Haie in der Adria - Susanne Schmitt - E-Book

Haie in der Adria E-Book

Susanne Schmitt

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Der verzweifelte Hilferuf einer Freundin lockt den kubanischen Kommissar Hernandez nach Bosnien-Herzegowina. Claudias Verlobter Nikos wurde tot im Weinkeller eines Hotels aufgefunden. Aber wurde er ermordet? Und welche Möglichkeiten hat der Kommissar als ausländischer Polizist überhaupt, um professionell zu ermitteln? Hernandez macht sich an die Arbeit und entdeckt mehr als nur ein Motiv. Dabei wäre er doch gerade jetzt viel lieber zuhause, da er sich um die Bedürfnisse seiner Familie kümmern müsste.

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Seitenzahl: 130

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Haie in der Adria

Ein Hernandez-Krimi

Susanne Schmitt

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2024 -Verlag, Altheim

Buchcover: Germencreative

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Für meine ND-Jungs –

ihr seid die größte Inspiration

Kapitel 1

An diesem strahlend schönen Sonnentag verdunkelte sich der Himmel am frühen Abend von einem Moment auf den anderen. Als hätte man das Licht ausgeknipst war der Horizont mit einem Mal schwarz. Exakt fünf Sekunden später öffnete Petrus die Schleusen und wahre Wassermassen ergossen sich auf die Straßen. Durch die Hitze des Tages entluden sich direkt Dampfschwaden.

Wie meistens würden diese sintflutartigen Regenfälle in ein paar Minuten wieder versiegen, doch das half Kommissar Hernandez jetzt auch nicht mehr. Obwohl er seinen Wagen in der Nähe geparkt hatte, reichten die Meter vom Präsidium, um ihn bis auf die Haut zu durchnässen. Als er zwanzig Minuten später vor seinem imposanten Backsteinhaus ankam, war von dem plötzlichen Schauer nichts mehr übrig, lediglich seine Kleidung triefte.

Als er die Haustür öffnete, vernahm er gut gelaunte Stimmen aus dem Esszimmer und köstlicher Essensduft stieg ihm in die Nase. Er wusste gar nicht, dass seine Schwester heute Besuch erwartet hatte. Seit sie wieder bei ihm, in ihr ehemaliges Elternhaus, eingezogen war, kommunizierten sie grob ihre Termine. In erster Linie wegen des Speiseplans. Maria war eine ausgezeichnete Köchin, die ihn gerne kulinarisch verwöhnte. Dafür musste sie wissen, wann der Herr zu Hause zu Speisen wünschte.

Aber heute? Hatte sie ihm gegenüber erwähnt, dass sie Gäste eingeladen hatte, und er hat es nur wieder vergessen? Oder hatte Maria versäumt, ihn zu informieren? Kam der Besuch spontan vorbei? Während er weiter grübelte, kam seine Schwester und zog ihn mit ins Esszimmer. »Hernandez, da bist du ja endlich. Schau mal wer da ist. Claudia und ihr Verlobter Nikos.«

Claudia. Claudia mit ihrem zarten Gesicht, dem schwarzen Pagenschnitt, den süßen Sommersprossen und den wunderschönen grünen Augen. Als sein Blick auf den Mann neben ihr fiel, durchzuckte ihn kurz ein Anfall von Eifersucht. Claudia war ein Grund dafür, dass die Ehe mit seiner Exfrau Adriana in die Brüche ging. Allerdings nur ein Auslöser von vielen. Es war nichts Ernstes zwischen ihnen, zumindest von seiner Seite aus. Also kein Anlass, um Besitzansprüche geltend zu machen. Er hatte die Freundin und ehemalige Arbeitskollegin seiner Schwester seit Jahren nicht gesehen, deshalb traf ihn dieses Wiedersehen unvorbereitet.

»Guten Abend, schön, dass ihr da seid. Fangt doch bitte schon mit dem Essen an. Ich muss dringend aus den nassen Sachen raus«, stammelte er und ging nach oben in seinen Wohnbereich.

