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Um der Army einen Riesensack Dollar zu stehlen, machen drei ehemalige Soldaten einen todsicheren Schlachtplan. Doch nicht nur General Zufall schießt quer ... (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)
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Seitenzahl: 266
William D. Blankenship
Großes Geld mit Trauerrand
Aus dem Amerikanischen von Hardo Wichmann
FISCHER Digital
An diesem Morgen stahlen sie einen Wagen aus der Garage des Muehlebach-Hotels. Ryan fuhr. Hazlitt saß neben ihm, Terrio hockte auf dem Rücksitz. Als der gepanzerte Geldtransporter eine Stunde später die Federal Reserve Bank verließ, waren sie hinter ihm und wußten genau, wo der Fahrer abbiegen und wie lange die Fahrt dauern würde.
Fünfzehn Minuten später hielt der Geldtransporter vor dem Kansas City Union-Bahnhof. Sie hielten auf der anderen Straßenseite an und sahen zu, wie der uniformierte Fahrer ausstieg und in den Bahnhof ging. Das entsprach der Routine. Innerhalb drei Minuten war er zurück und schob einen kleinen Karren vor sich her. Er schaute sich sorgfältig um, ehe er seinem Partner im Beifahrersitz mit einem Handzeichen zu verstehen gab, daß alles klar sei. Nachdem sein Partner sich über eine Sprechanlage mit den Leuten im Laderaum verständigt hatte, ging die Hecktür auf.
Vier schwerbewaffnete Männer in Zivil stiegen aus, Marshals der Bundesverwaltung. Zwei trugen Schrotflinten, die beiden anderen starrten vor automatischen Waffen. Unter ihren Armen wölbten sich Pistolen. Während der Fahrer und sein Partner sechs schwere graue Postsäcke auf den Karren luden, verteilten sie sich.
»Und weg sind sie«, bemerkte Ryan. Die beiden uniformierten Wächter schoben den Karren in den Bahnhof, flankiert von den Marshals, die es sorgfältig vermieden, zu dicht aufzuschließen. Sie behielten alle Himmelsrichtungen im Auge und verhielten sich sehr professionell.
»Mist«, sagte Hazlitt. »Hier kriegen wir das Geld nie. Jedenfalls nicht ohne große Schießerei.«
Terrio hielt sich die Ohren zu. »Und Hazlitt kann einfach keine Schüsse hören«, zwitscherte er in schrillem Falsett.
Ryan und Hazlitt lachten, fanden Terrios Witz weniger amüsant als überraschend. Ihr Zellengenosse Terrio hatte im Gefängnis von Leavenworth meist dumpf vor sich hingebrütet und war auch seit ihrer Entlassung vor knapp einem Jahr nicht viel weiter aufgetaut. Seit fünf Jahren hatten sie ihn zum ersten Mal einen Witz reißen hören. Ryan sagte sich, daß Terrio diesem Job mit Zuversicht entgegensehen mußte, was auch ihm Zuversicht verlieh. Terrio war der einzige Berufsverbrecher der drei. Wenn er bei einem Job ein gutes Gefühl hatte, mußte er etwas taugen.
»Nehmen wir den Zug«, sagte Ryan. »Paßt auf eure Finger auf.«
Ryan trug Handschuhe, weil er am Steuer saß, die beiden anderen jedoch hatten sich lediglich bemüht, nichts zu berühren. Sie drückten die Türgriffe mit den Handrücken auf und zogen ihre Kleidersäcke hinterher. Nachdem sie die Türen mit den Füßen zugestoßen hatten, ließen sie den Wagen stehen.
Alle trugen Armeeuniform, Klasse A, Sommer. Khaki mit olivgrünen Gürteln und Mützen, schwarze vorschriftsmäßige Schuhe. Sie waren nicht in der Armee, obwohl sie vor nicht zu langer Zeit alle Soldaten gewesen waren. Jeder hatte sich die Auszeichnungen auf seiner Brust und die Streifen am Arm ehrlich verdient. Die Streifen waren ihnen zwar vom Kriegsgericht aberkannt worden, aber sie hatten sie für diesen Job wieder angenäht.
Nach einer kurzen Weile folgten sie den Männern und den sechs Geldsäcken in das hallende Schweigen des Bahnhofs, blieben rund fünfzig Meter hinter ihnen.
»Ha, das geht wie am Schnürchen«, zwitscherte Hazlitt. »Das hab’ ich so im Gefühl.« Terrio grunzte und fiel in seinen angeborenen Pessimismus zurück. Ryan ging zwischen ihnen, balancierte den schweren Kleidersack auf seiner rechten Schulter. Er hatte sehr breite Schultern, die über seiner schmalen Taille ein Dreieck bildeten. Er war ein großer dunkelblonder Mann, dessen elastischen, entschiedenen Schritt man nur seines Kopfes wegen nicht als anmutig bezeichnen konnte. Der Kopf, massiv und klotzig, bewegte sich ruck- und reflexartig wie bei manchen Raubtieren.
»Wie am Schnürchen«, wiederholte Hazlitt.
»Nichts geht wie am Schnürchen«, gab Terrio säuerlich zurück.
