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»Mir geht es gut, wenn es dir gut geht – das ist ein Glücksrezept der Dänen.«
(Malene Rydahl)
Warum sind gerade die Dänen eines der glücklichsten Völker der Welt? Menschen eines Landes, das viele Monate im Jahr kaum Sonne sieht und in dem die Einkommenssteuer fast 60 % beträgt. Welche Werte und Einstellungen liegen dieser positiven Lebensauffassung zugrunde? Und: Was können wir von den glücklichen Dänen lernen?
Witzig und kurzweilig, informativ und inspirierend berichtet Malene Rydahl vom dänischen Alltag und zeigt, wie das gesellschaftliche Leben in Dänemark funktioniert.
Mit Tipps, Hinweisen und persönlichen Geschichten weist die Autorin zehn verschiedene Wege, glücklich zu sein – zumindest so glücklich wie die Dänen.
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Seitenzahl: 174
Malene Rydahl
Glücklich wie ein Däne
Die zehn Geheimnisse der
zufriedensten Menschen der Welt
Übersetzt von Ingrid Glienke
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar.
Copyright der Originalausgabe
© Malene Rydahl 2014
Copyright der deutschsprachigen Ausgabe
© 2017 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
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Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln
Umschlagmotiv: © snake3d – Fotolia.com
ISBN 978-3-641-20858-5V001
www.gtvh.de
Für die Freiheit,
ehrlich zu sich selbst zu sein
und für den Mut,
ein glückliches und sinnvolles
Leben anzustreben
12.12.
INHALT
EINLEITUNG Es war einmal ...
1. VERTRAUEN Wir vertrauen anderen Menschen – grundsätzlich
2. BILDUNG Jeder hat einen Platz in der Gesellschaft
3. FREIHEIT UND UNABHÄNGIGKEIT Jeder kann den eigenen Weg frei wählen
4. CHANCENGLEICHHEIT Jeder kann werden, was er oder sie möchte…
5. REALISTISCHE ERWARTUNGEN UND REALISTISCHE TRÄUME
6. SOLIDARITÄT UND RESPEKT Mir geht es gut, wenn es dir gutgeht
7. WORK-LIFE-BALANCE Hygge-Zeit als Lebensqualität
8. DAS VERHÄLTNIS ZUM GELD Zufriedenheit mit dem, was man hat
9. BESCHEIDENHEIT Wir sind alle gleich
10. GLEICHSTELLUNG DER GESCHLECHTER Freie Wahl der eigenen Rolle
SCHLUSSBEMERKUNG
DANK
ANMERKUNGEN
EINLEITUNGEs war einmal ...
Es war einmal eine junge Dänin, die ein Buch über das Glück schreiben wollte. Während sie daran arbeitete, machte sie Ferien in Südfrankreich. Eines Tages lud man sie zu einem eleganten Abendessen in ein wunderbares Haus mit Meerblick ein. Die Gäste waren großartig, alles war perfekt, sie fühlte sich wie im Traum. Zum Aperitif wurden Champagner, edelste Weine und exotische Cocktails gereicht. Man plauderte über das Dolce Vita: über Reisen zu den schönsten Hotels der Welt, Diners in den besten und exklusivsten Restaurants, über Kultur und Kunst. Alles vom Feinsten – ein Leben, von dem jeder träumt. Danach wandte sich das Tischgespräch auch ihrem Buch Glücklich wie ein Däne zu. Die anderen Gäste waren irritiert. »Aber warum haben Sie dieses Thema gewählt? Für mich gibt es keinen ersichtlichen Grund, weshalb die Menschen in diesem Land so glücklich sein sollten!«, meinte ein Mann.
