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Goethes Lyrik ist groß und gewaltig, klein und frech, ernst und witzig, tiefgründig, beiläufig und unerschöpflich. Sie ist das größte Dichtkunst-Universum, das in deutscher Sprache je entstanden ist. Goethes Gedichte sind ein Lebens-Werk im wahrsten Sinn des Wortes, geschrieben über einen Zeitraum von beinahe siebzig Jahren hinweg. Sie lassen sich immer neu erkunden und geben jedes Mal neue Facetten ihres Zaubers und Geheimnisses preis. Das macht mit dieser prächtig ausgestatteten Edition besonders viel Freude.Passend zum Inhalt ist diese wunderschöne Geschenk-Ausgabe in edles Iris-Leinen gebunden und mit Goldprägung versehen.
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Seitenzahl: 780
Johann Wolfgang von GoetheGesammelte Werke
Johann Wolfgang von Goethe
Die Gedichte
Anaconda
Die Texte dieses Bandes folgen in Gestalt und Anordnung der AusgabeGoethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Hrsg. von Erich Trunz.Band 1: Gedichte und Epen I. Band 2: Gedichte und Epen II.
Band 7: Romane und Novellen II (Wilhelm Meisters Lehrjahre).
Band 8: Romane und Novellen III (Wilhelm Meisters Wanderjahre).München: C. H. Beck 1981. Sie wurden unter Wahrung des Lautstandes, der Interpunktion sowie sprachlich-stilistischer Eigenheiten der neuen deutschen Rechtschreibung angepasst.
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2015 Anaconda Verlag GmbH, Köln
Alle Rechte vorbehalten.
Umschlagmotiv: Johann Wolfgang von Goethe (1749–1832), Porträt, Punktierstich von Thomas Wright (1792–1849) nach einem Gemälde (1819) von George Dawe (1781–1829), Foto: akg-images
Umschlaggestaltung: Druckfrei. Dagmar Herrmann, Bonn
ISBN 978-3-7306-0221-8eISBN [email protected]
Bei dem erfreulichen Anbruche des 1757. Jahreswollte seinen hochgeehrtesten und herzlichgeliebten Großelterndie Gesinnungen kindlicher Hochachtung und Liebedurch folgende Segenswünsche zu erkennen gebenderoselben treugehorsamster Enkel Johann Wolfgang Goethe.
Erhabner Großpapa!
Ein Neues Jahr erscheint,
Drum muss ich meine Pflicht und Schuldigkeit entrichten,
Die Ehrfurcht heißt mich hier aus reinem Herzen dichten,
So schlecht es aber ist, so gut ist es gemeint.
Gott, der die Zeit erneut, erneure auch Ihr Glück,
Und kröne Sie dies Jahr mit stetem Wohlergehen;
Ihr Wohlsein müsse lang so fest wie Zedern stehen,
Ihr Tun begleite stets ein günstiges Geschick;
Ihr Haus sei wie bisher des Segens Sammelplatz,
Und lasse Sie noch spät Möninens Ruder führen,
Gesundheit müsse Sie bis an Ihr Ende zieren,
Dann diese ist gewiss der allergrößte Schatz.
Erhabne Großmama!
Des Jahres erster Tag
Erweckt in meiner Brust ein zärtliches Empfinden
Und heißt mich ebenfalls Sie jetzo anzubinden
Mit Versen, die vielleicht kein Kenner lesen mag;
Indessen hören Sie die schlechte Zeilen an,
Indem sie wie mein Wunsch aus wahrer Liebe fließen.
Der Segen müsse sich heut über Sie ergießen,
Der Höchste schütze Sie, wie er bisher getan.
Er wolle Ihnen stets, was Sie sich wünschen, geben
Und lasse Sie noch oft ein Neues Jahr erleben.
Dies sind die Erstlinge, die Sie anheut empfangen,
Die Feder wird hinfort mehr Fertigkeit erlangen.
