Grindhouse-Kino - Harald Mühlbeyer - E-Book

Grindhouse-Kino E-Book

Harald Mühlbeyer

0,0

Beschreibung

Sex und Crime, harte Kerle und willige Frauen, knallende Schießeisen und schnelle Autos, schlitzende Messer und harte Prügel, Kungfu und Monster: Exploitation-Kino zielt auf die niedereren Instinkte. Standesgemäß wurden derartige Filme zwischen Kommerz und Trash in den Schmuddelkinos der 1960er bis 1980er gezeigt, in den sogenannten Grindhouses der USA oder im Bahnhofskino in der BRD. Seit 2007 lässt das Mannheimer Cinema Quadrat in der Filmreihe Grindhouse Double Feature allmonatlich diese besondere Form des Kinos und des Filmgenusses aufleben – Kostbarkeiten, die mit Lächerlichkeit punkten oder die fies ins Gehirn kriechen, auf jeden Fall Filme, die man sonst nicht zu sehen bekommt: Horror, Action und Krieg, Blaxploitation, Western, Science Fiction, Bumsfilme und vieles mehr. Harald Mühlbeyer war von Anfang an dabei: In Grindhouse-Kino bündelt er assoziativ-verspielte Essays, in denen er seine Film­erfahrungen verarbeitet – und die nichts ernst nehmen außer dem, was die Bilder der Grindhouse-Filme auslösen. Nämlich meistens Lachen, manchmal Erschrecken, und immer wieder ganz neue Einsichten: Grindhouse-Filme als Zeitgeisterbahnfahrten. "Eine Rothaarige muss 30 Tage hungern, mit schwerer Kette um den Hals an die Wand geleint, der Nudeltopf gerade außerhalb der Reichweite – eine Qual, wie sie die griechischen Götter nicht perfider sich hätten einfallen lassen. Und sie ist nackt dabei! Kein Wunder, dass sie verrückt wird und fortan nur noch kindisches Zeug brabbelt. Obwohl: Das hat sie ja vorher auch schon getan, zwischen dem Schreien, Schimpfen, Flehen: ›Ihr könnt mich töten, aber lasst mich nicht verhungern! Dazu bin ich zu schwach!‹ Ist das reiner Schwachsinn? Oder ein ganz neues Maß an Realismus?" (zu FRAUENGEFÄNGNIS, Schweiz 1976, Regie: Jess Franco)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 326

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Harald Mühlbeyer

Grindhouse-Kino

Schund – Trash – Exploitation deluxe!

Für Sandra.Und für Nina, Moritz und Philip (allesamt minderjährig!).Und für alle, die über die Jahre die Grindhouse-Filmreihe besucht haben.

Hinweis:

Für eine bessere Lesbarkeit wird in diesem Buch – sofern nicht anders angegeben -- die grammatikalisch männliche Form für alle Geschlechter verwendet.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2021 Mühlbeyer FilmbuchverlagInh. Harald MühlbeyerFrankenstraße 21a67227 Frankenthalwww.muehlbeyer-verlag.de

Umschlagbild:BLOOD RAGE © Prism Entertainment Corporation

Umschlaggestaltung: Steven Löttgers, Löttgers-Design Birkenheide / Harald Mühlbeyer

ISBN:

978-3-945378-65-6 (Print)978-3-945378-66-3 (Epub)978-3-945378-67-0 (Mobipocket)978-3-945378-68-7 (PDF)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Inhaltsverzeichnis

Grußwort

Einleitung

Das Haus an der Friedhofsmauer

The Devil’s Sword

Curse of the Dog God

Jessy – Die Treppe in den Tod

Frauengefängnis

Communion – Messe des Grauens

Django – Unbarmherzig wie die Sonne

Savage Street – Straße der Gewalt

Gamera gegen Barugon – Frankensteins Drache aus dem Dschungel

In the Folds of the Flesh

Wenn es Nacht wird in Manhattan

Ein Bulle sieht rot

Das Grauen kommt nachts

Gib Gas… und laßt euch nicht erwischen!

Nackte Fäuste – Die tödliche Karatelady

Dracula jagt Frankenstein

Brennende Rache

Flashman – Der Unsichtbare

Zinksärge für die Goldjungen

Frankensteins Todesrennen

Das Schwert des gelben Tigers

Die Gewalt bin ich

Black Shampoo

Weltkatastrophe 1999? – Die Prophezeiung des Nostradamus

Das zehnte Opfer

The Love Rebellion

Wild Beasts

Das Kommando der Frauen

Ein Mann wird zum Killer

Die Kleine mit dem süßen Po

A Lizard in a Woman’s Skin

Chikago Poker

Intruder

Frauenlager der Ninja

Jeans Blues: No Future

Madman

Dr. M schlägt zu

Hi-Riders – Jungs lasst die Fetzen fliegen

Bruce Lee – Der Unbesiegte

The Texas Chainsaw Massacre 2

Im Fieber der Lust

Five Dolls for an August Moon

Der Krieger und die Hexe

Die Grausamen

Ninja – Die Killer-Maschine

Hydra – Verschollen in Galaxis 4

Das Frauenhaus

Häutet sie lebend – Unternehmen Wildgänse

Kesse Mary – Irrer Larry

Der Tote kehrt zurück

Die Bestien

The Twilight People

Operation Eastern Condors

Frankenstein – Der Schrecken mit dem Affengesicht

Der Mann auf dem Dach

Mad Foxes – Feuer auf Räder

Der Mann mit der Stahlkralle

Die Exekution

Hölle hinter Gittern

Die Säge des Todes

Halloween 3 – Die Nacht der Entscheidung

Sternenkrieg im Weltall

Blutmesse für den Teufel

Die Nacht der reitenden Leichen

Jäger des tödlichen Jade

Mosquito der Schänder

Woodoo – Die Schreckensinsel der Zombies

Sexualrausch

Blood Rage

Panik im Tokio-Express

The Six Thousand Dollar Nigger

Fluchtweg St. Pauli – Großalarm für die Davidswache

Im Augenblick der Angst

Alien – Die Saat des Grauens kehrt zurück

Los campeones justicieros

Willie Dynamite

Wie tollwütige Hunde

Laserkill – Todesstrahlen aus dem All

Maniac Cop

Patrick

Grußwort

»Guten Morgen, Inspector Edwards. Ich bin’s, der Kartoffel!«

Als Grußwort eigentlich ausreichend, bedarf dieses Zitat aus DAS GRAUEN KOMMT NACHTS (siehe S. 52) an dieser Stelle vermutlich doch eines Zusatzes.