Die junge Frau versuchte zu erklären: Vertrauen spielt in Dänemark eine große Rolle, Vertrauen in den anderen und in die dänischen Institutionen. Dänen liegt das Gemeinwohl am Herzen. Das Erziehungssystem fördert die Persönlichkeit eines jeden Schülers individuell. Alle Bürger können ihren eigenen Weg frei wählen und sich ihr Leben einrichten. Man hält es für wichtiger, seinen persönlichen Platz im Leben zu finden, als der oder die Beste zu sein. In ihrem Land gehe es nicht vorrangig darum, eine Elite auszubilden, erklärte sie den anderen Gästen, sondern das Glück der gesamten Bevölkerung sei das Ziel. Dann machte die junge Frau wohl einen Fehler, denn sie fügte hinzu, dass die Finanzierung einer solchen Gesellschaft hohe Steuern erfordere. Die Steuerlast sei die höchste auf der Welt und der Höchststeuersatz betrage fast 60 Prozent bei Einkommen ab 390.000 Kronen, also ca. 53.500 Euro.
An diesem Punkt unterbrach sie der Mann. »Wie grässlich, was für ein Alptraum!«, stieß er hervor. »Sie wollen uns doch nicht einreden, dass so ein System irgendjemanden glücklich macht. Keiner möchte für andere zahlen. Und überhaupt, ein Land ohne Elite hat keine Zukunft«, fuhr er fort.
»Ich schaue mir Borgen im Fernsehen an«,1 mischte sich eine Frau ein, »und da gibt es nur unglückliche Leute. Was Sie da sagen, das hat weder Hand noch Fuß!«
Halt. Sprechen wir nicht länger von Märchen und von Dolce Vita: Kommen wir zur Sache.
Mir ist klar, dass das dänische Gesellschaftsmodell nicht jeden anspricht. Meine Motivation, dieses Buch zu schreiben, ist keineswegs, die Menschen von seiner Überlegenheit zu überzeugen. Mir geht es darum, meine Erfahrungen darzulegen. Ich wuchs im glücklichsten Land der Welt auf, aber damals war mir mein Glück nicht bewusst.
Seit man vor über vierzig Jahren begann, die Lebenszufriedenheit in den verschiedenen Ländern zu messen, ist bekannt, dass das dänische Gesellschaftsmodell die Menschen glücklich zu machen scheint.
Schon 1973, als mit dem sogenannten Eurobarometer eine der ersten europäischen Studien zu diesem Thema durchgeführt wurde, nahm Dänemark im internationalen Glücksranking durchweg eine Spitzenstellung ein. Im berühmten World Happiness Report von 2012, 2013 und 2016 steht das Land an erster Stelle. Dieser Report gilt als »Bibel« der Vereinten Nationen für das Glücksniveau eines jeden Landes. Zum Vergleich: Italien erreichte 2016 den fünfzigsten Platz, Frankreich den zweiunddreißigsten, Großbritannien den dreiundzwanzigsten, die Vereinigten Staaten den dreizehnten, was die höchste Platzierung für ein so bevölkerungsreiches Land ist. Deutschland landete auf Platz 16. Außerdem stand Dänemark an erster Stelle im Eurobarometer von 2012, an erster Stelle im Gallup World Poll 2011 (ein weiterer renommierter Gradmesser für die Lebenszufriedenheit) und teilte sich mit Schweden und Finnland den ersten Rang in der Europäischen Sozialstudie von 2008. Eine eindrucksvolle Bilanz für ein kleines Land.
Gibt es dafür eine Erklärung? Warum ist dieses kleine Völkchen von ca. 5,6 Millionen Menschen so zufrieden? Schließlich ist Dänemark ein Land, dessen Bürger eher zur Bescheidenheit neigen, in dem es neun Monate im Jahr kalt ist und im Winter schon um 3 Uhr nachmittags dunkel wird. In dem es mehr Schweine (24 Millionen) als Menschen gibt. Ein Land, in dem die Steuerlast weltweit eine der höchsten ist. In dem der höchste Einkommenssteuersatz fast 60 Prozent beträgt, Autos mit 170 Prozent besteuert werden und sich die Mehrwertsteuer auf 25 Prozent beläuft.2 Ziemlich merkwürdig, oder?
