Sehnsucht nach Rom und Heimweh nach Bayern - Irene Hülsermann - E-Book

Sehnsucht nach Rom und Heimweh nach Bayern E-Book

Irene Hülsermann

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Beschreibung

Roma – il mio grand´amore!!! Die Autorin erzählt in „Sehnsucht nach Rom und Heimweh nach Bayern“ von den Erlebnissen in zwei verschiedenen Welten, die gar nicht so verschieden sind. Sehnsüchte, Ängste, Liebe, Lustiges und Trauriges findet man auf beiden Seiten der Grenze. In einem italienischen Satz wird deutlich: „I tedeschi amano gli italiani, ma non li stimano - gli italiani stimano i tedeschi, ma non li amano.“ „Die Deutschen lieben die Italiener, aber sie schätzen sie nicht - die Italiener schätzen die Deutschen, aber sie lieben sie nicht.“

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Das Buch

Rom, Sommer 1980: Ich war sprachlos, was bei mir eher selten vorkommt. Mit offenem Mund starrte ich all diese wundervollen Plätze, Kirchen, Brunnen, Gebäude und Monumente an; drei-tausend Jahre Geschichte vermischt mit dem bunten Treiben der Römer und Touristen.

Aber es sollte noch ein bisschen dauern, bis ich endlich in die Stadt meiner Träume zurückkehrte. Leichtsinnigerweise hatte die Schulfreundin meiner Schwester, die schon seit einiger Zeit in Rom lebte, bei einem „Heimaturlaub“ eine Einladung ausgesprochen. Und ich nahm sie beim Wort. Wir hatten schöne Tage in Rom und ich bat sie mich zu benachrichtigen, wenn sie für mich eine Arbeit gefunden hätte. Mein Entschluss stand fest: ich wollte endlich in der Stadt meiner Träume leben. Nur wenige Wochen später erhielt ich den ersehnten Anruf: ich hatte eine Stelle als Au-pair-Mädchen.

Die Autorin

Die Autorin wurde 1960 in Sonthofen geboren, ist in Starnberg aufgewachsen und lebt seit 1997 mit ihrer Familie in Donauwörth.

Nach der Ausbildung zur Erzieherin, arbeitete sie vier Jahre in einer außergewöhnlichen Münchener Boutique. Anschließend verwirk-lichte sie ihren Traum und lebte zwei Jahre in Rom.

Wieder zurück in Deutschland schlossen sich vier Jahre in einer EDV-Firma an, bevor sie letztendlich vier Jahre in einem Büro eines Autohauses arbeitete.

Seit dem Umzug nach Donauwörth gibt die Autorin Italienischunterricht. Außerdem schreibt sie für den Kulturteil der Donauwörther Zeitung - dem Lokalteil der Augsburger Allgemeinen Zeitung - sowie für verschiedene Magazine.

Irene Hülsermann ist verheiratet, hat einen Sohn und eine Tochter. Kater Jack und viele Fische vervollkommnen ihre Familie.

Danke...

an meine Lektorin Chiara, die mit viel Begeisterung meine Geschichten korrigiert hat.

Danke auch an Federico, als konstruktiver Kritiker. Er gab immer wieder wichtige Denkanstöße.

Außerdem an meinen Mann, der mich nicht nur fleißig unterstützt hat, sondern auch die Fotos in diesem Buch beigefügt hat.

Und „last but not least“ meinen Eltern, ohne die ich nicht so geworden wäre wie ich bin.