Normalerweise griff Hernandez zu dem ersten Kleidungsstück, das ihm in die Hände fiel. Nun entschied er sich bewusst für das grün-gelbe Hawaiihemd, von dem Claudia einmal sagte, es würde ihm besonders gut stehen. Er nahm sich auch die Zeit, sein lichter werdendes Haar zu kämmen, schließlich wollte er einen halbwegs passablen Eindruck machen. Der kurze Blick auf Claudias »Verlobten« hatte genügt, um zu erkennen, dass der Mann relativ attraktiv war. Was Frauen so unter unwiderstehlich verstehen.

Zurück am Tisch füllte Maria seinen Teller. »Lass es dir schmecken Brüderchen. Das ist gewissermaßen unser Abschiedsessen. Claudia wandert jetzt endgültig aus.«

»Ach so, wie kommt`s?«, fragte Hernandez sie lächelnd. »Ich gehe davon aus, der junge Mann an deiner Seite hat eine gehörige Mitschuld daran?«

»Gut kombiniert Herr Kommissar.« Claudia lächelte zurück und nahm die Hand ihres Verlobten.

»Nikos lebt in Bosnien. Wir haben uns beruflich kennengelernt. Er arbeitet in dem Hotel, in dem wir während unserer Balkan-Rundreise alle drei Wochen für ein paar Nächte absteigen. Und da meine Arbeitgeber beschlossen haben, dass die Nächste Rundreise ihre letzte in Europa sein wird, musste ich mich entscheiden. Die beiden, also Carmen und Gustl, möchten wieder zurück nach Kuba. Deshalb sind wir momentan auch hier, damit sie alles Nötige in die Wege leiten können. Es wird Zeit für sie, etwas kürzer zu treten. Nur noch ein paar kleinere Trips und Tagesausflüge auf der Insel. Zurück zu ihren Wurzeln, wie sie es nennen. Die beiden werden auch nicht jünger und ich habe auch langsam die Schnauze voll. Es ist Zeit für Veränderung. Nikos und ich möchten unser eigenes kleines Hotel an der Adria eröffnen.«

»Oh je«, seufzte Maria, »wie haben deine Chefin und ihr Mann denn auf deine Kündigung reagiert? Immerhin bist du doch wie eine eigene Tochter für sie. Wie lange arbeitest du schon für ihr Unternehmen? Über zwanzig Jahre, oder?«

»Konsterniert, das kannst du dir ja vorstellen«, antwortete Claudia. »Es ist mir wirklich nicht leichtgefallen, wir stehen uns tatsächlich sehr nahe. Carmen ist davon ausgegangen, dass ich das Geschäft weiterführe. Sie haben ja keine eigenen Kinder. Sie hat Nikos sogar den Job als Busfahrer angeboten.«

»Und das wäre keine Option für euch gewesen?«, warf Hernandez ein.

»Nein, wir wollen unsere eigenen Pläne verwirklichen und haben uns auch schon ein bisschen umgesehen. Außerdem ist Nikos Sohn erst zwei Jahre alt und er möchte ihn weiterhin aufwachsen sehen und die Erziehung nicht komplett seiner Ex überlassen. Eine so große räumliche Distanz kommt überhaupt nicht infrage. Und mir gefällt es ausgesprochen gut an der Adria, ich kann mir gut vorstellen, dort alt zu werden. Und wer weiß, vielleicht denken wir auch mal über Nachwuchs nach. Dafür ist ein Hotelbetrieb auch kompatibler als ein Busunternehmen.« Verliebt schaute Claudia ihren Nikos an.

Hernandez hob sein Glas und prostete in die Runde. »Nun dann, auf eure gemeinsame Zukunft. Wir wünschen euch viel Glück und Erfolg bei allem, was ihr anpackt!«

Einige Wochen später

Der Kommissar lag entspannt auf seinem Bett und zappte durch die Fernsehkanäle. Da ihn das Programm aber nicht ansprach und es mittlerweile spät wurde, war er im Begriff, den Apparat auszuschalten, um zu schlafen. Das heftige Klopfen an seiner Schlafzimmertür ließ ihn auffahren, und als seine Schwester blass mit dem Telefon in der Hand im Türrahmen stand, erschrak er.

