Grace Valley - Im Schutz des Morgens - Robyn Carr - E-Book
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Grace Valley - Im Schutz des Morgens E-Book

Robyn Carr

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Beschreibung

Grace Valley - Ein Ort zum Träumen! Tagsüber schließt niemand die Türen ab, auf den Fensterbänken stehen köstlich duftende Kuchen zum Auskühlen und die Bewohner sind wie eine Familie. Das ist es, was June Hudson so an ihrem Heimatstädtchen Grace Valley mag. Und weshalb sie nach ihrem Studium in der Großstadt zurückgekehrt ist, um die Arztpraxis ihres Vaters zu übernehmen. Sie geht mit Herz und Seele in ihrer Arbeit auf und kümmert sich zu jeder Tages- und Nachtzeit um die Menschen im Ort. Platz für Romantik bleibt da nicht. Bis ein gut aussehender Unbekannter ihren Weg kreuzt und sie sich Hals über Kopf in ihn verliebt. Doch diese Liebe muss ein Geheimnis bleiben, denn Jim Post muss seine Identität verbergen.

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Seitenzahl: 444

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Robyn Carr

Grace Valley – Im Schutz des Morgens

Roman

Aus dem Amerikanischen von

Gisela Schmitt

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2014 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Deutsche Erstveröffentlichung

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Deep In The Valley

Copyright © 2000 by Robyn Carr

erschienen bei: MIRA Books, Toronto

Published by arrangement with

Harlequin Enterprises II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Covergestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Mareike Müller

Titelabbildung: Thinkstock

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

ISBN eBook 978-3-95649-321-8

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Für Kate Bandy, in Dankbarkeit für die vielen wunderbaren Jahre

1. KAPITEL

June blieb am Morgen etwas länger unter der Dusche stehen als sonst, weil sie an das Einstellungsgespräch dachte, das ihr heute noch bevorstand. Sie führte die einzige Arztpraxis in der Kleinstadt Grace Valley in Kalifornien. Diesen Job hatte sie von ihrem Vater gewissermaßen geerbt, Elmer „Doc“ Hudson. Elmer war inzwischen zweiundsiebzig und tat so, als wäre er im Ruhestand. In Wirklichkeit war das nur eine charmante Beschreibung dafür, dass er die Praxis zwar nicht mehr selbst führte, sich dennoch permanent in die Arbeit seiner Tochter einmischte.

Die Notwendigkeit für einen zweiten Arzt wurde jeden Tag deutlicher. June hatte bereits mit mehreren Kollegen gesprochen, doch bisher hatte sich kein geeigneter Partner für die Praxis gefunden. Heute kam also ein weiterer Anwärter vorbei, Dr. John Stone. Er war vierzig Jahre alt und hatte sein Studium an der Stanford University und der Medizinischen Fakultät der University of California absolviert. Seinen Facharzt in Frauenheilkunde und Geburtshilfe hatte er an der Johns Hopkins University in Baltimore gemacht, danach war er acht Jahre an einer renommierten Frauenklinik tätig gewesen und hatte noch ein Studium der Familienmedizin drangehängt. Er war genau der Richtige für Grace Valley. Aber war Grace Valley auch das Richtige für ihn?

June versuchte, ihn sich vorzustellen. Sicher so ein Yuppie aus Sausalito. Bestimmt war er mal im Rahmen einer Weinprobe nach Grace Valley gekommen und glaubte nun, dass man hier als Arzt ein lockeres Leben hätte. Die herrliche Landschaft mit Bergen, Tälern und dem Meer lockte schließlich jedes Jahr mehr Städter an, die sich dauerhaft niederließen. Vielleicht hatte er aber auch schon mal einen Urlaub in der Region verbracht, spekulierte June, in einer kleinen Frühstückspension an der Küste. Nein. Eher besaß ein wohlhabender Freund von ihm aus San Francisco in der Nähe ein luxuriöses Feriendomizil – jemand, der es sich leisten konnte, nicht mehr zu arbeiten. Die Golfplätze oder Segelreviere konnten John Stone jedenfalls nicht angelockt haben – so etwas gab es hier nämlich nicht. Hier war eher Wandern angesagt oder Camping, und auch das nur für echte Abenteurer. Was also wollte er hier? Wahrscheinlich würde er ihr von seiner Sehnsucht nach Ruhe und Frieden erzählen, nach Sicherheit und schöner Umgebung, denn all das gab es in Grace Valley im Überfluss. Apfelkraut. Traditionell gefertigte Quilts, echte Familienerbstücke. Unverschlossene Haustüren, schmucke Häuschen mit umlaufender Veranda und Kuchen, die auf der Fensterbank abkühlten. Idyllisches Landleben. Anstand. Einfachheit.