Inhalt

Eine seltsame Begegnung

Schicksalswege

Der Schutzengel

Schule am See

Ein missglückter Kinobesuch

Die Zeichnung

Die Lebensretter

Über den Wolken

Chiaras Sturz in die Märchenwelt

Man sieht sich immer zweimal im Leben

Rheinländischer Humor

Heidiland

Angelo

Auf der Suche

Der junge Soldat

Die letzten Tage…

Kriegsgefangenschaft in Italien

Spaghetti all`aglio ed olio

Schneekettenpflicht

Ramba Zamba nach Mitternacht

Orvieto – unfreiwilliger Ausstieg

Verfolgungsfahrt auf der Autobahn

Gastfreundschaft

il permesso di soggiorno

Napoli sehen und sterben

Die Stunde der Entscheidung

Falsche Freunde

Briefwechsel

Poliziotti, Carabinieri und andere Polizisten

Wenn Italiener feiern

Unfreundliche Italiener

Touristen

Vorsicht, der andere könnte Dich verstehen

Eine seltsame Begegnung

Wir trafen uns in einer Münchner Kellerkneipe. Die Stimmung in diesem düsteren Lokal mit den kleinen Nischen, das nur durch Kerzen erleuchtet wurde, passte zu dem was ich an diesem Abend erleben sollte.

Meine Freundin Laura wollte mir endlich ihren neuen Lover vorstellen. Ich hatte den Eindruck, nach mehreren Pleiten hatte sie nun endlich den Richtigen getroffen. Er hieß Peter und machte einen sehr netten Eindruck auf mich. Trotz seiner introvertierten Art, wurde er immer gesprächiger je länger der Abend dauerte.

Wir saßen in der hintersten Ecke, als er uns etwas Seltsames erzählte. Auslöser war meine Frage, wann denn sein Geburtstag sei. „Eigentlich habe ich zweimal Geburtstag.“ Ich scherzte noch: „Auch nicht schlecht, da kann man ja zweimal feiern und auch zweimal sterben.“ Peter erstarrte. „War ein blöder Scherz, `tschuldigung!“ erwiderte ich erschrocken. „Wisst Ihr, ich war früher ganz anders. Keine Party habe ich ausgelassen. Sex, Drugs and Rock ´n´ Roll. Bis zu diesem merkwürdigen Tag. Ich werde das Datum nie vergessen, der 14. Juni 1975.“

Ich schaute zu Laura, sie hatte schon länger keinen Kommentar mehr abgegeben und ich sah, wie sich ihre Augen weiteten.

Peter fuhr fort: „Ich war wieder mal auf so ´ner Party und ließ es ordentlich krachen – Alkohol und Drogen bis zum Umfallen. Irgendwann hatte ich einen Filmriss! Mitten in der Nacht erwachte ich, weil mir bitterkalt war. Als ich noch überlegte, wie ich hierher gekommen bin, bemerkte ich erst wo ich eigentlich war: ich lag in einem Friedhof. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie ich mich gefühlt habe. Erst war ich geschockt, dann verärgert, weil ich glaubte, meine Freunde spielten mir einen Streich. Doch dann merkte ich, dass ich alleine war. Aber das Schlimmste stand mir noch bevor!“

Peter, der sichtlich nervös wurde, zupfte an seinen Fingernägeln herum. „Als ich aufgestanden war, stand ich genau vor einem Grab. Es zog mich magisch an. Irgendwie sah es anders aus. Auf ihm waren Feldblumen und ein schlichtes Holzkreuz.“

Ein leiser Schrei unterbrach Peter. Ich blickte zu Laura, die kreidebleich war. Peter hatte die ganze merkwürdige Situation gar nicht erfasst, so tief war er in seiner Erzählung verstrickt. „Und ich las immer wieder „Peter gestorben am 14. Juni 1975!“

Ohne dass Peter es merkte, schlug Laura die Hände vors Gesicht. „Ich rannte so schnell ich konnte nach Hause. Glaubt mir, dass war das Gruseligste was mir je in meinem Leben zugestoßen ist. Zuhause fiel ich ins Bett und habe 24 Stunden geschlafen.“ Er machte eine Pause: „Von diesem Tag an war alles anders. Ich rührte nie wieder Drogen oder Alkohol an. Und mir kam es vor, als hätte ich mich verändert. Ich war ruhiger, nicht mehr so lebenslustig und ich hatte plötzlich völlig neue Interessen. Das fiel auch meinen Freunden auf. Die meisten wollten nichts mehr mit mir zu tun haben.“