»Maria, was um alles in der Welt…?«

»Claudia ist dran«, stammelte sie und reichte ihm das Handy.

Aus weiter Ferne dröhnte ein hemmungsloses Schluchzen an sein Ohr. »Hernandez, ich brauche deine Hilfe. Nikos. Er ist tot. Oh mein Gott Hernandez, er wurde umgebracht. Ich brauche dich. Niemand will mir Auskunft geben und ich traue den Polizisten hier nicht. Bitte Hernandez, hilf mir.«

Am nächsten Abend saß der Kommissar im Flugzeug Richtung Europa.

Ich werde an die Meeresküste ziehen

Mein Haus wird im Wasser stehen

Im Garten werde ich Seegurken und Sterne züchten

Als Haustier werde ich einen Haifisch haben

Ich werde zu den Leuten sagen: er tut euch nichts

Sie werden es mir nicht glauben

Wenn die Tiere die Charakterzüge ihrer Besitzer annehmen

Wird mein Hund, ein Hai, melancholisch sein müssen

Vielleicht wird er an faulen Sommernachmittagen

Davon träumen, dass er weggeht

Und sich ein Haus in den Bergen baut

Pfirsiche züchtet

Und Himbeeren rot wie Blut, das er einst liebte

Als Haustier hat er eine Frau, eine müde

Und zu anderen Haifischen sagt er

Wenn sie zufällig vorbeikommt

Dass all das zusammen

Ganz normal sei

Für eine Frau

Senka Maric

Übersetzt: Jelena Dabic

Kapitel 2

Er hatte zwar schon während des Telefongesprächs versucht, Claudia klarzumachen, dass er keinen Sinn darin sah und er keinerlei ermittlungstechnische Befugnisse im Ausland hatte. Aber sie hatte ihn angefleht, zu kommen, und schönen Frauen konnte er noch nie etwas abschlagen. Eine seiner größten Schwächen. Hinzu kam, dass, Maria ihn drängte, zumindest als moralische Stütze an Claudias Seite zu stehen. Seine Schwester war es auch, die die Flugtickets und eine Unterkunft für ihn buchte. Das Visum war zum Glück kein Problem für ihn. Es zahlte sich immer wieder aus, Kontakte bis ganz nach oben zu haben.

Während sie seinen Koffer packte, gab sie ihm die nötigen Instruktionen:

»Der Flieger startet heute Abend um 19.30 Uhr in Havanna. Dann musst du nur zweimal umsteigen, einmal in Kingstown und einmal in Frankfurt und dann landest du morgen Abend gegen 17.00 Uhr in Dubrovnik.«

»Ja klar, also ein Katzensprung.« Hernandez überlegte kurz, ob er aus der Nummer noch rauskam, traute sich aber nicht, einen Rückzieher zu machen. Außerdem hatte er bereits seine Dienststelle informiert, dass er seinen Jahresurlaub, der nächste Woche beginnen würde, einfach ein paar Tage vorzog.

»Moment mal, meine geografischen Kenntnisse sind zwar nicht die besten, aber Dubrovnik ist doch in Kroatien. Ich dachte, ich fahre nach Bosnien?«

»Ja, stimmt. Bosnien und Herzegowina. Aber der Flughafen in Dubrovnik ist näher und keine Sorge, Claudia holt dich ab.«

Und das tat sie. Hernandez sah Claudia schon von weitem, wie sie nervös von einem Bein auf das andere trippelte und an ihren Fingernägeln kaute. Als sie ihn entdeckte, schossen ihr Tränen in die Augen. Sie rannte auf ihn zu und warf sich in seine Arme. Der Kommissar erkannte an ihren geschwollenen Augen und ihren eingefallenen, gräulich blassen Wangen, dass sie geweint haben musste, aber der Tränenstrom war noch lange nicht versiegt. In seiner Umarmung schluchzte sie hemmungslos, stammelte nur »Danke, dass du gekommen bist«, war jedoch kaum zu beruhigen.

Hernandez zog sie stützend aus dem Terminal und verfrachtete sie auf die erstbeste Parkbank. Er wühlte in seinem Koffer und zog eine Flasche erstklassigen Santiago Rum aus der Tasche, die er ihr direkt an die Lippen hielt.

