in Italien. Mittlerweile widmet sie sich nun auch beruflich dem Schreiben: Sie schreibt Beiträge für den Kulturteil der Donauwörther Zeitung und diversen anderen Magazinen.

Sie ist Mitbegründerin des Autorenclubs Donau-Ries.

„Ich bin verheiratet, wir haben einen Sohn und eine Tochter. Unser Kater Jack ergänzt die Familie.“

Die Geschichten sind aus dem Leben gegriffen. Die Eine ist nach wahrer Begebenheit, die Andere erfunden. Darum - Ähnlichkeiten mit Lebenden sind rein zufällig oder genehmigt.

Danke …

… an meine Familie, die pausenlos hinter mir steht und mir zeigt, dass es sich lohnt weiter zu schreiben.

… an die Freunde und Leseverrückten, die mir gesagt oder geschrieben haben, dass ihnen meine Bücher sehr gut gefallen. Sie sind der Antrieb meines Schaffens.

Das Leben ist wie eine Wundertüte: Spannend, überraschend, manchmal enttäuschend, aber immer wieder einzigartig!

Inhaltsverzeichnis

Ranunkel, Liebe und ein Neuanfang

Das Vergessen

Der Morgen, der alles veränderte

Familienfinsternis

In der Nacht

Das Glück der anderen

Elly

Der Graugansschwarm

Kindheit

Volpe, der Zugspitzfuchs

Alpencross

Kaló taxídi - Gute Reise

Große Liebe, neue Heimat

Die Welt ist ein Dorf

Liebe auf dem ersten Foto

Der Adventskalender

Die etwas andere Weihnachtsgeschichte

Wie Gisela der Engel der Einsamen wurde

Wieder einmal Weihnachten ohne Vater

Orangerot

eine Blumenwiese,

Neubeginn und Erneuerung,

auf eine einfache Weise.

Frühlingsgefühle

Blau

der Wasserfall,

reißend und beruhigend,

bringt mich zum Träumen.

Urlaubsfreude

Gelb

die Sonne,

wärmend und hell,

erleuchtet sie meine Gedanken.

Sommerlaune

Grün

der Wald,

moosig und kühl,

ich fühl mich geborgen.

Wanderlust

Ranunkel, Liebe und ein Neuanfang

Sie konnte es nicht fassen. Schon wieder war eine Ranunkel an ihre Autoscheibe geklemmt. Das leuchtende Orange ihrer Lieblingsblume konnte sie von weitem erkennen. Sie wollte endlich wissen, wer ihr heimlicher Verehrer war. Vielleicht konnte er ja ihre neue Liebe werden. Aber war sie nach dem letzten Dilemma mit Uwe denn schon wieder für einen Neuanfang bereit?

Mit Uwe war sie vier Jahre zusammen gewesen. Nach dem letzten Streit hatte sie ihn endgültig vor die Tür gesetzt. Vor einer gefühlten Ewigkeit war er bei ihr eingezogen. Rückblickend war der Streit lächerlich gewesen. Sie hatte mittlerweile schon vergessen, worum es gegangen war. Manchmal vermisste sie ihn. Sie schüttelte den Kopf. Nein, es war endgültig vorbei!

Sie dachte nach. Genauso würde sie es machen. Ihr Plan war gut. Obwohl sie früh aufstehen nicht mochte, stellte sie sich den Wecker für fünf Uhr, um sich in den Hauseingang zu stellen. So, dass man sie nicht sah, sie aber ihr rotes Auto im Blickfeld hatte. Aber welche Enttäuschung: Leuchtete da nicht schon etwas Gelbes?

Tatsache, eine gelbe Ranunkel lehnte an der Windschutzscheibe. Um wie viel Uhr, um Gottes Willen, kam ihr Verehrer denn schon an?

Also beschloss sie, sich am nächsten Tag eine Stunde früher auf die Lauer zu legen. Die Ernüchterung kam beim Hinausgehen. Sie sah schon von einiger Distanz das leuchtende Rot hinter dem Scheibenwischer.