Wahrscheinlich sollen seine Kinder nicht in der schmutzigen Großstadt aufwachsen, sondern weit weg von Drogen und Verbrechen. Dass das Militär regelmäßig mit Hubschraubern das kalifornische Küstengebirge und die Trinity Alps nach Marihuana-Plantagen absuchte, würde ihm mit Sicherheit nicht gefallen. Durch die häufigen Luftrazzien in den Wäldern stellten Wanderungen inzwischen ein gefährliches Abenteuer dar, da man nie wusste, wer gerade Drogen anbaute und welche Wege und Orte von den illegalen Betreibern kontrolliert und gegen unerwünschte Eindringlinge vehement verteidigt wurden. Cannabis war das meistangebaute zum Verkauf bestimmte Agrarprodukt Kaliforniens. So weit die traurigen Tatsachen – und das alles fand nur einen Steinwurf entfernt von Grace Valley statt.

Was Ruhe und Frieden betraf – davon wünschte June sich selbst auch ein bisschen. Genau deshalb sah sie sich ja nach einem Praxiskollegen um.

Sie drehte das Wasser ab und trocknete sich die Haare.

June hatte sich bewusst dafür entschieden, in der Kleinstadt zu praktizieren, in der sie aufgewachsen war. Sie kannte die Herausforderungen, und ihr war klar, dass es hier spannender zugehen konnte als in jeder Unfallambulanz einer Großstadtklinik. Aber ihr waren auch die Unannehmlichkeiten nicht fremd – sie erlebte sie täglich. Dazu gehörte die mitunter unpassende Intimität zwischen Arzt und Patient. Denn sie war mit vielen ihrer Patienten auch befreundet – das passierte einem Mediziner in der Großstadt eher selten. Bisher waren alle Anwärter, mit denen sie gesprochen hatte, darauf aus gewesen, weniger arbeiten zu müssen, keine Überstunden mehr zu schieben und die generelle Überbeanspruchung, die sie aus ihren Großstadtpraxen kannten, hinter sich zu lassen. Nach dem Gespräch wurde den Medizinern dann meistens klar, dass Grace Valley wohl doch nicht das Richtige für sie war. Sie würden hier nur eine bestimmte Art von Stress gegen eine andere eintauschen, die Tätigkeit blieb genauso anspruchsvoll. Es bedurfte schon ganz bestimmter Eigenschaften, um sich den medizinischen Bedürfnissen einer ganzen Stadt stellen zu können.

Das Telefon klingelte. Sie sah auf die Uhr. Es war sechs Uhr fünfzehn.

Das war auch so eine Sache. So etwas wie den Begriff „Bereitschaft“ gab es hier nicht. Man war einfach immer erreichbar. Punkt.

Sie streckte die Hand nach dem Hörer aus, doch im selben Moment gab das schnurlose Telefon den Geist auf. Kein Saft mehr. Mal wieder hatte sie vergessen, es auf die Station zu legen. Rasch wickelte sie sich das Handtuch um und rannte mit tropfenden Haaren runter zum Telefon in der Küche.

Und bekam erst mal einen Schock. Da waren Fremde in ihrem Wohnzimmer! Instinktiv duckte sie sich hinter die Küchentheke und spähte über die Kante ins Wohnzimmer, während das Telefon immer weiter klingelte. Spielten ihre Augen ihr einen Streich, oder war das wirklich wahr? Da saßen vier Personen – ein Mann, eine Frau und zwei Teenager, Junge und Mädchen. Eine schreckliche Narbe zog sich über die gesamte linke Gesichtshälfte der Frau. Es dauerte einen Moment, bis June erkannte, dass die Narbe nicht von einer frischen Wunde stammte – ihretwegen war die Familie also nicht hier. Die vier hockten auf ihrem Sofa, schauten sie freundlich an und schienen keineswegs irritiert über Junes Anblick.

Das Telefon hörte nicht auf zu klingeln.

„Sind Sie der Arzt?“, fragte schließlich der Mann.

„Ähm, ja. Das bin ich wohl.“

Die altmodische Kleidung und das fragwürdige Benehmen ließen darauf schließen, dass diese Leute im wahrsten Sinn des Wortes Hinterwäldler waren, irgendwelche Farmer wahrscheinlich. Grace Valley lag an der Kreuzung von drei Countys, und man konnte unmöglich darauf schließen, woher die Familie kam. Jedenfalls kannte June sie nicht. Vielleicht waren sie zum allerersten Mal in ihrem Leben bei einem Arzt.

„Wir haben ein Problem mit unserem Jungen.“

June wickelte das Handtuch fester um sich und streckte die Hand nach dem Telefonhörer aus. „Entschuldigung“, sagte sie zu den Leuten. „Ich kümmere mich sofort um Sie.“ Rasch duckte sie sich wieder hinter den Tresen. „Hallo?“, fragte sie ins Telefon.