Bei diesem neuen Jahreswechsel überreichtseinen verehrungswürdigen Großeltern dieses Opferaus kindlicher HochachtungJoh. Wolfg. Goethe den 1. Jenner 1762.
Großeltern, da dies Jahr heut seinen Anfang nimmt,
So nehmt auch dieses an, das ich vor Euch bestimmt,
Und ob Apollo schon mir nicht geneigt gewesen,
So würdiget es doch nur einmal durchzulesen.
Ich wünsch aus kindlichem gehorsamen Gemüte
Euch alles Glück und Heil von Gottes Hand und Güte,
Sein guter Engel sei bei Euch in aller Zeit.
Er geb’ Euch das Geleit in Widerwärtigkeit
Sowohl als in dem Glück und lass Euch lang noch leben,
Dass Ihr Urenklen noch den Segen könnet geben;
Dies schreibt der älteste von Eurer Töchter Söhnen,
Um sich auch nach und nach zu denken angewöhnen,
Und zeigt ingleichen hier mit diesen Zeilen an,
Was er dies Jahr hindurch im Schreiben hat getan.
Wenn mich bis übers Jahr die Parzen schonen täten,
Wie gerne wollt’ ich denn mit fremder Zunge reden.
POETISCHE GEDANKENÜBER DIE HÖLLENFAHRT JESU CHRISTIAuf Verlangen entworfen von J. W. G.
Welch ungewöhnliches Getümmel!
Ein Jauchzen tönet durch die Himmel.
Ein großes Heer zieht herrlich fort.
Gefolgt von tausend Millionen
Steigt Gottes Sohn von seinen Thronen
Und eilt an jenen finstern Ort.
Er eilt, umgeben von Gewittern;
Als Richter kommt Er und als Held.
Er geht, und alle Sterne zittern.
Die Sonne bebt. Es bebt die Welt.
Ich seh’ Ihn auf dem Siegeswagen,
Von Feuerrädern fortgetragen,
Den, der für uns am Kreuze starb.
Er zeigt den Sieg auch jenen Fernen,
Weit von der Welt, weit von den Sternen,
Den Sieg, den Er für uns erwarb.
Er kommt, die Hölle zu zerstören,
Die schon sein Tod darnieder schlug;
Sie soll von Ihm ihr Urteil hören.
Hört! Jetzt erfüllet sich der Fluch.
Die Hölle sieht den Sieger kommen,
Sie fühlt sich ihre Macht genommen.
Sie bebt und scheut Sein Angesicht.
Sie kennet Seines Donners Schrecken.
Sie sucht umsonst sich zu verstecken.
Sie sucht zu fliehn und kann es nicht.
Sie eilt vergebens, sich zu retten
Und sich dem Richter zu entziehn,
Der Zorn des Herrn, gleich ehrnen Ketten,
Hält ihren Fuß, sie kann nicht fliehn.
Hier lieget der zertretne Drache,
Er liegt und fühlt des Höchsten Rache,
Er fühlet sie und knirscht vor Wut.
Er fühlt der ganzen Hölle Qualen,
Er ächzt und heult bei tausend Malen:
Vernichte mich, o heiße Glut!
Da liegt er in dem Flammen-Meere,
Ihn foltern ewig Angst und Pein.
Er flucht, dass ihn die Qual verzehre,
Und hört, die Qual soll ewig sein.
Auch hier sind jene große Scharen,
Die mit ihm gleichen Lasters waren,
Doch lange nicht so bös als er.
Hier liegt die ungezählte Menge,
In schwarzem schröcklichen Gedränge,
Im Feuer-Orkan um ihn her.
Er sieht, wie sie den Richter scheuen,
Er sieht, wie sie der Sturm zerfrisst.
Er sieht’s und kann sich doch nicht freuen,
Weil seine Pein noch größer ist.
Des Menschen Sohn steigt im Triumphe
Hinab zum schwarzen Höllen-Sumpfe
Und zeigt dort Seine Herrlichkeit.