„Ruhig, entspann dich“, redete sie auf sich selber ein.

Am darauffolgenden Morgen klingelte der Radiowecker um zwei Uhr. Sie hatte gerade einmal vier Stunden geschlafen. Schlaftrunken zog sie den dicken Pullover über den Pyjama und torkelte vors Haus. Da sah sie ihn.

Es war Uwe, der drei Ranunkel in roter, gelber und oranger Farbe in der Hand hielt und sie verlegen ansah.

Das Vergessen

Er konnte nicht mehr. Nein, er könnte noch lange, er wollte nicht mehr. Er würde mit dem Auto gegen einen Baum fahren. Verflucht, wo hatte er seinen Autoschlüssel hingetan.

Was suchte er denn jetzt schon wieder?

„Der macht mich wahnsinnig“, dachte sie und seufzte. So hatte sie sich ihren Lebensabend nicht vorgestellt. Ihre Gedanken schweiften zurück. Ihr Leben war nicht problemlos verlaufen.

Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, war sie fünf. Die Trennung von ihrem Vater fiel ihr schwer. Sechs Jahre war er fort, im Krieg und in der Gefangenschaft. Halt fand sie bei ihrer Zwillingsschwester. Mit ihr vermochte sie über alles zu reden. Ihre Schwester war ihr so ähnlich, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich, aber mutiger war sie. Warum auch immer, sie war einfach ein bisschen lebhafter, offener und frecher.

Möglicherweise steckte der Schlüssel ja im Auto. Wenn er jetzt hinaus ginge, würde sie ihn wieder abfangen und fragen, wo er hinwolle. Als ob er ein kleines Kind wäre. Verdammt, er war 85, hatte so viel erlebt und gemeistert.

Mit sechzehn war er in den Zweiten Weltkrieg gegangen, nach acht Jahren heimgekehrt. Dann kam die schönste Zeit in seinem Leben. Er war Sänger und Trompetenspieler in der Tanzkapelle „Pik 7“, die weit über die Dorfgrenzen hinaus bekannt und ständig ausgebucht war. Die Mädchen lagen ihnen zu Füßen.

Dann hatte sie ihn kennengelernt. Sie war mit ihrer Schwester beim sonntäglichen Tanzkaffee. Alle Mädels himmelten ihn an. Seine blonden Haare, die sonnengebräunte Haut und die blitzblauen Augen. Aber schon nach kurzer Zeit hatte er nur Blicke für sie. Sie fühlte sich geschmeichelt.

Eine fiel ihm besonders auf, sie sah so schüchtern aus mit ihren rehbraunen Augen. Und wenn sie lächelte … Er nahm sich vor, sie in der Pause anzusprechen.

Sie seufzte erneut, diesmal aber, weil die Erinnerung so schön und traurig zugleich war: Ihre Schwester hatte die Idee, ihn ein bisschen zu veralbern. Sie zögerte, ließ sich aber überreden. Und so kam es dann, dass er abwechselnd mit ihr und ihrer Schwester tanzte, ohne es zu merken.

Er wunderte sich, weil sie einmal so spröde war und dann wieder so anschmiegsam. Aber genau das reizte ihn. Er bestand darauf, sie unbedingt wiederzusehen. Irgendwann erfuhr er von dem „doppelten Lottchen“ und lachte schallend. In der Zwischenzeit hatte er sich sowieso schon entschieden.

Das er sich ausgerechnet für sie entschieden hatte. Sie war glücklich, ahnte nicht, wie anstrengend ihr Leben verlaufen würde. Beruflich bedingt zogen sie von ihrer Heimat fort. Innerhalb von fünf Jahren bekamen sie vier Kinder. Ohne große Hilfe zog sie diese auf. Ihre Schwester kam manchmal und half. Ihr Mann war beruflich häufig unterwegs. Und wie vielen anderen Familien in jener Zeit, mangelte es vor allen am Geld. Fremde Länder sehen und verreisen, das waren Fremdworte. Ihre Eltern sah sie, wenn möglich, einmal im Jahr. Und so vergingen die Jahre.