„Hallo“, antwortete ihr Vater. „Ich dachte, ich sage dir lieber mal Bescheid, dass gerade eine Familie aus Shell Mountain sich bei George Fuller nach dem Weg zu deinem Haus erkundigt hat.“

„Und was zum Teufel hat sich George dabei gedacht, es ihnen einfach zu sagen?“, fauchte June leise.

„Na ja. George denkt nie viel, wenn es sich vermeiden lässt.“

„Sie sind nämlich schon da! Sind einfach ins Haus getrampelt und haben es sich auf meiner Couch bequem gemacht, während ich noch oben unter der Dusche stand.“

„Herrjemine! Soll ich vielleicht ...“

„Ich bin so gut wie nackt! Ich musste runter in die Küche ans Telefon und trage nur ein Handtuch!“

Elmer lachte leicht pfeifend – jahrelanges Pfeiferauchen forderte seinen Tribut. „Ich wette, damit haben sie nicht gerechnet.“

„Ich bringe George um!“

Elmer konnte vor Lachen kaum noch sprechen. „Ich schätze ... du hast dich noch nie ... so geärgert ... wie jetzt ... weil du mal wieder den schnurlosen Apparat nicht aufgeladen hast!“

War ihr Vater etwa Hellseher? Wie dem auch sei, sie fand seine neue Gabe in diesem Augenblick alles andere als amüsant. „Dad, falls du George vor mir zu Gesicht kriegen solltest, richte ihm aus, dass ich ihn lange leiden sehen will, bevor er stirbt!“

„Schaff dir einen Hund an, June. Wie oft habe ich dir das schon gesagt? Soll ich rüberkommen?“

„Nicht nötig. Ich schaffe das schon.“

„Na gut. Ist heute Hackbraten-Abend?“

„Falls ich den Tag überlebe.“ June legte auf, ohne sich zu verabschieden. Elmer würde sich länger, als ihr lieb war, an diesem Moment ergötzen.

June überprüfte, ob ihr Handtuch fest saß, dann erhob sie sich und musterte die Familie. Der Vater trug eine Anzugjacke, die mindestens dreißig Jahre alt war, die Mutter hatte einen Hut auf dem Kopf. Sie hatten offensichtlich ihre Sonntagskleidung an wegen des Arztbesuches. Eine allzu anstrengende Reise schienen sie nicht hinter sich zu haben. Auf den ersten Blick hätte sie nicht den Jungen, sondern die Frau für krank gehalten. Ihre Narbe verlief von der Stirn bis hinunter zum Kinn, über ein versehrtes Auge, dessen Lid schlaff herunterhing. Die Frau sah aus, als hätte man ihr eins mit der Axt übergezogen. Und allein ihr Anblick verursachte June Kopfschmerzen, obwohl die Verletzung schon etliche Jahre alt sein musste. Vielleicht sogar ein Unfall aus der Kindheit.

Der Junge musste in äußerst schlechter Verfassung sein, wenn sie eigens seinetwegen in die Stadt gekommen waren. June fiel auf, dass er nur an einem Fuß einen Stiefel trug, am anderen bloß einen sauberen Strumpf. Kein gutes Zeichen.

„Ich werde mich rasch anziehen, dann schaue ich mir Ihren Sohn an. Bitte bleiben Sie, wo Sie sind.“

So viel zum Thema Ruhe und Frieden des Landlebens.

Elmer hatte seine Patienten immer zu Hause empfangen. Seine Praxis befand sich nicht in einem Anbau oder einem extra Gebäude, sondern bestand aus zwei Räumen im Erdgeschoss ihres Wohnhauses, das vom ersten Dorfarzt eigens so gebaut worden war.

Wenn ein Patient auftauchte, der nur einen Schuh trug, musste sein anderer Fuß so stark geschwollen sein, dass er in keinen Schuh passte. Auf solche Hinweise zu achten, hatte June bereits als Kind gelernt.

Die Familie stellte sich vor, allerdings war Reden nicht ihr Ding. Nur mühsam erfuhr June, dass dem Jungen eine Eselstute auf den Fuß getreten war. Die Wunde schwärte, das Fleisch begann bereits zu faulen. June sah auf den ersten Blick, dass mehrere Mittelfußknochen gebrochen sein mussten. Normalerweise wussten die Leute vom Land, wie man Knochenbrüche verarztete. Vielleicht hatte der Junge aber ein Stoffwechselproblem, das die Heilung erschwerte. Sie würde auf jeden Fall einen Blutzuckertest machen, um festzustellen, ob er an Diabetes litt.

