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Eine knallharte Horrorgeschichte, die Charles Stross als das »möglicherweise vielversprechendste Horror-Debüt des Jahres« bezeichnet. Das Buch war Finalist für den British Fantasy Award und den Locus Award. John Persons ist ein Privatdetektiv mit einem unangenehmen Auftrag von einem ungewöhnlichen Kunden: Ein zehnjähriger Junge hat ihn angeheuert, um seinen Stiefvater McKinsey zu töten – einen missbräuchlichen, gewalttätigen und abscheulichen Mann. Während seiner Ermittlungen entdeckt Persons, dass McKinsey von einer fremden Präsenz befallen ist, die sich unaufhaltsam ausbreitet. Persons jedoch ist der ideale Jäger, denn er ist bestens mit dem Okkulten vertraut und hat im Laufe seiner eigenen, uralten Existenz bereits Götter und Dämonen gejagt und sie zwischen seinen Zähnen zermalmt. Die Frage ist, ob er den Stiefvater ausschalten kann, ohne die Kontrolle über seine eigene, schreckliche Macht zu verlieren. Finalist für den British Fantasy Award und den Locus Award Charles Stross: »Das möglicherweise vielversprechendste Horrordebüt des Jahres.« Alle fünf Bände der 24er-Ausgabe von Cemetery Dance Germany SELECT sind von Vincent Chong illustriert, haben illustrierte Vor- und Nachsatzpapiere sowie 3 Innenillustrationen. HINWEIS Gesamtausgabe & Farbschnitt: Die fünf Bände von Cemetery Dance Germany SELECT '24 - LOVECRAFTIAN VIBES sind ebenfalls als Gesamtausgabe im Sammlerschuber erhältlich. Die Hardcover der ersten Auflage der Gesamtausgabe werden einen digitalen Farbschnitt erhalten. Ein bestehendes CDG-SELECT-Abo (direkt beim Verlag) zählt ebenfalls in Bezug auf die erste Auflage der Gesamtausgabe mit Farbschnitt.
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Seitenzahl: 99
Veröffentlichungsjahr: 2024
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PersonsNonGrata
Buch 1
von Cassandra Khaw
Illustriert von
Vincent Chong
Aus dem Amerikanischen von
Tim Lemke
Grimma
Buchheim Verlag
2024
Deutsche Erstausgabe
ISBN: 978-3-946330-35-6
ISBN E-Book: 978-3-946330-36-3
ISBN Schuberausgabe: 978-3-946330-45-5
© 2024 Buchheim Verlag, Olaf Buchheim, Grimma
Alle Rechte vorbehalten
Cover & Illustrationen: Vincent Chong
Lektorat: Dr. Frank Weinreich
Satz im Verlag
www.buchheim-verlag.de
www.cemeterydancegermany.com
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
HAMMERS ON BONE
Copyright © 2016 by Cassandra Khaw
Published by Arrangement with Zoe Khaw Joo Ee
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische
Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover.
HämmeraufKnochen
PersonsNonGrata
Buch 1
An all die Monster,
die sich in dieser Welt verstecken:
Ich hoffe, die Kinder werden euch
bei lebendigem Leib häuten.
An all die Kinder dieser Welt:
Lasst euch von niemandem sagen,
dass ihr eure Monster
nicht zum Bluten bringen könnt.
1: MORD, MON AMOUR
2: AUF DIESER SEITE DES GESETZES
3: ZU KURZ GEKOMMEN
ZWISCHENSPIEL
4: ICH WILL NICHT IN DEINER HAUT STECKEN
5: GEBOREN, UM ZU TÖTEN
6: DAS ROTE HAUS
EPILOG
DANKSAGUNG
AUTOREN
ILLUSTRATOR
»Ich will, dass Sie meinen Stiefvater umbringen.«
Ich nehme meine Füße vom Tisch, lehne mich nach vorn und runzle die Stirn. »Sag das doch noch mal, Kid!«
Normalerweise kommen hier Damen in Korsett und Spitze durch meine Tür geschlichen. Oder, was heutzutage häufiger der Fall ist, Femmes fatales in Jimmy-Choo- oder Armani-Kopien. Der Knirps in meinem Büro ist mal was Neues, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich seine Art von ›neu‹ mag. Er ist jung, vielleicht gerade mal elf, aber er hat den Blick von jemandem, der dreimal so alt ist wie er, und etwas doppelt so Gefährliches an sich.
