Grundlegung der deutschen Sprachkunst - Johann Christoph Gottsched - E-Book

Grundlegung der deutschen Sprachkunst E-Book

Johann Christoph Gottsched

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Gottscheds Werk zur deutschen Sprache und Grammatik erschein bereits Mitte des 18. Jahrhunderts und war viele Jahrzehnte Referenzwerk für Lehrer und Studierende.

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Grundlegung der deutschen Sprachkunst

Johann Christoph Gottsched

Inhalt:

Johann Christoph Gottsched – Biografie und Bibliografie

Grundlegung der deutschen Sprachkunst

Römisch-Kaiserl. wie auch Königl. Pohln. und Churf. Sächsische Befreyungsbriefe.

Vorrede der ersten Ausgabe.

Nachricht wegen der zweyten Auflage.

Vorrede der dritten Auflage.

Vorrede der vierten Auflage.

Erinnerung wegen der fünften Auflage.

Grundriß einer deutschen Sprachkunst.

Der Einleitung

I Abschnitt.

II Abschnitt.

III Abschnitt.

I Theil. Die Rechtschreibung.

Das I Hauptstück.

Das II Hauptstück.

Das III Hauptstück.

Das IV Hauptstück.

Das V Hauptstück.

II. Theil. Die Wortforschung.

Das II Hauptstück.

Das III Hauptstück.

I Abschnitt.

II Abschnitt.

III Abschnitt.

Das IV Hauptstück.

I Abschnitt.

II Abschnitt.

III Abschnitt.

Das V Hauptstück.

Das VI Hauptstück.

I Abschnitt.

II Abschnitt.

III Abschnitt.

IV Abschnitt.

V Abschnitt.

Das VII Hauptstück.

Das VIII Hauptstück.

Das IX Hauptstück.

Das X Hauptstück.

Das XI Hauptstück.

III Theil. Die Wortfügung.

Vorerinnerung.

Das I Hauptstück.

Das II Hauptstück.

Das III Hauptstück.

Das IV Hauptstück.

Das V Hauptstück.

Das VI Hauptstück.

Das VII Hauptstück.

Das VIII Hauptstück.

Das IX Hauptstück.

Das X Hauptstück.

Das XI Hauptstück.

Das XII Hauptstück.

IV Theil. Die Tonmessung.

Vorerinnerung.

Das I Hauptstück.

Das II Hauptstück.

Das III Hauptstück.

Das IV Hauptstück.

Das V Hauptstück.

Das VI Hauptstück.

I Anhang. Erörterung der orthographischen Frage: Ob man Deutsch oder Teutsch schreiben solle?

Nachricht.

Einleitung.

Erster Abschnitt,

Zweyter Abschnitt.

II Anhang, Der entschiedene Rechtshandel der doppelten Buchstaben.

III Anhang. Schreiben an die sel. Frau Prof. Gottschedinn,

I Register. Verzeichniß der erklärten Kunstwörter

III Register der vornehmsten Sachen.

Grundlegung der deutschen Sprachkunst, J. C. Gottsched

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN: 9783849626259

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Johann Christoph Gottsched – Biografie und Bibliografie

Schriftsteller, geb. 2. Febr. 1700 zu Judithenkirch (Juditten) bei Königsberg i. Pr. als Sohn eines Predigers, gest. 12. Dez. 1766 in Leipzig, bezog frühzeitig die Universität Königsberg, um Theologie zu studieren, widmete sich jedoch bald ausschließlich dem Studium der Philosophie und der schönen Wissenschaften. 1724 flüchtete er aus Furcht vor den preußischen Werbern, die ihn wegen seiner stattlichen Größe ins Auge gefasst hatten, nach Leipzig, wo der berühmte Polyhistor J. B. Mencke ihn zum Privatlehrer seines ältesten Sohnes erwählte. Noch in demselben Jahre habilitierte sich G. mit einer im Geiste der Wolffschen Philosophie abgefassten Abhandlung und eröffnete Vorlesungen über die schönen Wissenschaften. Mencke führte ihn tu die Görlitzer poetische Gesellschaft ein, aus der G., zum Senior erwählt, eine »Deutsche Gesellschaft« (1727) und eine bedeutende Pflegestätte der Poesie und Beredsamkeit machte; sie besteht noch jetzt. 1730 wurde er zum außerordentlichen Professor der Poesie und 1734 zum ordentlichen Professor der Logik und Metaphysik ernannt. G. begann seine umfassende literarische Wirksamkeit bereits ein Jahr nach seiner Ankunft in Leipzig mit den Zeitschriften »Die vernünftigen Tadlerinnen« (Halle u. Leipz. 1725–26, 2 Bde.) und »Der Biedermann« (das. 1727), deren Hauptinhalt belehrende und erbauliche Aufsätze nach Art der englischen moralischen Wochenschriften ausmachten. Hierauf folgte eine Reihe andrer Zeitschriften mit vorwiegend ästhetisch-literarhistorischem Inhalt: »Beiträge zur kritischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit« (Leipz. 1732); »Neuer Büchersaal der schönen Wissenschaften und freien Künste« (das. 1745–54); »Das Neueste aus der anmutigen Gelehrsamkeit« (das. 1751–62). Durch diese Zeitschriften erwarb er sich ein unleugbares Verdienst um die Sprache, insofern er sie durch möglichste Verbannung der Fremdwörter, Deutlichkeit des Ausdrucks und künstlerische Durchbildung des Stiles zu vervollkommnen suchte. Neben seinen Zeitschriften sind seine Lehrbücher zu erwähnen: »Ausführliche Redekunst« (Hannov. 1728, 6. Aufl. 1759), »Grundlegung einer deutschen Sprachkunst« (Leipz. 1748) und vor allem der »Versuch einer kritischen Dichtkunst für die Deutschen« (das. 1730 u. ö.). Hier gibt er ein vollständiges System der Dichtgattungen, doch geht er nicht darauf aus, ihr inneres Wesen zu ergründen, sondern nur darauf, die Dichter zu äußerlicher Befolgung der überlieferten Regeln anzuhalten. Durch diese Tendenz seiner kritischen Dichtkunst geriet er mit den Schweizern Bodmer und Breitinger, welche die Theorie der Poesie tiefer auffaßten, in einen Gegensatz, aus dem sich seit 1740 eine heftige Polemik entwickelte. G. zog in dieser Polemik den kürzeren, zumal nachdem die Schweizer 1748 in Klopstock einen Dichter gefunden hatten, der ihre Ideale zu verwirklichen schien, und G. sich dadurch lächerlich machte, daß er gegenüber der Messiade den »Hermann« von Schönaich (s. d.) als die höchste epische Leistung der Deutschen anpries. Unter den dichterischen Gattungen wendete er dem Drama die meiste Sorge und Aufmerksamkeit zu. Hier waren es vor allem die Haupt- und Staatsaktionen und die Opern, denen er den Krieg erklärte, in dem er auch Sieger blieb. Er hatte sich vorgesetzt, ein deutsches Theater nach dem Muster des französischen zu gründen, und diesen Zweck suchte er mit seiner Gattin durch zweckmäßige Übersetzungen wie durch originale Produktionen zu erreichen. Sein aus Addison und Deschamps zusammengestoppeltes Trauerspiel »Der sterbende Cato« (Leipz. 1732) war freilich eine sehr schwache Leistung, wurde aber gleichwohl von seinen Anhängern bewundert. 1727 war der Theaterprinzipal Neuber mit seiner Truppe nach Leipzig gekommen; seine Frau, die eigentliche Seele der Unternehmung, ging auf Gottscheds Pläne ein und bewirkte wertvolle Reformen des Theaters, insbesondere des Spielplans. Später gab G. in seiner »Deutschen Schaubühne, nach den Regeln der alten Griechen und Römer eingerichtet« (Leipz. 1740–1745, 6 Bde.) eine Sammlung von Dramen heraus, die als Musterschöpfungen gelten sollten und aus Originaldichtungen von G. selbst, von seiner Gattin, von J. E. Schlegel, Quistorp, Uhlich sowie aus Übersetzungen von Racine, Corneille, Voltaire, Destouches, Molière, Holberg etc. bestanden. Der poetische Gehalt der Sammlung ist, was die deutschen Dramen betrifft, außerordentlich mager, aber sie verdient doch vom geschichtlichen Standpunkt aus Beachtung und Anerkennung. G. hatte infolge seiner Einmischung in die Angelegenheiten des praktischen Bühnenwesens manche Unannehmlichkeiten zu erdulden; 1741 zerfiel er mit der Neuberin, die ihn in einem Vorspiel verspottete, ein Ereignis, das von Joh. Christ. Rost (s. d.) in einem komischen Epos besungen wurde; 1753 wurde er durch sein Auftreten gegen Weises Operette »Der Teufel ist los« in eine ähnliche Streitigkeit verwickelt. Von da an beschäftigte er sich nur noch als Literarhistoriker mit der Bühne; eine Frucht dieser Studien ist sein »Nötiger Vorrat zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst« (Leipz. 1757–65), worin ein Verzeichnis aller dramatischen Produkte aus den Jahren 1450–1760 gegeben werden sollte. Das Werk ist nicht vollständig, aber noch heute ein wichtiges Hilfsmittel für das Studium der Geschichte des deutschen Schauspiels. Außerdem schrieb G. noch eine Menge Abhandlungen literarhistorischen und kritischen Inhalts sowie größere und kleinere philosophische Werke im Sinne der Wolffschen Schule. Auch übersetzte er mehrere wichtige Erzeugnisse der französischen Aufklärungsliteratur, z. B. Fontenelles Schrift über die heidnischen Orakel (Leipz. 1830); von Bayles »Dictionnaire« erschien unter seiner Leitung eine deutsche Übersetzung (das. 1741–44). In den Jahren von 1729–40 übte G. eine Art von literarischer Alleinherrschaft in Deutschland aus; dann sank sein Ansehen immer mehr, und seine vielseitigen Verdienste, seine nationale Begeisterung für die Hebung des deutschen Schrifttums wurden auch von Männern wie Lessing stark unterschätzt. Vgl. Danzel, G. und seine Zeit (Leipz. 1848); Breitmaier, Die poetische Theorie Gottscheds und der Schweizer (Tübingen 1879); Reicke, Zu Gottscheds Lehrjahren (Königsb. 1892); Krause, G. und Flottwell, die Begründer der deutschen Gesellschaft in Königsberg (Leipz. 1894); E. Wolff, Gottscheds Stellung im deutschen Bildungsleben (Kiel 1895–97, 2 Bde.); am besten: Waniek, G. und die deutsche Literatur seiner Zeit (Leipz. 1897). Mit Nachdruck wirkte neuerdings E. Reichel für die Anerkennung Gottscheds in den Werken: »Ein Gottsched-Denkmal« (Berl. 1900), »Gottsched. Biographische Skizze« (das. 1900), »G., der Deutsche« (das. 1901) und »Kleines Gottsched-Wörterbuch« (das. 1902) sowie durch Begründung einer »Gottsched-Gesellschaft« in Berlin.