Fragt man die Dänen nach ihrem Status als glücklichste Nation, antworten sie oft: »Oh ja, davon habe ich gehört. Ich bin nicht sicher, ob es stimmt, aber man lebt auf jeden Fall gut hier.« Angeberei liegt Dänen nicht, und damit zu prahlen, die glücklichste Nation der Welt zu sein, käme ihnen schon gar nicht in den Sinn. Im Gegenteil gelten Bescheidenheit und Demut in Dänemark als grundlegende kulturelle Werte. Und ein Zuckerschlecken kann das Leben dort wohl auch nicht sein, denn der Konsum von Alkohol und Antidepressiva ist hoch, ebenso auch die Selbstmordrate (obwohl nicht so hoch wie man munkelt!). Existiert das dänische Glück in Wirklichkeit etwa gar nicht? Doch! Aber natürlich ist das Leben wie überall auch in Dänemark komplex und man sollte sich vor Vereinfachungen hüten. Die Mehrheit der Dänen ist wirklich mit ihrem Leben zufrieden. Die Gründe dafür möchte ich im Folgenden zusammen mit Ihnen erkunden.
Ich kam in Aarhus zur Welt, der mit rund 265.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Dänemarks. Mit dem im glücklichsten Land der Welt erworbenen Wissen ausgerüstet, beschloss ich im Alter von achtzehn Jahren, das Land meiner Kindheit zu verlassen, um mein eigenes Leben zu führen und mein persönliches Glück zu finden. Ich wollte den Unterschied zwischen dem, was ich gelernt hatte, und dem, was ich selbst für die Lebenswahrheit hielt, herausfinden. Um die eigenen Ansichten und Prinzipien auf den Prüfstand zu stellen und möglicherweise zu relativieren, ist die Auseinandersetzung mit der Realität bekanntlich ein probates Mittel.
Damals wusste ich noch nichts von einem »dänischen Modell«. Für mich war das System selbstverständlich: es war normal, war Alltag. Allerdings stellte ich selbst seine zentralen Prinzipien infrage: Wenn alle gleich sind, wie gut ist das für den einzelnen wirklich? Führt Homogenität nicht auch zur Mittelmäßigkeit? Lässt die ständige Betonung von Demut und Bescheidenheit nicht das Potenzial der Menschen verkümmern? Wird unter dem Deckmantel des Wohlfahrtsstaats dem Bürger letztendlich die persönliche Verantwortung abgenommen? Auch über den Begriff Glück, und wo man es denn finden könnte, habe ich nachgedacht. Dazu gehörte für mich, unabhängig und frei zu sein. Diese Vorstellungen wollte ich im wirklichen Leben überprüfen.
Es war ein langer Weg. Mein Kontakt zu anderen Ländern und Kulturen machte mir mein Verständnis von Wohlergehen als stark dänisch geprägt bewusst. Die Reisen durch Asien, die Vereinigten Staaten und die Länder Europas öffneten mir die Augen für die Schätze um mich herum. Ich verlor mein Herz an Frankreich, wo ich jetzt lebe. Die reiche Kultur Frankreichs und die Menschen inspirierten mich. Heute lebe ich also in Frankreich und schreibe über das Glück in Dänemark aus der Distanz, mit allen Vorteilen, die ein Blick von außen mit sich bringt.
Bevor wir die Geheimnisse des dänischen Glücks erforschen, steht aber die grundsätzliche Frage: Was ist Glück? Wie lässt sich Glück definieren? Weltweit gibt es, abhängig von der jeweiligen Sprache und Kultur, eine Fülle an Umschreibungen und Synonymen: »Freude«, »Vergnügen«, »Wohlergehen«, »Glückseligkeit«, »Zufriedenheit« – die Liste ist schier unendlich. Aber sind die aufgezählten Begriffe nach unserem Verständnis nicht allesamt Aspekte von Glück? Wie kann man Glück am besten beschreiben?