»Sobald du geboren wirst, geht alles nicht so, wie du möchtest. Warum soll das jetzt auf einmal anders sein?«
Dan Ryan, der den beiden zuhörte, hatte das Gefühl, sich zwischen zwei Stereolautsprechern zu befinden, wobei der eine nur Bässe, der andere nur Höhen wiedergab. Paul Terrio war italienischer Abstammung und kam aus dem Norden Chicagos. Er war breit und untersetzt und sah aus wie ein Mittelgewichtler kurz vorm Verfetten. Er war ein dunkler Typ mit einem permanenten Stoppelbart und dichten hängenden Augenbrauen, die ihn noch finsterer aussehen ließen. Er bewegte sich mit kurzen, stampfenden Schritten, als träte er im Gehen Ameisen tot. Le-Roy Hazlitt stellte das absolute Gegenteil dar. Lange, schlaksige Beine, strohige blonde Haare und ein pickliges rotes Gesicht. Als ewiger Optimist brachte er es nicht fertig, an irgend etwas eine schlechte Seite zu sehen. Im Gefängnis von Leavenworth hatte er sich einmal ganz allein gegen eine Bande von Heroinsüchtigen gestellt, die versuchten, einen neuen Jungen in ihre Reihen aufzunehmen. Sie hatten ihm aufgelauert und ihm alle Zähne eingeschlagen, ehe Ryan und Terrio ihm zu Hilfe kommen und die Süchtigen in die Flucht schlagen konnten. Als Ryan ihn im Krankenhaus besuchen kam, war der erste Satz aus Hazlitts verschwollenem Mund folgender gewesen: »Die sagen, falsche Zähne wären leichter zu pflegen als eigene.«
An der Gepäckannahme unterzeichnete einer der Marshals ein Formular und übernahm den Karren. Die Uniformierten gingen zu ihrem Geldtransporter zurück, während die anderen den Karren zu dem Bahnsteig schoben, an dem der Zug von Kansas City nach Los Angeles wartete. Ryan wußte genau, was jetzt mit dem Geld geschah. Er ließ den Kleidersack auf eine Bank im Wartesaal fallen.
»Ich besorge die Fahrkarten.«
»Pest noch mal!« fluchte Terrio. »Ich hatte vergessen, wie schwer diese verdammten Dinger sein können.«
»Meiner ist nicht so schwer«, bemerkte Hazlitt.
Ryan ging an den Schalter und zahlte für dreimal einfach nach Fort Riley, Kansas. Dann tranken die drei Kaffee aus einem Automaten im Wartesaal. Terrio meckerte über den Kaffee. Hazlitt trank zwei Tassen. Sie sahen aus wie gewöhnliche Soldaten auf Urlaub oder unterwegs zu einem neuen Posten, und genau diesen Eindruck wollten sie auch erwecken.
Für diesen Job hatten sie ihre alten Uniformen hervorgekramt. Ryan trug die Streifen eines Sergeant First Class und das Infanterieabzeichen am Kragen. Das blauweiße Tuchabzeichen auf seiner rechten Schulter verriet, daß er mit der dritten Infanteriedivision im Gefechtseinsatz gewesen war, was auch stimmte. Terrio war der ehemalige Küchenunteroffizier einer Artillerieeinheit und trug das entsprechende Abzeichen. Hazlitt war Korperal bei der ersten Kavalleriedivision gewesen. Ryan war sicher, daß sie in Fort Riley ohne Schwierigkeiten als Durchgangssoldaten durchkommen würden. In ihren Kleidersäcken steckten sogar gefälschte Marschbefehle in den vorschriftsmäßigen großen grauen Umschlägen. Es würde mindestens zwei Tage dauern, bis der Militärbürokratie klar wurde, daß sie drei Kuckuckseier aufgenommen hatte, und mehr Zeit brauchten sie nicht. Alles war genau geplant – Logistik, Aufklärung, Einsatz. Der Überfall war im wahrsten Sinn des Wortes ein militärisches Unternehmen. Hazlitt hatte sich sogar eine militärische Bezeichnung für ihre Drei-Mann-Einheit einfallen lassen: »Gefechts- und Konfiszierungstrupp aus Leavenworth, irregulär.«
Durch das alte Lautsprechersystem kam eine kaum verständliche Durchsage. Die Tür zu Bahnsteig sechs öffnete sich, und die wenigen Leute, die in den Staaten noch die Eisenbahn benutzen, erhoben sich. Die Männer nahmen ihre Kleidersäcke und gingen durch die Unterführung.
Der Personenzug fuhr so langsam, wie Ryan erwartet hatte. Zwei Stunden später waren sie nur noch wenige Meilen von Topeka entfernt. Hazlitt und Terrio dösten, aber Ryan betrachtete sich die Landschaft, verglich die flachen Getreidefelder mit seiner Obstplantage in Kalifornien und sagte sich, daß Weizenanbau nicht so viel Spaß machen konnte wie Obstbäume. Heute war der 30. Juni. Er mußte bald wieder zu Hause sein, zur Pflaumenernte. Ihm lag daran, zurückzukehren und zu sehen, wie Wachstums- und Erntesaison ihren Abschluß fanden, damit er es im nächsten Jahr alles selbst in die Hand nehmen konnte. Während seiner vierjährigen Haftzeit hatte Julie allein die Verantwortung für alles getragen, jetzt aber würde er bei ihr sein und ihr helfen können – sobald dieser Job erledigt war.