Die Hölle kann den Glanz nicht tragen,
Seit ihren ersten Schöpfungstagen
Beherrschte sie die Dunkelheit.
Sie lag entfernt von allem Lichte,
Erfüllt von Qual im Chaos hier.
Den Strahl von Seinem Angesichte
Verwandte Gott auf stets von ihr.
Jetzt siehet sie in ihren Grenzen
Die Herrlichkeit des Sohnes glänzen,
Die fürchterliche Majestät.
Sie sieht mit Donnern Ihn umgeben,
Sie sieht, dass alle Felsen beben,
Wie Gott im Grimme vor ihr steht.
Sie sieht’s, Er kommet, sie zu richten,
Sie fühlt den Schmerzen, der sie plagt;
Sie wünscht umsonst, sich zu vernichten.
Auch dieser Trost bleibt ihr versagt.
Nun denkt sie an ihr altes Glücke,
Voll Pein an jene Zeit zurücke,
Da dieser Glanz ihr Lust gebar;
Da noch ihr Herz im Stand der Tugend,
Ihr froher Geist in frischer Jugend
Und stets voll neuer Wonne war.
Sie denkt mit Wut an ihr Verbrechen,
Wie sie die Menschen kühn betrog.
Sie dachte sich an Gott zu rächen,
Jetzt fühlt sie, was es nach sich zog.
Gott ward ein Mensch. Er kam auf Erden.
Auch dieser soll mein Opfer werden,
Sprach Satanas und freute sich.
Er suchte Christum zu verderben,
Der Welten Schöpfer sollte sterben.
Doch weh dir, Satan, ewiglich!
Du glaubtest Ihn zu überwinden,
Du freutest dich bei Seiner Not.
Doch siegreich kommt Er, dich zu binden.
Wo ist dein Stachel hin, o Tod?
Sprich, Hölle! Sprich, wo ist dein Siegen?
Sieh nur, wie deine Mächte liegen.
Erkennst du bald des Höchsten Macht?
Sieh, Satan! Sieh dein Reich zerstöret.
Von tausendfacher Qual beschweret
Liegst du in ewig finstrer Nacht.
Da liegst du wie vom Blitz getroffen.
Kein Schein vom Glück erfreuet dich.
Es ist umsonst. Du darfst nichts hoffen,
Messias starb allein für mich!
Es steigt ein Heulen durch die Lüfte,
Schnell wanken jene schwarze Grüfte,
Als Christus Sich der Hölle zeigt.
Sie knirscht aus Wut; doch ihrem Wüten
Kann unser großer Held gebieten;
Er winkt, die ganze Hölle schweigt.
Der Donner rollt vor Seiner Stimme.
Die hohe Siegesfahne weht.
Selbst Engel zittern vor dem Grimme,
Wann Christus zum Gerichte geht.
Jetzt spricht Er; Donner ist Sein Sprechen,
Er spricht, und alle Felsen brechen.
Sein Atem ist dem Feuer gleich.
So spricht Er: Zittert, ihr Verruchte!
Der, der in Eden euch verfluchte,
Kommt und zerstöret euer Reich.
Seht auf! Ihr waret Meine Kinder,
Ihr habt euch wider Mich empört.
Ihr fielt und wurdet freche Sünder,
Ihr habt den Lohn, der euch gehört.
Ihr wurdet Meine größten Feinde,
Verführtet Meine liebsten Freunde.
Die Menschen fielen so wie ihr.
Ihr wolltet ewig sie verderben.
Des Todes sollten alle sterben.
Doch, heulet! Ich erwarb sie Mir.
Für sie bin Ich herab gegangen,
Ich litt, Ich bat, Ich starb für sie.
Ihr sollt nicht euren Zweck erlangen.
Wer an Mich glaubt, der stirbet nie.
Hier lieget ihr in ew’gen Ketten,
Nichts kann euch aus dem Pfuhl erretten,
Nicht Reue, nicht Verwegenheit.