»Trink einen ordentlichen Schluck, das beruhigt ein bisschen.«

»Aber Hernandez, ich muss doch noch fahren«, wehrte Claudia ab.

»In deiner momentanen Verfassung bist du auf keinen Fall fahrtüchtig, also trink. Und wenn du dann in der Lage dazu bist, erzählst du mir die ganze Geschichte, von Anfang an.«

Es dauerte geraume Zeit und bedurfte einiger großzügiger Schlucke mehr, bis Claudia sich zumindest so weit beruhigt hatte, um Hernandez zu berichten, was passiert war.

Obwohl Hernandez die klimatischen Bedingungen mit einem leichten Lüftchen um einiges angenehmer empfand, als die tropische Hitze seiner Heimat, war er bei den sommerlichen Temperaturen nach kurzer Zeit durchgeschwitzt. Seine weiße Leinenhose schlug Falten und unter den Achseln seines orangenen Hawaii-Hemdes bildeten sich Schweißränder. Er war froh über die Entscheidung, seinen Panamahut mit ins Handgepäck genommen zu haben.

Behutsam bugsierte er Claudia auf den Beifahrersitz, setzte sich selbst hinter das Lenkrad und startete den Wagen.

»OK Süße, wenn du das Navi einstellst, dann finde ich den Weg auch und du kannst mir während der Fahrt Bericht erstatten.«

Sie waren einige Minuten unterwegs, als auf der linken Seite, unterhalb der Straße, die roten Dächer Dubrovniks erschienen. Ein wunderschöner Anblick, welch eine imposante Stadt. Der Kommissar überlegte, ob sich die Gelegenheit für eine Besichtigung ergeben würde. Immerhin ist die Altstadt ein einmaliges mittelalterliches Areal einer mit Mauern befestigten Stadt. Zahlreiche Baudenkmäler aus dem Mittelalter, Barock und Renaissance bilden ein in sich geschlossenes architektonisches Ganzes. Noch heute befinden sie sich in einem ausgezeichneten Zustand. Dazu unzählige Touristen, die zu den Drehorten von Games of Thrones pilgerten. Manche gar im Kostüm.

Allerdings war er aus einem anderen Grund hier und just in diesem Moment fing Claudia endlich an zu reden.

»Also an dem Tag, ich bin morgens aufgewacht und Nikos war nicht da, die ganze Nacht nicht. Sein Bett war unberührt.« Sie sprach etwas konfus, Hernandez war nicht klar, ob durch die erlebten Ereignisse oder den Alkohol, es spielte keine Rolle.

»Und das ist dir erst morgens aufgefallen?«, unterbrach er sie.

»Ja, der vorherige Tag war anstrengend. Ich habe tief und fest geschlafen.«

»Ok, entschuldige. Erzähl weiter.«

»Ich habe mich natürlich gewundert. Er wollte an dem Abend im Weinkeller noch etwas Ordnung schaffen und dann gleich nachkommen. Irgendwie hatte ich sofort ein komisches Gefühl. Deshalb bin ich direkt nach unten. Und da lag er. Auf dem Steinboden vor dem Tresen des Gewölbekellers. Er hatte eine Platzwunde am Kopf, seine Augen waren weit aufgerissen. Ich begriff sofort, dass er tot war und habe nur noch geschrien.« Erneut kullerten Tränen.

Hernandez tätschelte sanft ihr Knie, eine tröstliche Geste, die Wirkung zeigte.

»Wie ging es weiter?«

»Es dauerte gar nicht lange, da kamen Gustl und Borna. Borna ist ein Arbeitskollege von Nikos. Gustl hat mich raus geführt und danach habe ich ehrlich gesagt nicht mehr viel mitbekommen. Borna hat sich wohl um alles andere gekümmert, sprich Notarzt und Polizei verständigt. Meine Erinnerungen sind sehr verschwommen, der Arzt hat mir eine Spritze gegeben und einen schweren Schock diagnostiziert.«

»Das ist absolut verständlich. Aber Moment, du sagst, Gustl ist gekommen. Dein Ex-Chef? Ich dachte, er und seine Frau sind längst zurück auf Kuba.« Der Kommissar machte sich Gedanken, ob Claudia nicht ein bisschen was durcheinanderbrachte. Vielleich war sie komplett neben der Spur und nicht wirklich zurechnungsfähig. Aber Claudia klärte ihn auf.