Grundlegung der deutschen Sprachkunst

Nach den Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und itzigen Jahrhunderts abgefasset, und bey dieser fünften Auflage merklich verbessert, von Johann Christoph Gottscheden, P.P. der Univ. Leipzig Decemv. des großen Fürstencoll. u. der phil. Facult. Sen. der churf. Stipend. Aufs. u. verschiedener Akad. der Wiss. Mitgliede,

Mit Röm. Kaiserl. wie auch Königl. Pohln. und Churf. Sächs. allergnädigster Freyheit.

Hvgo Grotivs

In Lex. vet.Germ. Abrah. Mylii. vid. Farr. L. III. p. 215.

O PATRIA salve LINGVA!QUAM SUAM FECIT

NEC HUMILIS UMQUAM, NEC SUPERBA LIBERTAS;

QUAM NON SUBACTIS CIVIBUS DEDIT VICTOR,

NEC ADULTERAVIT INQUILINA CONTAGES:

SED CASTA, SED PUDICA, SED TUI JURIS,

GERMANA PRISCÆ FORTITUDINIS PROLES;

Lingua imperare natalQUÆ CITOS MENTIS

SENSUS ADÆQUAS, NON MINUS BREVI VOCE;

CUJUS RETENTA PARTE, tot triumphatæ

Adhuc facentur Teutonum arma gentes:

FRANCI POTENTIS PRÆDA DITIOR GALLUS,

ET LONGOBARDO VICTUS INSUBER MOLLIS:

GOTHIQUE REGNUM NUNDINATOR HISPANUS:

LEGESQUE PASSUS ANGLOSAXONUM BRITTO.

QUID SEMIBELGAS, SEMIBARBAROS TAUROS,

PERSASQUE REFERAM, NOSTRA VERBA CONANTES? etc.

Römisch-Kaiserl. wie auch Königl. Pohln. und Churf. Sächsische Befreyungsbriefe.

Wir Franz von Gottes Gnaden, erwählter Römischer Kaiser, zu allen Zeiten Mehrer des Reichs, in Germanien und zu Jerusalem König, Herzog zu Lothringen und Bar, Großherzog zu Toscana. Fürst zu Charleville, Marggraf zu Nomeny, Graf zu Falkenstein etc. etc. Bekennen öffentlich mit diesem, und thun kund allermänniglich, daß Uns Unser und des Reichs lieber Getreuer, Bernhard Christoph Breitkopf, Buchhändler und Buchdrucker in Leipzig, unterthänigst zu vernehmen gegeben, was maßen das von Uns, ihm über Johann Christoph Gottscheds, PROFESSORIS PHILOSOPHIÆ daselbst, sogenannte Grundlegung einer deutschen Sprachkunst, unterm Sechzehenden DECEMBRIS Siebenzehen hundert Acht und Vierzig, auf zehen Jahre ertheilte PRIVILEGIUM IMPRESSORIUM, inner Jahres-Frist zu EXSPIRIREN beginne, Uns dahero unterthänigst bittend, weilen Supplicant gedachtes Werklein vermehrter und vollständiger, unter dem Titel: Neuerläuterte deutsche Sprachkunst, wiederum auflegen zu lassen gesonnen, wir sothanes Privilegium auf andere zehen Jahre, jedoch A LAPSU PRIORUM, extendiren zu lassen, gnädigst geruhen wollten. Wann Wir nun solche des Supplicantens demüthigste ziemliche Bitte mildest angesehen; Als haben Wir ihm Breitkopfen, seinen Erben und Nachkommen die Gnad gethan, und Freyheit gegeben; thun solches auch hiermit wissentlich, in Kraft dieses Briefes, also und dergestalten, daß gedachter Bernhard Christoph Breitkopf, seine Erben und Nachkommen, obbesagte Gottschedens neu erläuterte deutsche Sprachkunst ferner in offenen Druck auflegen, ausgehen, hin- und wieder ausgeben, feil haben, und verkaufen lassen mögen, auch ihnen solches niemand, ohne ihren Consens, Wissen oder Willen, innerhalb denen weitern zehen Jahren, von Verfließung der vorigen anzurechnen, im heil. Röm. Reich, weder unter diesem noch anderm Titel, weder in größerer noch kleinerer Form nachdrucken und verkaufen solle; und gebiethen darauf allen und jeden Unsern und des heil. Reichs Unterthanen und Getreuen, insonderheit aber allen Buchdruckern, Buchführern, Buchbindern, und Buchhändlern, bey Vermeidung einer Pön von Fünf Mark löthiges Goldes, die ein jeder, so oft er freventlich darwider thäte, Uns halb in Unsere Kaiserl. Kammer, und den andern halben Theil mehr erwähntem Breitkopf, oder seinen Erben und Nachkommen ohnnachläßig zu bezahlen verfallen seyn solle, hiermit ernstlich, und wollen, daß ihr, noch einiger aus euch selbst, oder jemand von eurentwegen, obangeregte Gottscheds neuerläuterte deutsche Sprachkunst, innerhalb denen fernern bestimmten zehen Jahren, obverstandener maßen, nicht nachdrucket, distrahiret, feil habet, umtraget oder verkaufet, noch auch solches andern zu thun gestattet, in keinerley Weis noch Wege, alles bey Vermeidung Unserer kaiserlichen Ungnade, und obbestimmter Pön der fünf Mark löthiges Goldes, auch Verlierung desselben euren Druckes, den vielgemeldeter Breitkopf, seine Erben und Nachkommen, oder deren Befehlshabere, mit Hülf und Zuthun eines jeden Orts Obrigkeit, wo sie dergleichen bey euch und einem jeden finden werden, also gleich aus eigener Gewalt, ohne Verhinderung männiglichs, zu sich nehmen, und damit nach ihrem Gefallen handeln und thun mögen: Hingegen soll er, Breitkopf, schuldig und verbunden seyn, bey Verlust dieser Kaiserlichen Freyheit, die gewöhnlichen fünf EXEMPLARIA zu Unserm Kaiserl. Reichs-Hof-Rath zu liefern, und dieses PRIVILEGIUM voran drucken zu lassen. Mit Urkund dieses Briefes, besiegelt mit Unserm Kaiserl. aufgedruckten Secret-Insiegel, der geben ist zu Wien den Neun und Zwanzigsten JULII, Anno Siebenzenhundert Sieben und Fünfzig, Unsers Reichs im Zwölften.

Franz.

(L.S.)

Vt. C.R. Graf Colloredo.

AD MANDATUM SAC. CAES. MAJESTATIS PROPRIUM

Matth. Willh. Edl. Hr. v. Haan.

Der Allerdurchlauchtigste, Großmächtigste Fürst und Herr, Herr Friedrich August, König in Pohlen etc. des heiligen Röm. Reichs Erzmarschall und Churfürst zu Sachsen etc. Auch Burggraf zu Magdeburg etc. hat, auf beschehenes unterthänigstes Ansuchen Bernhard Christoph Breitkopfs, Buchdruckers und Buchhändlers zu Leipzig, gnädigst bewilliget, daß er nachgesetztes Buch, benanntlich: Johann Christoph Gottscheds PROF. PUBL. in Leipzig, Grundlegung einer deutschen Sprachkunst, nach den Mustern der besten Schriftsteller des vorigen und itzigen Jahrhunderts, unter höchstgedachter Sr. Königl. Majest. und Churfürstl. Durchl. PRIVILEGIO drucken lassen und führen möge, dergestalt, daß in Dero Churfürstenthum Sachsen, desselben incorporirten Landen und Stiftern kein Buchhändler noch Drucker oberwähntes Buch in denen nächsten, von unten gesetztem DATO an, zehen Jahren, bey Verlust aller nachgedruckten Exemplarien und Dreyßig Rheinischen Goldgülden Strafe, die denn zur Hälfte der Königl. Rentkammer, der andere halbe Theil aber ihm, Breitkopfen, verfallen, weder nachdrucken, noch auch, da dieselben an andern Orten gedrucket wären, darinnen verkaufen und verhandeln, wogegen er mehr gemeldetes Buch fleißig corrigiren, aufs zierlichste drucken, und gut weiß Papier dazu nehmen zu lassen, auch, so oft sie aufgeleget werden, von jedem Druck und Format Zwanzig EXEMPLARIA an Sr. Königl. Majest. und Churfürstl. Durchl. Ober-Consistorium, ehe sie verkauft werden, auf seine Kosten einzuschicken schuldig, und dieß PRIVILEGIUM niemanden, ohne höchstgedachter Sr. Königl. Maj. und Churfürstl. Durchl. Vorwissen und Einwilligung, zu cediren befugt seyn soll; gestalt er bey solchem PRIVILEGIO auf die bewilligten zehen Jahr geschützet und gehandhabet, auch, da diesem jemand zuwider handeln, und er um EXECUTION desselben ansuchen wurde, solche ins Werk gerichtet, und die gesetzte Strafe eingebracht werden soll. Jedoch, daß derselbe auch obigem allen nachkomme, und, bey Verlust des PRIVILEGII, sowohl von der jetzo bereits ausgedruckten, als auch von jeder künftigen Auflage die gesetzte Anzahl derer Exemplarien würklich liefere; immittelst, und zu Uhrkund dessen, ist dieser Schein, bis das ORIGINAL-PRIVILEGIUM ausgefertiget werden kann, und, statt desselben, in Sr. Königl. Majest. und Churfürstl. Durchl. Kirchenrath und Oberconsistorio unterschrieben und besiegelt, ausgestellet worden, welchen er durch den bestalten Bücherinspectorn, Johann Zacharias Trefurthen, denen Buchhändlern zu insinuiren, widrigenfalls die INSINUATION für NULL und nichtig erkannt werden soll. Auf neue zehen Jahre renovirt. So geschehen zu Dresden, am 18. Sept. Anno 1758.