Julie Ryan saß auf den Stufen, die zur Küchentür ihres Hauses führten, das außerhalb von Gilroy, Kalifornien, am Nordrand des Salinastales lag. Das Haus stand mitten in einer fünfundsechzig Hektar großen Plantage, die zur einen Hälfte mit Pflaumen- und zur anderen mit Walnußbäumen bepflanzt war. Um sie herum stand ein Dutzend großer leerer Eiscremebehälter. Sie trug Gummihandschuhe und schüttete vorsichtig kleine Mengen Hirschhornsalz in die Deckel der Behälter. Als jeder Deckel ungefähr fünfzig Gramm enthielt, verteilte sie die Substanz mit einem Stück Holz gleichmäßig über die Deckel.
Ein Wagen kam über die gekieste Einfahrt gerumpelt. Julie lächelte, denn sie erkannte Maria Rondas angejahrten Ford am Rattern des Auspuffs. Sie griff nach einem Eispickel und begann die Böden der Eiscremebehälter zu perforieren.
»Julie?« rief Maria.
»Ich bin hier hinten!« rief Julie.
Maria kam mit kurzen, hastigen Schritten ums Haus geeilt. Sie hatte ihr Haar mit einem roten Tuch zurückgebunden, und ihre kräftigen braunen Arme schwenkten energisch hin und her.
»’s ist mal wieder Fruchtfliegenzeit«, sagte sie, als sie die Behälter mit den Chemikalien sah.
»Du sagst es«, stöhnte Julie. »Ich habe das Gefühl, daß wir dieses Jahr eine Menge bekommen.«
»Das sagt Luis auch. Wir haben unsere Fallen gestern aufgestellt. Komm, ich helfe dir!« Maria setzte sich und begann die gefüllten Deckel auf die Behälter zu stecken. An jedem Behälter war ein gebogenes Stück Eisendraht befestigt, an dem die Fallen an verschiedenen Stellen der Plantage aufgehängt werden würden. Im Lauf der kommenden Wochen würde Julie in regelmäßigen Zeitabständen die Fliegen, die von der Chemikalie in die Falle gelockt worden waren, zählen. Sobald die Zahl der gefangenen Fliegen merklich anstieg, wurde es Zeit zum Spritzen.
Maria setzte die Fallen geschickt zusammen. Sie und ihr Mann Luis besaßen eine Nachbarplantage und zogen ebenfalls Pflaumen und Walnüsse. Maria sah von ihrer Arbeit auf. »Wo ist dein Mann heute?«
Julies Hand krampfte sich um den Eispickel. »Er ist weg.«
»So?« Maria arbeitete weiter. Wenn Julie ihr mehr erzählen wollte, würde sie weitersprechen. Wenn nicht, war das ihre Angelegenheit.
Julie seufzte. »Er sagt, er hätte etwas zu erledigen, Maria, will mir aber nicht verraten, was es ist. Ich habe ihn angefleht, hierzubleiben. Seit April ist er einmal im Monat für vier, fünf Tage verschwunden. Er hat mir versprochen, daß dies sein letzter Ausflug sein wird, und gesagt, er wäre Ende nächster Woche wieder hier. Aber ich weiß wirklich nicht, ob ich ihm glauben kann.«
»Seit seiner Rückkehr hast du einen glücklichen Eindruck gemacht«, bemerkte Maria.
»Ja. Und ich nahm an, daß auch Dan glücklich war.«
»Auf jeden Fall zeigt er Interesse für die Plantage. Luis sagt, Dan hätte sich alles gemerkt, was er ihm beibringen konnte.«
»Ich weiß. Ich weiß.« Julie rammte den Eispickel in eine hölzerne Stufe und ließ ihn dort stecken. »Aber ich habe mich vier Jahre lang allein mit allen möglichen Krankheiten und Schädlingen herumgeschlagen und wirklich erwartet, daß Dan sich nach seiner Freilassung mehr um alles kümmert.« Sie schüttelte den Kopf und ließ ihr honigblondes Haar in der Sonne schimmern. »Inzwischen frage ich mich, ob das Ganze die lange Wartezeit wert war.«
Sie spürte Marias Hand auf ihrem Arm. »Aber bestimmt. Dan ist ein guter, ernster Mann. Er ist zwar noch angespannt und verbittert, aber gut. Auch Luis war so, das weißt du so gut wie ich. Nach seiner Freilassung verschwand er ein halbes dutzendmal, um sich zu betrinken, weil er einfach irgendwie seinen Haß loswerden mußte.«
Auch Marias Mann hatte ein Jahr lang im Gefängnis gesessen, weil er bei einer Schlägerei in einer Taverne in Salinas einen Mann angestochen hatte. Die Tatsache, daß ihre Männer im Gefängnis saßen, hatte zu einer engen Bindung zwischen Julie und Maria geführt.
»Wahrscheinlich hast du recht«, sagte Julie. »Aber ich habe Dan gewarnt. Er kann mich nicht noch einmal so sitzen lassen.«
»Das wird er nicht mehr tun. Julie, er liebt dich! Und er braucht dich. Das kann jeder sehen.« Sie versetzte Julie einen Klaps aufs Bein. »Komm, wir hängen die Fallen auf, ehe die Fruchtfliegen meinen, die Plantage gehört ihnen.«
Julie liebte die Plantage, war aber inzwischen bereit, sie aufzugeben. Wenn Dan sie noch einmal allein ließ, würde sie sie zum Verkauf anbieten. Ein Käufer würde sich rasch finden. Sie hatten die Plantage drei Monate nach ihrer Hochzeit als Sicherheit für ihre Zukunft gekauft und ihre kümmerlichen Ersparnisse zusammengelegt, um die Anzahlung leisten zu können. Kurz darauf war Dan nach Südostasien versetzt worden, und sechs Monate später kam die unglaubliche Nachricht, daß er vor ein Kriegsgericht gestellt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war.