„Sie hätten mich früher aufsuchen müssen“, tadelte June die Eltern. Sie hatten sich als Clarence und Jurea Mull vorgestellt, die Kinder hießen Clinton und Wanda und waren sechzehn beziehungsweise dreizehn Jahre alt. Clinton war ein kräftiger, gut aussehender Junge. In Wanda erkannte June die Schönheit der Mutter wieder, die nun so tragisch entstellt war. Clarence und Wanda waren keine jungen Eltern, June schätzte sie beide auf Mitte fünfzig. „Der Fuß ist gebrochen, Muskeln und Gewebe haben Schaden erlitten, weil der Fuß nicht geschont wurde. Dazu kommt die Nekrose rund um die Wunde. Tut das nicht weh?“

Der Junge zuckte mit den Schultern. „Ja, schon. Aber Ma ...“

„Es ist meine Schuld“, unterbrach Jurea ihn. „Ich habe die Wunde versorgt und ihm einen Verband gemacht.“

„Und vermutlich haben Sie ihm auch eine Kräutermedizin gegen die Schmerzen verabreicht – seine Pupillen sind erweitert. Damit sollten Sie vorsichtig sein.“

„Doch es wirkt gut gegen Schmerzen, oder nicht?“

„Zu gut. Nur deshalb konnte Ihr Sohn mit dem gebrochenen Fuß herumlaufen, und die Verletzung hat sich weiter verschlimmert. Wie sind Sie denn hergekommen? Mit dem Auto?“

„In unserem alten Pick-up“, erklärte Clarence.

„Schaffen Sie es noch bis Ukiah oder Eureka?“

Er zuckte die Achseln. „Wir kommen nur langsam voran, aber wir kommen voran.“

June zog dem Jungen vorsichtig wieder den Strumpf über den schwarz verfärbten, stark geschwollenen Fuß. „Wie langsam?“, erkundigte sie sich.

„Schneller als 50 Kilometer in der Stunde schafft die Kiste nicht mehr.“

„Dann habe ich eine bessere Idee“, schlug June vor. „Einer der Deputys wird Sie nach Rockport fahren, ins Valley Hospital. Sie müssen den Jungen zu einem Spezialisten bringen.“

„Ich bringe ihn hin, wo er hinmuss.“ Clarence nickte zur Bestätigung.

„Und zwar so schnell wie möglich“, erwiderte June, während sie zum Telefon ging. „Aber das ist Ihnen vermutlich klar, sonst hätten sie ihn nicht um sechs Uhr morgens zu mir gebracht.“

„Glauben Sie, dass der Fuß abstirbt?“, fragte der Vater.

June schaute ihn an. Ein Hinterwäldler, der abgestorbenes Gewebe als unheilbar gangränös erkannte? Vielleicht interpretierte sie in seine Frage ja nur etwas hinein, doch ...

„Wenn Sie den Jungen nicht ins Krankenhaus bringen, könnte er in der Tat den Fuß verlieren. Oder noch schlimmer. Das wollen Sie sicher nicht riskieren.“

„Spezialisten sind teuer, oder nicht?“

„Machen Sie sich keine Sorgen wegen der Kosten, Mr Mull. Über solche Dinge lässt sich reden. Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, wie Sie Unterstützung erhalten können, wenn Sie knapp bei Kasse sind.“ Sie wählte eine Nummer.

„Ich habe noch nie Schulden gemacht.“

„Da bin ich mir sicher.“ Dann sprach sie in den Telefonhörer. „Ricky? June hier. Kannst du mir einen Gefallen tun? Ein junger Patient von mir braucht dringend einen Transport ins Valley Hospital, er muss zu einem Spezialisten. Ich schreibe ihm auf, an wen er sich zu wenden hat, dann schicke ich ihn dir gleich zum Polizeirevier. Vielen Dank für deine Hilfe.“

June schrieb den Namen des Krankenhauses und des Arztes auf, dann nahm sie eine Packung Antibiotikum aus ihrem Arztkoffer. Sie füllte ein Glas mit Wasser und reichte es zusammen mit den Tabletten dem Jungen. Den Zettel drückte sie Clarence in die Hand. Als er die Hand danach ausstreckte, rutschte sein Hemdsärmel nach oben und June entdeckte eine Tätowierung auf seinem Handgelenk.