Da liegt, krümmt euch in Schwefel-Flammen!
Ihr eiltet, euch selbst zu verdammen,
Da liegt und klagt in Ewigkeit!
Auch ihr, so Ich Mir auserkoren,
Auch ihr verscherztet Meine Huld;
Auch ihr seid ewiglich verloren.
Ihr murret? Gebt Mir keine Schuld.
Ihr solltet ewig mit Mir leben,
Euch ward hierzu Mein Wort gegeben,
Ihr sündigtet und folgtet nicht.
Ihr lebtet in dem Sünden-Schlafe.
Nun quält euch die gerechte Strafe,
Ihr fühlt Mein schreckliches Gericht. —
So sprach Er, und ein furchtbar Wetter
Geht von Ihm aus. Die Blitze glühn.
Der Donner fasst die Übertreter
Und stürzt sie in den Abgrund hin.
Der Gott-Mensch schließt der Höllen Pforten,
Er schwingt Sich aus den dunklen Orten
In Seine Herrlichkeit zurück.
Er sitzet an des Vaters Seiten,
Er will noch immer für uns streiten.
Er will’s! O Freunde! Welches Glück!
Der Engel feierliche Chöre,
Die jauchzen vor dem großen Gott,
Dass es die ganze Schöpfung höre:
Groß ist der Herr Gott Zebaoth!
AN MEINE MUTTER
Obgleich kein Gruß, obgleich kein Brief von mir
So lang dir kömmt, lass keinen Zweifel doch
Ins Herz, als wär’ die Zärtlichkeit des Sohns,
Die ich dir schuldig bin, aus meiner Brust
Entwichen. Nein, so wenig als der Fels,
Der tief im Fluss vor ew’gem Anker liegt,
Aus seiner Stätte weicht, obgleich die Flut
Mit stürm’schen Wellen bald, mit sanften bald
Darüber fließt und ihn dem Aug’ entreißt,
So wenig weicht die Zärtlichkeit für dich
Aus meiner Brust, obgleich des Lebens Strom
Vom Schmerz gepeitscht bald stürmend drüber fließt,
Und von der Freude bald gestreichelt still
Sie deckt und sie verhindert, dass sie nicht
Ihr Haupt der Sonne zeigt und ringsumher
Zurückgeworfne Strahlen trägt und dir
Bei jedem Blicke zeigt, wie dich dein Sohn verehrt.
AN ANNETTEN
Es nannten ihre Bücher
Die Alten sonst nach Göttern,
Nach Musen und nach Freunden,
Doch keiner nach der Liebsten.
Warum sollt’ ich, Annette,
Die Du mir Gottheit, Muse
Und Freund mir bist und alles,
Dies Buch nicht auch nach Deinem
Geliebten Namen nennen?
ZIBLIS,EINE ERZÄHLUNG
Mädchen, setzt euch zu mir nieder,
Niemand stört hier unsre Ruh,
Seht, es kommt der Frühling wieder,
Weckt die Blumen und die Lieder,
Ihn zu ehren hört mir zu.
Weise, strenge Mütter lehren:
Mädchen, flieht der Männer List!
Und doch lasst ihr euch betören.
Hört, ihr sollt ein Beispiel hören,
Wer am meisten furchtbar ist.
Ziblis, jung und schön, zur Liebe,
Zu der Zärtlichkeit gemacht,
Floh aus rauem wilden Triebe —
Nicht aus Tugend — alle Liebe;
Ihre Freude war die Jagd.
Als sie einst tief im Gesträuche
Sorglos froh ein Liedchen sang,
Ward sie blass wie eine Leiche,
Da aus einer alten Eiche
Ein gehörnter Waldgott sprang.
Zärtlich lacht das Ungeheuer,
Ziblis wendet ihr Gesicht,
Läuft, doch der gehörnte Freier
Springt ihr wie ein hüpfend Feuer
Nach und ruft: O flieh mich nicht!
