Handbuch Bildungs- und Sozialmanagement - Viva Fialka - E-Book

Handbuch Bildungs- und Sozialmanagement E-Book

Viva Fialka

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Beschreibung

Umfassend, kompetent, ansprechend beschreibt dieses Buch, wie Führungskräfte Kitas professionell, qualitätsbewusst und zukunftsorientiert führen. Die Themenspektrum reicht dabei von der Konzeptions- bzw. Teamentwicklung über die Mitarbeiterführung bis hin zur Selbstführung und Stressmanagement. Auch auf derzeit aktuelle Veränderungsprozesse wie Ausweitung von Altersstufen, Netzwerkarbeit oder Umwandlung in Familienzentren nimmt die Autorin Bezug. Das Buch ist gleichermaßen theoretisch fundiert wie praxisorientiert.

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Seitenzahl: 290

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Viva Fialka

Handbuch Bildungs- und Sozialmanagement

in Kita und Kindergarten

Impressum

Titel der Originalausgabe: Handbuch Bildungs- und Sozialmanagement

in Kita und Kindergarten

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlagkonzeption: R.M.E Roland Eschlbeck/Rosemarie Kreuzer

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagabbildung: © Barbara Mößner

E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

ISBN (E-Book): 978-3-451-80479-3

ISBN (Buch): 978-3-451-32382-9

Inhalt

Vorwort

1 Führung und Selbstführung

1.1 Führungstheorien aus historischer Sicht

1.1.1 Die geschichtliche Entwicklung der Führungstheorien

1.1.2 Der heutige Stand der Führungsdiskussion und die Bedeutung für den Sozialbereich

1.2 Das Führungsverständnis der Leitungskraft und die Erwartungen von außen

1.2.1 Die eigene Führungsbiografie und Führungswerte

1.2.2 Selbstbild und Potenzialanalyse: Wo liegen meine Stärken?

1.2.3 Die Erwartungen von außen und das Klärungsgespräch

1.3 Menschenbild und Führungsleitbild

1.3.1 Systemischer Ansatz und Lösungsorientierung

1.3.2 Die Bedeutung eines Führungsleitbilds

1.3.3 Implementierung eines Leitbilds »Führung und Zusammenarbeit«

1.4 Selbstmanagement

1.4.1 Die Zielklarheit

1.4.2 Die Prioritätensetzung

1.4.3 Die effektive Projekt- und Alltagsplanung

1.4.4 Sich selbst motivieren

1.4.5 Selbstmanagement heißt auch Synchronisation

1.4.6 Burn-out-Prävention: Neinsagen, Vernetzen, Achtsamkeit üben

1.5 Entwicklung und Karriere im Sozial- und Bildungsbereich

1.5.1 Die Aufgaben der Fachberatung: Bin ich geeignet?

1.5.2 Die Klärung und Verfolgung der eigenen Karriereziele

1.6 Kompetenzentwicklung mit Führungsfeedback und Coaching

1.6.1 Das Führungsfeedback und sein vielfältiger Nutzen

1.6.2 Der Ablauf des Führungsfeedbacks und die Umsetzung mithilfe von Coaching

2 Mitarbeiter/innen individuell führen

2.1 Führen mit Zielen

2.1.1 Den Nutzen von Zielen für alle Beteiligten sicherstellen

2.1.2 Das Zielvereinbarungsgespräch

2.1.3 Die Zielformulierung im pädagogischen Bereich

2.2 Delegation von Aufgaben

2.2.1 Test: Wie gut delegiere ich?

2.2.2 Grundsätze effektiver Delegation

2.3 Mitarbeiter/innen individuell führen

2.3.1 Der situative Führungsstil

2.3.2 Die verschiedenen Mitarbeitertypen

2.3.3 Die ressourcenorientierte Mitarbeiterführung

2.3.4 Klassische Beziehungsmuster zwischen Leitung und Mitarbeiter/in

2.4 Die Führungskraft als Coach

2.4.1 Der Rollenanteil Coaching im Wechselspiel mit anderen Führungsaufgaben

2.4.2 Dialog und lösungsorientierte Kommunikation

2.5 Motivation schaffen und erhalten

2.5.1 Thesen zur Motivation und Demotivation

2.5.2 Vom Wissen, Wollen, Können, Dürfen und Sollen

2.5.3 Motivationsfördernde Beziehungen und Einrichtungskultur