„Mr Mull, es wäre eine Tragödie, wenn Clinton seinen Fuß verliert. Eine noch größere Tragödie allerdings wäre es, seine Verletzung zu ignorieren, denn dann stirbt er womöglich an einer Sepsis. Blutvergiftung. Das kennen Sie vermutlich noch aus Vietnam. Also bringen Sie Ihren Sohn bitte zu einem Spezialisten ins Krankenhaus. Das hier ist ein Antibiotikum“, fügte sie an Clinton gewandt hinzu. „Nimm vier Stück jetzt sofort und dann alle vier Stunden eine, bis die Packung leer ist. Und zeig das Medikament auf jeden Fall dem Arzt im Krankenhaus. Sag ihm, wie viele Tabletten du genommen hast. Es könnte sein, dass er dir andere Tabletten gibt, okay? Wissen Sie, wo die Polizeistation von Grace Valley ist? Oder soll ich mit Ihnen in die Stadt fahren?“

„Nein, nicht nötig. Das schaffen wir schon“, meinte Clarence. „Es ist ja nicht weit.“ Damit erhob er sich und trug seinen Sohn, der gut und gerne einsachtzig groß war, auf seinen Armen aus dem Haus. Clarence Mull war ein sehr stattlicher Mann.

Ihr Pick-up, geschätztes Baujahr 1940, ächzte bedenklich, als die Familie einstieg. Nachdem der Wagen mehr kriechend als fahrend verschwunden war, schloss June die Haustür ab und lief zurück ins Schlafzimmer, um sich endlich anzuziehen. Die Mulls waren keine unbedarften Landeier, die es nicht besser wussten, als unangekündigt beim Arzt hereinzuplatzen. Oh nein. Clarence wollte seinen Sohn nur nicht an einen öffentlichen Ort wie ein Krankenhaus bringen. Vielleicht war er ein Marihuana-Bauer. Oder ein Kriegsveteran, der unter Verfolgungswahn litt. In den Bergen wimmelte es von eigentümlichen Gestalten.

Rasch schlüpfte sie in eine Gabardinehose mit schicker Bügelfalte und wählte dazu eine Seidenbluse und eine bestickte Weste. Immerhin hatte sie heute noch ein Einstellungsgespräch vor sich.

Sie schaute in den Spiegel, und ihr entfuhr ein „Ach du Scheiße“. Ihre Haare waren ungekämmt getrocknet, während sie Clinton Mull untersucht hatte, und jetzt standen sie in alle Richtungen ab. Seufzend steckte sie das Durcheinander zu einem Knoten hoch. Das Thema Haare war noch nie ihres gewesen.

2. KAPITEL

Tom Toopeek stand mit nackter Brust vor dem Badezimmerspiegel und band sein langes, seidiges schwarzes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. In diesem Moment öffnete seine Frau Ursula, mit der er seit achtzehn Jahren verheiratet war, die Tür und reichte ihm ein frisch gebügeltes Hemd hinein.

„Tom, gerade hat jemand von den Cravens angerufen. Einer der jüngeren Söhne, welcher, weiß ich nicht. Er sagte nur, dass sein Daddy echt sauer sei. Mehr musste er auch nicht sagen, denn es war schon zu hören. Gus schlägt wieder mal das Haus kurz und klein. Und seine Familie kriegt vermutlich auch was ab.“

Tom war bereits in sein Hemd geschlüpft, jetzt nahm er seine Waffe samt Holster aus dem Schrank im Schlafzimmer.

„Fährst du direkt raus zu ihnen?“, erkundigte sich seine Frau.

„Logisch.“ Ohne ein weiteres Wort befestigte er das Holster an seinem Gürtel.

Im Morgengrauen raus zu den Cravens. An einem dieser Tage würde es mal zu spät sein.

Ursula hielt ihm einen dampfenden Kaffeebecher hin. Er küsste sie, nahm den Becher und ging durch den langen Flur, vorbei an den Schlafzimmern seiner Kinder. Seine fünfzehnjährige Tochter Tanya öffnete unvermittelt die Zimmertür und stellte sich ihm in den Weg. „Daddy, kannst du ihn nicht endlich einsperren?“

„Ich sperre ihn jedes Mal ein, Tan. Und jetzt lass mich durch, ich muss mich beeilen.“

„Er wird noch jemanden umbringen. Er muss ins Gefängnis!“

„Ich rufe Ricky an, dass du Verstärkung brauchst!“ Ursula beobachtete besorgt ihren Mann.

„Nein“, erwiderte Tom. „Ruf lieber Lee zu Hause an und sag ihm, wir treffen uns vor Ort. Er wohnt in der Nähe.“

„Sei vorsichtig, Tom. Bitte sei vorsichtig. Gus wird dich sofort erschießen, wenn er ...“

„Ich sorge schon dafür, dass er mich nicht erschießt. Ruf jetzt Lee an.“

Gus Craven war der mieseste Dreckskerl im ganzen Valley. Er hatte fünf Söhne, alle etwa im selben Alter wie die fünf Toopeek-Kinder. Ihre ältesten waren jeweils fünfzehn. Aber natürlich hatten sie nichts miteinander zu tun. Tom hielt seine Familie von den Cravens fern, die eine Farm im oberen Mendocino County besaßen, nahe der Grenze zum Humboldt County. Es war ein bescheidener Hof mit wenigen Tieren und kaum ertragreicher Ernte. Trotzdem hätte es besser laufen können, aber Gus war ein Säufer und ließ sich regelmäßig volllaufen. Dann schlug er seine Familie zusammen, randalierte im Haus und musste zur Ausnüchterung weggebracht werden. Es gab aber auch Tage, an denen er seine Frau und die Kinder verprügelte, ohne dass er einen Tropfen angerührt hatte. Ein widerliches Ekel war er.