Es gibt die pragmatische wissenschaftliche Betrachtungsweise: Für Experten in der bildgebenden Diagnostik ist Glück ein spezifischer messbarer Aktivitätszustand in verschiedenen Teilen des Gehirns. Für Sprachwissenschaftler geht das Wort »Glück« im Deutschen etymologisch auf mittelhochdeutsch gelücke/lücke zurück und bedeutete im 14. Jahrhundert »Geschick, Zufall, Glück, Beruf«.3 Es bezeichnet den guten Ausgang eines Geschehens. Das englische Wort »happiness« stammt von dem mittelenglischen Nomen hap ab, das Chance oder Fortüne bedeutet. Bei den Philosophen unterscheiden wir Optimisten wie Montaigne und Spinoza und jene anderen, die Glück für unmöglich hielten, nämlich Schopenhauer und Freud. Andere verbinden Glück mit Lust wie Epikur oder mit Glauben wie Pascal oder aber mit Macht wie Nietzsche.
Die Definition, wie sie der Nationalökonom Richard Layard formuliert hat, scheint mir die eingängigste: »Mit Glück meine ich also einen Zustand des Sich-wohl-Fühlens, das Gefühl, das Leben zu genießen, und den damit verbundenen Wunsch, dieses Gefühl möge nicht aufhören.«4 Mir gefällt diese Definition, weil sie einfach ist und bei den meisten Menschen Anklang findet.
Lassen Sie uns eine wichtige Unterscheidung nicht vergessen: Den Unterschied zwischen dem kollektiven Glück eines Landes (das in den bekannten Umfragen evaluiert wird) und dem persönlichen Glück.
Das persönliche Glück wird von vielen Faktoren beeinflusst, und ich bin mir nicht sicher, ob sie objektiv erfasst werden können. Auch wenn die Unterscheidung zwischen glücklichen und unglücklichen Menschen meist sehr leicht fällt, bleibt Glück doch ein sehr persönliches Empfinden. Die Experten – Psychiater, Soziologen, Neurowissenschaftler, Erziehungswissenschaftler, Philosophen, Theologen – sind sich immerhin darin einig, dass wir nicht zwingend die gleichen Voraussetzungen haben, wenn es ums Glück geht. Wir können mit einem mehr oder minder großen Potenzial für Glück auf die Welt kommen.
Also ist Glück etwas Vorgegebenes? Einige Experten gehen so weit zu behaupten, dass allein die Gene den Grundpegel unseres persönlichen Glücks bestimmen. Ihrer Meinung nach steuert die genetische Ausstattung eines Individuums systematisch das Glücksniveau. Diese Richtung wird die Set-Point-Theorie genannt. Untermauert wird sie von einer Studie aus dem Jahr 1996, bei der dreihundert Zwillingspaare untersucht wurden, die entweder zusammen oder getrennt aufgewachsen waren. Das Ergebnis legt den Schluss nahe, dass 80 Prozent des emotionalen Wohlergehens von der Genetik bestimmt wird.5 Andere Studien kamen zu einem moderateren Verhältnis von 50 Prozent. Glücklicherweise. Der belgische Psychotherapeut Thierry Janssen sagt zum Beispiel, unsere Kapazität für Glück hänge zu 50 Prozent von unseren Chromosomen ab und zu 10 Prozent von externen Faktoren.6 Demnach hätten wir die restlichen 40 Prozent selbst in der Hand, was uns immerhin noch genügend Gestaltungsspielraum für unser Glück bietet!