2.6 Persönlichkeits- und Kompetenzentwicklung der Mitarbeiter/innen

2.6.1 Die Persönlichkeitsentwicklung des Erwachsenen

2.6.2 Das Lernen der Erwachsenen

2.7 Mitarbeiter/innen finden, binden und verabschieden

2.7.1 Anforderungsprofil und Stellenausschreibung

2.7.2 Das Einstellungsinterview

2.7.3 Die Gestaltung der Einarbeitungsphase

2.7.4 Loyalität aufbauen und erhalten

2.7.5 Gründe für Trennungen und das Überbringen der schlechten Nachricht

3 Führung und Zusammenarbeit im Team

3.1 Erfolgsfaktoren guter Teamarbeit

3.1.1 Die formalen und informellen Faktoren analysieren

3.1.2 Teamdiagnose mit den Teamsäulen

3.2 Teamentwicklung und Unterstützungsaufgaben

3.2.1 Der organische Phasenverlauf der Teamentwicklung

3.2.2 Unterstützungsaufgaben der Teamleitung

3.2.3 Team-Workshops: Die regelmäßige Teaminspektion

3.2.4 Die optimale Teamzusammensetzung

3.3 Die Moderation von Teamsitzungen

3.3.1 Struktur und Ablauf von Teamsitzungen

3.3.2 Der Umgang mit »schwierigen« Gesprächsteilnehmern

3.3.3 Leitungs- und Teamentscheidungen: Was passt wann?

3.3.4 Der Einsatz von Moderationstechniken

3.4 Teamdynamik und Konfliktmoderation

3.4.1 Die Konfliktkultur in Kitas

3.4.2 Die Moderation der Konfliktbearbeitung im Team

3.4.3 Mediation: Vermittlung und Schlichtung im Konfliktfall

4 Die Organisation Kindertagesstätte

4.1 Die Kita als Dienstleistungsorganisation

4.1.1 Die Werte und das Leitbild der Bildungseinrichtung

4.1.2 Die Kundenbedürfnisse erfassen

4.1.3 Die Aufbauorganisation

4.1.4 Die Ablauforganisation

4.2 Die lernende und sich wandelnde Organisation

4.2.1 Eine Kultur des miteinander und voneinander Lernens schaffen

4.2.2 Feedbackkultur fördern durch Supervision, Coaching, Kollegiale Beratung

4.2.3 Die psychodynamischen Prozesse in Zeiten der Veränderung

4.3 Konzeption und Profil der Kindertagesstätte

4.3.1 Die pädagogische Konzeption (weiter)entwickeln

4.3.2 Das Profil als Alleinstellungsmerkmal

4.4 Qualitätsentwicklung und -sicherung

4.4.1 Inhalte und Prozess des Qualitätsmanagements

4.4.2 Systematische Beobachtung und Dokumentation

5 Soziales Umfeld und Bildungslandschaft

5.1 Die Sozialfeldanalyse

5.1.1 Organisatorische und pädagogische Berücksichtigung der Lebenssituationen

5.1.2 Proaktiv statt reaktiv: Trends frühzeitig erkennen

5.2 Öffentlichkeitsarbeit und (Re)Präsentation

5.2.1 Wo fängt Öffentlichkeit an?

5.2.2 Faktoren wirkungsvoller Öffentlichkeitsarbeit

5.2.3 Die Präsentation der Konzeption

5.2.4 Öffentlichkeitswirksame Konzepte

5.3 Netzwerkarbeit als Qualitätskriterium

5.3.1 Die verschiedenen Arten von Netzwerken

5.3.2 Das institutionelle Bildungs-Netzwerk

5.3.3 Was macht Netzwerke erfolgreich?

5.3.4 Die Analyse des Netzwerks: Kraftfeldanalyse

5.4 Verhandlungen mit Träger und Sponsoren effektiv führen

5.4.1 Erfolgreiches Verhandeln nach dem Harvard-Konzept

5.4.2 Erstes Beispiel: Den Sponsor gewinnen

5.4.3 Zweites Beispiel: Mit dem Träger um Freistellung verhandeln

Anlagen

Literatur

Vorwort

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Sie gehören zu den rund 50.000Leitungskräften in Kindertageseinrichtungen in Deutschland, sind pädagogische Fachberaterin, Lehrkraft an einer Fachschule bzw. Fachakademie, sonst in einer verantwortungsvollen, steuernden Position im Bereich Bildung und Erziehung von Kindern oder streben eine Rolle als Führungskraft in diesem Zusammenhang an? Dann finden Sie mit diesem Buch ein breites Spektrum an Hilfestellungen, um Einrichtungen bei den gewachsenen und neuen Anforderungen ihres Arbeitsalltags zu unterstützen und voranzubringen.