Plötzlich unterbrach Peter und blickte auf die bleiche Laura: „Was ist mit Dir?“ Er versuchte sie in den Arm zu nehmen, aber bei seiner Berührung sprang sie auf und stotterte: „Ich muss jetzt heim.“ „Aber warum denn?“, fragte Peter. “Ich … ähm … ich habe tierische Kopfschmerzen!“ „Ach so, aber klar ...“ stotterte Peter, “Ich begleite dich noch nach Hause.“ „Nicht nötig, wir sind ja zu zweit,“ erwiderte Laura. Bevor Peter noch reagieren konnte, zog mich Laura schon aus der Kneipe und wir hörten nur noch Peters letzte Worte. „Ich ruf Dich morgen an!“

Schweigend gingen wir bis zu ihrer Wohnung. Während ich einen Kaffee machte, saß Laura zusammengekauert in Ihrem Lieblingssessel.

Als ich mit dem Kaffee kam fing sie an zu reden: „Als ich 15 war, hatte ich einen Freund. Manuel war ein Außenseiter, der ruhige, unauffällige Typ. Das ganze Gegenteil von mir. Ich war Klassensprecherin, auf jeder Party eingeladen und quirlig. Er gab mir die Ruhe, die mir fehlte. Es hätte alles so schön sein können. Aber in diesem einen Jahr in dem wir miteinander gingen, hatte Manuel in regelmäßigen Abständen Depressionen. Er hatte Angst vor dem Leben. Eines Tages war diese Lebensangst wohl zu groß. Er hat sich das Leben genommen. Das war am 14. Juni 1975!”

Während aus Laura all dies heraussprudelte, liefen ihr die Tränen übers Gesicht. Ich saß wie erstarrt da. Das konnte doch alles nur ein böser Traum sein, dachte ich mir.

Laura stand auf und ging an ihren Schreibtisch. Sie öffnete eine Schatulle und zog einen Brief heraus. Dann nahm sie einen Notizblock. „Schau dir das an. Als ich dies das erste Mal gesehen habe, dachte ich noch es sei ein Zufall. Aber heute ist mir klar geworden, dass dies ein und dieselbe Person geschrieben hat.“ Ich blickte darauf. Es schien tatsächlich so. Nur das Datum auf dem Notizblock war fast 10 Jahre später datiert, als das auf dem Brief. „Dies ist der letzte Brief von Manuel und diese Notiz ist von Peter,“ erklärte Laura.

Laura und ich haben nie wieder über diese seltsame Nacht geredet.

Peter hat noch einige Male versucht Laura zu treffen, aber immer ohne Erfolg.

Schicksalswege

Sie wusste, dass die Zeit drängte, darum hatte sie die Truhe bis zuletzt geschlossen gelassen. Nun gab es aber kein Entrinnen mehr.

Vorsorglich hatte sie Ihren Mann weggeschickt. Er sollte Besorgungen machen, Ämter besuchen, die Formalitäten erledigen.

Sie schnaufte tief durch und dann öffnete sie die Truhe, die trotz ihres Alters, sie dürfte von der Jahrhundertwende sein, tiptop gepflegt wirkte.

Wie sie ihre Oma kannte hatte sie diese täglich gereinigt, denn bis ins hohe Alter legte sie viel Wert auf ein angenehmes Erscheinungsbild. Ebenso war ihre Wohnung, in der sie bis zuletzt alleine gelebt hatte, immer aufgeräumt und sauber.

Die junge Frau hatte immer sehr an ihrer Oma gehangen, obwohl sie viele Kilometer voneinander trennten. Als kleines Mädchen hatte sie immer schrecklich geweint, wenn der Tag der Abreise kam. Diese Verbindung zwischen den beiden war unerklärlich und doch so intensiv.

In der Nacht, als ihre Großmutter gestorben war, wachte die Frau auf und trotz der weiten Distanz spürte sie, dass sie ihr Leben ausgehaucht hatte. Sie weinte bitterlich und als sie am nächsten Tag von der Nachbarin ihrer Oma angerufen wurde, wunderte sich diese, dass die schlechte Nachricht schon angekommen war.