Wo waren nur all die Jahre geblieben? Er rechnete wieder mal nach. Er hatte Probleme damit. Manchmal wusste er gar nichts mehr. Dann erinnerte er sich noch nicht einmal mehr an die Namen seiner vier Kinder. Heute, heute war er klar im Kopf. Er, der nie ernsthaft erkrankt gewesen war, nur sehr selten im Krankenhaus versorgt werden musste, den jeder wesentlich jünger geschätzt hatte, ahnte, dass sein Gehirn nicht mehr richtig arbeitete. Die Krankheit dieser Zeit hatte auch ihn befallen. Lange sträubte er sich vor den Tatsachen. Vergesslichkeit gehörte zum Altern doch dazu.

Als ihr Schwiegervater erkrankte, holten sie ihn zu sich. Hingebungsvoll pflegte sie ihn, bis er erlöst wurde. Dann wurden die eigenen Eltern gebrechlich. Ihre Schwester und sie wechselten sich mit der Pflege ab. Am Anfang in deren Wohnung, 200 Kilometer entfernt. Als ihre Mutter starb, holte sie ihren Vater und ihren behinderten Bruder zu sich. Ein lieber Kerl, der das Down Syndrom hatte. Sie liebte ihn über alles.

Als Kind hatte sie es gehasst, wenn ihre Mitmenschen sie mit mitleidigen oder verachtenden Blicken beobachteten. Damals war es nicht leicht, mit einem behinderten Menschen in die Öffentlichkeit zu gehen. Da es keine behindertengerechten Einrichtungen gab, besuchte er sogar vier Jahre die Regelschule.

Der betreuende Arzt sagte immer, dass ihr Bruder für seine Krankheit sehr intelligent sei. Er hatte ein ausgesprochen gutes Gedächtnis und eine Leidenschaft für Fußball. Er konnte alle Fußball-vereine und sämtliche relevanten Daten zu allen möglichen Spielen auswendig aufsagen.

Wie er diese Tage des Erinnerns hasste. Er wusste, sie würden schnell wieder vergehen und dann wäre zum wiederholten Male fast alles weg. Er konnte die mitleidigen Blicke seiner Familie und Freunde nicht ausstehen, wenn er sich nicht erinnerte. Sie glaubten, er merke es nicht.

Er fing an zu weinen. Da hörte er, dass sie zu ihm kam. Schnell wischte er die Tränen weg. Er wollte doch immer noch der starke Mann an ihrer Seite sein. Stets hatte er sich um die Familie gekümmert und wünschte sich, dass es ihnen an nichts fehle. Sein Einkommen war ordentlich, wenn auch es bei einem so großen Hausstand trotzdem nur zum Nötigsten reichte. Urlaub hatten sie sich erst im Alter leisten können. Italien war sein Lieblingsland. Er liebte es zutiefst. Vermutlich lag es daran, dass er im Krieg und in der Gefangenschaft in Rom und der Toskana gelebt hatte. Seine Frau liebte dieses Land mit ihrer großartigen Kultur und den warmherzigen Menschen genauso.

Als ihr Vater gestorben war, blieb ihr Bruder vierzehn Jahre bei ihnen. Und endlich vermochten sie es, auf Reisen zu gehen, vorzugsweise in ihr Lieblingsland. Sie konnte einfach nicht genug davon bekommen. Leise summte sie ein Lied von ihrem Lieblingskomponisten Puccini vor sich hin. Was hatten sie alles bereist! Rom, Venedig, Florenz, die Toskana und oft waren sie in einem Bungalow am Gardasee. Sie seufzte wieder einmal. Ob sie es nochmal in ihrem Leben schaffen würde, dort hinzukommen? Rückblickend war dies offenbar die entspannteste Zeit, obwohl sie selber schon viele Jahre erkrankt war und ein Krankenhausaufenthalt dem anderen folgte. Gut, dass ihr Mann sie bei der Betreuung des Bruders unterstütze.