L.G. Graf von Holzendorf.

Christian Friedrich Teucher.

Vorrede der ersten Ausgabe.

Geneigter Leser,

Hiermit liefere ich dir endlich ein kleines Buch, darauf du vieleicht lange gewartet hast; womit ich aber voller Blödigkeit und Behutsamkeit, von einem Jahre zum andern, von einer Messe zur andern gezaudert habe. So wenig ich sonst gewohnt bin, mein Versprechen auf die lange Bank kommen zu lassen: so ungern habe ich es auch mit dieser Sprachlehre gethan. Allein, die unumgänglichen Schwierigkeiten, womit eine Sprachlehre, und zwar eine deutsche, sonderlich zu unsern Zeiten, verknüpfet ist, haben mir diese Langsamkeit abgedrungen. Da ich aber nunmehr endlich damit ans Licht trete; so kann ich zwar die Liebhaber der deutschen Sprache aufrichtig versichern: daß mich dieses Buch unter allen meinen Schriften die meiste Zeit gekostet. Ich habe mehr als vier und zwanzig Jahre, das ist, die halbe Zeit meines Lebens darauf verwandt, mich zu guter Ausarbeitung desselben geschickt zu machen1. Gleichwohl aber muß ich selber gestehen, daß ich noch nichts vollkommenes liefern kann; ja mir selber damit noch keine völlige Gnüge gethan habe2.

Sollten sich Leute finden, welche dieß mein Vorgeben für übertrieben und ausschweifend halten wollten: so müssen sie sich gewiß niemals die Mühe genommen haben, sich den großen Umfang einer Sprache recht ausführlich vorzustellen; sonderlich einer solchen Sprache, die gleich der deutschen, in einem so großen Striche von Europa, und in so vielen verschiedenen Mundarten gesprochen wird. Von Bern in der Schweiz an, geht ja ihr Gebieth durch ganz Deutschland, Preußen, Curland, Liefland und Ingermannland, bis nach Petersburg, mehr als dreyhundert deutsche Meilen in die Länge: und von den dänischen Gränzen in Schleswig, erstrecket sich selbiges wiederum durch Nieder- und Obersachsen, Böhmen, Mähren und Ungarn, bis nach Siebenbürgen, fast eben so viel Meilen in die Breite. Wie viel Völker, wie viel Mundarten sind in einer so großen Strecke des Erdbodens nicht enthalten? Und wie schwer muß es nicht seyn, in allen diesen Abänderungen die wahre hochdeutsche Mundart, den rechten Stamm und die Schönheit dieser europäischen Hauptsprache, fest zu setzen; sie in wahre und leichte Regeln zu bringen, und ihre Zierde auf eine so leichte und faßliche, als gegründete Weise fest zu setzen?

Indem ich diese Schwierigkeit begreiflich zu machen suche, so will ich mich gar nicht rühmen, daß ich derselben nunmehr völlig abgeholfen habe. Nein, die Größe des Unterfangens soll nur meiner bisherigen Saumseligkeit und Schüchternheit zur Entschuldigung dienen. Man soll daraus nur abnehmen, daß es kein Kinderspiel sey, eine deutsche Sprachkunst abzufassen, wenn man anders einsieht, was demjenigen obliegt, der seiner Pflicht dabey nachkommen will. Itzund aber, da ich solches schreibe, und nachdem ich mir alle Theile dieser Sprache, nach und nach durch den Kopf habe gehen lassen, sehe ich diese Schwierigkeiten so lebhaft ein, daß ich mich eines Theils selbst wundere, wie ich solchen Vorsatz jemals habe fassen können; theils auch, obwohl nach vollendeter Arbeit, es fast bereue, daß ich dieselbe unternommen habe.

Es ist wahr, was man mir einwenden kann: daß es nämlich an gelehrten Männern nicht gefehlet, die mir so zu reden, vorgearbeitet haben. Ich gestehe es auch gern, daß es noch schwerer gewesen seyn würde, in einer Sprache, die noch keine Grammatik gehabt hätte, eine Sprachlehre zu schreiben. Dieses war wirklich, beynahe vor tausend Jahren, eine Arbeit, dazu kein geringerer Heldenmuth, als Karls des Großen3 seiner, gehörete; der auf der Spur Cäsars einher gieng, und sowohl durch die Feder, als durch den Degen, unsterblich werden wollte. Allein, so gern ich also bekenne, daß es schwer sey, in diesem Felde ohne Vorgänger zu arbeiten; eben so schwer dünkt es mich zu seyn, sich in eben dasselbe zu wagen, wenn man schon so viel geschickte Vorgänger gehabt hat. Nur unerfahrne bilden sich ein, Deutschland hätte bisher keine Grammatiken, oder doch nur schlechtes Zeug gehabt, welches nicht gelesen zu werden verdienete. Das Gegentheil hat uns neulich ein gelehrter Mann in seiner Historie der deutschen Sprachkunst gewiesen. Jemehr aber darinn bereits geleistet worden, und je geschickter meine Vorgänger gewesen sind; desto schwerer dünkt es mich, sich an eben die Arbeit zu wagen.

Was kostet es nicht für Mühe, nur alle die größern und kleinen grammatischen Schriften unserer Vorfahren kennen zu lernen? Wie viel schwerer ist es, nur die meisten und besten davon aufzutreiben? Wie viel Zeit endlich brauchet es nicht, sie zu lesen, zu prüfen, und theils unter sich, theils mit der heutigen besten Mundart zu vergleichen? Und wenn man nun dieses alles gethan hat: so geht nunmehr erst die rechte Schwierigkeit an. Man soll alles Gute, das man darinn angetroffen hat, zusammen nehmen, ohne seine Vorgänger zu bestehlen. Man soll alles in gute Verbindung und Ordnung bringen, ohne jemanden gar zu sclavisch zu folgen. Man soll aber auch manche Lacken, die unsere lieben Alten noch übrig gelassen, ergänzen; manches veraltete weglassen; manches, das heute zu Tage anstößig ist, erneuern; und alles nach dem heutigen, weit feinern Geschmacke der Deutschen, einrichten. Mit einem Worte, man soll es auch besser machen, als es unsere Vorgänger gemachet haben; ja ohne sie abzuschreiben, soll man sie auch weit, weit übertreffen! Dieses, dieses alles fodern unsere heutigen kritischen Zeiten: und ich überlasse einem jeden das Urtheil, ob es so leicht ist, solche Foderungen zu erfüllen?

Ich gestehe es hier nochmals aufrichtig, daß ich mir keinesweges schmäuchle, alles dieses in seiner gewünschten Vollkommenheit geleistet zu haben. Desto eher hoffe ich aber Nachsicht und Vergebung zu erhalten, wenn ich diese meine Sprachlehre nur für eine Grundlegung ausgebe, darauf ich künftig noch immer mehr und mehr zu bauen gedenke. Ich habe diejenigen Begriffe, die ich seit mehr als dreyßig Jahren, (denn so lange ist es wenigstens, daß ich mich beflissen habe, gut deutsch zu schreiben) gesammlet, und hier zuerst in einige Ordnung zu bringen gesuchet. Ich habe mir nunmehr einen Grundriß gemachet, auf dem ich künftig fortarbeiten kann; wenn ich theils bey andern Sprachlehrern gute Anmerkungen finden, theils selbst in guten Schriftstellern etwas anmerken werde. Ich habe endlich darinnen, so zu reden, mein grammatisches Glaubensbekenntniß abgeleget; und den gelehrten Sprachkennern unsers Vaterlandes entdecket, nach was für Regeln ich mich bisher im Reden und Schreiben gerichtet: so wie ich dieselben in den besten Schriftstellern voriger und itziger Zeiten beobachtet gefunden habe.

Wie ich mich also über niemanden zu einem pedantischen Sprachtyrannen aufzuwerfen verlange; so werde ich es auch sehr gern sehen, wenn andere Liebhaber unserer Muttersprache mir künftig ihre Gedanken darüber eröffnen werden. Man wird sonder Zweifel noch hier und da einige Mängel antreffen; man wird Zweifel finden, die ich nicht gehoben habe; man wird manche Ausnahme anmerken, die mir nicht beygefallen ist; oder vieleicht gar neue Regeln in Vorschlag bringen können. Alle solche Erinnerungen werde ich mit Danke annehmen, mein Buch dadurch bereichern und verbessern; ja auch, wenn es beliebet werden sollte, ihre Urheber bey einer neuen Auflage rühmen. Es würde thöricht seyn, bey einem solchen Werke, welches billig zur Ehre des ganzen Vaterlandes gereichen soll, bloß auf meine eigene Ehre zu denken. Die Ausländer fangen schon häufig an, unsere Sprache zu lernen. Hier müssen wir uns alle gemeinschaftlich bestreben, ihnen diese Mühe zu erleichtern, und ihnen das Vorurtheil zu benehmen, als ob unsere Sprache sich unmöglich in Regeln bringen ließe. Wie viel uns dieses Geständniß, auch wider den klaren Augenschein, bisher geschadet habe, das hat leider! die Erfahrung gelehret: und ist es endlich nicht einmal Zeit, daß wir aufhören, die Fremden von Erlernung unserer Muttersprache selbst abzuschrecken?