Was empfindet ein Mensch beim Betrachten eines Films, in dem ein solcher Ausspruch wirklich nur die Spitze des Eisberges darstellt? Für einige von uns dürfte freudiges Entzücken weit oben auf der Liste an Emotionen sehen. Das ist bei mir nicht anders, aber in erster Linie verspüre ich oft eines: Dankbarkeit. Einer solchen Darbietung, in der sich sowohl darstellerische Leistung, Drehbuch, Regie als auch die deutsche Synchronfassung mehrfach selbst übertreffen, kann man eigentlich nur mit einer Reaktion begegnen: sich aus dem Sitz erheben und applaudieren. Ich bin in solchen Moment zutiefst dankbar dafür, dass Menschen einen solchen Film auf die Zivilisation losgelassen haben und dass ich Zeuge davon werden durfte.

Überhaupt bin ich sehr vielen Menschen dankbar, und nicht nur denjenigen, welche für jene Werke verantwortlich sind. Denn ohne das Cinema Quadrat in Mannheim und einen gewissen Boris, der die Grindhouse Double Feature-Reihe 2007 begründete, hätte ich heute nicht die Möglichkeit, meine Leidenschaft für das filmisch Abseitige mit so vielen Menschen zu teilen. Nachdem ich die Filmreihe einige Jahre zu spät entdeckt hatte, nahm Boris mich sozusagen in die Grindhouse-Familie auf und teilte mit mir sein riesiges, extrem fundiertes filmisches Wissen, an das ich vermutlich nie heranreichen werde. Wir wurden Freunde und haben die Filmreihe zunächst einige Jahre gemeinsam gestaltet, eher er mir seinen Schatz (die Filmreihe; leider nicht ebenso seine Sammlung) vollständig überließ. Ich danke dir, mein Freund. Ich danke dir, Cinema Quadrat.

Durch das vorliegende Buch fühle ich mich gerne an manche Abende erinnert, welche die 42nd Street Manhattan oder das deutsche Bahnhofskino der 60er, 70er und 80er Jahre ins Cinema Quadrat nach Mannheim transportierten. Zum Beispiel jenen Abend in der Adventszeit, als MAD FOXES (siehe S. 169) aufgeführt wurde: Vor mir saß ein Zuschauer, der ob des Gezeigten vor Lachen völlig überfordert und zur Leinwand abwinkend laut rief: »Hör auf, hör auf, ich kann nicht mehr!«. Wie kann ich für solche Reaktionen und solche Momente etwas anders empfinden als große Dankbarkeit? Ich hoffe, der Mann vor mir tat dies ebenfalls.

Dass Harald Mühlbeyer sich nun die Mühe gemacht hat, das Grindhouse Double Feature mit einem eigenen Buch zu würdigen, ist für uns alle ein großes Glück und für mich eine große Ehre! Er bietet den Leserinnen und Lesern nun die Möglichkeit, viele der bisher in Mannheim gezeigten Filme erneut zu erleben, und zeigt mit seiner Auswahl auf wunderbare Weise, dass es tatsächlich nicht immer nur um Lachen über die Vorgänge auf der Leinwand geht. Harald ist Zuschauer und Fan des Grindhouse Doubles Features der ersten Stunde und kennt die Reihe somit länger als ich! Neben einer Handvoll weiterer Zuschauer — ihr wisst, wer ihr seid! — zähle ich Harald zum absolut harten Kern des Publikums beim Grindhouse. Für all das, besonders aber für dieses Buch habe ich vor allem ein Wort übrig: Danke!

Max Dudenhöffer, Kurator der Grindhouse-Reihe

Einleitung

Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Grindhouse-Abend im Cinema Quadrat. Es war der zweite überhaupt, im November 2007; die Programmankündigung hatte mich neugierig gemacht, ohne mich wirklich darauf vorzubereiten, was einen da erwarten würde. »Grindhouse« – das war damals in aller Cineastenmunde, weil Robert Rodriguez’ und Quentin Tarantinos Doppelschlag PLANET TERROR / DEATH PROOF rauskam, und zwar in Deutschland nicht als Double Feature, sondern einzeln, und nun, in Mannheim, im kommunalen Kino, da sollten also wirkliche Doppelvorstellungen laufen von 70er-Jahre-Filmen… Ich habe damals THRILLER – EN GRYM FILM gesehen, und es war ganz klar, warum: Christina Lindberg in einem Rape-and-Revenge-Film, in dem sie einäugig, mit Augenklappe, umherzieht, um blutige Rache zu nehmen, da lässt KILL BILL grüßen; und das Krasse daran: dass in die Filmhandlung von irgendwemsagenwer ’nem Produzenten Hardcore-Sexszenen eingeschnitten wurden, sichtlich mit ganz anderen Darstellern, und damit war von vornherein klar, was dieses ominöse »Grindhouse« sein soll.

»Grindhouses«: Das sind die amerikanischen Schmuddelkinos, berühmterweis’ Reih an Reih in der New Yorker 42nd Street, da, wo anno 76 der Taxi Driver seine Angebetete auf ein verhängnisvolles Date ausführt. In den Grindhouses liefen normalerweise Double Features, und zwar nicht A- und B-Filme wie in den goldenen Hollywood-Jahren, sondern B- und B- oder F- und G- oder gar X-, Y- und Z-Filme: Also die Filme, vor denen die Eltern warnten. Die deutsche Entsprechung wäre ungefähr das Bahnhofskino, wo Exploitationfilme am laufenden Band liefen, bei denen Anfang und Ende nicht wichtig waren, sondern der Moment den Reiz ausmachte.

Das wirkliche, authentische Grindhouse-Feeling: Verdienstvollerweise hält das Mannheimer Cinema Quadrat diese ganz besondere Filmsparte im Lichte des Projektors, diese Filme, denen Tarantino und Rodriguez in ihren Post- und Metafilmen die Referenz erweisen. Allmonatlich läuft hier im Doppelprogramm – und mitunter als Triple, und auch schon mal sechs oder sieben Filme an ganz besonderen Special-Tagen – Obskures und Abseitiges, simpel gemachtes Genrekino, Horror, Thriller, Action, Abenteuer, Western, Science Fiction, Blaxploitation, Sexploitation… Alles Filme, die man sonst kaum in Deutschland zu sehen bekommt, liebevollst kuratiert von zunächst Boris, der dann den Stab weitergab an Max. Die Grindhouse-Reihe, bei der sich zwischen all dem Schäbigen, zwischen ihren Schmuddel- und Trashfilmen immer wieder Perlen finden, hat sich recht schnell eine ganz beachtliche Fanbasis erarbeitet; sie ist zum Treffpunkt geworden. Das Dolle ist nämlich, dass hier wirklich mit beiden Händen reingefasst wird in den Schmodder der Filmgeschichte, dass hier die Filme gezeigt werden, die tatsächlich Tarantino und Co. geprägt haben, dass eben nicht die »Kultfilme« oder das »Mitternachtskino« mit Jodorowsky, Lynch, den Coens und so weiter gespielt werden, also die Filme, die den B- oder C-Film zur Kunst transzendieren. Und auch keine »schlechtesten Filme aller Zeiten«; denn ein wirklicher Grindhouse-Film will in erster Linie Film sein, nicht Grindhouse. Aber Grindhouse-Filme nehmen billigend in Kauf, lächerlich zu wirken; mitunter ist eine mögliche unfreiwillige Komik wissentlich einkalkuliert; und ab und zu sind die Filme zugleich als Persiflagen ihrer selbst gestaltet. Und deshalb kann ihnen die Zeit nichts anhaben, ja: Die Jahrzehnte seit ihrer Veröffentlichung fügen ihnen weitere Ebenen von Trash-Charme und Pop-Nostalgie hinzu.