»Ja, nein, das war der ursprüngliche Plan. Aber aufgrund der hohen Nachfrage für die Balkan-Rundreise haben sie sich entschlossen, noch eine letzte Tour anzubieten. Sie haben mich überredet, die Abschlusstour zu begleiten. Dafür wollten sie im Anschluss ein paar Wochen länger bleiben, um uns bei der Eröffnung des Hotels zu helfen. Wir haben letzten Monat den Mietvertrag unterschrieben und bereits angefangen zu renovieren.« Sie schluckte hart. »Ein echtes Schmuckstück. Wir waren so kurz davor unseren Traum zu verwirklichen. Ach Hernandez, das Leben ist so grausam. Jetzt bin ich natürlich froh und dankbar, dass Carmen und Gustl noch hier sind. Ich weiß gar nicht, was ich ohne die Beiden machen würde.«

Sie waren schon geraume Zeit auf der Küstenstraße unterwegs. Trotz der Umstände konnte der Kommissar die Umgebung begutachten. Auch wenn er nicht im Traum daran dachte, seine geliebte Heimat zu verlassen, fand dieses Fleckchen Erde auf den ersten Blick sein Wohlwollen.

»Wieso glaubst du, dass Nikos ermordet wurde? Und was sagt die Polizei dazu? Wie beurteilen sie die Situation?«

»Ach hör auf, ich bekomme überhaupt keine Auskunft. Ich bin schon Sturm gelaufen auf diesem beschissenen Revier. Aber ich bin ja keine Angehörige. Carmen hat mir erzählt, die Beamten hätten im Keller etwas von Unfall, Kopfverletzung durch Sturz oder Herzinfarkt gefaselt. Alles Bullshit. Deshalb habe ich dich doch angerufen. Hernandez, selbst in meinem Schockzustand konnte ich erkennen, dass es lediglich eine Platzwunde war. Daran stirbt man nicht. Außerdem war Nikos kerngesund. Daher befürchte ich ja, dass die hiesige Polizei den leichtesten Weg geht. Die schreiben einfach »Unfall« auf den Totenschein und das war`s. Ermittlungen eingestellt. Das kann und will ich nicht akzeptieren.«

»Na hör mal Süße, das klingt ja gerade so, als hättest du einen konkreten Verdacht.« Doch Claudia sah ihn nur stirnrunzelnd an. »Also nicht? Aber du weißt auf was ich hinausmöchte. Hatte dein Freund Feinde? Hatte jemand Grund ihm ans Leder zu wollen? Was ist mit seiner Exfrau? Oder hatte Nikos selbst irgendwelche Leichen im Keller?«

Sofort biss Hernandez sich auf die Lippen. Sein letzter Satz war so was von daneben, doch Claudia war die makabre Wortwahl zum Glück nicht aufgefallen.

»Nein, er hatte keine Feinde. Er hatte so gut wie keine sozialen Kontakte. Seit wir zusammen sind, verbringt er seine Zeit mit viel Arbeit, ein paar Stunden die Woche mit seinem Sohn und natürlich mit mir. Ab und zu geht er mit Borna und ein paar anderen Kumpels ins Fitnessstudio und das war`s. Er hat mal erzählt, dass er früher seine Finanzen durch kleine Hehlereien aufgebessert hat, aber ansonsten hat er eine weiße Weste.«

»Was, bitte schön, sind denn kleine Hehlereien?«, fragte der Kommissar schmunzelnd.

»Du weißt schon, auch hier fällt manchmal was vom LKW, das man dann weiter verscherbeln kann. Aber deshalb wird man doch nicht umgebracht. Außerdem sind das olle Kamellen.«

»Nun, wenn es Mord war, muss es auch einen Grund dafür geben. Das nennt man dann Motiv. Du verstehst, was ich meine?«

Claudia sah ihn herausfordernd an. »Deshalb bist du ja hier.«