Schrein kann niemals überwinden.
Sie lief schneller, er ihr nach.
Endlich kam sie zu den Gründen,
Da wo unter jungen Linden
Emiren am Wasser lag.
Hilf mir! rief sie. Er voll Freude,
Dass er so die Nymphe sah,
Stand bewaffnet zu dem Streite
Mit dem Ast der nächsten Weide,
Als der Waldgott kam, schon da.
Der trat näher, ihn zu höhnen,
Und ging schnell den Zweikampf ein.
Sie erbebt für Emirenen.
Immer wird das Herz der Schönen
Auf des Schönen Seite sein.
Seinen Feind im Sand zu höhnen
Regt sich Fuß und Arm und Hand
Bald mit Stoßen bald mit Dehnen.
Liebe stärkt die Kraft der Sehnen:
Beide waren gleich entbrannt.
Endlich sinkt der Faun zur Erden,
Denn ihn traf ein harter Streich.
Grässlich zerrt er die Gebärden.
Emiren, ihn loszuwerden,
Wirft ihn in den nächsten Teich.
Ziblis lag mit matten Blicken,
Da der Sieger kam, im Gras.
Wird’s ihm ihr zu helfen glücken?
Leicht sind Mädchen zu erquicken,
Oft ist ihre Krankheit Spaß.
Sie erhebt sich. Neues Leben
Gibt ein heißer Kuss ihr gleich.
Doch, der einen schon gegeben,
Sollte nicht nach mehrern streben?
Das sieht einem Märchen gleich.
Wartet nur! Es folgten Küsse
Hundertweis. Sie schmeckten ihr.
Ja, die Mäulchen schmecken süße,
Und bei Ziblis waren diese
Gar die ersten. Glaubt es mir!
Darum sog mit langen Zügen
Sie begierig immer mehr.
Endlich, trunken von Vergnügen,
Ward dem Emiren das Siegen,
Wie ihr denken könnt, nicht schwer.
Mädchen, fürchtet rauer Leute
Buhlerische Wollust nie.
Die im ehrfurchtsvollen Kleide
Viel von unschuldsvoller Freude
Reden, Mädchen, fürchtet die!
Wacht, denn da ist nichts zu scherzen!
Seid viel lieber klug als kalt.
Zittert stets für eure Herzen!
Hat man einmal diese Herzen —
Ha, das andre hat man bald.
AN DEN SCHLAF
Der du mit deinem Mohne
Der Götter Augen zwingst,
Und Bettler oft zum Throne,
Zum Mädchen Schäfer bringst,
Hör mich: Kein Traumgespinste
Verlang ich heut von dir,
Den größten deiner Dienste,
Geliebter, leiste mir.
An meines Mädchens Seite
Sitz ich, ihr Aug’ spricht Lust,
Und unter neid’scher Seide
Steigt fühlbar ihre Brust.
Oft wären, sie zu küssen,
Die gier’gen Lippen nah,
Doch ach — dies muss ich missen:
Es sitzt die Mutter da!
Heut Abend bin ich wieder
Bei ihr. O, tritt herein,
Sprüh’ Mohn von dem Gefieder,
Da schlaf ’ die Mutter ein,
Blass werd’ der Lichter Scheinen.
Von Lieb’ mein Mädchen warm
Sink, wie Mama in deinen,
Ganz still in meinen Arm.
ANNETTE AN IHREN GELIEBTEN
Ich sah, wie Doris bei Damöten stand,
Er nahm sie zärtlich bei der Hand;
Lang sahen sie einander an,
Und sahn sich um, ob nicht die Eltern wachen,
Und da sie niemand sahn,
Geschwind — genug, sie machten’s wie wir’s machen.