Lernend stieg ich im Cinema Quadrat ein in die Grindhouse-Nächte, in unvergessliche Kinoerlebnissen mit Filmen, die mal auf sehr direkte, dann wieder auf einfallsreich verspielte Weise originelle Ideen anderer verwursten; in denen auch mal die großen Ambitionen des Regisseurs mit den produktionstechnischen Realitäten aufs Komischste zusammenkrachen; in denen dann wieder mit den Mitteln des Kinokonventionen nach den Sternen zu greifen versucht wird; in denen sich große Wahrheiten hinter plakativen Plattheiten verbergen; oder in denen sich schlicht der Spaß der Filmemacher auf den Zuschauer überträgt. Wenn Kunst von Können kommt, sind die Grindhouse-Filme Manst: Weil die Filmemacher einfach mal machen, mal sehen, ob ein Film rauskommt. Es wird gedreht, egal, welche Mittel da sind, egal, wie schlecht Schauspieler und Ausstattung sind, no matter what. So sind höchst skurrile, einfallsreich durchgedrehte, völlig verrückte Werke entstanden, die in den versteckteren Ecken der Filmgeschichte darauf warten, gefunden zu werden.

Im Laufe der Grindhouse-Jahre habe ich mich auch immer wieder sehr gerne sekundärliterarisch weitergebildet – Julia Reifenbergers Girls with Guns über das Rape&Revenge-Untergenre etwa, oder Marcus Stiglegger mit Nazi-Chic und Nazi-Trash bzw. als Mitherausgeber des Fulci-Buches vom Deadline-Magazin, natürlich Christian Kessler; auch Peter Vogls (in diesem Verlag erschienenen) Bücher Hollywood Justice über Vigilanten im Film und Das großes Buch des kleinen Horrors wären hier zu nennen; sowie Daniel Kulles Monographie Ed Wood – Trash und Ironie. Wobei Kulle auch eingehend den Trash-Begriff untersucht, eine kleine Theorie des Mülls aufbietet:

Als Müll kommen daher zwei verschiedene Dinge in Betracht: sowohl das ehemalige, nun außer Gebrauch geratene Objekt, wie auch das Nicht-Objekt, derjenige Bestandteil der materiellen Welt, der es nicht geschafft hat, zu einem Objekt geformt zu werden. Ein gebrauchtes Papiertaschentuch ist Müll der ersten Sorte, Holzspäne entsprechen der zweiten. Auf den Film bezogen heißt dies, dass es auf der einen Seite konkrete Abfallprodukte gibt, wie die Filmstreifen, die im Schneideraum auf dem Boden landen; auf der anderen aber auch solche Filme, die außer Gebrauch geraten, ökonomisch nicht mehr verwertbar sind oder von den Archiven als nicht wert angesehen werden, aufbewahrt zu werden.

Doch ganz vorne steht natürlich die Betrachtung dieser Müll-Filme. Ich schaue – zusammen mit einem Haufen anderer regulärer Grindhousebesucher (und Besucherinnen, das will ich extra betonen!) – mit Lust diese Filme, die versuchen, Film zu sein: Vieles ist nämlich natürlich No-Budget-Unsinn und deshalb sehr komisch, unfreiwillig. Und ich staune über die kleinen Meisterwerke, die immer wieder aufpoppen, und über die höchst wirkungsvollen Genrevariationen, die es nie geschafft haben, in irgendeinen seriösen oder relevanten Filmkanon aufgenommen zu werden.

Das Grindhouse-Kino ist vielfältig; und immer wieder lädt es zu Überraschungen ein. Weil eben nicht alles immer Trash ist, und nicht immer alles ironisch rezipiert werden kann. Immer wieder kommen da unvermutet ein Film, ein Filmemacher daher, der seine Sache wirklich gut macht, und den vielleicht nur die Umstände in bestimmte Produktionsverhältnisse getrieben haben. Der es aber schafft, trotz allem seinen Film durchzuziehen: Der Zuschauer kann sich dann einfinden, eingrooven in eine Film-Zeit, wo nicht die Siegerfilme, also die Klassiker, die Filmgeschichte definieren, sondern die ganz normale Filmkost, die es ja immer auch gibt und die immer irgendwann in Vergessenheit zu geraten droht. Manche Horrorfilme gehen tatsächlich unter die Haut; und bei Action/Crime/Sex ist der Film oft genug von Anfang an auf reinen Spaß aus, der sich sogar über die ganzen Veränderungen der Zeit wie der Kinogucksituation rettet.

Und immer wieder überrascht vielleicht nicht der Film als Ganzes, aber immerhin diese eine Idee, diese eine Aktion oder diese eine Filmfigur: In einzelnen Elementen kann sich die ganze Fantasie des Filmemachers konzentrieren, da sieht man Möglichkeiten des Films, des filmischen Erzählens, die man nicht mal geahnt hat – gerade im Grindhousekino, wo sowas wie Stringenz nicht gefragt ist. Wenn man »Handlung« als die Organisation des Filminhalts betrachtet, dann haben viele der bei der Grindhouse-Reihe in Frage kommenden Filme keine »Handlung«: Nicht dramaturgische Gestaltung ist ihr Ziel, sondern das Aufhäufen von Aktionen, von action: Es geht um das, was passiert, nicht um die Konstruktion dahinter. Die Konzentration auf das filmische Geschehen unter Vernachlässigung von dessen Zusammenhang verhindert vieles – Figurenentwicklung zum Beispiel, Charaktertiefe, und wahrscheinlich auch das, was gemeinhin als »Sinn« oder »Bedeutung« aufgefasst wird –, es ermöglicht aber auch das Ausagieren von Fantasie, wahllos und mutwillig meinetwegen.