Nun saß sie da und wollte die intimsten Dinge ihrer Großmama durchsehen. Und obwohl sie ihren Mann von ganzem Herzen liebte, hatte sie ihn für diesen Moment weggeschickt. Er würde es nicht verstehen. Er hatte sie immer davor gewarnt, sich nicht zu sehr an geliebte Menschen oder Tiere zu hängen. Der Abschiedsschmerz wäre zu stark. Aber sie wusste, er redete sich nur selbst etwas ein. War es nicht er, der tagelang in den Seilen hing, weil sein geliebter Kater nach 18 Jahren verstorben war.

Als sie sich vor 10 Jahren kennen gelernt hatten, da fühlte sie das gleiche wie bei ihrer Oma. Eine mysteriöse Verbindung. Und wenn sich die beiden darüber unterhielten, wie sie sich das erste Mal getroffen hatten, sprachen beide von Schicksal. Beide eher schüchterne, zurückhaltende Mitmenschen, sagten und taten Dinge, die sie normalerweise nie gemacht hätten. Aber nur durch dieses merkwürdige Verhalten haben sie sich näher kennen gelernt und ihnen wurde klar, dass sie füreinander bestimmt waren.

Sie lebte in Süddeutschland und er hatte sich beruflich verändern wollen. Darum war er von seiner 700 Kilometer entfernten Heimat weggezogen.

Schon nach kurzer Zeit seines Aufenthaltes in seiner neuen Heimat, hatten sie sich an ihrer Arbeitsstelle das erste Mal gesehen. Und nach wenigen Wochen machte er ihr, sehr zur Verwunderung der Verwandten und Freunde, einen Heiratsantrag. Sie willigte sofort ein und wurde von vielen gewarnt, dass sie ihn doch noch gar nicht kenne und heutzutage bräuchte man doch nicht immer gleich zu heiraten. Es wurde spekuliert, ob ein Kind unterwegs sei. Dem allen zum Trotz wurde ein Jahr später Hochzeit gefeiert. Jetzt nach 10 Jahren war ihre Liebe stärker denn je. Nicht, dass es nicht mal Meinungsverschiedenheiten gab, aber dennoch fühlten sich beide magisch zueinander hingezogen.

An all das dachte sie, als sie die Truhe ausräumte und dabei überlegte, ob ihre Oma wohl auch so glücklich mit Ihrem Mann, der relativ früh verstorben war, gewesen war.

Die Zeit verrann nur so, sie musste sich langsam beeilen und irgendwie war sie froh, als sich die Truhe langsam leerte. Aber was war das? Der Boden der Truhe war mit einem dicken Karton ausgelegt. Nur durch Zufall bemerkte sie, dass sich unter diesem noch etwas befinden musste. Der Karton war durch die Jahre be-dingt porös und man konnte eine durchsichtige Tüte durchblitzen sehen. Vorsichtig entfernte sie den Karton und zog die Tüte hervor.

Erstaunt bemerkte sie, dass in ihr einige verwitterte Briefe lagen. Vorsichtig zog sie die Post heraus und las die Anschrift. Sie waren an ihre Großmutter adressiert, allerdings war ihr Geburtsname zu lesen.

Sie fing an den ersten Brief zu lesen:

Geliebte Rosa,

die Trennung von Dir zerreisst mir das Herz. Keine Stunde, die ich nicht an Dich denken muss. Die Arbeit ist hart, aber nur die Hoffnung Dich bald zu mir holen zu können, lässt mich dies alles hier ertragen.

Ich teile mir eine kleine Kammer mit einem Arbeitskollegen. Wenn Du dieses Zimmer sehen würdest, Du wärest entsetzt. Sobald ich es mir leisten kann, hole ich Dich hierher. Aber erst muss ich genug Geld zusammen haben, um Dir ein besseres Zuhause bieten zu können und vor allem, damit ich bei Deinem Vater um Deine Hand anhalten kann.