Julie wohnte damals in einem kleinen Apartment in Carmel und sang im Offiziersklub von Fort Ord. Als man dort fand, daß eine Sängerin, deren Mann im Gefängnis saß, nicht tragbar war, zog sie auf die Plantage hinaus und fing an, sie selbst zu bestellen.
Maria, die sich bemühte, Julie von ihren finsteren Gedanken abzulenken, fragte sie: »Was meinst du, wie groß wird eure Ernte in diesem Jahr?«
»Hundertachtzig, vielleicht auch zweihundert.«
»Nicht schlecht.«
»Wieviel erwartet Luis?«
Maria zögerte, wußte aber, daß Julie für freundliche Lügen nichts übrig hatte. »Zweihundertfünfzig Tonnen, sagte er.«
»Zweihundertfünfzig. Das wird euch einen guten Profit einbringen. Bei vierhundert Dollar pro Tonne werden wir gerade so unsere Unkosten hereinbringen.«
»Vielleicht werden eure Walnüsse besser«, meinte Maria.
»Sie müssen einfach besser werden.«
Sie blieben an einer freien, sonnigen Stelle stehen. Maria pflückte eine Pflaume, zog einen kleinen Druckmesser aus ihren Jeans und prüfte die Festigkeit der Frucht.
»Ihr werdet spät ernten«, prophezeite sie.
»Falls ich bis dahin noch hier bin«, entgegnete Julie.
»Fort Riley!« rief der Zugschaffner. Er blieb stehen und berührte Ryans Schulter. »Hier müßt ihr aussteigen, Soldaten.«
»Danke«, erwiderte Ryan und warf einen Blick aus dem Fenster. Der Zug hatte die endlose Weite von Zentralkansas durchquert und Fort Riley erreicht. Riley war eine offene Kaserne, was bedeutete, daß sich dort sowohl Soldaten als auch Zivilisten frei bewegen konnten. Highway 24 führte mitten durch die Anlage. Dies war einer der Gründe, warum Ryan Fort Riley für ihren Job ausgewählt hatte. Der Hauptgrund jedoch war, daß hier die siebte Infanteriedivision stationiert war, befehligt von Generalmajor Arthur Hanson.
Terrio und Hazlitt dösten noch immer. Die beiden konnten überall schlafen. Er schüttelte sie. »Terrio, Hazlitt, wir sind da.« Sie riefen einander mit Nachnamen und hatten das schon immer so gehalten. Ryan vermutete, daß sie sich auf diese Weise in der engen Gefängniszelle ein letztes Stückchen Privatsphäre bewahrt hatten.
Hazlitt schüttelte sich. »Wau, ich hatte einen tollen Sextraum.«
»Mein Rücken bringt mich noch um«, stöhnte Terrio und reckte sich.
Als sie aus dem Zug stiegen, fanden sie sich von Militärpolizisten umringt. Mindestens ein Dutzend von ihnen bildeten in dem winzigen Bahnhof von Fort Riley einen Halbkreis. Ryan war nicht überrascht, als er sah, daß sie altmodische Maschinenpistolen vom Kaliber 45 trugen – im Armeejargon »Fettpressen« genannt. Fettpressen waren schon lange überholt, aber die Armee hält an altem Gerät und Tradition fest. Ryan rechnete damit, daß dieser Charakterzug der Aktion zum Erfolg verhelfen würde.
»Keine Sorge, Soldaten. Wir haben es nicht auf euch abgesehen.« Ein bulliger Leutnant der Militärpolizei kam auf sie zu. »Es scheint euch zu überraschen, daß alle Waffen auf euch zeigen«, sagte er lachend. »Aber wir holen nur den Sold ab. Ihr braucht nur aufzupassen, daß ihr euch rechtzeitig zur Auszahlung anstellt.«
»Jawohl, Sir«, sagte Hazlitt. Die drei salutierten. »Ich dachte schon, wir wären wieder in Vietnam, aber auf der falschen Seite.«
Der Leutnant lachte erneut und erwiderte lässig den Gruß. »Seid ihr versetzt worden?«
»Ja, Sir«, antwortete Terrio. »Können Sie uns sagen, wo das Ersatztruppenzentrum ist?«
»Geradeaus, oben auf dem Hügel. Ich würde euch ja mitnehmen, aber wir haben hier einen kleinen Sonderauftrag zu erledigen.«
»Trotzdem, vielen Dank, Sir«, sagte Ryan.