Was man in der Grindhouse-Filmreihe lernt, manchmal auf die harte Tour: Wie sich zwischen Filmemacher und Film und Publikum Verhältnisse aufbauen, miteinander anbandeln, manchmal schräg und quer verwickelt, manchmal ganz straight fesselnd. Es ist halt so: Man lacht ja bei Grindhouse-Filmen, meistens. Weil die Ambitionen der Filmemacher fehlgehen beispielsweise. Oder weil die Filme so dermaßen in ihrer Entstehungszeit gefangen sind. Und es ist natürlich auch so: Es geht den Grindhouse-Filmen um die Erregung niedriger Bedürfnisse, meistens. Niedriger männlicher Bedürfnisse. Da darf die Dame auf der Leinwand ruhig auch mal ein, zwei Kleidungsstücke nackiger sein als nötig. Naja, is’ klar: Die Zielgruppe des Bahnhofskinos ist der alleinreisende Herr an sich, die Rollenverteilung im damaligen Ottonormalverbraucherhaushalt war ja ganz eindeutig: Frauen hätten zwischen Kochen und Kinderzüchtigen gar keine Zeit für solchen Instantfilmgenuss von Action und/oder Sex als Nummernrevue.

Und der heutige Zuschauer (Frage: auch die Zuschauerin?) findet sich in den Zwiespalt geworfen: Man sieht auf der Leinwand etwas, das wie für einen gemacht ist, und sieht zugleich, wie es gerade nicht für einen gemacht ist, weil man eben doch sich unterscheidet von dem Protozuschauer, den sich die Regisseure und Produzenten ausgemalt haben, um für ihn den Film zu machen. Es reizt also nicht nur die Diskrepanz zwischen filmemacherischem Wollen und filmemacherischem Können zum Lachen, sondern auch die Diskrepanz zwischen produzentischem Idealzuschauer und Cinema-Quadrat-Grindhouse-Reihe-Realzuschauer. Und es ist für mich immer wieder eine besondere Lust, mich einzufühlen in diesen Zuschauer, den der Film will, und dabei ich selbst zu bleiben, analysierenderweise, ach, da kann ich mich freuen, weil so viel Ironie irgendwo drinsteckt in diesem Diskrepanzenzwiespalt…

Das macht den Reiz dieser Filme aus. Sie haben immer eines im Blick: das Publikum. Nicht der Goldene Irgendwas auf’m Festival oder der Oscar für Relevanz, sondern die Masse macht’s beim Billigfilm im Billigkino der 1970er. Spektakuläres und Spekulation, Reißerisches und Zerrissenes, Populäres und Popkulturelles dienen der Sehlust der Zuschauer, deren niederste Sinne angesprochen werden, und dabei lassen die Filmemacher gerne auch ungefiltert all die Ideen und Gefühle und Stories der Volksseele, also den Polit- und Sozialdiskurs ihrer Zeit, kräftig aufgemischt mit einfließen: Filme als Zeitgeisterbahnfahrten.

Der zweite Film an meinem ersten Abend, nach dem schwedischen Sexthriller, war SISTER STREETFIGHTER II, in dem die Martial Arts-Action immer wieder einfriert zum Standbild, in das dann die jeweils nun folgende Kampfsportart schriftlich eingeblendet wird: Als würde der kundige Sportreporter dem unbedarften Zuschauer die Feinheiten der Pferdedressur erläutern, wenn man eigentlich nur so ’ne Hottehüreiterei sieht. Da fühlte ich mich an der Hand genommen, ich wusste, hier durfte ich getrost Neues lernen, geführt von den Filmen selbst wie auch von den kundigen Kuratoren. Seit 2010 versuche ich, im Online-Filmmagazin Screenshot diese Grindhouse-Erlebnisse und ihre Wirkung auf mich in Buchstabenform nochmals aufleben zu lassen.

Eine Auswahl dieser Texte bildet nun dieses Buch. Sie sollen nicht veschimmeln im Ablagestapel des World Wide Web. Wobei ich betonen muss, dass dieses Buch nicht das komplette Programm der Filmreihe abbildet; ich bin zwar regelmäßig, aber nicht jedes Mal Gast der Filme. Ebenso wichtig ist, dass bei meinen Einordnungen es sich letztlich um eigenes Empfinden handelt, großteils beruhend auf den Hinweisen, die Boris bzw. Max in ihren Einführungen gaben. Es besteht also keinerlei Gewähr auf Akuratesse, zumal zwischen Filmgucken und Darüberschreiben auch schon mal ein paar Wochen liegen können, ich hab schließlich auch nicht unendlich Zeit. Jetzt aber, in der kinolosen Zeit des Lockdown, da hab ich grad nichts anderes zu tun, als dieses Buch zusammenzustellen. Außerdem: Das Cinema Quadrat – drittältestes kommunales Kino in Deutschland! – feiert im Oktober 2021 sein 50. Jubiläum. Schließlich: Wenn man die Filme schon nicht gesehen hat – denn wo laufen die schon!?! – oder sie schon wieder halb vergessen hat, mag es vielleicht, hoffentlich, erquicken, wenigstens über sie zu lesen. Und dabei den Spaß an der Grindhouse-Reihe zu feiern.

Wissenschaftliche Bestätigung der ganzen Chose in der Apotheken Umschau 10/2016 – mit Dank an den aufmerksamen Herrn, der regelmäßig beim Grindhouse-Double-Feature wie auch in Apotheken ’rumzuhängen pflegt.

DAS HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER

QUELLA VILLA ACCANTO AL CIMITERO

Italien 1981, Regie: Lucio Fulci.

Dies ist einer der wenigen Filme, die über die Jahre gar zweimal in der Grindhouse-Reihe liefen; und ich muss direkt um Entschuldigung bitten. Das Urteil, das bei der ersten Aufführung von DAS HAUS AN DER FRIEDHOFSMAUER gefällt habe, war zu harsch:

Recht vorhersehbar ist Lucio Fulcis THE HOUSE BY THE CEMETARY – nur, dass es nicht um Zombies geht, ist überraschend, vor allem wegen des in dieser Hinsicht etwas irreführenden Titels. Ein haunted house in good ole New England steht im Mittelpunkt, drumrum im Garten Kreuze und Grabsteine, auch im Wohnzimmer eine Grabplatte; ein unheimlicher Babysitter, ein geheimnisvolles Geistermädchen, der Angriff einer blutrünstigen Fledermaus, unheil­schwangeren Geräusche aus dem Keller und diverse Splatter­szenen sind die Zutaten. Die Familie im unheimlichen Haus, ein holder Knabe mit blondem Haar ahnt Böses, der Papa, Historiker, erforscht den Selbstmord eines Kollegen, die Mutter nimmt Tabletten gegen Halluzinationen – das alles ist uninspiriert zusammengerührt, und lächerlich wirken die ständigen wiederholten Aktionen: Jemand kommt heim und ruft nach den anderen, die aber nicht da sind; und wenn einer dann allein ist, dann geht er in den dunklen, dunklen Keller. Dort lauern die Splattereffekte.