Liebste, dies ist eine harte Prüfung für uns, aber ich bin sicher wir werden sie bestehen. Wenn Du mir antworten möchtest, dann musst Du Deinen Brief an meinen Vermieter schicken.

Dein Dich für immer liebender Friedrich

Aufgewühlt legte sie den Brief zur Seite. Sie überlegte, wer wohl dieser geheimnisvolle Friedrich war und warum die beiden trotz dieser so großen Liebe nicht geheiratet hatten, denn ihre Oma hatte ihren Großvater geehelicht. Neugierig zog sie den nächsten Brief hervor und schaute zuerst auf den Absender, aber noch immer standen nur Friedrich und die Adresse einer Familie Jansen darauf.

Geliebte Rosa,

du fehlst mir so sehr, auch weil ich hier im Moment keine Zukunft für uns sehe. Ich arbeite so viel, abends falle ich todmüde ins Bett und kann kaum noch an Dich denken, weil mir vor Müdigkeit die Augen zufallen. Und die Aussichten auf eine bessere Arbeit sind gering. Nur mühselig und mit viel Verzicht schaffe ich es ein paar Groschen für uns zurückzulegen.

Aber ich schreibe nur von mir, verzeih. Wie geht es meinem Augenstern? Hast Du mich auch nicht vergessen? Schreibe mir bitte wieder schnell. Nur Deine Briefe lassen mich das alles überstehen.

In Liebe Dein Friedrich

Ein Blick auf das Datum der Briefe sagte ihr, dass Friedrich entweder selten geschrieben hat oder ihre Oma nicht alle Briefe aufgehoben hatte. Sie glaubte aber instinktiv an die erste Möglichkeit. Gespannt nahm sie den nächsten Brief in die Hand.

Geliebte Rosa,

dein Brief hat mir wieder Mut gemacht. Ja, ich bin ein junger Mann und gesund und ich werde meinen Weg gehen. Das hat wohl auch der Vorarbeiter gemerkt und nun habe ich tatsächlich bessere Arbeitsbedingungen. Und das Beste: mein Lohn hat sich auch etwas erhöht. Mit meinen Arbeitskollegen versteh ich mich auch sehr gut und manchmal gehen wir nach der harten Arbeit noch gemeinsam ein Bier trinken. Aber keine Angst, ich spare immer noch für unser Ziel.

In Liebe Friedrich

Täuschte sie sich oder war dieser Brief bedeutend kühler geschrieben. Neugierig öffnete sie den nächsten Brief. Ein Blick auf das Datum verriet ihr, dass einige Monate vergangen waren.

Rosa,

nun endlich habe ich den Mut Dir auf Deine vielen Briefe zu antworten. Ja, Du hast es richtig erkannt oder wie Du geschrieben hast, gespürt. Unsere Wege müssen sich trennen. Ich sehe keine gemeinsame Zukunft für uns. Ich habe hier meine neue Heimat gefunden und ich glaube, dass Du Dich hier nie so richtig einleben würdest. Du schreibst zwar, dass Du mir überall hin folgen würdest, aber ich befürchte, dass Du zu sehr in Deine Heimat verwurzelt bist. Und ich habe endlich alles gefunden, was ich mir immer erträumt habe: eine gute Arbeit und viele nette Freunde. Verzeih mir wenn Du kannst

Friedrich

Bei diesen letzten Worten liefen ihr die Tränen herunter. So ein Schuft! Warum nur hatte er das ihrer Großmutter angetan? Und wie sehr musste sie darunter gelitten haben, hätte sie sonst all die Jahre die Briefe aufgehoben. Sie faltete den Brief wieder zusammen und wollte ihn in das Kuvert zurückstecken. Dabei fiel ihr Blick auf den Absender und sie glaubte, ihr Herz müsse stehen bleiben. Friedrich hatte denselben Nachnamen wie sie selbst und die Stadt war die gleiche aus der ihr Mann kam.