»Schon recht. Wir sehen uns später, Leute.« Der Leutnant ging auf den Gepäckwagen des Zuges zu. Dort wurden die sechs grauen Säcke von zwei Militärpolizisten in Empfang genommen und in den Jeep des Leutnants geladen. Sie enthielten die Soldgelder für den größten Teil der Division und das hier stationierte Kontingent der Fünften Armee. Da die Armee eine der letzten Organisationen ist, die nach wie vor einen Großteil ihrer Leute in bar entlohnt, würden diese Säcke rund sechshunderttausend Dollars enthalten. Ryan, Hazlitt und Terrio erklommen den Hügel, ohne sich auffällig um das Geld zu kümmern. Als sie die Anhöhe erreicht hatten, kamen Militärpolizisten an ihnen vorbeigerollt, fünf Jeeps voll bewaffneter Männer. Der Jeep des Leutnants fuhr in der Mitte der Kolonne. Ryan wußte, wohin das Geld von hier aus gebracht wurde: ins Büro des Zahlmeisters im Divisionshauptquartier. Morgen war bei der amerikanischen Armee Zahltag. Jeder Kompaniechef in Fort Riley würde sich bei der Zahlmeisterei melden, begleitet von zwei Wachen, die aus seiner eigenen Einheit ausgewählt worden waren, um den Sold für seine Leute entgegenzunehmen. Anschließend nahm die gesamte Kompanie Aufstellung, und der Kompaniechef zahlte seine Männer auf Grund der vom Zahlmeister zusammengestellten Unterlagen aus. Morgen allerdings würde das anders sein, denn Ryan, Hazlitt und Terrio beabsichtigten, die Soldgelder in der Nacht aus dem Divisionshauptquartier zu stehlen.
»Wo ist eigentlich dieses Ersatztruppenzentrum?« schnaufte Terrio. »Dieses Ding bricht mir das Kreuz.« Terrios Sack war ungewöhnlich schwer, weil er Werkzeug zum Knacken des Safes und Plastiksprengstoff enthielt.
»Es ist nicht mehr weit«, tröstete Hazlitt. »Komm, ich nehme ihn dir ab.«
»Danke, ich behalte ihn«, grollte Terrio. »Ich wollte nur wissen, wie lange ich ihn noch in der Landschaft herumschleifen muß.«
Sie hatten den oberen Exerzierplatz erreicht, der auf allen Seiten von reizvollen alten Gebäuden umgeben war. Hier war das Zentrum der Garnison, wo sich die Versorgungseinheiten befanden. Divisionshauptquartier, Ersatztruppenzentrum, Militärgefängnis, Kapelle, PX-Laden, Kantine, Offiziersmesse, Bibliothek, Theater, Unteroffiziersmesse, Quartiere für unverheiratete Offiziere. Die Gefechtstruppen waren in drei Kasernen rund um die Garnison untergebracht: Camp Funston, Custer Hill und Camp Forsyth. Die Garnison glich einer kleinen Stadt. Die Frauen der Soldaten erledigten im PX-Laden ihre Lebensmitteleinkäufe, während ihre Männer Dienst schoben.
Sie erreichten das Ersatztruppenzentrum, ein zweistöckiges, auf allen Seiten und beiden Stockwerken mit einer Veranda umgebenes Gebäude. Nachdem sie die Schreibstube gefunden hatten, stellten sie ihre Säcke vor der Tür ab.
Im Büro saß ein Sergeant in Arbeitskleidung und tippte mit zwei Fingern. Er sah nicht auf. Ein anderer Mann fertigte sie ab. »Haben Sie einen Marschbefehl? Geben Sie mir zwei Kopien.«
Sie holten die grauen Umschläge aus ihren Kleidersäcken und übergaben ihm ihre Marschbefehle. Es war lächerlich einfach gewesen, diese Dokumente zu fälschen, da sie gewöhnlich nur getippt und fotokopiert wurden. Sie enthielten nur Namen, Dienstrang, Dienstnummer, die alten und neuen Einheiten, Abgangsdatum und das Datum, an dem man sich bei seiner neuen Einheit zu melden hatte.
Der Mann überflog die Marschbefehle und sah Terrio mißtrauisch an. »Sie melden sich einen Tag zu früh, Martelli.« Martelli war der Name, der in Terrios Papieren stand.
»Ich habe mich mit meiner Frau gestritten«, sagte Terrio.
Der andere grinste. »Wer hat gewonnen?«
»Wenn sie nicht gewonnen hätte, wäre ich noch nicht hier.«
Sie hatten beschlossen, die Daten auf den Marschbefehlen leicht zu variieren, um nicht den Eindruck zu erwecken, daß sie ein Drei-Mann-Team waren. Die Namen auf den Befehlen waren selbstverständlich fingiert. Terrios Befehl lautete, sich bei der Verpflegungsschule in Fort Riley als Ausbilder zu melden. Ryan war angeblich ein neuer Zugführer in der dreiunddreißigsten Kampfgruppe, Zweite Infanterie. Hazlitt sollte sich als Panzerkommandeur beim einundzwanzigsten Panzerbataillon melden.
Der Mann von der Schreibstube stellte ihre Marschbefehle nicht in Frage, sondern überflog sie lediglich, um festzustellen, wohin die Männer unterwegs waren. Am nächsten Morgen würde er die Befehle an die neuen Einheiten hinausgehen lassen. In diesem Fall jedoch rechneten die erwähnten Einheiten gar nicht mit diesen Ersatzleuten. Die Befehle würden mit der Bitte um Klarstellung zurückkommen, aber um diese Zeit würden die Ersatzleute bereits über alle Berge sein.
»Besorgen Sie sich Ihr Bettzeug beim Kammerunteroffizier«, sagte er. »Er sitzt im Tiefgeschoß. Essen gibt’s um halb fünf.«
»Danke«, erwiderte Hazlitt.