Toms Pflicht als Polizeichef bestand darin, Gus immer einen Schritt voraus zu sein, damit die Prophezeiung seiner Tochter nicht wahr wurde. Die Polizeistation von Grace Valley war mit drei Mann besetzt. Ricky Rios und Lee Stafford, seine beiden Deputys, waren beide dreißig Jahre alt, junge Ehemänner und Väter. Zu dritt waren sie rund um die Uhr im Dienst. Jeder Bewohner im Valley konnte Tom oder seine Kollegen auch zu Hause anrufen, wenn die Polizeistation geschlossen war. Wie an diesem Morgen.

Tom fuhr mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit über die County Road 92, aber die Polizeisirene ließ er ausgeschaltet, um Gus nicht zu warnen. Tom wollte ihn wegschaffen, bevor Gus spitzkriegte, dass einer der Jungs ihn alarmiert hatte. Der Mann hatte schon zahlreiche Tage und Wochenenden wegen seiner Ausfälle in Gewahrsam verbracht, und das reichte üblicherweise aus, damit er wieder zur Vernunft kam. Doch leid tat es Gus nie, was er anrichtete. Diesmal würde Tom ihn ein bisschen länger aus dem Verkehr ziehen. Er hatte ihn gewarnt. Es war gar nicht nötig, dass seine Frau Leah ihn anzeigte. Tom selbst würde ihn wegen Gewaltanwendung und Körperverletzung anzeigen. Das wäre dann seine fünfte Anzeige diesbezüglich, und diesmal würde er in den Knast gehen. Richter Forrest war es ebenfalls leid, den Mann immer wieder auf der Anklagebank sitzen zu haben. Und Tom hatte die Nase voll davon, dass Gus keinerlei Konsequenzen aus seinem Verhalten zog.

Jeder in der Stadt hasste Gus. Ohne Ausnahme. Wieso war dieser Mann bloß so widerwärtig? Er stammte nicht aus dem Valley, niemand kannte seine Familie. Wenn die Cravens in die Stadt kamen, einkaufen oder in die Kirche gingen, machten die meisten Leute einen Riesenbogen um Gus. Sie begrüßten zwar Leah und die Jungs, aber mit Gus wechselte freiwillig niemand ein Wort. Das Schlimmste an der ganzen Situation war die Tatsache, dass dieser Kerl ein Stück Land im Valley erworben und ein Mädchen aus Grace Valley geheiratet hatte. Leah war eine von ihnen, und trotzdem schien niemand etwas für sie tun zu können.

Leah war erst dreiunddreißig. Tom kannte sie noch aus der Schule. Sie war mit einer seiner Schwestern befreundet gewesen. Ein schüchternes, aber hübsches Mädchen – und clever. Wieso sie sich für Gus Craven entschieden hatte, blieb allen ein Rätsel. Er war sieben Jahre älter als sie und noch nie auch nur annähernd freundlich gewesen. Jedenfalls nicht, soweit sich Tom erinnern konnte.

Das Farmhaus der Cravens hatte sechzig Jahre auf dem Buckel und war mittlerweile ziemlich renovierungsbedürftig. Die Veranda war abgesackt, überall blätterte die Farbe ab, die Fliegenfenster waren zerrissen. Innen sah es noch schlimmer aus.

Die Sonne stieg gerade über den Bergen auf und warf lange Schatten. Tom parkte den Range Rover an einer schwer einsehbaren Stelle und registrierte sofort, dass im hell erleuchteten Haus Aufruhr herrschte. Im selben Moment traf sein Deputy Lee Stafford ein.

Schon als Tom die Wagentür öffnete, hörte er den Lärm. Geschrei, Gebrüll, Türenschlagen, das Zerbrechen von Gegenständen, hektisches Gerenne. Gus tobte und fluchte, während Leah ihn anflehte, endlich aufzuhören. Tom zog seine Waffe und checkte, ob sie geladen war.

„Gehen wir ihn holen.“ Er nickte Lee zu.