Nun ist es zwar gewiß, daß ich meine Sprachlehre zuförderst für unsere Landesleute, sonderlich für die Jugend geschrieben habe. Alle meine Regeln sind bloß deutsch abgefasset: und so lange ein Ausländer noch gar nichts Deutsches versteht, so lange kann er sie nicht einmal lesen. Allein, es fehlet an solchen Sprachlehren nicht, die Wälschen, Franzosen, Engländern, Dänen, Schweden und Pohlen zu gut, in allen diesen Sprachen, oder doch lateinisch geschrieben sind. Aus diesen kann ein Fremder das Deutsche so lange lernen, bis er es so ziemlich versteht: und alsdann kann er auch meine Sprachkunst, mit Beyhülfe eines guten Lehrers brauchen. Vieleicht aber finden sich auch bald geschickte italienische, französische, englische etc. Sprachlehrer, die ihren Landesleuten zu gut, diese meine Sprachlehre übersetzen, oder nach ihrem Gutachten Auszöge daraus machen. Mir sollte es auf solchen Fall lieb seyn, wenn ich die Erlaubniß bekäme, ihre Arbeiten, auch vor dem Drucke, ein wenig durchzugehen; um zu sehen, ob alles dem wahren Sinne gemäß getroffen worden.

Wegen der deutschen Kunstwörter muß ich noch etwas erinnern. Da ich mein Buch den Deutschen, und sonderlich der Jugend, zu gut abgefasset, die nicht allezeit die lateinische Grammatik gelernet hat; sonderlich wenn sie sich dem Soldatenstande, der Schreiberey, dem Handel und Landleben widmet: so habe ich es für unbillig gehalten, mich lauter lateinischer Kunstwörter zu bedienen. Von allen denselben haben solche Anfänger nicht den geringsten Begriff, sondern lernen sie zur Noth auswendig, wie die Nonne den Psalter: da sie hingegen durch deutsche Benennungen sogleich einigen Verstand von der Sache bekommen. Es war aber auch dabey das junge Frauenzimmer in Betrachtung zu ziehen: welches ja nicht unwürdig ist, seine Muttersprache etwas besser und richtiger schreiben zu lernen, als seine Mägde. Zu allem Glücke hatte ich auch schon unsere alten Sprachlehrer zu Vorgängern, welche sich um die Wette bemühet haben, ihre Regeln so vorzutragen, daß sie auch einem bloß deutschen Leser verständlich seyn möchten. Und was kann in der That wunderlicher seyn, als zu fodern: daß ein Deutscher erst eine lateinische, oder französische Grammatik können müsse, ehe er seine Muttersprache recht richtig reden und schreiben lernen kann? Ich habe aber unter allen grammatischen Kunstwörtern unserer Alten, nach meinem Bedünken, die besten, bequemsten, und der gemeinen Art zu reden gemäßesten erwählet. Nur wenige habe ich mich erkühnet, noch etwas besser einzurichten. Ich bin aber auch bereit, Erinnerungen deswegen anzunehmen; und mich, wenn ich eines bessern überführet oder belehret würde, zu bessern. etc. etc.

Der geneigte Leser beliebe die wenigen Druckfehler, die am Ende angemerket worden, gütig zu verbessern; und bediene sich dieser Sprachlehre so lange, bis ich sie mit der Zeit vollständiger und verbesserter, liefern werde. Denn so lange ich lebe, werde ich die Feder nicht niederlegen, bis ich diesen Entwurf der deutschen Sprachkunst, zu derjenigen Vollkommenheit gebracht habe, der er, nach meiner wenigen Einsicht, fähig ist, und die ich ihm, nach meiner geringen Kräften, werde geben können.

Leipzig, geschrieben an der Michaelsmesse 1748.

Fußnoten

1 Ein mürrischer Tadler hat mir, in einer gedruckten Schrift, hier eine große Pralerey Schuld gegeben; als ob ich gesaget hätte: ich hätte vier und zwanzig Jahre an dieser Sprachkunst gearbeitet. Gesetzt nun, ich hatte es gesaget; wie könnte doch hieraus immer mehr eine Pralerey erzwungen werden? Lange über einer Sache arbeiten, die vieleicht ein anderer in kurzer Zeit gemachet hätte, zeiget eigentlich eine Langsamkeit, oder Unfähigkeit, und also eine Verkleinerung seiner eigenen Geschicklichkeit an. Gesetzt aber, daß es auch eine Behutsamkeit, einen Fleiß, eine Hochachtung gegen unsere und künftige Zeiten (REVERENTIAM POSTERITATIS, wie Plinius redet) andeutete: wäre denn das gepralet? Fodert das alles nicht die Pflicht eines jeden Scribenten? Und was ist es für ein Selbstruhm, wenn man saget: ich habe gethan, was ich zu thun schuldig war? Doch, weit gefehlet, daß ich solches gesaget hätte; so sage ich nur: daß ich mich vier und zwanzig Jahre her, durch allerley Bemühungen zu dieser Arbeit geschickt zu machen gesuchet. Und wo stecket denn hier die Pralerey; der sich, wie mein Tadler vorgiebt, sogar meine Freunde schämen müßten?

2 Daß dieses kein bloßes Compliment gewesen sey, habe ich nunmehr durch vier sehr merklich verbesserte Auflagen gewiesen.

3 Bekannter maaßen berichtet Eginhard im Leben dieses Kaisers, daß er eine Sprachlehre seiner fränkischen Muttersprache zu schreiben angefangen; die aber hernach verlohren gegangen.

Nachricht wegen der zweyten Auflage.

Mit dem innigsten Vergnügen vernahm ich es vorigen Winter, daß bereits im Februar, die Abdrücke der ersten Auflage meiner Sprachkunst verkaufet waren. Ein so schleuniger Abgang eines Buches, das sonst eben nicht die meisten Käufer vermuthen konnte; weil es weder zur Lust, und zum Zeitvertreibe, noch zum Brodverdienen gereichen kann: schien mir einestheils ungewöhnlich; anderntheils aber auch sehr merkwürdig zu seyn.

Man übereile sich nicht, mir dieses als eine Pralerey auszulegen: wie man mir wohl neulich die billige Blödigkeit und Behutsamkeit in der ersten Vorrede, für ein ich weis nicht was, anrechnen wollen. Andere Schriftsteller, die ihrer großen Verdienste nur mehr, als zu gewiß sind, mögen die reißende Abnahme ihrer Werke, als ein unstreitiges Merkmaal ihrer Verdienste ansehen. Ich weis es, aus einer langen Erfahrung, daß nicht eben die besten Schriften am häufigsten, die schlechtesten aber am langsamsten abgehen. Die Todtengespräche, und die Schriften gewisser Poeten haben mich längst eines andern überführet. Ich bin also weit davon entfernet, daß ich aus dem baldigen Verkaufe dieser Sprachlehre, einen völligen Beyfall der Leser, in allem, was ich vorgetragen, schließen sollte. Die meisten haben sonder Zweifel mein Buch genommen; bevor sie noch den ganzen Inhalt desselben gewußt. Und wie kann ich es wissen, ob sie alle damit zufrieden gewesen, nachdem sie es gelesen hatten1?

Es sind ganz andere Ursachen, die mein oben erwähntes Vergnügen gewirket haben. Wer eine Sprachkunst von seiner eigenen Muttersprache kaufet, der muß diese sonder Zweifel lieben: der muß begierig seyn, ihren rechten Grund einzusehen; der muß willens seyn, sich gewisse Zweifel auflösen zu lassen, die ihn darinnen beunruhigen. Dieses ist der vortheilhafte Schluß, den ich für unsere ganze Nation daraus ziehe; der aber Deutschland überhaupt, nicht mir insbesondere, Ehre machet. Es ist schon eine lange Zeit verflossen, daß unsre Landesleute vielmehr auf ausländische, als auf inländische Sprachen und Sachen begierig gewesen. Wieviel französische, italienische und englische Grammatiken sind nicht gedrucket, und vielmals aufgeleget worden; indessen daß nur eine einzige deutsche herausgekommen, und abgegangen? Und ist gleich des Clajus deutsche Sprachkunst seit hundert und funfzig, und mehr Jahren, so glücklich gewesen, eilfmal aufgelegt zu werden: so hat doch weder Schottel, noch Bödicker, sich dieses Glückes rühmen können. Ja ich sehe es, zu meiner großen Demüthigung, gewiß vorher: daß meine Sprachkunst wohl das Glück niemals erleben wird, welches PEPLIERS französische Grammatik, in oft wiederhohlten Ausgaben, bisher unter uns erlanget hat.

Gleichwohl ist es ein erwünschter Zeitpunct, den wir erlebet haben: da Deutschland eine so ansehnliche Zahl von Liebhabern ihrer Muttersprache in seinem Schooße heget; da man wiederum begierig ist, von seiner Mundart Regeln zu wissen; weil man glaubet, daß man dieselben nöthig habe, um darinnen etwas richtiger, als der Pöbel, zu reden und zu schreiben. Ich selbst hatte mir dieses niemals eingebildet; und war höchlich erfreuet, als ich aus einem so deutlichen Merkmaale, diese patriotische Gesinnung unserer Landesleute wahrnehmen konnte.

Was würde mir aber lieber seyn, als wenn ich auch eben so gewiß versichert wäre, daß meine Sprachkunst dem Verlangen und der Erwartung dieser guten Patrioten eine Gnüge geleistet hätte! So sehr ich solches wünsche: so viele schriftliche und öffentliche Zeugnisse ich auch davon in Händen habe: so wenig bin ich noch zur Zeit davon versichert. Ich mag mich aber damit nicht breit machen. Vieleicht hat die Freundschaft eben so viel Theil daran gehabt, als der Werth meines Buches. Nur so viel will ich sagen, daß mir verschiedene Gönner und Freunde die größte Gefälligkeit dadurch erwiesen, daß sie mir ihre Namen nicht einmal gemeldet haben; die ich doch desto lieber gewußt hätte, je scharfsinniger und gründlicher mehrentheils ihre Beobachtungen waren. Anderntheils aber haben sie mirs ausdrücklich untersaget, ihrer Namen keine Erwähnung zu thun: wenn ich mich gleich ihrer Erinnerungen bedienen würde.