Das in internationalen Studien untersuchte kollektive Glück wird nach anderen Kriterien gemessen. Da ist Vorsicht angebracht. Schon oft versuchte man, dieses Glück zu definieren. So entwarf der König des kleinen Himalaja-Staates Bhutan beispielsweise 1972 einen Index für ein »Bruttonationalglück« (BNG). Das geschah mit ironischem Seitenblick auf das klassische Bruttoinlandsprodukt, den BIP-Index. Das BNG des Königreichs basiert auf vier Kriterien: nachhaltige und faire sozioökonomische Entwicklung, Umweltschutz, Erhaltung und Förderung der Kultur und eine gute Regierungsführung.7 Dieses Konzept hat Bhutan den Namen »Das glückliche Land« eingebracht, trotz ökonomischer Krise und einem 84. Platz im World Happiness Report 2016. Der Club of Rome, dessen Mitglieder sich seit 1968 für eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft der Menschheit einsetzen, evaluierte das Glück, indem er für eine Bewertung der Lebensqualität nach ökonomischen Faktoren plädierte, nachzulesen in Die Grenzen des Wachstums von 1972.8
Wie verlässlich sind aber globale Studien zum Thema Glück? Sind sie nicht zwangsläufig bis zu einem gewissen Grad fragwürdig? Denn hängt das Ergebnis nicht vom Ansatz ab, den sie verfolgen, und von ihren Fragestellungen? Eines ist sicher: Das kollektive Glück kann niemals die mathematisch berechnete Summe des individuellen Glücks sein. Wie viele Faktoren können doch bei einer Studie die Antwort eines Menschen beeinflussen! »Sind Sie generell mit Ihrem Leben zufrieden?« Selbst bei dieser simplen Frage können vermeintlich banale Äußerlichkeiten die Antwort einfärben: Wie war das Wetter? Gab es gerade einen größeren nationalen Sieg im Sport zu feiern? Jedes positive oder negative Ereignis, das außerhalb unserer Kontrolle liegt, kann unsere Gestimmtheit beeinflussen. Außerdem darf man fragen, ob sich unglückliche Menschen überhaupt die Mühe machen, an einer Umfrage zum Thema Glück teilzunehmen. Vielleicht haben sie, je nach Grund ihres Unglücklich seins, schlicht keine Lust dazu. Und selbst die Reihenfolge der Fragen kann bei der Beantwortung eine Rolle spielen, das zeigte sich bei größeren Umfragen wie denen der Vereinten Nationen, von Gallup und Eurostat. Wenn zuerst nach Politik und dem Grad der Korruption gefragt wurde, neigten die Befragten zu negativeren Antworten über die eigene Lebenszufriedenheit. Nicht zuletzt muss man bei der Auswertung internationaler Ranglisten stets im Auge behalten, dass sie notgedrungen kulturelle Unterschiede außer Betracht lassen. Wertvorstellungen unterscheiden sich von Land zu Land aber zum Teil erheblich.
Und trotzdem. Auch wenn diese internationalen Studien das kollektive Glück eines Landes nicht exakt abbilden können, so gibt doch die große Zahl an Befragten einen groben Anhaltspunkt, wie es um das durchschnittliche Glücksniveau - oder nennen wir es das Wohlbefinden - der Bevölkerung eines Landes steht.
Um mich gründlicher mit dem Thema vertraut zu machen, wandte ich mich an den dänischen Professor Christian Bjørnskov. Er unterrichtet an der Universität Aarhus unter anderem Sozialökonomie und widmet sich schon seit vielen Jahren mit Leidenschaft diesem Thema. Zudem ist er Gründungsmitglied des Instituts für Glücksforschung.9 Ja, so ein Institut for Lykkeforskning gibt es wirklich. In Frederiksberg existiert eine Ideenschmiede von Menschen, die sich ausschließlich diesem wunderbaren Thema widmen. Einen Vormittag lang diskutierten wir im Café Casablanca in meiner Heimatstadt Aarhus das Phänomen. Professor Bjørnskov erklärte, es gäbe eine Reihe universeller Faktoren, die zum Glück einer Nation beitragen: nämlich ein demokratisches Staatswesen, ein gewisser Grad an nationalem Wohlstand, ein funktionierendes Rechtssystem und die Abwesenheit von Krieg. Nach seiner Schätzung erfüllen dreißig bis vierzig Länder auf der Welt diese Kriterien. Sobald diese Grundlage vorhanden ist, beeinflussen noch andere Faktoren das Glücksniveau, dazu gehört insbesondere das Vertrauen in andere sowie die Freiheit (und die Möglichkeit), den eigenen Lebensweg frei wählen zu können.