Im Gleichschritt rannten die beiden Männer die Verandatreppe hoch. Lee stellte sich mit dem Rücken an die Wand neben die Eingangstür, die Tom jetzt mit einem Fußtritt öffnete. Tom übernahm die heiklen Aufgaben immer selbst. Er wollte nicht, dass sich die Deputys an seiner Stelle in Gefahr begaben – obwohl sie beide sieben Jahre jünger waren als er.

Gus wandte seine wässrigen Augen der Tür zu. Seinen dreizehnjährigen Sohn hatte er mit der einen Hand an den Haaren gepackt, mit der anderen Hand wollte er ihm gerade einen Schlag versetzen. Leah klammerte sich verzweifelt an seinem Arm fest, ohne echte Hoffnung, den Schlag verhindern zu können. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Tom, wie schön es wäre, wenn Gus bewaffnet wäre. Dann könnte er ihn einfach erschießen, und die Sache wäre ein für alle Mal erledigt. Und er müsste nicht einmal ein schlechtes Gewissen haben. Doch der Gedanke verflog so schnell, wie er gekommen war. Tom war eben vor allem eins: der Gesetzeshüter.

„Lass den Jungen los, Gus“, forderte er den Mann auf.

„Das hier geht dich nichts an!“

Tom eilte durch den Raum und trat dabei auf zerbrochenes Glas; es stank nach Alkohol und Schweiß und Fett. Der metallische Geruch von Blut lag in der Luft. Er zählte nach. Eins, zwei, drei, vier. „Leah, wo ist Stan?“ Stan war der Jüngste, erst sechs Jahre alt.

Sie ließ Gus los. Ihr Gesicht war voller blauer Flecken und völlig verheult. Sie trug ein altes, abgewetztes Nachthemd. „Oben. Ich schätze, er versteckt sich.“

„Welches von euch stinkenden Mistviechern hat den Indianer-Bullen gerufen?“, donnerte Gus und schüttelte den Jungen heftig, den er immer noch festhielt.

„Gus“, warnte Tom ihn. „Lass den Jungen los und geh weg von ihm. Sofort.“

„Ich brauche nur einen Grund, um dich zu verklagen, Toopeek!“, schrie Gus.

Tom stieß ein müdes Lachen aus. Verklagen? Er warf Lee seine Waffe zu und schlenderte beinahe gemächlich auf Gus zu, während er die Handschellen aus dem Gürtel zog. Gus machte große Augen, als Tom ihm mit einer blitzschnellen Bewegung eine Handschelle ums Handgelenk legte. Dann zerrte er ihm unsanft den Arm auf den Rücken und brachte ihn zu Fall, sodass Gus mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden zu liegen kam. Gus schrie vor Wut, doch sein Geschrei wurde von dem abgewetzten Teppich gedämpft. Der Sohn, den er an den Haaren festgehalten hatte, sprang davon. Leah hielt sich eine zitternde Hand vor den Mund, in ihren Augen stand die pure Angst.

Tom schnappte sich Gus’ anderes Handgelenk, was etwas schwieriger war, weil er sich wehrte. Als es gelungen war, stellte Tom ihm einen Fuß auf den Rücken. „Ich habe dich gewarnt, Gus, und Richter Forrest hat es dir auch versprochen – diesmal wanderst du in den Knast!“

„Ich wandere nirgendwo hin! Sie wird mich nicht anzeigen! Keiner von ihnen!“

Tom war sich nicht sicher, ob Gus wirklich so dumm war, wie er sich manchmal anhörte. Im Grunde hatte er immer nur viel zu sagen, wenn er betrunken war. Nüchtern war er mürrisch und still und schien seine verängstigte Familie mit Blicken zu steuern. Seine Augen waren dann zu Schlitzen verengt. Tom warf dem fünfzehnjährigen Frank einen Blick zu. Er sah die Augen des Vaters, sah auch Gus’ Hass darin. Frank war ein großer, schlaksiger Junge, schon fast ein ebenbürtiger Gegner für seinen Vater. Tom wurde in diesem Moment klar, dass der Albtraum nicht mehr lange dauern würde. Etwas würde passieren. Entweder würde Gus seine komplette Familie auslöschen, oder Frank würde Gus umbringen. So konnte es jedenfalls nicht weitergehen.

Tom riss Gus auf die Füße. „Wir hatten das alles oft genug. Niemand von ihnen muss dich anzeigen. Das werde ich erledigen.“ Er schob Gus zur Tür. „Ich setze ihn in den Wagen, dann komme ich zurück und sehe nach, ob jemand ernstlich verletzt ist. Okay?“

Leah schüttelte den Kopf. „Schon okay. Ich kümmere mich um die Jungs.“

„Wehe, du sagst nur ein Wort gegen mich, Frau! Wenn du das tust ...“ Tom schlug Gus mit der flachen Hand gegen den Kopf, damit er den Mund hielt. „Ha! Die Polizei misshandelt mich! Misshandlung durch die Polizei!“

Lee steckte seine Waffe ein und lachte laut. „Oh Mann, Sie haben Nerven, Gus.“

„Willst du dich etwa mit mir anlegen? Los, nimm mir die Handschellen ab, dann gehen wir raus auf den Hof!“

„Schön wär’s.“ Lee blickte ihn bedauernd an.