DAS SCHREIENNach dem Italienischen
Jüngst schlich ich meinem Mädchen nach,
Und ohne Hindernis
Umfasst’ ich sie im Hain; sie sprach:
»Lass mich, ich schrei’ gewiss!«
Da droht’ ich trotzig: »Ha, ich will
Den töten, der uns stört!«
»Still«, winkt sie lispelnd, »Liebster, still,
Damit dich niemand hört!«
DIE NACHT
Gern verlass’ ich diese Hütte,
Meiner Schönen Aufenthalt,
Und durchstreich mit leisem Tritte
Diesen ausgestorbnen Wald.
Luna bricht die Nacht der Eichen,
Zephirs melden ihren Lauf,
Und die Birken streun mit Neigen
Ihr den süßten Weihrauch auf.
Schauer, der das Herze fühlen,
Der die Seele schmelzen macht,
Wandelt im Gebüsch im Kühlen.
Welche schöne, süße Nacht!
Freude! Wollust! Kaum zu fassen!
Und doch wollt’ ich, Himmel, dir
Tausend deiner Nächte lassen,
Gäb’ mein Mädchen eine mir.
WUNSCH EINES KLEINEN MÄDCHEN
Ach, fände für mich
Ein Bräutigam sich!
Wie schön ist’s nicht da,
Man nennt uns Mama,
Da braucht man zum Nähen,
Zur Schul’ nicht zu gehen,
Da kann man befehlen,
Hat Mägde, darf schmälen,
Da schickt man zum Schneider,
Gleich bringt der uns Kleider.
Da lässt man spazieren,
Auf Bälle sich führen
Und fragt nicht erst lange
Papa und Mama.
DIE FREUDEN
Da flattert um die Quelle
Die wechselnde Libelle,
Der Wasserpapillon,
Bald dunkel und bald helle
Wie ein Chamäleon;
Bald rot und blau, bald blau und grün,
O dass ich in der Nähe
Doch seine Farben sähe!
Da fliegt der Kleine vor mir hin
Und setzt sich auf die stillen Weiden.
Da hab’ ich ihn, da hab’ ich ihn!
Und nun betracht’ ich ihn genau
Und seh’ ein traurig dunkles Blau.
So geht es dir, Zergliedrer deiner Freuden!
UNBESTÄNDIGKEIT
Auf Kieseln im Bache, da lieg’ ich, wie helle,
Verbreite die Arme der kommenden Welle,
Und buhlerisch drückt sie die sehnende Brust.
Dann trägt sie ihr Leichtsinn im Strome darnieder,
Schon naht sich die zweite und streichelt mich wieder,
Da fühl’ ich die Freuden der wechselnden Lust.
O Jüngling, sei weise, verwein’ nicht vergebens
Die fröhlichsten Stunden des traurigen Lebens,
Wenn flatterhaft je dich ein Mädchen vergisst.
Geh, ruf sie zurücke, die vorigen Zeiten,
Es küsst sich so süße der Busen der zweiten
Als kaum sich der Busen der ersten geküsst.
AN DEN MOND
Schwester von dem ersten Licht,
Bild der Zärtlichkeit in Trauer,
Nebel schwimmt mit Silberschauer
Um dein reizendes Gesicht.
Deines leisen Fußes Lauf
Weckt aus tagverschlossnen Höhlen
Traurig abgeschiedne Seelen,
Mich, und nächt’ge Vögel auf.
Forschend übersieht dein Blick
Eine großgemessne Weite.
Hebe mich an deine Seite,
Gib der Schwärmerei dies Glück!
Und in wollustvoller Ruh
Säh’ der weitverschlagne Ritter
Durch das gläserne Gegitter
Seines Mädchens Nächten zu.
Dämmrung, wo die Wollust thront,
Schwimmt um ihre runden Glieder.
Trunken sinkt mein Blick hernieder —
Was verhüllt man wohl dem Mond!
Doch was das für Wünsche sind!
Voll Begierde zu genießen,
So da droben hängen müssen —
Ei, da schieltest du dich blind!
ODEN AN MEINEN FREUND. 1767.
Erste Ode
Verpflanze den schönen Baum,
Gärtner, er jammert mich.