Sie gingen nach oben und betraten einen typischen Kasernenschlafraum. Betten in zwei Reihen, dahinter Stahlspinde. An den mitten durch den Raum laufenden Säulen hingen rotgestrichene alte Schmalzdosen, mit Sand gefüllt, die als Aschenbecher dienten. Auf den Betten lagen nur wenige Soldaten, die den Neuankömmlingen keine Beachtung schenkten. Ein Ersatztruppenzentrum ist ein merkwürdiger Platz. Keiner kennt den anderen, alle warten auf einen Marschbefehl, und niemand hat viel zu tun, jedenfalls nicht die Unteroffiziere. Die Gemeinen wurden zu Reinigungsdienst und anderen Aufgaben abkommandiert. In einem Ersatztruppenzentrum werden keine Freundschaften geschlossen, weil niemand lange genug bleibt. Ein vorzüglicher Platz zum Untertauchen.
»Schnappen wir uns diese Betten da«, sagte Ryan. Sie gingen auf drei Betten am Ende des Raumes zu, deren Matratzen aufgerollt und unbezogen waren.
»Fast perfekt«, meinte Hazlitt. Terrio grunzte zustimmend. Die benachbarten Betten waren unbelegt. Sie schoben ihre Kleidersäcke in die Spinde, nahmen die Vorhängeschlösser von den Säcken und sicherten damit die Spindtüren. Dann gingen sie nach unten, um Bettzeug zu fassen.
»Sehen wir uns mal den Tagesraum an«, schlug Hazlitt vor, nachdem sie ihre Betten gemacht hatten. »Nach dem Essen können wir die Garnison auskundschaften.«
Auch der Tagesraum befand sich im Tiefgeschoß. Er bot einen Billard- und zwei Tischtennistische, einen Schwarzweißfernseher, der nur den Sender der nächsten Stadt empfing, einige Sessel, deren Polsterung herauszuquellen begann, einige alte Zeitschriften und zwei Damebretter. Sie spielten zwei Runden Billard, in deren Verlauf Ryan und Terrio je fünf Dollar an Hazlitt verloren, der mit dem Queue in der Hand in einer texanischen Kleinstadt aufgewachsen war, wo man nach zehn Uhr nur noch in den Billardsalon gehen konnte. Als die Kantine geöffnet wurde, gingen sie nach oben, um etwas zu essen.
»Verdammt, was für eine Sauerei«, knurrte Terrio, als sie sich an der Essensausgabe anstellten. Ryan mußte ihm zustimmen. Als Hauptgericht gab es Huhn, paniert mit knusprig gebackenem Mehlteig, darunter aber war es fast roh. Das Kartoffelpüree bestand aus dicken Klumpen, umgeben von einer wäßrigen Flüssigkeit. Die Erbsen hätten aus einem Kugellager stammen können. Als ehemaliger Küchenunteroffizier fühlte sich Terrio in seiner Berufsehre gekränkt. Er warf Messer und Gabel hin und trank nur Kaffee. »Nun schau dir bloß diesen Dreck an! Ich bin sowieso zu nervös zum Essen.«
»Ich nehme deinen Teller«, erbot sich der schlaksige Hazlitt. »Backhuhn ist mein Leibgericht.« Sein Kinn hing eine Handbreit überm Tellerrand, als er den Fraß in sich hineinschlang. Ryan und Terrio waren daran gewöhnt und sahen gar nicht erst hin.
Nach dem Essen standen sie draußen vor dem Gebäude. »Hazlitt, du schaust dir den Fuhrpark der Militärpolizei an und stellst fest, wer heute nacht dort Wache hat. Soviel ich weiß, werden dazu noch immer Rekruten abkommandiert. Terrio, du gehst zum Divisionshauptquartier und schaust nach, ob alles noch so ist wie vor einem Monat, als wir zuletzt hier waren. Ich setze mich in die PX-Cafeteria und sehe mir von dort aus um sechs Uhr die Wachablösung an. Dort treffen wir uns wieder, nicht später als sieben Uhr. Achtung …« Ein Leutnant, der Arbeitskleidung und das rote Halstuch eines Artilleristen trug, kam auf sie zu. Sie salutierten, als er vorbeiging, und sprachen erst dann weiter, nachdem er außer Hörweite war. »Redet nur mit Fremden, wenn es unbedingt sein muß«, mahnte Ryan. Sie hatten gerade die Unteroffiziersmesse erreicht, als eine braune Armeelimousine vorbeiglitt. Am rechten vorderen Kotflügel war ein roter Stander befestigt, auf dem zwei silberne Sterne glitzerten.
»He, Ryan! Da kommt dein Freund General Hanson!« sagte Hazlitt. Ryan erhaschte einen kurzen Blick auf Generalmajor Hanson, als sie Haltung annahmen und grüßten. Sie sahen, wie er seinen Nacken berührte. General Hanson war peinlich auf korrekten Haarschnitt bedacht, ließ sich zweimal in der Woche die Haare schneiden und erwartete das auch von seinen Offizieren. Wo er das Kommando hatte, verdreifachte sich die Zahl der Friseure. Er mußte gerade vom Friseur gekommen sein. Sein eisengraues Haar war kurz, aber voll, und er saß in der chauffeurgesteuerten Stabslimousine wie Cäsar in seinem Prunkwagen. Die makellose, frisch gestärkte Sommeruniform war tailliert und betonte seine schlanke Figur. Die kleinen, tief in seinem schmalen Gesicht liegenden Augen schienen einem unglücklichen Feind am Horizont entgegenzustarren.