Ich habe dieses mit desto größerm Vergnügen gethan, je unparteyischer und redlicher sie sich, in Abfassung derselben, bewiesen haben. Was ist einem wohlgeordneten Herzen eine größere Lust, als Lehren anzunehmen; wenn sie aus guter Absicht, ohne Stolz und Bitterkeit gegeben werden? Ich bin so glücklich gewesen, solche patriotische und wohlmeynende Lehrer zu bekommen: und mein Buch wird an unzähligen Stellen zeigen, daß ich gelehrig gewesen. Die meisten Zusätze und Anmerkungen, die mit kleinerer Schrift gedruckt sind, habe ich diesen freundschaftlichen Erinnerungen zu danken. Habe ich aber ja, in einigen Stücken, auch meine alten Meynungen behauptet: so schätze ich doch die Urheber der mir gemachten Einwürfe vollkommen hoch; und werde ihre gegen mich bezeugte Güte allemal rühmen müssen.

Allein, auch außer dem, habe ich hin und wieder meine Gedanken, theils ausführlicher erkläret, theils mit neuen Gründen bestätiget, theils mit mehrern Exempeln erläutert. Die Verzeichnisse der Wörter bey einigen Regeln sind etwas vollständiger gemachet; die Ausnahmen bey einigen sind genauer und richtiger eingeschränket: und in der Prosodie sind auch so gar einige mehrere Zeugnisse, zu Bekräftigung meiner Grundsätze, angeführet worden. Außer dem hat auch die Wortfügung ein Paar neue Hauptstücke bekommen: die zwar nichts wesentliches betreffen; gleichwohl aber auch, bey einer guten Sprachkunst nicht für überflüßig zu achten sind.

Indessen dörfen doch diejenigen, welche mit der ersten Ausgabe dieses Buches versehen sind, nicht denken, daß ihre Sprachkunst nunmehr abgedanket, und zum Gebrauche untüchtig geworden sey. Nein, es sind noch alle Hauptstücke, Abänderungen der Nennwörter, Abwandelungen der Zeitwörter, und Regeln der Wortfügung eben dieselben geblieben. So wenig sich unsere Sprache in Jahresfrist hat ändern können: so wenig hat auch diese Sprachlehre ganz umgeschmolzen werden dörfen. Es sind nur Kleinigkeiten und zufällige Zusätze, die hier geändert oder beygefüget worden; und dergleichen werden sich noch bey allen künftigen Ausgaben nach und nach machen lassen: wenn ich anders meinem Versprechen nachkommen will, lebenslang an der Verbesserung dieses Buches zu arbeiten.

In Pelissons Historie der französischen Akademie, findet sich ein Urtheil von der französischen Sprachkunst des Abts Regnier, welcher sehr vortheilhaft für sie ist; zumal da es nach dem Tode ihres Urhebers gefället worden. Kann meine Sprachkunst dereinst nach meinem Ableben, eben dieses Zeugniß von verständigen Sprachkennern erlangen: so wird meine darauf verwandte Arbeit reichlich belohnet seyn. Allein, ebendaselbst a.d. 64 S. finde ich, daß es nicht dienlich sey, durch gar zu viele Anmerkungen eine Grammatik zu vermehren, und immer weitläuftiger zu machen. Man behauptet mit dem besten Grunde von der Welt, daß eine Sprachkunst in Folio (ja ich möchte hinzusetzen eine in 4to) weder von Einheimischen, noch von Ausländern gelesen werden würde. Ein großes Buch schrecket die meisten Leser ab: zumal wenn es von so trocknem Inhalte ist, als eine Grammatik.

Was zieht man aber für eine Folge daraus? Diese, daß man über eine gute Sprachlehre wohl Anmerkungen machen könne und müsse; aber daß selbige nicht alle in die Sprachlehre selbst gehören. Diesem zu Folge werde ich auch meine Sprachkunst künftig nicht immer zu vergrößern suchen. Die gegenwärtige Größe soll sie beständig behalten: damit sie nicht unbequem und unbrauchbar werde. Was mir aber für fernere Anmerkungen von grammatikalischen Sachen beyfallen sollten, das will ich in dem neuen Büchersaale der schönen Wissenschaften und freyen Künste mittheilen. Sollten auch guten Sprachkennern und patriotischen Liebhabern der deutschen Sprache, hier und da Zweifel wider mein Buch einfallen: so werden sie mich verbindlich machen, wenn sie mir dieselben mittheilen werden. Ich verspreche sie alle von Wort zu Wort dem Drucke zu übergeben, und nach meiner geringen Einsicht zu beantworten: wie ich schon neulich eine Probe davon im Vten Stücke des VIIIten Bandes gegeben habe. So werden die Liebhaber der Sprachrichtigkeit eher ihren Zweck erhalten, als wann sie erst eine neue Auflage meiner Sprachkunst erwarten sollten.

Geschrieben im Carlsbade, 1749 im August.

Gottsched.

Fußnoten

1 Wenigstens ist ein gewisser Wende so aufrichtig gewesen, sich, und alle diejenigen für Thoren zu erklären, die ihren Gulden für mein Buch ausgegeben hätten.

Vorrede der dritten Auflage.

Ich habe mich in der Vorerinnerung der ersten Ausgabe dieser Sprachkunst anheischig gemacht, an meiner Sprachkunst immer zu bessern, und sie, so viel mir möglich wäre, der Vollkommenheit zu nähern. Hiermit liefere ich nun einen neuen Beweis, daß es mir mit diesem Versprechen ein Ernst gewesen. Die veränderte und etwas größere Gestalt meines Buches ist gar nicht, um des bloßen Wohlstandes und Zierraths halber, erwählet worden. Die vielen Zusätze und Vermehrungen desselben haben mich und den Herrn Verleger genöthiget, dieses neue Format zu erwählen: weil sie sonst das Buch, in der vorigen kleinern Gestalt, gar zu dick und unbequem gemachet haben würden.

Glaube aber nicht, geehrter Leser, daß du alle Verbesserungen und Zusätze meines Buches mir allein zu danken hast. Nein, ich bin, wie bey der zweyten Ausgabe, also auch bey der dritten, meines Wunsches gewähret worden. Verschiedene Gönner und Freunde haben sich die Mühe nicht dauren lassen, mir die patriotische Liebe ihrer Muttersprache dadurch bekannt zu machen, daß sie mir allerhand Anmerkungen und Zweifel über meine Sprachkunst zugefertiget. Ich rühme dieses öffentlich, mit einer wahren Erkenntlichkeit; und würde ihre Namen nennen, wenn sie solches nicht aus Bescheidenheit abgelehnet hätten. Einestheils sind dieselben nach ihrem Stande, und ihren Bedienungen, über die kleine Ehre weit erhaben, die ihnen aus einigen grammatischen Erinnerungen irgend zuwachsen könnte: anderntheils aber sind sie schon durch eigene, weit wichtigere Schriften, der Welt so bekannt, daß ihnen ebenfalls, durch solche Kleinigkeiten, kein neuer Ruhm entstehen würde.

Zwar haben auch andere, vieleicht nicht in so freundschaftlichen Absichten, meine Sprachkunst entweder zu bessern, oder doch wenigstens zu tadeln gesuchet. Ich schließe dieses daraus, daß sie ihre Anmerkungen nicht mir zugesandt, sondern in öffentlichen Schriften vorgetragen haben; um dadurch vor aller Welt als meine Lehrer und Meister zu erscheinen. Ich misgönne ihnen dieses Ansehen nicht; sondern weis es wohl, daß, wer am Wege bauet, viele Meister erdulden muß. Da ich aber auch das wenigste davon zu sehen bekommen, vielweniger gelesen, (denn wer kann heutiges Tages alles lesen, was herauskömmt?) so haben auch diese geschickten Kunstrichter ihren Lohn dahin! Die Welt, und sonderlich der sprachliebende Theil unsers Vaterlandes, wird ihnen den Dank abstatten, den sie verdienen: ich aber bin des Vortheils beraubet worden, den ich aus ihren Erinnerungen für meine Sprachkunst hatte ziehen können.

Indessen bin ich doch bey meiner Arbeit auch selbst nicht saumselig gewesen. In allen Theilen dieser Sprachkunst, und an allen Stellen, wo bey genauer Prüfung etwas zu fehlen schien, habe ich theils durch Verbesserungen eingeschlichener Mängel, theils durch Ergänzung unvollständiger Verzeichnisse, theils durch andere Zusätze und Anmerkungen, die Vollkommenheit derselben zu befördern gesuchet. Bisweilen habe ich die Regeln mehr eingeschränket; bisweilen mehr Ausnahmen beygefüget; bisweilen mehr Beyspiele gegeben; bisweilen auch in der Ordnung und Deutlichkeit des Vortrages etwas geändert. Zweifel, die mir vorgetragen worden, oder mir bey reifem Nachsinnen selbst beygefallen, habe ich beantwortet; Scheingründe, die mir zuwider waren, habe ich beleuchtet, und Gründe von manchen Regeln angegeben, wo sie noch gefehlet hatten. Ja ich habe mich hier zuweilen genöthiget gesehen, bis in die ältesten Denkmäler unserer Sprache zurück zu gehen, und Schriftsteller anzuführen, die vieleicht nicht allen Liebhabern des Deutschen zu Gesichte gekommen, oder nur dem Namen nach bekannt geworden.

In den Zeitwörtern sonderlich, habe ich eine grammatische Kätzerei gewaget. Ich habe dieselben mit zwoen neuen Zeiten vermehret, die in unsern alten Sprachlehrern nicht vorkommen. Ich habe sie aber nicht selbst gemachet; sondern, da ich sie im Reden und in den besten Schriftstellern eingeführet fand, nur mit Namen versehen, und an ihren Ort eingerücket. Ich hoffe aber damit eben so wenig etwas verbrochen zu haben, als derjenige Sprachlehrer: der im Griechischen zuerst zween AORISTOS, und drey FUTURA angemerket, und in seine Grammatik gesetzet hat.