Im elementarpädagogischen Bereich geht es heute wie zukünftig darum, Kinder auf die Wissensgesellschaft vorzubereiten und ihre Intelligenz und Neugier, ihre lernmethodische Kompetenz sowie ihre Problemlösekompetenz zu fördern. Der Aspekt der gestiegenen Mobilität in der heutigen Gesellschaft erfordert zugleich hochflexible Biografien bei hoher Resilienz. Auch die Vorbereitung der Kinder auf die Arbeitsgesellschaft wird weniger vom industriell geprägten Typus von Arbeit ausgehen, denn die selbstständige Gestaltung von Erwerbs- und Arbeitsformen wird zunehmen und setzten ein hohes Maß an Bildung und Eigenverantwortung voraus. Das Leben in einer Einwanderungsgesellschaft fordert zudem einen konstruktiven Umgang mit der Vielfalt unterschiedlicher Traditionen und Lebenskonzepte. Der demografische Wandel braucht die Öffnung von Betreuungseinrichtungen im Hinblick auf fruchtbare Kooperationen mit anderen Institutionen.

Das alles braucht Organisationsstrukturen und -prozesse, die Halt geben und gleichzeitig offen sind, braucht Personal, das mit Hirn, Herz und Hand bei der Sache ist, braucht einen klaren Blick auf die Ressourcen in einer Kultur des Miteinander-Lernens. Und das alles fällt auch nicht einfach vom Himmel, sondern benötigt als Grundlage eine achtsame, gestaltende Führung mit geeigneten Instrumenten und angemessener Kommunikation.

An dieser Stelle ist es sicher hilfreich, die Begriffe »Management« und »Führung« genauer zu definieren: Bei »Management« handelt es sich um Techniken, die notwendig sind, um effiziente oder effektive Organisationsstrukturen und interne Prozesse zu gestalten. Sie erfordern Fachwissen und Methodenkompetenz, die erlernbar sind. Da macht es Sinn, dass zum Beispiel die erfahrene Erzieherin die fachliche Vorgesetzte einer weniger erfahrenen wird und mit der Leitungsrolle ein erhöhtes Maß an Verantwortung übertragen bekommt. Die Auseinandersetzungen auf dieser Ebene laufen durchaus diskursiv und argumentativ. Bei »Führung« oder »Leitung« dagegen geht es um einen Prozess der Ko-Kreation, bei dem die Problemsituation mit Managementtechniken allein nicht zu lösen ist, weil sie vieldeutig statt eindeutig ist. Führung muss an den verschiedenen Perspektiven ansetzen und diese für die Gesamtorganisation zugänglich machen. Sie muss echten Dialog ermöglichen, um auf der Basis verschiedener subjektiver Realitäten ein gemeinsames Verständnis für die zukünftige Zusammenarbeit herauszuarbeiten. In diesem Buch geht es um Management- und Führungstechniken gleichermaßen, denn Kita-Arbeit braucht beides und darüber hinaus die Klugheit einschätzen zu können, wann das eine oder das andere angebracht ist.

Ich arbeite dabei von innen nach außen – beginnend bei der einzelnen Führungspersönlichkeit, deren Selbstverständnis, Rolle und Aufgabenspektrum, deren Selbstorganisation und eigenen Weiterentwicklung. Denn sie ist es, die dann alles Weitere bewerkstelligen können muss. In den nächsten Schritten betrachten wir die Führung einzelner Mitarbeiter/​innen sowie die Steuerung von Teamprozessen, um dann auf die Organisation Kindertageseinrichtung als Ganzes zu kommen und zum Ende einen Blick auf deren Einbettung in den gesellschaftlichen und institutionellen Kontext zu werfen. Bei all dem möchte ich Sie unterstützen, Vorgänge besser verstehen zu können, aber auch praktische Hinweise für die Bearbeitung konkreter Situationen zu erhalten. Umfangreiche Checklisten und Arbeitsblätter stehen Ihnen im Anhang zum sofortigen Einsatz zur Verfügung.