„Oh, mir ist wieder so übel“, dachte er. „Warum hilft mir denn keiner?“ Ein Stöhnen entwich ihm. Nach einer Weile kam eine alte Frau herein und er sprach sie an:

„Wissen Sie, wo meine Lore ist?“

„Aber ich bin` s doch, deine Lore.“

„Sie? Aber das ist nicht möglich. Sie sind nicht meine liebe Lore. Sie sind alt!“ Entsetzt starrte er sie an.

Sie ist geschockt und verwirrt. Sie versucht ihre Tränen zurückzuhalten. Das waren die schlimmsten Momente, wenn er sie nicht mehr erkannte. Das ewige Gejammer, seine ständige Übelkeit, die endlosen Fragen, die immer wieder alten Geschichten, die er erzählte, alles war ertragbar, aber nicht das. Es klingelte an der Tür. Sie öffnete und ihre Tochter kam herein. Kurz schilderte sie ihr das eben Erlebte. Daraufhin trat diese zu ihrem Vater ins Zimmer.

„Aber da bist du ja, mein Rehlein!“ Er strahlte übers ganze Gesicht.

Er flüsterte ihr zu: „Die alte Frau hat behauptet, sie wäre du.“ Die Tochter nahm ihren Vater in den Arm und streichelte ihm über die Wange: „Ist schon in Ordnung!“

Dann geschah das Unerwartete. Ihre Zwillingsschwester erkrankte an Alzheimer. Als deren Sohn die Pflege nicht mehr schaffte, er ist LKW-Fahrer, nahm sie ganz selbstverständlich die Pflegebedürftige auf. Nur gut, dass sie in einem Haus lebten, wenigstens gab es genug Platz für alle.

Die Pflege des Bruders und der Schwester brachte sie oft an den Rand ihrer Kräfte. Sie war froh, dass sie drei Töchter hatte, die ihr zur Seite standen. Der Bruder wurde bettlägerig. Die Schwester weinte zunehmend, immer dann, wenn sie sich erinnerte. Und sie hatte sich in den Kopf gesetzt, wegzulaufen. Es wurde nötig, immer besser auf sie aufzupassen und die Türen zu verschließen.

Die Kinder redeten mit ihr. Sie solle den schwer pflegebedürftigen Bruder in ein Pflegeheim abgeben. Sie wehrte sich dagegen. Sie habe ihrer Mutter am Totenbett versprochen, sich um ihn zu kümmern. Aber trotz der Unterstützung der Töchter funktionierte es eines Tages nicht mehr. Schweren Herzens willigte sie schließlich ein und ihr Bruder wurde in das nahegelegene Pflegeheim verlegt.

Er war glücklich, alle waren da, um mit ihm seinen Geburtstag zu feiern: die Kinder, Schwiegersöhne, Enkel und Enkelinnen. Er strahlte und er erzählte, alte Geschichten aus dem Krieg und aus der Zeit, als er ein Sänger war. Daran erinnerte er sich mühelos. Und er gab wieder sein Talent zum Besten. Er sang und jodelte. Er fühlte sich glücklich.

Dann kam der Tag, an dem sie auch noch ihre Schwester in ein Pflegeheim geben sollte. Sie weinte. Sie verstand ja, dass sie es nicht mehr schaffte. Aber es waren doch ihre Geschwister.

Das Laufen wurde mehr und mehr zur Qual, ihre Beine immer dicker. Elefantenbeine nannte man das umgangssprachlich. Das Treppensteigen fiel ihr besonders schwer. Sie war froh, dass sie ihren Mann und ihre Kinder hatte.

Aber nun sorgte sie sich um ihren Gatten. Kontinuierlich vergaß er die einfachsten Dinge. Vom Einkaufen kam er immer häufiger nach Hause und hatte das meiste nicht besorgt.