Ann, das Kindermädchen, hat ein ähnliches Antlitz wie eine Schaufensterpuppe, die wir zuvor gesehen habe: Ihr Kopf fiel ab, Blut quillt hervor, die Maskenbildner taten alles, um das Halsinnere echt aussehen zu lassen. Zeuge davon: Ein Mädchen, offenbar ein Geist mit telepathischen Fähigkeiten. Doch das alles – inklusive dem Babysitter – sind Nebenkriegsschauplätze, die gar nichts mit irgendwas anderem zu tun haben, deren Wirkung des Unheimlich-Seltsamen deshalb verpufft, ja: sich nie entfalten kann. Das Beste an dem Film: Der Unhold ist ein untoter Geist, ein Mad Scientist des 19. Jahrhunderts, mit dem feinen Namen Dr. Freudstein.

’n paar Jahre später war mein Blick verändert, geweitet vielleicht, und natürlich ist im Laufe der Grindhousenächte meine Persönlichkeit gereift. Wiewohl natürlich zutreffend ist, dass Fulci in seinem Haunted-House-Horror das Erwart- und Vorhersehbare bietet (zuverlässig krass, selbstverständlich), mitsamt einem Keller, der alle anzieht, so dass irgendwann jeder, auch wider besseres Wissens, hinunter muss, hinunter zu diesem uralt-totlebendigen Monster… Und jawoll, es passt alles nicht so recht zusammen, wenn man es in eine logische, vor allem kausale Reihenfolge bringen wollte. Aber wer will das schon (außer meinem eigenen Ich von vor hmpfs Jahren)?

Nein, wenn man den Film (wieder)sieht, muss man schon anerkennen, wie geschickt Fulci mit all seinen Versatzstücken spielt. Das geht am Anfang los, als wir dieses unheimliche Haus sehen mit Friedhofskreuzen drumrum, und weil wir vom Filmtitel fehlgeleitet wurden, denken wir, es geht um den Friedhof, mithin vielleicht um Zombies, aber nein: Im Haus haben wir zwar eine halbnackte Dame, die postcoital ihren Geliebten sucht, der in den labyrinthischen Zimmern verschwunden scheint, und wir haben unheimliche Geräusche und wir haben eine schrecklich zugerichtete Leiche und einen bösen Angreifer mit ledrig-halbverwestem Arm, der ihr ein Messer durch den Hinterkopf bis vorne aus dem Mund raus durchs Hirn stößt – aber kein Zombie, nein.

Und wir springen in eine bürgerliche Wohnung mit einem Schwarzweiß-Foto an der Wand, das eben jenes Haus zeigt, und hinter dem Vorhang im Fenster dieses Hauses – ist das ein Mädchen mit warnend erhobener Hand? Und der acht-, neun-, höchstens zehnjährige Bob starrt auf dieses Foto, und er hört die Stimme des Mädchens, er soll bloß nicht in dieses Haus ziehen… Aber genau das haben seine Eltern vor. Weil der Papa nämlich Wissenschaftler ist und – was für ’ne Quatsch-Prämisse! – die Forschungen seines Mentors fortsetzen will, der in diesem Haus verrückt wurde, seine Freundin killte und sich selbst erhängte. Das ist wissenschaftlicher Einsatz!

Kurz und gut: Abfahrt. Unterwegs sieht Bob wieder seine junge Freundin, die aus dem Foto, und bekommt von ihr eine grässliche große Puppe. Die Maklerin ist mehr als seltsam, aber das haben Immobilienmakler so an sich. Das Mädchen sehen wir später vor einem Schaufenster mit Kleiderpuppen, Papa, Mama, Kind, und der Frauenpuppe fällt der Kopf ab, ein blutiges Gemetzel, die Special-Make-up-Leute haben hier ihr Bestes getan: Wahrscheinlich, weil das Setup des Films so langsam vor sich geht, dachte Fulci, ein bisschen Blut und Innereien, die aus einem Hals quellen, können nicht schaden. Auch, wenn’s nur eine Schaufensterpuppe ist. Im Haus taucht eine Babysitterin auf, mit Augenbrauen so dick wie Holzbalken, an denen man sich aufhängen könnte; und während Bob mit seiner Geisterfreundin im Garten um die Grabsteine herum Fangen spielt oder auch mal SHINING-mäßig sein ferngesteuertes Autochen durch die Flure rasen lässt, während der Herr Wissenschaftler allerhand Geheimnisse um den mysteriösen Mr. Freudstein herausfindet, der früher mal in diesem Haus gewohnt hat, entdeckt die Frau Mama oben im Herrenzimmer eine Grabplatte. Irgendwann schleicht die Maklerin durchs Haus, bricht in dieser Grabplatte ein, kann ihren Fuß nicht befreien und etwas unheimlich Böses kommt auf sie zu. Sticht ihr in Titten und Hals und schleift die blutige Leiche in den Keller. Am nächsten Tag wischt die Babysitterin das Blut weg, als sei nichts gewesen. Sie ist aber gar nicht böse! Nein, sie befindet sich nur ebenfalls im Bann dieses Kellers, dessen Tür verrammelt und kaum aufzukriegen ist, alle sind von diesem Keller angezogen, und er ist sooo unheimlich!

An diesem Punkt zeigt sich Fulcis Meisterschaft. Weil’s nämlich nie um eine stringente oder konsequente Handlung geht, sondern um die Stimmung, die er heraufzubeschwören vermag. Und da sitzen wir und staunen über die Kameraarbeit, wenn die Mama in der Küche steht, nicht weiß, was vor sich geht, die Kamera dann von ihrem Gesicht spiralförmig im Kreis nach obensteigt, um auch noch die Kellertür einzufangen in diesem Bild, aufgenommen direkt neben der Deckenlampe. Jawoll, darum geht es: Dass eine Geschichte, so doof sie ist, gut erzählt wird! Und das tut Fulci hier, mit all dem zusammenhanglosen Quatsch, der dann eben doch in eine Spur findet, einer nach dem anderen geht in den Keller und wird gemetzelt, und hier dürfen dann auch die Jungs vom Make up wieder ran, wenn aus dem Bauch des Monsters nach einem Messerstich madendurchsetzter Durchfall quillt.