»Ah, das ist also der Mann, den wir rupfen wollen«, bemerkte Terrio. Ryan hatte zwar oft von Hanson gesprochen, aber im Lauf der vier Monate, die sie mit der Planung der Aktion verbracht hatten, war der Mann weder Hazlitt noch Terrio zu Gesicht gekommen. Sie konnten Ryan seinen Rachedurst nicht verdenken, und wenn bei der Diskreditierung des Generals auch noch Geld heraussprang, war das um so besser.
»Das ist er«, sagte Ryan.
»Morgen wird er sich nicht ganz so prächtig fühlen«, sagte Hazlitt lachend.
»Hoffentlich«, grollte Ryan.
Terrio und Hazlitt hielten den Mund, solange Ryan mit seinem Zorn kämpfte. Sie wußten, wie sehr Ryan Hanson haßte. In Vietnam, als er noch Brigadegeneral gewesen war und einen Frontabschnitt kommandiert hatte, hatte Hanson Ryan böse mitgespielt. Der General stand in dem Ruf, ein hundertfünfzigprozentiger Schlächter zu sein. Wenn die Anweisung kam, die Zahl der getöteten Vietcong um zehn Prozent zu erhöhen, lieferte er zwanzig Prozent. Wenn ein Dorf als kommunistisch verseucht galt, brannte er es nieder und zerstörte auch noch zwei, drei umliegende Dörfer, nur um ganz sicher zu sein, daß ihm kein Kommunist entging.
Als der Befehl eintraf, die Soldaten daran zu hindern, Versorgungsgüter zu stehlen und auf dem schwarzen Markt zu verkaufen, schlug Hanson rasch und unbarmherzig zu. Überall in seinem Frontabschnitt wurden Straßensperren errichtet, an denen Militärpolizisten jeden Soldaten nach Diebesgut durchsuchten. Einer der Festgenommenen war Sergeant Daniel Ryan gewesen, der ein Paket voller Jodtinktur, Aspirintabletten, Verbandzeug und einer Reihe anderer Medikamente bei sich trug. Seiner Erklärung nach brachte er diese Gegenstände in ein Waisenhaus südlich von Saigon, wo Medikamente und Verbandzeug knapp waren. Er tat das jeden Monat, sammelte lediglich Versorgungsgut ein, das im Feld verloren oder liegengelassen worden war. Niemand hörte ihm zu. Ryan war einer von zwanzig Männern, die in Hansons Abschnitt mit kleinen Mengen von Armeegut ertappt worden waren. Alle wurden vor ein Kriegsgericht gestellt. Alle wurden schuldig gesprochen. Die Regierung in Saigon entsprach General Hansons Bitte und ließ nicht zu, daß der Arzt des Waisenhauses bei Ryans Verhandlung aussagte.
Später erhob sich die Frage, weshalb es General Hanson nicht gelungen war, den großen Schwarzmarkthändlern in seinem Sektor das Handwerk zu legen. Einige Leute flüsterten sogar, daß Hanson mit diesen dicken Fischen unter einer Decke gesteckt und sie rechtzeitig vor den Straßensperren und der Suchaktion gewarnt hatte. Als diese Gerüchte jedoch umzulaufen begannen, war Ryan bereits unehrenhaft entlassen und zurück in die Staaten geschickt worden, um seine Strafe anzutreten.
Ryan blieb stehen. »Hier trennen wir uns. Um sieben Uhr sehen wir uns in der PX-Cafeteria wieder. Macht keinen Ärger. Grüßt jeden Offizier, der euch auf fünfzehn Meter nahekommt. Und du, Hazlitt, schlägst endlich einmal militärische Gangart an. Du latschst wie ein alter Köter, der den Weg nach Hause ausschnüffelt.«
Hazlitt lachte glucksend und begann zu stolzieren wie ein siegreicher General, der seine Truppen inspiziert. »Ist es so besser, Sergeant?« rief er zurück.
»Einfach großartig«, stöhnte Ryan. Er war hoffnungslos. Hazlitt latschte wie ein Landjunge und würde das für den Rest seines Lebens tun. Sie konnten nur hoffen, daß er niemandem auffiel.
»Schöner Clown«, murrte Terrio.
»Keine Sorge«, erwiderte Ryan. »Er kann schon auf sich selbst aufpassen, und es wird ihn sowieso niemand anhalten. Diese Garnison ist ein Sauhaufen.«
»Jaja«, meinte Terrio unbeeindruckt. »Schön. Ich nehme jetzt das Divisionshauptquartier unter die Lupe. Wir sehen uns um sieben.«
General Hanson stieg vor der Offiziersmesse aus seiner Limousine aus und entdeckte einen grünen Flecken auf der Gürtelschnalle seines Fahrers. Er hob sein Offiziersstöckchen und tippte mit der Spitze, die aus einem Geschoß vom Kaliber 30 bestand, darauf. »Sie können sich mit Ihrer Schnalle beschäftigen, während ich esse, Sergeant.«
»Jawohl, Sir«, erwiderte der Mann. Er ging Hanson voraus, um ihm die Tür zur Messe zu öffnen.