Ich habe aber auch der Wortfügung noch einen Anhang, von einem Auszuge deutscher Sprüchwörter hinzugesetzet: weil ich bemerkete, daß das Verzeichniß der vornehmsten Kernredensarten im Deutschen, bey vielen Beyfall gefunden hatte. Dieses neue aber ist noch etwas stärker gerathen: ob ich gleich bey weitem nicht alles genommen, was in andern größern Sammlungen davon zu finden war.

In der Tonmessung habe ich hauptsächlich die Historie des deutschen Syllbenmaaßes noch sorgfältiger durch alle Jahrhunderte geführet, und mit mehrern Beweisen und Zeugnissen alter Dichter erläutert. Ich habe auch die Grundlehren von der Prosodie, mit Anführung gelehrter Schriften überall bestärket: weil ich gesehen, daß einige dieselben für meine Einfälle, und bloß willkührlich angenommene Meynungen halten wollen; andere aber, die doch die Alten kennen wollten, dennoch die wahren Gründe der Prosodie in ihnen nicht angemerket hatten.

Endlich habe ich auch einen Anhang hieher gebracht, den ich vor fünf und zwanzig Jahren zuerst aufgesetzet, nach der Zeit ziemlich verbessert, itzo aber noch vollständiger gemachet habe. Es ist solches die Erörterung der Frage, ob man deutsch oder teutsch schreiben solle; und die Zugabe von dem Rechtshandel der doppelten Buchstaben; die ich als eine Nachahmung des lucianischen JUDICII VOCALIUM, vor vielen Jahren aufgesetzet hatte. Beydes wird vieleicht in dieser Erneuerung nicht unwürdiger seyn, gelesen zu werden, als es damals bey der Nachricht von der hiesigen deutschen Gesellschaft gewesen; und als es nachmals geschienen, da etliche wienerische Gönner und Freunde, auf eigene Kosten, eine neue Auflage davon veranstaltet hatten. Und warum sollten diese grammatikalischen Stücke hier keinen Platz finden; da sie gleichsam die ersten Vorbothen und Vorspiele meiner Sprachkunst gewesen sind?

In kurzem wird zu Straßburg in Herrn Königs Verlage, eine deutsche Sprachlehre, zum Gebrauche der Franzosen, in ihrer Sprache herauskommen, die hauptsächlich auf den Grund der meinigen gebauet ist. Ich kann derselben desto sicherer das Lob einer großen Richtigkeit beylegen, da der Herr Verfasser mir seine Handschrift zur Einsicht gesandt hat, ehe sie zum Drucke befördert worden, wie ich mir in den vorigen Ausgaben gewünschet hatte. Wie nichtig ist also nicht der Zorn eines Gegners darüber gewesen, der sich nicht einmal mäßigen können, ihn nicht öffentlich zu verrathen!

Übrigens lasse sich der geneigte Leser meinen Eifer, ihm und den schönen Wissenschaften zu dienen, bestens gefallen, und bleibe mir ferner gewogen.

Geschrieben Leipzig, den 21 April, 1752.

Joh. Chr. Gottsched.

Vorrede der vierten Auflage.

Geneigter Leser!

Seit dem ich dir die größere und merklich vermehrte Ausgabe meiner Sprachkunst geliefert, hat sich fast eine allgemeine Liebe unserer Muttersprache hervorgethan. Ich habe solches aus den vielen Sprachlehren schließen müssen, die an verschiedenen Orten ans Licht getreten. Es haben sich sehr viele Gelehrte im obern und mittlern Deutschlande, um die Wette bemühet, derselben durch Sprachlehren und eifrige Kritiken wider die Misbräuche in derselben aufzuhelfen. Und ich kann nicht läugnen, daß ich sie alle gelesen; so feindselig sich auch einige davon wider mich, und meine Bücher erkläret haben.

Nichts wäre natürlicher, und selbst erlaubter gewesen, als wider solche Feinde meiner Lehrsätze und Arbeiten, mit gewaffneter Hand zu Felde zu ziehen. Es ist längst Sitte unter den Gelehrten gewesen, keinen Widerspruch zu dulden, und seine angefochtenen Meynungen eifrig zu vertheidigen. Man hat mich so gar öffentlich dazu aufgefodert, und mich bereden wollen: mein ganzer Ruhm und guter Namen stünde in Gefahr, wenn ich nicht allen Gegnern antwortete. Manche haben es gar als einen Spott gebrauchet, wenn sich andere Schriftsteller gerühmet, nicht wider meine Sprachkunst verstoßen zu haben. Allein, ich habe ganz still gesessen, und allen diesen Angriffen gelassen zugesehen. Die Ursachen meines kaltsinnigen Verfahrens will ich kürzlich entdecken.

Fürs erste, ist meine Gemüthsart gar nicht zum Neide geneigt. Ich gönnete also einem jeden denjenigen Ruhm, den er sich auf eben der Bahn erwerben können, die ich zu laufen mir erwählet hatte. Ich wußte ja, daß ich von des Kaisers und Reichs wegen kein Ausschließungsrecht auf die deutsche Sprachkunst erhalten hatte. Was also mir frey gestanden hatte; mußte einem jeden andern, der seine Kräfte fühlte, auch erlaubet seyn. Und wäre es nicht lächerlich gewesen, zu begehren: daß die ganze gelehrte Welt auf einmal die Feder niederlegen sollte, sobald ich mich unterfangen hätte, von irgend einer Sache zu schreiben.

Da ich ferner seit 30 und mehr Jahren eifrig gewünschet; daß Deutschland seine Sprache mehr lieben, und zu besserer Richtigkeit und Schönheit bringen möchte: so habe ich es nicht anders, als gern sehen können, daß viele an ein so wichtiges und schweres Werk Hand angeleget. Zwey Augen sehen nicht alles: und zwo Hände konnten nicht alles bewerkstelligen, was hier zu thun übrig war. Je mehrere sich also bey dieser Arbeit als Gehülfen angaben, desto lieber mußte mirs natürlicher Weise seyn; wenn sie nur nebst einem guten Willen, auch die nöthige Geschicklichkeit und sattsame Kräfte mit sich brachten.

Nun ist es aber freylich nicht zu läugnen, daß einige unter den neuen Sprachlehrern gelehrte, und für die Ehre Deutschlandes recht eifrige Männer gewesen. Denn so unbillig bin ich nicht, ihnen diese Verdienste abzusprechen: so uneinig sie auch übrigens in vielen Meynungen mit mir sind. Ich gebe ihnen hiermit öffentlich dieses Zeugniß; gesetzt, daß Sie mirs in vielen Stücken versaget hätten. Denn ich bin so rachgierig nicht, als Sie vielleicht denken. Sie kennen mich nicht sattsam. Aber ich hoffe, sie auch hierdurch eines bessern zu belehren.

Es ist wahr, wer die seit sechs Jahren ans Licht getretenen Sprachlehren ansieht, und genau gegen einander hält, der sollte bey nahe denken, daß er die Arbeiter beym babylonischen Thurmbaue vor sich sähe; und zwar in dem Zeitpuncte, da die Verwirrung ihrer Mundarten geschah. Sie waren alle eifrig, das Ihre zu thun: aber sie verstunden einander nicht. Ein jeder meynte, er redete recht, und verdammte seinen Mitarbeiter, der sich anders ausdrückte. Darüber blieb nun das ganze Werk liegen, und der Bau gerieth ins Stecken. Vieleicht ist meine und meiner Mitwerber bisherige Bemühung, vielen unsrer Zuschauer eben so lustig vorgekommen.

Dem sey nun, wie ihm wolle, so habe ich mich doch von meiner Arbeit und Bemühung durch keinen Widerspruch, ja auch durch keinen Zorn meiner Gehülfen abwendig machen lassen. Ich habe sie nach Ihrer Einsicht arbeiten lassen, ohne sie zu stören; und gethan, als ob ich es nicht wüßte, daß sie mich hindern wollten, nach meiner Art fortzufahren. Deutschland ist der Richter gewesen, wer es unter uns am besten getroffen. Ich habe seinen Ausspruch mit Gelassenheit erwartet, und ihn weder durch Drohen und Pochen; noch durch niedrige Künste zu erzwingen, oder zu erschleichen gesuchet. Denn was ist es nicht für ein sehr seichtes Vergnügen, wenn man sich bewußt ist, einen eingebildeten Beyfall, mit so schnöden Kunstgriffen erlanget zu haben?

Der gute Abgang der größern Sprachkunst, hat es nicht gehindert, daß auch mein Kern der deutschen Sprachkunst zugleich Liebhaber, und bereits in zwoen Auflagen Käufer gefunden hätte. Sehr viele gelehrte und wackere Schulmänner haben denselben bey ihren Untergebenen brauchbar befunden, und eingeführet; sonderlich seit dem ich ihnen auch meine Vorübungen der Redekunst, und neulich noch die Vorübungen der lat. und deutschen Dichtkunst, zum Gebrauche der obern Schulclassen geliefert habe. Was konnte ich nun aus dem allen anders schließen, als daß meine grammatischen Lehrsätze, an unzähligen Orten, und zwar bey guten Kennern und gehörigen Richtern, Beyfall gefunden haben müßten?

Hierzu kam nun vorigen Sommer das Begehren des Herrn Verlegers, daß ich auch meine vollständige Sprachkunst, zu einer neuen Auflage nochmals übersehen, und wo nöthig, erläutern möchte. Ich hatte kaum die straßburger französische Ausgabe aus den Händen geleget, als welche gleichfalls zu einer neuen Auflage gediehen war, und von mir abermal in einigen Stücken verbessert worden: und selbst von dem pariser Auszuge meldete man mir einen Druck an, der in Wien veranstaltet würde. Alles dieses nun bestärkte mich in der Meynung, daß ich nichts nützlichers thun könnte, als daß ich ein Buch zu aller möglichen Vollkommenheit brächte, welches an so vielen Orten mit einer erwünschten Aufnahme beehret ward.