Der Junge übrigens – Darsteller Giovanni Frezza war damals neun Jahre alt! – steht daneben, und mal ehrlich: Hat er da nicht einen Knacks fürs Leben bekommen? Und das nur, weil Frezza einer der seltenen knallblonden blauäugigen italienischen Jungs ist, die man finden konnte, noch dazu hat er eine seltsame Kopfform, der Schädel riesig gegenüber dem kleinen Gesicht, dafür große Augen und runde Bäckchen. Seine Freundin, das Geistermädchen, ebenfalls gesegnet mit überdeutlichen Kindchenschema-Merkmalen, fast schon grotesk. Wie überhaupt alle im Film irgendwie schräg aussehen, type-casting eben, um die Wirkung der Bilder zu verstärken… Um die geht es schließlich, das gelingt Herrn Fulci. Er mischmascht Motive des Horror- und Gruselkinos zusammen, und es passt doch irgendwie alles unter einen Hut (an dessen Seiten Blut rausquillt).

THE DEVIL’S SWORD

GOLOK SETAN / DER HERR DER KROKODILE

Indonesien 1984. Regie: Ratno Timoer.

Ratno Timoer, der in diesem Film so etwas wie Regie zu führen behauptet, haut alles auf eine Art zusammen, bis nur noch ein Haufen Sperrmüll übrig bleibt. Aber andererseits: Wer wühlt nicht gerne in anderer Leutes Sperrmüll!

Am Anfang sehen wir einen Proto-Gandalf auf einem Berg bei der Meditation. Ein Meteor crasht ins Gebüsch. Der brennende Dornbusch hat es in sich: Unser Gandalfimitat schleppt einen Klumpen geschmolzenes Metall in seine Bambushütte, die ihm nebenbei als Schmiede dient (wie es eben so ist auf dem Dorf), und er kloppt sich etwas zusammen, was wir im weiteren Verlauf des Films als absolutes Superschwert kennenlernen sollen. Nach einem Vorspann, der immer wieder reichlich bekloppt einen Opferungsritus unterbricht, geraten wir ins Unterwasserreich der Krokodilsgöttin, der gerade ein junger Mann gebracht wird, als Götzengabe von der Dorfbevölkerung über die Klippe geschubst. Interessant hierbei: Göttin inklusive ihrer Ehrenjungfrauen/Priesterinnen/Ministrantinnen (wozu braucht dieses notgeile Weib überhaupt weibliche Gefolgschaft?) sind nur dann nackig, wenn man sie von hinten sieht. Steht die Kamera vorne, habense ’n Bikini an. Da wird die Zensur aber schön an der Nase rumgeführt!

Jedenfalls ist die Unterwasserkönigin total geil auf frisches Männerfleisch. Ihre sechs, sieben Diener dürfen sie von Kopf bis Fuß ablecken, aber das reicht ihr so wenig wie die regelmäßigen Opfergaben. Nein, sie will mehr, sie will diesen einen Typen, der jetzt gerade dieses Mädel heiraten will! Und mit ein bisschen Zauber lässt sie Banjujaga erscheinen, uh, ein böser Halbgott, der auf einem Felsen (!) herumfliegt und im Dorf landet und hier alle massakriert. Dieses Massakrieren ist aber die Schuld des Dorfältesten, der sich weigert, den Bräutigam rauszugeben: Wenn die Krokodilsgöttin alle jungen Männer raubt, wird das Dorf aussterben! Also weigern wir uns und werden dafür alle getötet! Ist halt so’n Ding mit der Logik. Gegen die Martial Arts-Künste von Banjujaga kann keiner antreten, am ehesten noch die Frau Braut, die ihm ziemlich zusetzt, weil sie nämlich viel stärker ist als ihr weichlicher Bräutigam. Auf einem edlen Pferde reitet schließlich Mandala daher, auch ein Halbgott, aber auf der guten Seite der Macht, dann Kampf, aber trotzdem Verlust des Bräutigams. Der steht nun im Bann der Krokodilsbraut und fickt sie nach allen Regeln der Kunst (außerhalb des Bildrahmens).

So. Ein Mann, der auf Felsen reitet, ein edler Ritter auf einem Pferd, dazu ein paar Krokodilsmänner mit lächerlichen Masken aufm Kopp, da fehlt nur noch ein Schlangenzauberer und eine Hexe. Und, natürlich, der Martial Arts-Meister, der Mandala zu sich ruft, um für’s Gute zu kämpfen. Weil der Bräutigam nur Nebenkriegsschauplatz war: In Wirklichkeit, das erfahren wir jetzt, geht es um das Teufelsschwert vom Anfang. Das muss gefunden werden von den Guten, weil sonst die Bösen die Welt beherrschen. Aber wo ist es? Niemand weiß es. Der alte, weißbärtige Obiwan-Imitator muss gegen die Bösen antreten, aber das geht schlimm aus, und Mandala muss ihm das Bein absägen mit seinem Schweizer Taschenmesser. Und überraschenderweise kommt nun heraus, dass das Schwert im Schwertberg versteckt ist. Dort treffen alle aufeinander, aber erstmal dezimieren sich die Bösen – also der fiese Banjujaga und die böse Hexe und der hinterhältige Schlangenmann – gegenseitig, in der Höhle weiß die Kamera nicht mehr so genau, wo hinten und wo vorne ist, wir sind total verwirrt, bis es endlich wieder zu einem Kampf kommt, da wissen wir, woran wir sind! Und sind total begeistert, dass unser Held und sein Widersacher aus ihren Handflächen Laserstrahlen abschießen können.

Die Krokodilskönigin lässt im Übrigen nicht locker mit ihrem lebenden Dildo, aber auch sie kriegt ihr Teil. Weil hier in der Unterwasserhöhle wird dann auch gekämpft. Der Zeremonienmeister mit seinem langen Stock (der aber nie beim Rummachen mit der Göttin erwischt wird) haut kräftig mit drauf, der Bräutigam, unter göttlicher Hypnose, muss erlöst werden, eine Krokodilsstatue spuckt Feuer und Laserstrahlen. Die Göttin langt kräftig zu mit ihrem roten Schal. Habe ich erwähnt, dass alles sagenhaft scheiße aussieht? Das ist natürlich das Tolle daran, und hui, fliegen da die Leute durch die Luft, kloppen sich wie blöde, und wofür das Ganze? Damit die indonesische Filmwirtschaft auch mal was zum Vorzeigen hat! Und jawohl: Die 80er-Jahre-Frisuren sitzen, das Blut spritzt, und man hat auch irgendwoher ein Bluescreen-Studio gefunden für die ganz aufwändigen Aufnahmen. Dass am Ende aus einem Holzkäfig Kannibalen ausbrechen und herumwüten, darf keinen mehr wundern.

CURSE OF THE DOG GOD

INUGAMI NO TATARI

Japan 1977. Regie: Shun’ya Itô.

Völlig unvorhersehbar dieser Film; der zudem verblüffend vorausschauend ist. Wäre THE CURSE OF THE DOG GOD bekannter, wäre die Welt nicht so erstaunt über die Katastrophe von Fukushima gewesen. Alles ist hier schon vorgezeichnet, in prophetischer Klarheit!