Er suchte erneut sein Auto, er schaffte es sogar vor die Tür. Aber da stand es nicht. Erbost trat er wieder hinein und fragte. Seine Frau schaute verlegen zu Boden und suchte nach den passenden Worten. Die Tochter reagierte: „Aber du weißt doch, dass es in der Autowerkstatt ist.“

Er stutze, vermochte sich nicht daran zu erinnern:„Hab ich anscheinend vergessen. Wann ist es fertig?“

„Die rufen an.“

„Mmh, okay“, und mit diesen Worten trat er wieder hinaus in den Garten und legte sich auf die Liege an seinen Lieblingsplatz.

Die Abstände wurden immer kürzer, die Pflege zunehmend schwieriger. Er jammerte mehr und mehr, fragte ständig dieselben Dinge. Manchmal hielt sie es nicht mehr aus und wurde ungeduldig. Hinterher tat es ihr leid.

Er verstand es schlicht nicht, wo nur sein Auto war. Er wollte doch in die Stadt fahren, in seine Lieblingseisdiele.

Er war schon lange nicht mehr dort. Wie hieß die noch einmal? Er ärgerte sich und maulte herum. Er suchte Streit. Er fragte wieder nach dem Auto.

„So, nun lauf ich zur Werkstatt und hol es ab!“, verkündete er. Seine Frau wurde blass. Sie rief die Tochter an, die so schnell wie möglich kam und ihn beruhigte.

Wann hatten sie es gemerkt? Als sein Auto zunehmend Beulen bekam? Er, der sein Auto immer gepflegt und gehegt hatte, der fast 60 Jahre unfallfrei gefahren war. Er behauptete, er hätte das Auto so im Parkhaus vorgefunden und schimpfte auf die Autofahrer, die Fahrerflucht begingen. Oder war es, als die Telefonrechnungen beträchtlich höher wurden, da er irgendwelche Nummern aus der TV-Werbung angerufen hatte. Er, der immer sparsam gewesen war und gewissenhaft seine Unterlagen in Ordnung gehalten hatte.

Im Radio spielten sie die alten, bekannten Schlager. „… du hast so wunderschöne, braune Augen, wenn du mich anschaust, werd ich schwach …!“ Gut gelaunt sang er mit. Sie kam ins Zimmer, erstaunt blieb sie stehen. Er packte sie an den Hüften und wirbelte sie herum. Fast wäre sie gestolpert. Erst möchte sie schimpfen. Doch dann lässt sie sich von der Welle seiner Zärtlichkeit mitreißen. Er sang ihr ins Ohr. Ihr Lieblingslied. Schwungvoll führte er sie durch das enge Wohnzimmer. Plötzlich hatte sie keine Schwierigkeiten mehr mit ihren Beinen. Sie fühlte sich so leicht und er strahlte sie an. Glück vermochte so simpel zu sein. Er flüsterte ihr ins Ohr:

„Rehlein, du bist immer noch so schön!“

Es gab immer noch gute Tage. Wenn er aufstand und sie anstrahlte, wusste sie, dass es ein angenehmer Tag werden würde und sie freute sich darauf. Dann gab sie sich extra Mühe mit dem Frühstück. Sie setzte sich zu ihm an den Tisch und erzählte ihm von den gemeinsamen Jahren. Er brachte sie dann immer zum Lachen. Er vermochte so witzig und charmant zu sein.

Seit einiger Zeit verbrachte er einen Tag in der Woche bei einer Tagespflege. Es tat ihm sichtlich gut unter anderen Menschen zu sein. Erst weigerte er sich.

„Ich kenn da ja keinen!“ Aber mittlerweile freute er sich auf die Abwechslung. Die Damen waren in der Überzahl und er genoss es, im Mittelpunkt zu stehen. Sie riefen ihm immer zu: „Sing doch ein Lied!“ Und selbst die netten Pflegerinnen standen dann bei ihm und hörten den vorgetragenen Schlagern zu.

Wenn er dann am Abend heimkehrte, war seine Lore so freundlich. Mit dem sympathi