Nach Peter Drucker (*1909), Managementlehrer und -berater, bedeutet Management »… gewissenhaft zu sein, einige wenige Dinge zu tun und sie gut zu tun. Man behüte uns vor dem genialen Manager.«

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen und Ausprobieren – ganz ohne den Anspruch auf Genialität!

Ihre Viva Fialka

1Führung und Selbstführung

1.1Führungstheorien aus historischer Sicht

1.1.1Die geschichtliche Entwicklung der Führungstheorien

Bücher über gute Führungsarbeit füllen meterweise Regale in Buchhandlungen und Bibliotheken – ob branchenübergreifend oder speziell auf den Bildungs- und Sozialbereich bezogen. Sich in diesem Dschungel zurechtzufinden, das herauszufiltern, was bei der Klärung des eigenen Führungsselbstverständnisses weiterhilft, kommt der Suche nach der sprichwörtlichen Nadel im Heuhaufen gleich.

Was Laien bei der Frage nach Führung als erstes einfällt ist meist die Unterscheidung in kooperativen (das ist dann der gute) und autoritären (den schlechten) Führungsstil. Das ist ungefähr genauso plakativ, wie zu behaupten, man könne Kinder nur antiautoritär oder autoritär erziehen. Der Praxis wird diese Unterscheidung nicht gerecht; sie ist subtiler, individueller, situativer und komplexer.

Führungstheorie und Historie

Die Erfahrung zeigt interessanterweise, dass »autoritäre«, d.h. allein entscheidende, Ziele setzende, anweisende und bestimmende Führungskräfte durchaus einen sehr guten Stand bei ihren Mitarbeiterinnen haben können und mit ihren Teams gute Dienstleistungen und Projekte umsetzen können. Sie können sogar Fehlentscheidungen treffen, sich Nachlässigkeiten leisten, Dinge vergessen oder missachten und werden trotzdem geschätzt. Dann gibt es andere, die konsequent nach allen Empfehlungen der Führungsratgeber »kooperativ« führen, ihre Mitarbeiter/​innen einbinden, Entscheidungsprozesse moderieren, zuverlässig, verbindlich und zugewandt sind und doch abgelehnt werden. Wie kränkend! Und so unverständlich! Oder?

Was den Unterschied ausmacht sind Vertrauen und Wertschätzung! Einer autoritär entscheidenden Führungskraft, der man vertraut und die uns wertschätzt, schließt man sich gerne an, gerade in unwegsamem Gelände. Eine kooperative und moderierende Führungskraft, der man misstraut und die zu wenig Wertschätzung ausstrahlt, verweigert man sich, denn sie gibt keine Sicherheit.

Die Frage danach, wie sich Vertrauen aufbauen lässt – z.B. durch unbedingte Wertschätzung und einen guten Umgang mit Fehlern – erscheint mir sehr viel realitätsnäher als die Frage nach den Führungsstilen »autoritär« und »kooperativ«. So wird in diesem Buch gerade diesem »Schmierstoff« jeder guten Führungsarbeit größte Aufmerksamkeit gewidmet.

Erinnern Sie sich an eine Führungskraft in Ihrem Leben, z.B. an ein Elternteil, eine Lehrerin, einen Trainer, eine Freundin?

Welche zentrale Botschaft ging von ihr aus?

Bringen Sie diese Aussage in einen Satz, ein Motto.

Welche Rolle spielen dabei Vertrauen und Wertschätzung?

Was hat diese Erfahrung mit Ihrem heutigen Führungsverständnis zu tun?

Im 20.Jahrhundert sind verschiedenste Führungsmodelle entstanden, die eine Betrachtung im Interesse der eigenen Standortbestimmung wert sind. Und, wie ich aufzeigen werde: Alle Modelle haben nach wie vor ihre Berechtigung und werden im Management des Kita-Alltags elementar gebraucht, auch wenn sie auf den ersten Blick unvereinbar erscheinen.

Die Kita als Ergebnislieferantin (1900 bis 1925)

Zwischen 1900 und 1925 hatten auch Pädagoginnen und Pädagogen immense Chancen, Entwicklungen voranzutreiben. Es war die große Zeit für Persönlichkeiten wie Celestine Freinet, Martin Buber oder Maria Montessori, die dem Sozialdarwinismus der Jahrhundertwende reformpädagogische Ansätze gegenüberstellten. Diese mündeten in klare Vorgaben im Hinblick auf eine konsequente Erziehung im »richtigen« Geiste.