Das japanische Kino ist voll von Metaphern wider das Atomzeitalter. Godzilla ist die metaphorische Verkörperung von Little Boy und Fat Man; zwei Banden, die von einem herrenlosen Samurai gegeneinander ausgespielt werden, symbolisieren Hiroshima und Nagasaki; und verschiedene Versionen über ein Verbrechen im Lustwäldchen bedeuten zehntausende verlorene Geschichten von atomisierten Toten. Aber diese Interpretationen sind natürlich höchste Kunst der Hermeneutik, die nicht jeder verstehen muss. Ganz eindeutig dagegen THE CURSE OF THE DOG GOD, der sowohl metaphorisch als auch ganz konkret vor dem Atom warnt. Es geht um die Suche nach Uran im rohstoffarmen Japan, drei junge, enthusiastische, übermütige Männer sind im Jeep unterwegs und geraten außer sich vor Freude, als der Geigerzähler über 30.000 geht. Dabei überfahren sie einen Schrein für den Hundegott und gleich darauf auch noch einen echten Hund. Zack, fährt der Fluch in sie, und zehn Filmminuten später sind zwei von ihnen tot. Der Dämon ist entfesselt, die Geister, die sie fanden, werden sie nicht mehr los, die Gefahr des Atoms wütet in Form eines bösen Gottes. Wenn der Bergbaukonzern dann das Uran abbaut, wird es konkret: Ein wildgewordener Bohrer rast unten im Bergwerk wild herum und verfolgt und durchlöchert zwei Arbeiter. Und selbstverständlich kann es nicht gut gehen, wenn Uran aus dem Berg mit Schwefelsäure herausgewaschen werden soll. Tepco-like versuchen die Uranarbeiter die Verseuchung des Grundwassers zu vertuschen; und Kano, der einzige integre Uraningenieur – der einzige der Uransuchenden vom Anfang, der überlebt hat –, kann natürlich nichts ausrichten, weil da draußen immer noch der Hundegott wütet.

Was man immer in den Nachrichten hört: Es gebe in Japan keine Antiatomgesinnung; die Katastrophe von Fukushima sei völlig überraschend gewesen – THE CURSE OF THE DOG GOD führte bereits 35 Jahren vorher die Gefahren haarklein vor. Und ist dabei unheimlich unterhaltsam, weil er alles tut, was man von einem Grindhousefilm verlangen kann: Schon vor dem Sündenfall mit dem Hundegottschrein sehen wir zwei nackte junge Damen sich im Wildwasser tummeln, Kano und seine Kumpels beobachten sie heimlich, und – als wärs ein Almenjodlerbumsifilm: Kano fällt vom Baum ins Wasser, hahaha! Später schlägt der Fluch zu, Kanos Freunde sterben auf unheimliche Weise – der eine wird von Hunden aufgefressen, Tierhorror! –, und Kanos Frau nimmt den Fluch auf sich, um Kano zu schützen. Sie wird wahnsinnig, ist auch noch schwanger, Rosemarys Baby und der Exorzist treffen sich zum Kaffeekränzchen, allerdings auf japanisch: Ein Priester fuchtelt furchtbar herum, ein Medium wedelt mit Papierstreifen aus dem Aktenvernichter, wilde Bewegungen und groteske Fratzen lassen den Dämon im Leib der Lady hervortreten; sie stirbt dann im Schnee. Und der Film wird zum Hinterwäldlerhorror, ein alter Bauer will sein Land nicht an die Urancompany verkaufen – er hat Angst vor der Atombombe –, es kommt zu diversen Ausschreitungen, an denen der Hundegott kaum Schuld hat, eine Art Fronleichnamsprozession wird zum Lynchmob, Religionspsychoaction meets Hexenjagd meets Ökothriller, und im übrigen vergewaltigt eine Rockerbande beinahe die Tochter des renitenten Bauern, Bikerfilm kommt also auch noch hinzu.

Man kann, wenn man inmitten des Wahnsinns dieses Filmes steckt, niemals vorhersagen, was als nächstes passieren wird; Grusel, Horror, Splatter wechseln sich mit Momenten der Komik ab, um dann eine neue, absurde Handlungsschleife zu nehmen. Dass alles vor atemberaubender Landschaft geschieht (gedreht wurde in einem Nationalpark), macht die Bilder groß und schön – dass alles auf komplizierten Familienverhältnissen beruht, macht das Kuddelmuddel schön groß. Kano hat nämlich die Tochter dessen geheiratet, dem der Uranberg gehört, geschäftlich ist also alles in Butter; deren Freundin aber hat einen Bruder, und dessen Hund hat Kano getötet, was überhaupt erst alles ins Rollen brachte. Vater von diesen Geschwistern ist wiederum der renitente Bauer, und – jetzt wird’s kompliziert – nach dem Tod seiner Frau bändelt Kano wiederum mit dessen Tochter an, was den vormaligen Schwiegervater grämt… Reicher Bauer gegen armen Bauer, mein Land und dein Land: typische Heimatfilmzwistigkeiten mischen auch noch mit rein und werden durch diverse wechselseitige Hundegottbeschwörungen und -besessenheiten nicht vermindert. Dass auf der Seite des armen Bauern eine Zwölfjährige sich ganz vom Hundegott in Besitz nehmen lässt und fantastisch-übernatürliche Sprünge durch die Luft vollführt, als sie Kano endgültig den Garaus machen will; oder dass der reiche Uranbergbesitzer in der Scheune einen gewalttätig-wahnsinnigen Sohn versteckt hält: Das sind die letzten Aufbäumungen dieses wirren, wilden, hellsichtigen Filmes, der alles in sich vereint, was man sich wünschen könnte.

Ob Regisseur Shunya Ito das kleine oder gar das große Latinum hat – der Name Kano deutet darauf hin (oder habe ich mir etwa den falschen Hauptfigursnamen gemerkt?) – bleibt ungewiss, wie am Ende so manches im völlig Verworrenen bleibt. Wenn Kanos Leiche zum Schluss verbrannt wird und sein Körper sich in den Flammen nochmals erhebt: Dann würde man sich eigentlich nicht wundern, wenn noch eine Zombieepisode angehängt würde.

JESSY – DIE TREPPE IN DEN TOD

BLACK CHRISTMAS / SILENT NIGHT, EVIL NIGHT

Kanada 1974. Regie: Bob Clark.