Glücklicheres Erdreich
Verdiente der Stamm.
Noch hat seiner Natur Kraft
Der Erde aussaugendem Geize,
Der Luft verderbender Fäulnis,
Ein Gegengift, widerstanden.
Sieh, wie er im Frühling
Lichtgrüne Blätter schlägt!
Ihr Orangenduft
Ist dem Geschmeiße Gift.
Der Raupen tückischer Zahn
Wird stumpf an ihnen,
Es blinkt ihr Silberglanz
Im Sonnenscheine.
Von seinen Zweigen
Wünscht das Mädchen
Im Brautkranze;
Früchte hoffen Jünglinge.
Aber sieh, der Herbst kömmt:
Da geht die Raupe,
Klagt der listigen Spinne
Des Baums Unverwelklichkeit.
Schwebend zieht sich
Von ihrer Taxuswohnung
Die Prachtfeindin herüber
Zum wohltätigen Baum
Und kann nicht schaden;
Aber die Vielkünstliche
Überzieht mit grauem Ekel
Die Silberblätter,
Sieht triumphierend,
Wie das Mädchen schaurend,
Der Jüngling jammernd
Vorübergeht.
Verpflanze den schönen Baum,
Gärtner, er jammert mich.
Baum, danke dem Gärtner,
Der dich verpflanzt!
Zwote Ode
Du gehst. Ich murre.
Geh! Lass mich murren.
Ehrlicher Mann,
Fliehe dieses Land.
Tote Sümpfe,
Dampfende Oktobernebel
Verweben ihre Ausflüsse
Hier unzertrennlich.
Gebärort
Schädlicher Insekten,
Mörderhülle
Ihrer Bosheit.
Am schilfigten Ufer
Liegt die wollüstige,
Flammengezüngte Schlange,
Gestreichelt vom Sonnenstrahl.
Fliehe sanfte Nachtgänge
In der Mondendämmerung,
Dort halten zuckende Kröten
Zusammenkünfte auf Kreuzwegen.
Schaden sie nicht,
Werden sie schrecken.
Ehrlicher Mann,
Fliehe dieses Land!
Dritte Ode
Sei gefühllos!
Ein leichtbewegtes Herz
Ist ein elend Gut
Auf der wankenden Erde.
Behrisch, des Frühlings Lächeln
Erheitre deine Stirne nie,
Nie trübt sie dann mit Verdruss
Des Winters stürmischer Ernst.
Lehne dich nie an des Mädchens
Sorgenverwiegende Brust,
Nie auf des Freundes
Elend tragenden Arm.
Schon versammelt
Von seiner Klippenwarte
Der Neid auf dich
Den ganzen luchsgleichen Blick,
Dehnt die Klauen,
Stürzt und schlägt
Hinterlistig sie
Dir in die Schultern.
Stark sind die magern Arme,
Wie Panter-Arme,
Er schüttelt dich
Und reißt dich los.
Tod ist Trennung,
Dreifacher Tod
Trennung ohne Hoffnung
Wiederzusehn.
Gerne verließest du
Dieses gehasste Land,
Hielte dich nicht Freundschaft
Mit Blumenfesseln an mir.
Zerreiß sie! Ich klage nicht.
Kein edler Freund
Hält den Mitgefangnen,
Der fliehn kann, zurück.
Der Gedanke
Von des Freundes Freiheit
Ist ihm Freiheit
Im Kerker.
Du gehst, ich bleibe.
Aber schon drehen
Des letzten Jahrs Flügelspeichen
Sich um die rauchende Achse.
Ich zähle die Schläge
Des donnernden Rads,
Segne den letzten,
Da springen die Riegel, frei bin ich wie du.
Ob ich dich liebe, weiß ich nicht.
Seh’ ich nur einmal dein Gesicht,
Seh’ dir ins Auge nur einmal,
Frei wird mein Herz von aller Qual.
Gott weiß, wie mir so wohl geschicht!