Er ist nicht hier, um Plätzchen zu verkaufen, so viel steht mal fest. Ich habe gesehen, wie er einen langen, harten Blick auf die Tür und die Aufschrift, die ich auf dem Milchglas habe anbringen lassen, geworfen hat: John Persons, Privatdetektiv.
»Ich habe gesagt …«, er stellt sein Sparschwein auf den Tisch, wie zur Bestätigung seines Vorhabens. »… ich will, dass Sie meinen Stiefvater umbringen.«
»Und warum?«
»Weil er ein Monster ist.«
Bei dieser Art Arbeit lernt man einige Dinge. Zum Beispiel wie man den Herzschlag lesen kann. Jeder Möchtegerndetektiv kann erkennen, ob ein Typ lügt, aber es braucht schon eine besondere Art Scharfsinn, um zwischen zwei Wahrheiten unterscheiden zu können. Wie immer die Wahrheit auch aussehen mag, dieser Junge ist tief in seinem Innersten von seiner Geschichte überzeugt. In seinen Augen ist diese armselige zweite Version eines alten Herrn ein wahrhaftiges Monster.
Ich lasse ein Lächeln meine Mundwinkel nach oben ziehen. »Kid. Ich weiß nicht, was du gehört hast, aber ich bin Privatdetektiv. Wenn du einen Auftragskiller suchst, musst du woanders hingehen.«
Wie aufs Stichwort ertönt ein Flüstern ganz hinten in meinem Kopf, wie eine Funkübertragung von den Toten, zittrig, aber andauernd: warte, warte, warte.
Das Kid zuckt noch nicht mal mit der Wimper. »Sie töten, wenn Sie es müssen.«
Ich verschränke die Arme vor der Brust. »Wenn ich muss. Nicht weil ein komischer Kauz mit einem Haufen Kleingeld es mir sagt. Das ist ein großer Unterschied.«
Ein Muskel zuckt in seiner Wange. Der Bengel mag es nicht, wenn man Nein zu ihm sagt. Aber man muss ihm lassen, dass er Haltung bewahrt. Er atmet ein, tief und langsam, dann atmet er wieder aus. Hat schon Klasse, der Junge. Wenn ich jemals seine Eltern treffe, werde ich meinen Hut vor ihnen ziehen müssen.
»Nun«, setzt er an, eiskalt wie ein schmieriger Winkeladvokat im Gerichtssaal. Ich hab ja schon genug eigene Probleme, aber wir wollen jetzt beide wissen, wie es weitergeht. »Sie müssen.«
»Und warum sollte ich es müssen?«
»Weil mein Bruder und ich sterben werden, wenn Sie es nicht tun.«
Also bitte.
Ich seufze, fühle, wie sich die Luft aus meiner Lunge schlängelt. Ich könnte jetzt eine Zigarette vertragen, aber es wäre unhöflich, um nicht zu sagen dämlich, einen Klienten hier allein zu lassen. Man kann nie wissen, ob er einfach sitzen bleibt oder ob er in Dingen herumschnüffelt, die ihn nichts angehen. Und das darf nicht passieren.
Also hole ich stattdessen ein paar Aktenordner aus dem Schrank und ordne einige Papiere, nur damit meine Hände etwas zu tun haben. »Sag deiner Mutter, sie soll das Jugendamt anrufen. Die Bullen werden deinen alten Herrn im Nullkommanichts hochnehmen.«
»Ich kann nicht.« Er schüttelt kurz den Kopf. »Er hat meiner Mutter was angetan. Und er würde auch der Polizei etwas antun. Ich weiß es. Bitte. Sie sind der Einzige, der helfen kann.«
»Warum glaubst du das?«
»Weil Sie auch ein Monster sind.«
Nun. Das wird jetzt interessant. Ich zeige mit dem Finger auf ihn und winke den Zwerg näher zu mir. Er zögert keine Sekunde, geht sofort bis zum Rand meines Schreibtischs und reckt mir den Kopf entgegen, als wäre ich sein Lieblingsonkel, der ihm gleich die Haare verstrubbeln wird. Ich schnüffle. Ich trinke seinen Duft wie einen Schluck Blut.
– schwarze Tiergalle, Kupfer und kaltes Quellwasser, Kräuter und Leben aus jeder Dimension, fast genug, um den Gestank von aufgeschnittenem Gedärm zu überdecken, von zerschnittenen Muskeln und erschöpften bis unvorstellbaren Träumen, eine Mischung von Innereien und Tieraroma und Raubtieratem –
»Das ist ein ganz schöner Schlamassel, in den du da hineingeraten bist.«
»Ich weiß.« Er fixiert mich mit seinen Augen. Sein Blick ist wirklich zum Dahinschmelzen. »Werden Sie den Auftrag annehmen?«
Wirmüssenwirmüssenwirmüssen.