Ja, so ist es mit Sequels, Nachfolgern, Epigonen: Die immer gleichen Standardsituationen werden nochmals und nochmals wiedergekäut, dasselbe Rezept zehnmal aufgekocht, und natürlich weiß man immer schon, wie es weitergeht. Und, hach, speziell beim Slasher passiert alles in der Zeit um einen Feiertag rum, und dann haben wir halt einen Killer, der sich einem altherrschaftlichen Haus nähert, und das wird mit subjektiver Kamera gezeigt, und dann schleicht er sich auf den Dachboden und killt eine der Studentinnen nach der anderen, und dann gibt es Telefonterror, und dann gibt es schizophrenes Gebrabbel, und dann findet die Polizei auch noch raus, dass die Anrufe aus dem selben Haus kommen, in dem das Final Girl auf GAR KEINEN FALL die Treppe hoch soll, und dann… und dann… – und dann ist das aber eben doch tatsächlich ein Film aus dem Jahr 1974, und damit keine Halloween- und Unglücksfreitags-Kopie, dann ist dies hier also das richtig wahre Original des Slashergenres: BLACK CHRISTMAS enthält tatsächlich alles, was den richtig guten Slasher ausmacht, und das in bemerkenswerter Perfektion, lange vor Beginn der Schlitzerwelle Ende der 70er, Anfang der 80er. Vorläufer, nicht Hinterhertrotter!

Mittelpunkt der Handlung: Das Schwesternschafts-Haus, in dem sich die Studentinnen auf Weihnachten vorbereiten. Während außen die Point-of-View-Kamera sich dem Gebäude annähert, an der Fassade hochklettert, sich im Dachboden versteckt… Dort hockt nun das Böse, und unten schellt das Telefon. Wieder dieser perverse Anrufer mit seinem Schnaufen, mit seinem wirren Gefasel. Barb wiegelt ihn schroff ab. Sie ist so was wie die Anführerin, die mit vorlauter Schnauze die Dinge regelt. Und sich gerne abfüllt. Aber sie ist nicht die Hauptfigur hier, auch wenn sie bei der Weihnachtsfeier fleißig einen Zehnjährigen von ihrem Likör probieren lässt, und auch wenn sie bei der Polizei große Töne spuckt. Denn eine ihrer Kommilitoninnen ist verschwunden, nachdem sie in die obere Etage gegangen ist; und keiner weiß, dass sie auf dem Dachboden im Lehnstuhl sitzt, tot…

Polizei: Das ist Teil der komischen Linie, die der Film fährt. Da ist dieser Polizist am Empfang, der nix kapiert. Und der nix kapieren will. Der alles falsch macht. Und sich dabei gar nicht schlecht fühlt. Typisch unkündbarer Beamter. Und dumm dazu: »Fellatio« als Telefonvorwahl schluckt er anstandslos, mit dieser Angabe verarscht ihn Barb… Eine andere komische Figur ist die Haushälterin im Studentinnenwohnheim, dem Alkohol nicht abgeneigt, in den abstrusesten Ecken versteckt sie ihre Flachmänner. Apropos Männer: Auch da ist sie interessiert, beispielsweise am Papa des ersten Opfers, der seine verschwundene Tochter sucht. Und der entsetzt ist über die Sitten, die in diesem Hause herrschen. Da gibt es Alkohol. Und Männer gehen auch ein und aus! Er ist so’n vertrockneter prüder Fuzzi, und die Haushälterin tut alles, um mit ihrem stämmigen Körper dieses eine Plakat zu verdecken, wo zwei Nackige aufeinanderliegen… Ja: Dem Humor ist BLACK CHRISTMAS nicht abgeneigt! Weshalb auch schön lakonisch ein Weihnachtsmann »Fuck« sagen darf. Doch dieser Aspekt sollte nicht davon ablenken, dass es hier ums Böse geht!

Die Haushälterin ist die nächste, die dran glauben muss. Auf einfallsreich-perfide Weise wird ihr der Garaus gemacht: Als sie über die Bodenklappe auf den Dachboden steigt, lässt der Killer den Haken eines Flaschenzugs auf sie zuschießen, und da baumelt sie!

So langsam schält sich die zuvor eher unscheinbare Jessy als Hauptfigur heraus. Sie hat einen Freund, Peter, Pianostudent am Konservatorium. Der wird gespielt von Keir »2001« Dullea, und er hängt sich so rein in sein Klavierspiel… Hat was von Keith Emerson selig, wenn er seinen Flügel zertrümmert, weil das Vorspiel scheiße gelaufen ist. Überhaupt nagt etwas an ihm, wahrscheinlich, dass Jessy von ihm schwanger ist und abtreiben will.

Jetzt ist das fast ein Problem für den Film, dass der Whodunnit-Part ein bisschen kurz kommt. Einen anderen Verdächtigen als Peter hamwer net, so sehr wir auch hoffen, dass der spießige verklemmte Papa vielleicht doch… weil alles so unsagbar obszön ist… Das Gute ist, dass Regisseur Bob Clark um den Mangel einer »Wer war’s«-Spannung weiß. Und dass er deshalb eine kleine Nebenhandlung einbaut um ein verschwundenes Kind, dessen grausam zugerichtete Leiche eine Suchmannschaft im Park findet. Dass er aber andererseits die grausigen Bluttaten gar nicht richtig zeigt – wie schrecklich die Kindsleiche ist, ist ganz der Fantasie des Zuschauers überlassen.

Auch baut Clark ein paar sehr einfallsreiche Morde ein. Die vorlaute Barb wird gekillt, als sie in ihrem Bettchen schläft – Alkohol hat sie eine Menge intus –, und zwar, indem die Mörderhand ihr das Einhorn ihrer Glasmenagerie in den Körper rammt. Und das, während Jessy unten ist, auf den nächsten obszönen Anruf wartet und von der Polizei die Anweisung hat, den Anrufer so lang wie möglich hinzuhalten, um die Telefonverbindung rückverfolgen zu können… Spannendes Finale, der Killer im eigenen Haus, Jagd treppauf und treppab, Versteck im Keller, Peter geht auf sie zu – und auch hier Clarks Meisterschaft: Was wir eh wissen, wird nicht gezeigt. Kampf zum Beispiel, große Bluttaten – er weiß, dass der Effekt viel größer ist, wenn er nur das Hinterher zeigt, oder das Nebenbei, oder das Währenddessen. Gerade so, als hätte er schon jede Menge blutiger Slasher gesehen und wollte nun dem Ganzen etwas Neues, Originelles hinzufügen… Am Ende Schock und Trauma, einer ist tot, und wahrscheinlich ist es der Killer. Nur eine Kamerafahrt durchs Haus, in den Dachboden, durchs Fenster hinaus in die winterliche Luft deutet sanft an, dass das Böse immer weitergehen könnte. Einiges scheint sicher, anderes bleibt in der Schwebe, und sanft werden wir aus diesem kleinen Meisterwerk entlassen.

FRAUENGEFÄNGNIS

BARBED WIRE DOLLS

Schweiz 1976. Regie: Jess Franco.