Hier kann ich nun ein offenherziges Geständniß thun. Fast alle Verbesserungen, die ich in dieser neuerläuterten Sprachkunst, an sehr vielen Orten gemachet habe, hat der geneigte Leser mehr andern, als mir, zu verdanken. Hatte sich bey der zweyten Auflage ein gelehrter Gönner in Schlesien gefunden, der mich mit Einwürfen, Zweifeln, und Anmerkungen in den Stand gesetzet, sie vollkommener zu machen; so haben sich itzo in Niedersachsen, ein paar redliche deutsche Patrioten gezeiget, die mich mit sehr vielen Erinnerungen, Fragen, und Gegengründen aufmerksam gemachet; wo es meinen Lehrsätzen und Regeln noch an etwas fehlen möchte. Diesen beyden gelehrten Kennern haben meine Leser bey nah alle die neuen Zusätze, und Änderungen zu danken, wodurch diese Auflage sich von der vorigen unterscheidet.

Wie gern wollte ich diesen wackern Patrioten, den ihnen gebührenden Dank auch namentlich abstatten! Allein, bey allen den freundschaftlichen Gesinnungen gegen mich und mein Buch, die durchgehends so deutlich ins Auge fallen, haben Sie mir gleichwohl die Kenntniß ihrer Personen noch zur Zeit versaget. Die Anmerkungen des ersten hatte ich schon vor ein paar Jahren bekommen. Sie waren auf etlichen ziemlich starken Heften in Fol. geschrieben, und der Herr Verfasser hatte allemal einen breiten Rand übrig gelassen, daß ich meine Antworten auf seine Fragen und Zweifel beyschreiben konnte. Ich würde einem so bescheidenen, einsehenden, und vernünftigen Gegner längst gewillfahret haben, wenn mir sein Namen und Aufenthalt bekannt gewesen wäre.

Allein, seine Erinnerungen waren auch viel zu erheblich, als daß ich sie nur ingeheim hätte heben sollen. Er hatte mit solcher Scharfsinnigkeit, die nur sehr wenigen Geistern beywohnet, Unvollkommenheiten an meiner Sprachkunst wahrgenommen, die gewiß unter tausend Lesern nicht einer bemerken wird. Er war in die innersten Geheimnisse der Sprache gedrungen, und ich sah mich genöthiget, ihm in sehr vielem Recht zu geben. Er hatte aber auch hier und da Druckfehler und andere kleine Nachläßigkeiten wahrgenommen, darinn ich selbst, wider meine eigene Regeln verstoßen hatte. Solche Schwachheiten kleben uns Schriftstellern so lange an, als wir Menschen sind: und wir sind glücklich, wenn wir Freunde finden, die sie uns auf eine so liebreiche Art entdecken, daß wir sie ohne Beschämung annehmen können.

Von eben der rühmlichen Art ist mein zweyter Gönner, der mir seine Einwürfe und Zweifel nur vorige Michaelmesse, in 8. abgeschrieben, durch einen jungen Braunschweiger zugefertiget hat, der studirenshalber herkam, und von mir der Universitäts-Matrikel einverleibet ward. Auch dieser hat mir unbekannt bleiben wollen; so vielen Dank ich ihm für seine Bemühungen schuldig geworden. Er hat mir ebenfalls in sehr vielen Puncten gegründete, in den übrigen aber solche Einwürfe gemachet, die beantwortet zu werden verdienten. Wo er recht hatte, habe ich ihm stillschweigend nachgegeben, und mein Buch durch seine Einsicht verbessert. Das geringste Zeichen meiner Erkenntlichkeit wird seyn, daß ich beyden erwähnten Gönnern, wenn sie es durch beglaubete Bothen fodern werden, Abdrücke von dieser durch ihre Hülfe verbesserten Ausgabe überliefern werde.

Dennoch aber bin ich auch selbst nicht müssig gewesen, meinem Buche hin und wieder zu größerer Richtigkeit zu verhelfen. Die Vergleichung mit der vorigen Ausgabe wird solches an unzähligen Orten zeigen: ungeachtet dadurch das ganze Buch kaum ein Paar Bogen stärker geworden. Indessen ist in den Hauptstücken dadurch nichts verändert, ja auch in den wesentlichen Regeln und Ausnahmen nichts abgeschaffet worden. Die Exempel sind bisweilen mit Zusätzen bereichert, oder in bessere Ordnung gebracht, auch wohl einige Anmerkungen mit beygefüget worden.

Endlich habe ich die Anhänge theils nochmals übersehen und etwas vermehret; theils noch mit einer dritten Zugabe bereichert. Es ist selbiger ein orthographisches Bedenken, welches schon 1748 von dem gel. Hrn. Verf. der vergnügten Abendstunden, meiner Freundinn und Gehülfinn öffentlich abgefodert worden. Die aufgeweckte Art, womit sie es abgefasset, ist geschickt, die trockensten Materien zu beleben: und ich habe also geglaubet, meinen Lesern ein angenehmes Geschenk damit zu machen, wenn ich es nochmals abdrucken ließe. Vieleicht dienet es auch, manche neuere orthographische Heterodoxen, auf eine lustige Art bey der guten Lehre zu erhalten.

Ich war zwar willens, auch noch nach lucianischer Art, ein Gespräch, unter dem Titel Solöcista, oder der Sprachschnitzler beyzufügen; imgleichen eine kurze Historie der deutschen Sprache, als einen Vorbericht zur Sprachkunst abzufassen. Allein, mein itziges beschwerliches Rectorat, hat mir bey der Eile, womit diese Ausgabe, innerhalb zween Monathen gedrucket werden müssen, um die Begierde der Nachfragenden zu vergnügen, so viel Muße nicht gelassen. Es würde auch in der That das Buch dadurch etwas zu stark geworden seyn: und seinen Preis zu erhöhen, hat weder dem Hrn. Verleger, noch mir rathsam geschienen.

Nichts ist übrig, als daß ich noch diejenigen, so die dritte Auflage schon besitzen, um Vergebung bitten muß, daß diese ein merkliches verbesserter und vermehrter erscheint. Ein Tag lehret ja den andern: soll ich denn nicht lernen, so lange ich lebe? Wollten Sie es künftigen Käufern misgönnen, daß sie weniger Fehler in ihren Büchern hätten; so würden Sie unbillig seyn. Alles nähert sich ja ordentlich seiner Vollkommenheit: sollte nur meiner Sprachkunst dieses nicht vergönnet seyn? Ich will nicht hoffen, daß man ihr und mir so ein hartes Gesetz vorschreiben wird. Vielmehr bitte ich alle Sprachkenner, die etwas zum gemeinen Besten beytragen wollen, mir noch ferner hülfliche Hand darinnen zu leisten; damit diese Sprachkunst dereinst nicht mehr meine, sondern des ganzen gelehrten Deutschlandes seine heißen könne.

Geschr. den des Christm. 1756.

Gottsched.

Erinnerung wegen der fünften Auflage.

Ein Tag lehret den andern; und ich begehre es nicht zu läugnen, daß auch meine Einsicht und Kenntniß unserer Muttersprache noch immer eines Wachsthums fähig sey. Ich habe mich anheischig gemachet, lebenslang an meiner Sprachlehre zu bessern; und ich halte hiermit abermal mein Wort. Auch diese neue Ausgabe erscheint etwas richtiger, und geputzter vor deinen Augen, geneigter Leser, um deiner Gunst würdiger zu werden. Doch glaube nicht, daß du hier Hauptänderungen, oder eine gänzlich umgeschmolzene Sprachkunst finden werdest. Nein, so übereilt pflege ich meine Arbeiten nicht ans Licht zu bringen, daß ich bald darauf meine Grundsätze umzustoßen, und das unterste zu oberst zu kehren, nöthig hätte. Wer nicht ganz genau, Seite mit Seite und Zeile mit Zeile in der letzten und itzigen Auflage vergleichen wird, der dörfte es kaum wahrnehmen, daß die Hand des Meisters nochmals darüber gekommen. So gar ist alles, was die Hauptsachen betrifft, beym alten geblieben. Nur Kenner und scharfsichtige Kunstrichter werden hier und da mehr Genauigkeit, und eine schärfere Richtigkeit in vielen Stücken wahrnehmen.

Wie es nun überflüßig wäre, alle solche Kleinigkeiten, Vermehrungen und Verbesserungen hier nochmals anzuzeigen: so muß ich hingegen ein Wort gegen einen Tadler meiner Sprachkunst sagen, der unlängst aus einer unlautern Absicht an derselben zum Ritter werden wollen. Es ist solches Hr. M. Junker zu Hanau, der aus Begierde, etwas zu verdienen, 1760 eine neue Grammatik, zum Gebrauche der Franzosen ans Licht gestellet hat. Als er dieselbe in einer vorläufigen Anzeige verkündigte, drang ihm die Wahrheit ein Bekenntniß ab1, welches mir so rühmlich war, daß ich es nicht einmal übersetzen mag. So schmäuchelhaft hier sein Zeugniß war, und so sehr ich ihm dafür verbunden bin: so wenig kann ich mich darein finden, daß er in der Vorrede seiner NOUVEAUX PRINCIPES, aus einem ganz andern Tone, von mir und meiner Sprachkunst zu reden angefangen hat. Er nimmt fast alles mit einander wieder zurück, was er doch ungezwungen und aus eigenem Triebe gutes von uns gesaget hatte, und widerspricht sich also selbst.