Hartnäckig wie eine Bärenfalle, die beiden. Ich lächle mit zusammengebissenen Zähnen, obwohl das Betteln in meinem Kopf nicht aufhört. »Kid, ich glaube, ich habe keine andere Wahl.«
Croydon ist heutzutage ein komischer Ort. Ich erinnere mich daran, als es deutlich härter war, als es noch voller Gauner, Punks, mit Messern bewaffneter Teenager und Familien war, zu arm, um irgendwo anders im großen, alten London zu überleben. Als dieser Körper so voller Schmerz und Heroin war, dass er darauf wartete, den letzten Atemzug zu tun. Mittlerweile ist Croydon in der Mitte geteilt, das Mittelklasseleben streckt seine Tentakel in die Adern des Viertels aus und bringt überall Anzüge, Hochhäuser und Fast-Food-Restaurants hervor. In ein paar Jahren wird es nur eine weitere Wohngegend für Normalos sein. Kein Platz mehr für die Verdammten.
Zu Hause, seufzt es in meinem Kopf.
»Nein«, korrigiere ich die Stimme meines Geists und richte mir mit einer vorsichtigen kurzen Bewegung den Kragen. »Nicht mehr.«
Ich rolle mit den Schultern, richte mich zu voller Größe auf und meine Knorpel knacken wie eine Maschinenpistole. Die Kälte fühlt sich gut an, sehr gut. Wie eine kühle Messerklinge, die in den Krebs eines tausendjährigen Schlafs schneidet. Ich schirme meine Augen mit der Hand ab und lese die Adresse, die der Junge auf eine Quittung gekritzelt hat. Nahe genug, um hinzulaufen, aber einen Block unterhalb des alten karibischen Lokals, an das ich mich aus den 90ern erinnere.
Ich zünde mir die erste Zigarette des Jahrzehnts an. Atme ein. Atme aus. Lasse meine Lungen in Teer und Tabak baden, bevor ich die schäbige Straße entlanggehe. Es dauert nicht lange, bis ich mein Ziel erreicht habe. Das Haus ist eine Müllhalde. Eingequetscht zwischen Sozialwohnungen liegt es inmitten von identisch aussehenden Häusern – ein kleines Gebäude wie ein Junkie, der zwischen zwei Highs durchhängt.
»Jemand daheim?« Ich schlage gegen die Tür.
Die Holztür öffnet sich und offenbart ein erschrockenes Frauenzimmer und den Gestank abgestandenen Fusels. »Wer sind Sie?«
»Schulbehörde.«
Sie versteift sich. »Was wollen Sie?«
Rauch kommt zwischen meinen Zähnen hervor, als ich sie angrinse wie ein Hai. »Ich bin hier wegen der Zeit, die Ihr Sohn in der Schule verbringt. Man ist dort nicht gerade zufrieden damit.«
»Es tut mir …«
Ich lasse sie nicht aussprechen. Stattdessen stelle ich einen Fuß in die Öffnung, drücke die Tür mit der Schulter auf und zerreiße dabei die Türkette. Die Braut hoppelt erschrocken zurück. Ich kann sehen, wie sich die Zahnräder in ihrem Kopf drehen, als ich reinkomme: Was hat dieser Schnüffler in meinem Haus herumzufuhrwerken? Während sie noch über einen Einwand nachdenkt, fahre ich dazwischen.
»Also, was ist hier los, Schwester? Lassen Sie den Kümmerling in einem Sweatshop schuften oder so was?«
»Wie bitte?« Sie starrt mich an. Das machen sie immer. Heutzutage ist alles stets eitel Sonnenschein, entzückende Selfies und kulturelle Aneignung von Markennamen. Das lässt mir nur ein kleines sprachliches Fenster für meine Wortwahl. Ich meine, ich könnte die Gegenwart ja auch adaptieren, aber ich fühle eine Verantwortung gegenüber dem abwesenden Herrscher über mein Fleisch.
»Ihr Sohn.«
Ihre Augen glänzen und springen umher wie blassblaue Fische.
»Nun?« Ich setze nach, rieche den Vorteil wie Blut in Salzwasser.