Drinnen kam ein weiterer eifriger Untergebener herbeigeeilt, um den General zu begrüßen. »Ihr Gast erwartet Sie im Salon, Sir«, meldete Captain Frederick. Als Manager der Offiziersmesse fühlte Captain Frederick sich von der Angewohnheit des Generals, seine Mahlzeiten in der Messe einzunehmen, geehrt. Er hielt Hanson für einen hervorragenden Offizier und Gentleman, bewunderte seine Haltung und seine maßgeschneiderten Uniformen. Er hatte durchaus nichts dagegen, einmal im Monat die Rechnungen des Generals für das Essen zu zerreißen und den Verlust in seinen Büchern als Schwund auszugleichen.
»Hier entlang, Sir.« Captain Frederick neigte kriecherisch den Kopf, während er den General in den Salon geleitete. Brannigan saß an der Bar und trank Scotch aus einem Schnapsglas. Er war nicht der einzige Anwesende, der zum Abendessen Zivil trug, aber ganz offensichtlich der einzige Zivilist. Seine umfangreiche, zerknitterte Gestalt war total unmilitärisch. Sein zerfurchtes Gesicht verriet keine Spur von Ehrerbietung, als der General auf ihn zukam. Ohne sich erst zu erheben, streckte Brannigan eine schwere Hand aus und sagte: »Hallo, Arthur, nett, Sie wieder mal zu sehen.«
Der General schüttelte ihm freundlich die Hand. »Ist schon lange her, Bob.«
»Teilen wir uns eine Flasche Scotch?«
»Aber gewiß. Warum setzen wir uns nicht an meinen Tisch? Ich nehme doch an, daß im Speisesaal alles für uns bereitsteht.«
Der General machte eine vage Handbewegung in diese Richtung, worauf Captain Frederick an seiner Seite auftauchte. »Ihr Tisch ist gedeckt, Sir.« Frederick fand Brannigans saloppe Manieren, seinen ungebügelten Anzug und seinen Mangel an Ehrfurcht vor dem General einfach entsetzlich, brachte aber ein korrektes Lächeln zuwege, als er Brannigan einen Stuhl zurechtrückte und den Kellner anwies, dem General seinen üblichen Dry Martini und Mr. Brannigan einen Scotch und Wasser zu bringen.
»Das Wasser können Sie sich schenken, Junge«, bellte Brannigan. »Wenn ich mir die Hände waschen will, gehe ich ins Pissoir.«
»Wie Sie wünschen«, entgegnete Captain Frederick steif. Seit seiner Bestallung vor fünfzehn Jahren hatte niemand mehr »Junge« zu ihm gesagt. Und die Offiziere in dieser Messe bezeichneten die Toilette auch nicht als »Pissoir«. Er zog sich zurück.
Der Kellner brachte die Getränke und wartete in einiger Entfernung vom Tisch. Es kam häufig vor, daß der General die Stirn runzelte, verkündete, daß der Drink nicht ordentlich gemixt worden war, und ihn prompt zurückschickte. Diesmal aber nahm der General einen kleinen Schluck, lächelte, und der Kellner verschwand.
General Hanson fühlte sich wie gewöhnlich von Brannigans Erscheinung und seinen Manieren abgestoßen. Er sagte sich, daß Brannigan immerhin nur ein Zivilist war und es keiner tadellosen Manieren bedurfte, um zu einem der größten Baulöwen des Landes zu werden. Brannigan war jedoch zuverlässig, wenn es ums Geschäft ging, verstand rasch, was von ihm erwartet wurde, und löste seine Versprechungen ein. Hanson trank einen Schluck Martini und entschied, daß diese Qualitäten Brannigans Ungehobeltheit wettmachten.
»Zu schade, daß wir unser Treffen nicht für nächste Woche ansetzen konnten«, sagte General Hanson. »Am Wochenende lasse ich Feuersturm zur Garnison transportieren. Sie würden sich sicher freuen, wenn Sie sehen könnten, wie prächtig er sich entwickelt hat.«
»O ja«, murmelte Brannigan, war aber froh, daß Feuersturm sich nicht in der Garnison befand. Das Vollblutrennpferd hatte ihn vor vier Jahren fünfundzwanzigtausend Dollars gekostet. Allerdings hatte Brannigan keinen Anlaß, sich über den Handel zu beschweren. Der Auftrag, auf Hansons früherem Kommandoposten eine Kantine, Schwimmbecken und neue Kasernen zu errichten, hatte seiner Firma einen fetten Profit eingebracht. Dennoch verspürte Brannigan keine sonderliche Lust, sich ein Rennpferd anzusehen, das er für jemand anders gekauft hatte. Mehr als ein bißchen Stoff für Konversation war ihm der Gaul nicht wert.
General Hanson redete weiter von Pferden und Fuchsjagden in Virginia und seinem von acht Hektar besten Landes umgebenen Haus bei Roanoke. Brannigan fragte sich, was der General diesmal wollte. Was ihn selbst betraf, wußte er genau, was er wollte – den Auftrag für die neuen Hubschrauberhallen, Wartungsgebäude und Landestreifen auf dem Flugfeld in Fort Riley. Die Armee plante hier ein großes Ausbildungszentrum für Hubschrauberpiloten, und der Kongreß hatte bereits zehn Millionen Dollar für den Bau des Projekts bewilligt. Der Auftrag wurde nicht durch eine Ausschreibung vergeben, sondern die Beamten des Beschaffungsamtes im Verteidigungsministerium verhandelten direkt mit den Bietern. Brannigan hatte bereits in Washington die entsprechenden Leute geschmiert und wußte, daß er nur noch den General zu verarzten hatte, dann gehörte der Auftrag ihm.