Ob ich dich liebe, weiß ich nicht.
*
Ich komme bald, ihr goldnen Kinder,
Vergebens sperret uns der Winter
In unsre warmen Stuben ein.
Wir wollen uns zum Feuer setzen
Und tausendfältig uns ergötzen,
Uns lieben wie die Engelein.
Wir wollen kleine Kränzchen winden,
Wir wollen kleine Sträußchen binden
Und wie die kleinen Kinder sein.
*
Jetzt fühlt der Engel, was ich fühle,
Ihr Herz gewann ich mir beim Spiele,
Und sie ist nun von Herzen mein.
Du gabst mir, Schicksal, diese Freude,
Nun lass auch morgen sein wie heute
Und lehr’ mich, ihrer würdig sein.
*
Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlings-Götter
Tändlend auf ein luftig Band.
Zephir, nimm’s auf deine Flügel,
Schling’s um meiner Liebsten Kleid!
Und dann tritt sie für den Spiegel
Mit zufriedner Munterkeit.
Sieht mit Rosen sich umgeben,
Sie wie eine Rose jung.
Einen Kuss, geliebtes Leben,
Und ich bin belohnt genung.
Schicksal, segne diese Triebe,
Lass mich ihr und lass sie mein,
Lass das Leben unsrer Liebe
Doch kein Rosen-Leben sein!
Mädchen, das wie ich empfindet,
Reich mir deine liebe Hand!
Und das Band, das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosen-Band!
MIT EINEM GEMALTEN BANDSpätere Fassung
Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlingsgötter
Tändelnd auf ein luftig Band.
Zephyr, nimm’s auf deine Flügel,
Schling’s um meiner Liebsten Kleid!
Und so tritt sie vor den Spiegel
All in ihrer Munterkeit.
Sieht mit Rosen sich umgeben,
Selbst wie eine Rose jung:
Einen Blick, geliebtes Leben!
Und ich bin belohnt genung.
Fühle, was dies Herz empfindet,
Reiche frei mir deine Hand,
Und das Band, das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosenband!
Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stund im Nebelkleid die Eiche
Wie ein getürmter Riese da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah schläfrig aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr.
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch tausendfacher war mein Mut,
Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
Mein ganzes Herz zerfloss in Glut.
Ich sah dich, und die milde Freude
Floss aus dem süßen Blick auf mich.
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbes Frühlingswetter
Lag auf dem lieblichen Gesicht
Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter,
Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht.
Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
Aus deinen Blicken sprach dein Herz.
In deinen Küssen welche Liebe,
O welche Wonne, welcher Schmerz!
Du gingst, ich stund und sah zur Erden
Und sah dir nach mit nassem Blick.
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden,
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
WILLKOMMEN UND ABSCHIEDSpätere Fassung
Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war getan fast eh gedacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht;
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgetürmter Riese, da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Mut:
In meinen Adern welches Feuer!
In meinem Herzen welche Glut!
Dich sah ich, und die milde Freude
Floss von dem süßen Blick auf mich;
Ganz war mein Herz an deiner Seite
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Umgab das liebliche Gesicht,
Und Zärtlichkeit für mich — ihr Götter!
Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht!
Doch ach, schon mit der Morgensonne
Verengt der Abschied mir das Herz:
In deinen Küssen welche Wonne!
In deinem Auge welcher Schmerz!
Ich ging, du standst und sahst zur Erden
Und sahst mir nach mit nassem Blick:
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden!
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
*
Erwache, Friederike,
Vertreib die Nacht,
Die einer deiner Blicke
Zum Tage macht.
Der Vögel sanft Geflüster
Ruft liebevoll,
Dass mein geliebt Geschwister
Erwachen soll.
Ist dir dein Wort nicht heilig
Und meine Ruh’?
Erwache! Unverzeihlich —
Noch schlummerst du!
Horch, Philomelens Kummer
Schweigt heute still,
Weil dich der böse Schlummer
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!