Denn so wahr dasjenige war, was er gleich nach obiger Stelle in seinem AVERTISSEMENT2, hinzugesetzt hatte; daß ich nämlich meine Sprachkunst nur für die Deutschen geschrieben hätte; wie solches in meiner ersten Vorrede mit deutlichen Worten enthalten ist, und aus dem ganzen Werke erhellet: so unfreundlich ist er mit mir verfahren, wenn er in dieser Vorrede, überhaupt auf meine Sprachkunst den Zorn ausschüttet, den er anfänglich, nur der straßburgischen französischen Ausgabe zu geben gedacht haben mochte. Ich bin so wenig geneigt, böses mit bösem zu vergelten, daß ich sein Buch zwey Jahre in Händen gehabt, ohne einen Auszug von ihm, im Neuesten aus der anmuth. Gel. zu geben. Wie leicht würde es mir gefallen seyn, ihm doppelt soviel wirkliche Fehler vorzurücken, als er mir vermeynte vorgeworfen hat? Allein, ich liebe das Zanken, zumal von grammatischen Kleinigkeiten, nicht, sonst hätte ihm eine STRIGILIS GRAMMATICA zu Diensten gestanden. Außer dem habe ich ein Mitleiden mit ihm gehabt. Meine und die straßburger französische Sprachkunst, mögen ihm wohl im Absatze der Seinigen, die er auf eigene Kosten drucken lassen, im Wege gestanden seyn. HINC ILLÆ LACRUMÆ! Wie konnte er das verschmerzen, ohne auf das los zu ziehen, was den Abgang seines Buches, so merklich hinderte? Ob aber dieses eine lautere Quelle einer Kritik sey, mögen unparteyische Leser selbst urtheilen.

Soviel habe ich nur in dieser Erinnerung davon beybringen müssen: ein mehrers wird der straßburgische Herausgeber, mit dem er eigentlich zu thun hat, in der neuen Ausgabe, die eben itzo auch vieleicht fertig werden wird, ihm entgegen setzen. Diese oft wiederholten Abdrücke nun (wie denn auch mein Kern der deutschen Sprachkunst zum viertenmaale fertig geworden) bezeugen noch immer, die gütige Aufnahme meiner Sprachkunst, und die Gewogenheit meiner werthen Landesleute: der ich mich auch ferner empfohlen haben will.

Was mir ein anderer feindseliger Tadler meiner Sprachkunst, Herr Rector Heinz zu Lüneburg, für Anmerkungen entgegen gesetzet, das übergehe ich hier mit einem gelassenen Stillschweigen. Hr. Ge. Christoph Kunz, Rector zu Nörnberg, und der hies. deutsch. Ges. Mitgl. hat dieselben in seiner so betitelten Beleuchtung, so gründlich abgefertiget, daß sie allen ihren Werth und Schein verlohren haben. Solche unreife Sprachkünstler, verrathen nur ihre eigene Schwäche, wenn sie sich in ein Handwerk mengen wollen, dem sie nicht gewachsen sind; und ihr lautes Geschrey über Dinge, die sie nicht eingesehen, erwecket ihnen, zu ihrer Beschämung den Zuruf: SI TACUISSES, GRAMMATICUS MANSISSES.

Geschrieben den 16 des Aerntemonds 1762.

Gottsched.

Fußnoten

1Seine Worte lauten so: PERSONNE N'ETOIT PLUS EN ÉTAT, QUE MR. GOTTSCHED, DE DECOUVRIR & METTRE AU JOUR LES PRINCIPES & LES BEAUTÉS DE LA LANGUE ALLEMANDE; AUSSI CE SAVANT, QUI FAIT TANT D'HONNEUR A L'UNIVERSITÉ DE LEIPZIG, & QUE LA POSTERITÉ REGARDERA AVEC JUSTICE COMME LE VARRON & LE CICERON DES ALLEMANS, NE S'EST PAS MOINS ACQUIS DE CELEBRITÉ, PAR LA GRAMMAIRE, QU'IL A DONNÉ AU PUBLIC, QUE PAR SES AUTRES OUVRAGES. CETTE GRAMMAIRE MERITE SANS DOUTE LA PRÉFERENCE SUR TOUTES CELLES, QUE NOUS AVONS EUËS AUPARAVANT, & L'ON PEUT DIRE, QUE SON EXCELLENCE EST TELLEMENT RECONNUË, QUE CEUX, QUI DEPUIS ONT ECRIT SUR CETTE MATIERE, ONT ÉTÉ LOUÉS OU CRITIQUÉS SUIVANT QU'ILS SE SONT RAPROCHÉS OU ÉLOIGNÉS DES PRINCIPES DE MR. GOTTSCHED.

2

I Abschnitt.

Von der Sprachkunst überhaupt.

1. §. Eine Sprachkunst überhaupt ist eine gegründete Anweisung, wie man die Sprache eines gewissen Volkes, nach der besten Mundart desselben, und nach der Einstimmung seiner besten Schriftsteller, richtig und zierlich, sowohl reden, als schreiben solle1.

2 §. Eine Mundart ist diejenige Art zu reden, die in einer gewissen Provinz eines Landes herrschet; in so weit sie von der Art zu reden der andern Provinzen abgeht, die einerley Hauptsprache mit ihr haben2.

3 §. Die beste Mundart eines Volkes ist insgemein diejenige, die an dem Hofe, oder in der Hauptstadt eines Landes gesprochen wird3. Hat aber ein Volk mehr als einen Hof, wie z.E. Wälschland, oder Deutschland: so ist die Sprache des größten Hofes, der in der Mitte des Landes liegt, für die beste Mundart zu halten. So ist in Griechenland vormals die atheniensische Mundart für die beste gehalten worden; weil Athen mitten unter allen denen Staaten lag, die in Asien und Europa griechisch redeten. In Italien wird gleichfalls die toscanische und römische für die beste gehalten.

4 §. Eine jede Mundart hat in dem Munde der Ungelehrten, ihre gewissen Mängel; ja aus Nachläßigkeit und Übereilung im Reden, ist sie mit sich selbst nicht allemal einstimmig. Daher muß man auch den Gebrauch der besten Schriftsteller zu Hülfe nehmen, um die Regeln einer Sprache fest zu setzen: denn im Schreiben pflegt man sich viel mehr in Acht zu nehmen, als im Reden4.

5 §. Die besten Schriftsteller eines Volkes, werden durch den allgemeinen Ruhm, oder durch die Stimmen der klügsten Leser bekannt: doch müssen sie nicht in Ansehung der Sachen, sondern wegen der Schreibart und Sprache berühmt seyn. Es dörfen aber diese Scribenten nicht eben alle aus derselben Landschaft gebürtig seyn5. Denn durch Fleiß und Aufmerksamkeit kann man sich die Fehler seiner angebohrnen Mundart, und zwar im Schreiben, noch viel leichter, als im Reden, abgewöhnen.

6 §. Wenn aber diese guten Scribenten dennoch in gewissen Stücken von einander abgehen: so muß die Analogie der Sprache den Ausschlag geben, wer von ihnen am besten geschrieben habe. Oft hat das besondere Vaterland eines Schriftstellers an seinen Abweichungen Schuld6. Oft haben auch die fremden Sprachen, die er am meisten getrieben hat, ihn auf gewisse Abwege geleitet; so daß er sich in seiner eigenen Muttersprache fremd und ausländisch ausdrücket7.

7 §. Durch die Analogie versteht man in den Sprachlehren die Aehnlichkeit in den Ableitungen und Verwandelungen der Wörter; imgleichen in der Verkürzung, Verlängerung und Zusammensetzung, sowohl der Wörter, als der Redensarten. Da es nun in allen Sprachen eine solche Aehnlichkeit, oder Analogie giebt: so machet allemal die größte Anzahl übereinstimmender Exempel eine Regel aus; die davon abweichenden Redensarten aber geben die Ausnahmen an die Hand8. Denn noch bey keinem Volke hat man eine vollkommene Analogie im Reden beobachtet: ja vieleicht würde selbst eine ganz neuerdachte philosophische Sprache, nicht ohne alle Ausnahmen seyn können.

8 §. Man sieht also, wie es zugeht, daß man die Sprache nach Regeln richten; und die Gewohnheit im Reden bisweilen der Sprachkunst entgegen setzen kann. Denn da die Regeln aus der Sprache selbst, nach den meisten Exempeln genommen und festgesetzet worden: so unterwirft man nicht die Sprache gewissen eigenmächtigen Gesetzen eines Sprachlehrers; sondern es werden nur wenige, von der Ähnlichkeit abweichende Redensarten, der Übereinstimmung der meisten Exempel unterworfen. Man setzet also auch nicht das Ansehen eines Sprachkundigen, der Gewohnheit; sondern eine allgemeinere Gewohnheit großer und vieler, oder doch besserer Landschaften, einer eingeschränktem, oder gewissen Misbräuchen entgegen9.

9 §. Doch, aus dieser Widerwärtigkeit der Gewohnheit im Reden, folget noch nicht, daß alle Redensarten durchaus auf eine Aehnlichkeit gebracht werden, und also alle Ausnahmen abgeschaffet werden müßten. Nein; die Sprachen sind älter, als die Regeln derselben: und diese müssen also nachgeben, wo eine durchgängige und allgemeine Gewohnheit im Sprechen10 das Gegentheil eingeführet hat. Nur, wo der Gebrauch ungewiß, oder verschieden ist, da kann ein guter Sprachlehrer, durch die Aehnlichkeit der meisten Exempel, oder durch die daraus entstandenen Regeln, entscheiden, welcher Gebrauch dem andern vorzuziehen sey11.

10 §. Da die Sprachen sich von Zeit zu Zeit verändern, und unvermerkt gewisse Arten zu denken und zu reden aufkommen, auch endlich überhand nehmen, die vormals nicht gewöhnlich gewesen: so müssen sich auch die Sprachlehrer darnach richten, und solche Regeln machen, die der Mundart ihrer Zeiten gemäß sind12. Es ist also kein Wunder, daß die alten Sprachlehren von lebendigen Sprachen endlich unvollständig und unbrauchbar werden: wie wir an der klajischen und schottelischen bey uns deutlich wahrnehmen. Denn seit hundert Jahren hat sich das Deutsche ziemlich gebessert, oder doch wenigstens sehr verändert.

11 §. Doch ist es einem Sprachlehrer sehr nöthig, neben der besten Mundart seiner Muttersprache, theils die abweichenden schlechtem Mundarten der übrigen Provinzen; theils auch die ältern Schriften der Sprachlehrer, und überhaupt die ältesten Bücher seines Vaterlandes zu kennen. Die mannichfaltigen Stuffen, die eine Landessprache allmählich bestiegen hat, geben ein großes Licht in den Ursachen der Regeln, und in denen Veränderungen, die sie erlitten haben13