Das konnte kein Zufall sein! Hätte ihr Mann einen Allerweltsnamen, ja dann … Aber es gab in ganz Deutschland nur eine Handvoll Familien mit diesem Namen. Sollte das heißen, Ihre Oma und sein Opa waren einmal ein Liebespaar? Oder war es doch nur ein Zufall? War die Liebe zwischen ihrem Mann und ihr Schicksal? Musste sich die nicht ausgelebte Liebe von Rosa und Friedrich in ihnen verwirklichen? Warum hatte ihre Oma nie etwas gesagt? Hatte sie deshalb so verschmitzt gelächelt, als sie ihr vor zehn Jahren ihren Ehemann vorgestellt hatte?

Fragen über Fragen wirbelten durch ihren Kopf und sie war froh, als ihr Schatz fröhlich rufend zur Haustür hereinkam.

Der Schutzengel

Petra fluchte; ausgerechnet heute hatte sie verschlafen. Wie konnte das nur passieren? Der Radiowecker war zwar angegangen, aber sie hatte ihn nicht gehört. Ausgerechnet heute musste sie zu einer wichtigen Besprechung. Da gab es nur eins: rein in die Klamotten, ein schneller Espresso und weg.

Den zweiten Schock gab es, als sie das Rollo ihres Küchenfensters hoch rollte. Es hatte geschneit. Das durfte doch nicht wahr sein. Waren denn heute alle Götter gegen sie? Wenn sie diesen Tag vermasselte, war es aus mit ihrer Beförderung. Jahre hatte sie daraufhin gearbeitet.

Schnee räumen, dass musste bis abends warten. Nur schnell das Nötigste vom Autodach fegen. Verflucht, wo war der Eiskratzer. In der Eile nahm sie eine Kassettenhülle und kratzte die Fenster frei. Nun aber schnell.

Schnell ging an diesem Tag gar nichts. Die Straßen waren spiegelglatt. Gott-sei-Dank hatte sie letzte Woche die Winterreifen aufgezogen. Ohne, wäre sie heute gar nicht von der Stelle gekommen.

Das nächste Problem kündigte sich sogleich an. Ein Brummifahrer, der wahrscheinlich noch mit Sommerreifen fuhr, kam den Hang nicht hinauf. Einige Helfer versuchten ihr Bestes. Nervös kaute Petra an ihren Nägeln. Nach Minuten, die ihr wie Stunden vorkamen, versuchte sie an dem Lkw vorbeizukommen. Puh, das war knapp, der Gegenverkehr dachte gar nicht daran entgegen-kommende Fahrzeuge vorbei zu lassen.

Petras Herz klopfte bis zum Hals. Vielleicht sollte sie doch etwas vorsichtiger fahren. Ein Blick auf ihre Uhr verriet, dass sie es sowieso nicht mehr pünktlich schaffen konnte. Sie musste unbedingt in der Firma Bescheid geben. Jetzt wäre so ein neumodisches Ding praktisch. Aber nur wenige hatten ein Handy. Vielleicht würde sie sich so eines kaufen; nach der Beförderung. Nun musste sie aber schauen, dass sie eine Telefonzelle fand.

Stand nicht eine kurz vor der Dorfausfahrt? Petra sprang in die Telefonzelle und schob ihre Telefonkarte in den Schlitz. Mist, leer. Also zurück zum Auto. Da musste noch eine sein. Wider erwarten war die Sekretärin sehr verständnisvoll. Ja, der überraschende Wintereinbruch!

Zurück zum Auto. In einer halben Stunde müsste Petra in der Arbeit sein. Nun gab es kaum noch Verkehr, denn die Strecke ging übers Land.

Langsam beruhigte sich Petra, die anderen waren bestimmt auch zu spät. Sie drehte das Radio an und fast hätte ihr die Fahrt durch den verschneiten Wald Spaß gemacht. Eines musste man ja zugeben. Schön sahen die weißen Baumspitzen schon aus.

Auf der Waldstrecke musste sie etwas langsamer fahren, hier waren die Straßen unberechenbar.