Zu guter Letzt: Gibt es eigentlich ein universelles Recht auf Glück? Auf Wohlergehen, unabhängig von möglichen Varianten und subtilen Einflüssen? In der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, die am 4. Juli 1776 in Boston verabschiedet wurde, ist ein solches Recht schwarz auf weiß festgeschrieben: »Wir halten diese Wahrheiten für ausgemacht, daß alle Menschen gleich erschaffen wurden, daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten begabt wurden, worunter sind Leben, Freyheit und das Bestreben nach Glückseligkeit.«
Was liegt denn nun dem dänischen Glück zugrunde? Nach vielen Jahren im Ausland möchte ich dieses »dänische Modell« anhand von zehn einfachen Grundprinzipien genauer unter die Lupe nehmen. Lassen Sie uns im Folgenden die Bausteine betrachten, auf denen es zu beruhen scheint, ohne die Komplexität und die Dimension des Themas aus den Augen zu verlieren. Dabei werde ich mich von meinen Erlebnissen inspirieren lassen, aber auch von den Menschen, die mir begegnet sind.
Es waren einmal zehn einfache Grundprinzipien, um »glücklich wie ein Däne« zu sein.
1. VERTRAUEN Wir vertrauen anderen Menschen – grundsätzlich
In Dänemark ist das Vertrauen der Menschen ineinander weltweit am größten.
Es ist ein herrlicher Sommertag in Dänemark. Die Menschen halten sich im Freien auf, genießen den seltenen und kostbaren Sonnenschein und die sommerlichen Temperaturen. Meine Mutter und ich fahren aufs Land, um Obst und Gemüse fürs Abendessen zu kaufen. Am Straßenrand bieten die umliegenden Höfe an Verkaufsständen ihre Produkte an: Kartoffeln, Erbsen, Karotten, Himbeeren und Erdbeeren. Das ist nicht ungewöhnlich. Überraschend ist, dass niemand diese Stände beaufsichtigt. Auf jedem Tisch steht ein kleiner Topf, in dem man das Geld für die gekauften Waren hinterlässt. Die Bauern denken sogar an Wechselgeld und legen einige Münzen hinein. Am Ende des Tages holen sie ihre Einnahmen ab. So war es in meiner Kindheit und so wird es auch heute noch gehalten. Dass niemand an Diebstahl denkt, mag andere verblüffen, für uns Dänen ist es selbstverständlich.
Wie lässt sich erklären, dass dieses System funktioniert?
Das Vertrauen steigt mit fallenden Temperaturen
Im Jahr 2012 publizierte der dänische Professor Gert Tinggaard Svendsen ein Buch über Vertrauen.1 In dieser Studie vergleicht er dreiundachtzig Länder.2 Sein Fazit: 78 Prozent der Dänen vertrauen den Menschen in ihrer näheren Umgebung. Das ist ein Weltrekord! In den anderen untersuchten Ländern lag dieser Wert im Durchschnitt bei 25 Prozent oder darunter. Zweifellos vertrauen die Menschen in Dänemark einander mehr als irgendwo sonst auf der Welt. Mit Ausnahme ihrer skandinavischen Nachbarn, denn interessanterweise nehmen in der Studie alle skandinavischen Länder einen Spitzenplatz ein. Einen der untersten Plätze belegt Brasilien mit 5 Prozent. Das übrige Südamerika und die afrikanischen Länder leisten Brasilien auf den unteren Rängen Gesellschaft. Frankreich und Portugal liegen unter dem Durchschnitt; mehr als sieben von zehn Menschen in Frankreich misstrauen ihrer Peergroup. In den Vereinigten Staaten vertrauen mit 36 Prozent offensichtlich überdurchschnittlich viele ihren Mitmenschen, während die Briten mit 25 Prozent im europäischen Durchschnitt liegen.