»So etwas würde ich meinem geliebten Jungen nie antun.«
»Ach ja?« Ich kaue auf der Zigarette rum, lasse sie von einem Mundwinkel in den anderen wandern. Im Flur liegt ein durchdringender Geruch. Nicht unbedingt ein Gestank, aber etwas Unangenehmes. Wie die Überbleibsel einer Drogenparty oder von altem Sex, der auf der Haut verkrustet. »Was ist mit seinem alten Herrn? Verprügelt er den Jungen? Kommt er deswegen nicht in die Schule?«
Die Braut zuckt zusammen, die Schultern schießen nach hinten und die Wirbelsäule krümmt sich. Es ist nur eine kleine Bewegung, eine dieser unscheinbaren, aber verräterischen Gesten, aber – o doch – ich sehe sie. »Mein Verlobter lässt unseren Sohn keine harte Arbeit verrichten.«
»Ach ja.« Ich klopfe Asche von meiner Zigarette und grinse wie der Teufel, der uneingeladen zum Abendessen auftaucht. »Stört es Sie, wenn ich mich mal umschaue?«
»Ich glaube nicht, dass …«
Man muss diese Tommys einfach gernhaben. Die Amerikaner sind immer schnell dabei, einem zu sagen, dass man sich verziehen soll. Aber Briten? Sie tragen es tatsächlich nicht in sich, unhöflich zu sein. Ich nehme einen langen letzten Zug, bevor ich die Zigarette auf dem abgenutzten Teppich austrete und weiter in das Haus vordringe, während die Beschwerden des Püppchens hinter mir herziehen wie glitschige Organe.
Der Gestank nimmt zu: weniger menschlich, mehr maritime Verletzung. Ein Geruch nach Salz und hartem Drogenmissbrauch, nach ertrunkenen Dingen, die neben neuem Leben verrotten. Ein alter Geruch, ein Geruch aus der Kindheit. Ich fahre mit den Fingerspitzen über die schimmelnde Tapete, die schwarze Flecken trägt wie eine misshandelte Hausfrau. Mit meiner Berührung blühen die Visionen auf.
Ah.
»Wo ist der Mann?«
»Wie bitte? Ich weiß nicht, was Sie das alles …«
»… angeht?«, unterbreche ich sie, und die Erinnerungen des Hauses kleben immer noch an meinem Gaumen. »Sie wollen wissen, was mich das alles angeht?«
»Ja, ich …«
Ich drehe mich auf den Fersen um und steuere auf sie zu, meine gesamten ein Meter achtzig auf ihre winzigen ein Meter fünfzig. Ich atme ihren Geruch ein; leicht faulige Eier mit einem kaum zu verdeckenden Nachgeschmack. »Meine Aufgabe ist es herauszufinden, ob Sie allein verantwortlich sind für die Geschichten, die wir gehört haben, oder ob Ihr Mann ebenfalls schuldig ist. Nun, Sie sehen wie eine clevere Lady aus. Ich bin sicher, dass Sie verstehen, worauf ich hinauswill. Wenn Sie die volle Verantwortung übernehmen wollen für die Scheiße, die hier abgeht, tun Sie sich keinen Zwang an. Wenn Sie aber wollen, dass ich Ihnen eine faire Chance gebe, sagen Sie mir einfach, wo Ihr Liebster ist, damit ich ihm ein paar Fragen stellen kann.«
Sie zuckt zusammen – als ob ich eine Dame ihrer Größe je schlagen würde. Ihr Mund klappt auf. »Er ist nicht da. Er arbeitet in der Ziegelei.«
Ich fahre mir mit der Zunge über die Rückseite meiner Zähne und zähle jeden Stumpf, bevor ich noch einmal ansetze. »Wo?«
Stille. Ein Lecken über spröde, blutleere Lippen.
»Schwester, ich habe einen kostenlosen Rat. In welchem Schlamassel Sie auch immer stecken, Sie sollten aufräumen und abhauen.«
»Wie bitte? Ich …«
Ich starre sie gelangweilt an. »Sie haben eine Visage wie ein Boxer. Sollen Ihre Jungs auch mal so aussehen?«
Ihre Finger fahren zu ihrem Gesicht. Natürlich habe ich gelogen. Das Ding, das sich als ihr Liebster ausgibt, war vorsichtig. Wenn es irgendwo Spuren gibt, sind sie unter Secondhandklamotten verborgen, an Stellen, die nur Liebhabern vorbehalten sind. Aber Schuld wirkt eine komische Art von Magie.