Zusammen mit Tom packte er Gus, der fluchte und um sich trat, während sie ihn zum Wagen brachten.

Kurz darauf betrat Tom wieder das Haus. Leah hatte den kleinen Stan auf dem Schoß und wischte sein tränenverschmiertes Gesicht mit einem Waschlappen ab. Frank stand starr daneben, den Rücken an die Wand gelehnt, die Arme vor der Brust verschränkt. Auf seinem Wangenknochen prangte ein frischer blauer Fleck. Das ist Gus’ Vermächtnis, dachte Tom traurig. Auch diese Jungs werden später ihre Frauen und Kinder schlagen. Vermutlich sogar am ehesten derjenige von ihnen, der gerade am meisten erbost war über das gewalttätige Verhalten seines Vaters.

„Leah, ich bringe dich und die Jungs in die Arztpraxis. June soll sich das ansehen.“

„Ich bin okay, Tom“, wehrte sie ab. „Ich sehe mir die Jungs gleich an, und wenn einer von ihnen zum Arzt muss, bringe ich ihn hin. Wie lange wird er weg sein, Tom?“

„Ein paar Monate ganz sicher, vielleicht auch ein Jahr. Richter Forrest hat die Nase voll von seinen endlosen Entschuldigungen. Und du, Leah, musst endlich eine Entscheidung treffen. Viel Zeit bleibt dir nicht mehr.“ Er sah Frank an, Leah folgte seinem Blick. „Ich weiß, dass du das weißt.“

Sie lächelte hilflos. „Und wo soll ich mich mit meinen fünf Jungs verstecken?“

„Du musst nur Vertrauen haben, das ist alles. Ruf die Sozialarbeiterin an, sie hat bestimmt ein paar Ideen. Es gibt nicht nur die Frauenhäuser in der Stadt, sondern auch andere gute Hilfsprogramme. Es gibt Menschen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, Familien wie euch zu helfen.“

Leahs Lachen klang entmutigt und hohl. „Ja, an mir haben sie auch eine Lebensaufgabe. Fünf Söhne, kein Geld, keine Fähigkeiten, und ein Ehemann, der geschworen hat, mich zu töten, sollte ich ihn jemals verlassen.“

Tom fischte sein Portemonnaie aus der Hosentasche und zog die Visitenkarte von Corsica Rios vom Sozialdienst des Countys heraus. Corsica lebte in Pleasure, hatte aber einen engen Bezug zu Grace Valley – auch weil ihr einziger Sohn, Ricky Rios, hier Deputy war. Sie hatte Erfahrung mit Fällen von häuslicher Gewalt – persönlich wie beruflich – und hatte Ricky selbst als alleinerziehende Mutter großgezogen. „Ruf diese Frau an. Sie wird dir sagen, wo es Hilfe gibt. Du darfst nur nicht aufgeben, klar?“

Leah sah die Karte einen Moment lang an.

„Du musst mich für schrecklich halten“, sagte sie schließlich. „Weil ich es zulasse, dass er meiner Familie das antut.“

Tom legte seine große, starke Hand auf ihre schmale, blasse. „Nein, Leah. Niemand denkt, du lässt es einfach so zu.“

3. KAPITEL

Bevor June morgens in die Praxis fuhr, legte sie gewöhnlich einen Zwischenstopp in Fuller’s Café ein – natürlich nur, wenn es keine Notfälle gab. Dort holte sie sich einen Kaffee zum Mitnehmen und einen Bagel, ein Donut oder etwas anderes zu essen, schwatzte ein bisschen mit den Stammkunden und startete danach beschwingt in den Tag. Heute allerdings würde sie ihre freundliche Routine unterbrechen – denn sie musste George Fuller den Kopf waschen.

„Guten Morgen, June“, begrüßte er sie lauthals und schenkte ihr einen Kaffee ein.

„George, sag mal – hast du eigentlich den Verstand verloren?“

„Was ist los?“

„Was hast du dir dabei gedacht, diese Leute um sechs Uhr morgens zu mir nach Hause zu schicken?“

Er sah sie völlig perplex an. June war mit ihm zur Schule gegangen und kannte diesen Blick genau. George war nicht blöd, er stellte sich in manchen Dingen nur fürchterlich dumm an. „Ich habe sie nicht zu dir geschickt, June. Sie wollten nur deine Adresse wissen.“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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