Laut Studie vertrauen sogar 84 Prozent der Dänen ihren Institutionen (Regierung, Polizei, Justiz und öffentlicher Dienst). Schreibt Professor Svendsen das nur, weil er Däne ist? Kaum. So haben z. B. auch die französischen Wissenschaftler Yann Algan und Pierre Cahuc ermittelt, dass die Dänen ihre Institutionen selten infrage stellen.3 In Dänemark glauben lediglich 9 Prozent nicht an die Unparteilichkeit der Polizei, wohingegen es in Großbritannien und Deutschland 15 Prozent der Bevölkerung sind, in Frankreich 25 Prozent und in Russland 65 Prozent.4 Außerdem belegt Dänemark den ersten Rang in der Forbes Liste World’s 10 Best Governments.5 In die Bewertung für diese Liste gehen ein: staatliche Macht, Korruptionsfälle, Sicherheit und Ordnung, Bürgerrechte, Transparenz der Regierungsarbeit, behördliche Vollzugsmaßnahmen und Zivil- und strafrechtliche Rechtsprechung. In der aktuellsten Untersuchung aus dem Jahr 2015 werden Dänemark die fairsten Rechtsgrundsätze der Welt bescheinigt. (Deutschland belegt Platz 8, Großbritannien Platz 12, Frankreich Platz 18, die USA Platz 19, Italien Platz 30.)6
Aus diesen Befunden lassen sich einige Konsequenzen für die Gesellschaft ableiten. Zum Beispiel: Würden Sie anstandslos Ihre Einkommenssteuer zahlen, wenn Sie den Verdacht hätten, dass alle um Sie herum betrügen? Wahrscheinlich nicht. Sie würden sich eher für dumm halten, denn als guter Bürger fühlen. Menschen halten Vorschriften eher ein, wenn sie glauben, andere machen es genauso. Ein tragfähiger Wohlfahrtsstaat ist nur realisierbar, wenn er auf zwischenmenschlichem Vertrauen basiert.
Vertrauen hat also nicht nur einen tiefgreifenden Einfluss darauf, wie eine Gesellschaft funktioniert, es wirkt sich auch auf die persönliche Lebenszufriedenheit aus. Zahlreiche Wissenschaftler aus aller Welt, Soziologen, Ökonomen und Philosophen, haben versucht zu definieren, wie Glück entsteht. In einem Punkt sind sich fast alle einig: Ein entscheidender Faktor ist das zwischenmenschliche Vertrauen. Abschließend soll der schon genannte World Happiness Report erwähnt werden.7 Dieser stellt eindeutig fest: Je mehr die Menschen einander vertrauen, umso glücklicher fühlen sie sich. Die französischen Wissenschaftler Cahuc und Algan bestätigen die Kehrseite dieser Aussage. Sie erklären, dass eine auf Misstrauen basierende Gesellschaft sich weniger zum Glücklich sein eignet.8 Professor Christian Bjørnskov kommt zum selben Ergebnis: »Das hohe Vertrauensniveau in [Dänemark] ist eine der signifikantesten Erklärungen für das hohe Glücksniveau.«9
Verantwortungslosigkeit oder Vertrauen? Mäntel, Portemonnaies und Babys
In der Kopenhagener Oper sind Ausländer immer wieder erstaunt, dass die Dänen ihre Mäntel in einer unbeaufsichtigten Garderobe ablegen. Das zeigt beispielhaft das instinktive gegenseitige Vertrauen. Diese Opernbesucher wissen, dass sie ihre persönliche Habe nach der Vorstellung immer noch vorfinden werden – sie kommen gar nicht auf die Idee, dass es anders sein könnte.
Als ich noch in Dänemark lebte, kam ich auch nicht auf diesen Gedanken. Mein Bruder erzählte mir einmal nach einem Supermarktbesuch, er habe 500 Kronen (ca. 67 Euro) in einer Apfelkiste gefunden. »Das Geld muss jemand verloren haben«, sagte er. Er hatte das Geld einem Abteilungsleiter übergeben. Die rechtmäßige Besitzerin kam abends in den Supermarkt, um ihre 500 Kronen abzuholen und der Abteilungsleiter gab ihr das Geld zurück. Als Dankeschön hinterließ sie 100 Kronen für meinen Bruder.