Die Auseinandersetzung mit sich enorm schnell wandelnden gesellschaftlichen Strömungen und Arbeitswelten führte zur gleichen Zeit zur Entstehung erster Führungsmodelle. Allen voran prägte Frederic W.Taylor den sogenannten »Taylorismus«, der sich gegen Laisser-faire und für gezielte Personalführung im Hinblick auf die Lieferung von Ergebnissen und Produkten aussprach. Seine Botschaft blieb freilich nicht unwidersprochen, wurde jedoch umso hartnäckiger aufgegriffen und realisiert – nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch im Verständnis der Führung von Bildungseinrichtungen.

Die Leitern als Steuerfrau und Ergebnislieferantin

Die erwartete Rolle war die der Steuerfrau, die Initiative übernimmt, Ziele setzt oder vereinbart und effektiv delegiert, die aber auch deutlich als Schafferin wahrgenommen wird, indem sie hohes Engagement und Einsatz für die Aufgabenerledigung an den Tag legt. Das gelingt ihr, weil sie sich selbst und andere motivieren kann und ein gutes Stress- und Zeitmanagement praktiziert. Das finale Kriterium ist die Effektivität der Organisation Kindertagesstätte: Ziele, Analysen und Maßnahmenplanung stehen im Vordergrund dieses Führungsverständnisses. Entscheidungen werden von oben getroffen, sind rational und ökonomisch.

Die Kita-Struktur als Ort der inneren Sicherheit (1900 bis 1925)

In der gleichen Zeit entwickelten der französische Managementtheoretiker Henry Fayol und der deutsche Soziologe und Sozialökonom Max Weber ein Modell von Führung, das die internen Prozesse und Planungen in den Blick nimmt. Arbeitsteilung, gemeinsame Orientierung an Plänen, geklärte Verantwortlichkeiten und Kontrolle der Arbeitsschritte gewannen an Bedeutung. Alles sollte an seinem Platz sein, vereinheitlichte Regeln und Routinen sollten Orientierung geben, überprüfbar sein und dadurch die Mitarbeiter an die Organisation binden.

Die Leiterin als Planerin und Informationsmanagerin

Der alles bestimmende Wert in diesem Führungsverständnis ist der effiziente Arbeitsfluss – die Aufgabe der Führungskraft wird in erster Linie als strukturgebend gesehen. Sie soll Planerin sein, die Arbeitsschritte koordiniert oder für deren Erarbeitung sorgt, sich um effiziente Strukturen und Abläufe kümmert und deren Einhaltung kontrolliert. Die Aufmerksamkeit liegt dabei auf logistischen Fragestellungen. Sie soll aber auch die Rolle der Informationsmanagerin wahrnehmen, die Informationen beschafft und gleichzeitig die tägliche Informationsflut reduziert, diese aufarbeitet und verwaltet, sinnvoll bearbeitet und weiterleitet. Eine Aufgabe, die sich in den letzten 20Jahren durch die virtuellen Informationswege noch enorm potenziert hat.

Die Kita als Ort der Nähe und Beziehung (1925 bis 1950)

Im zweiten Viertel des letzten Jahrhunderts führten der Börsenkrach 1929 und der Zweite Weltkrieg zu einem Umdenken bezüglich dessen, was gute Führung ausmacht. Booms folgten Zusammenbrüche, bis neue Hoffnungen keimten. Das alte Führungsdenken wurde weitergeführt, jedoch nicht mehr mit Überzeugung. Das war die richtige Zeit für die Entstehung von Gewerkschaften und besseren Entlohnungssystemen, denn permanente Überstunden und unhinterfragter Gehorsam wurden in keinem Arbeitsfeld mehr hingenommen. Der Wert Erholung begann sich zu etablieren, was ebenso ernst genommen wurde wie der Kampf ums Überleben. In der Führungsliteratur tauchten Themen wie »Freude am Arbeiten« auf, die Hawthorne-Studie beschäftigte sich mit der »Bedeutung der zwischenmenschlichen Beziehungen im Arbeitsleben« und stellte einen Paradigmenwechsel in Bezug auf den Taylorismus dar. Sozialpsychologische Aspekte der Demokratisierung und Humanisierung der Arbeitswelt gewannen an Bedeutung. So entstand Mitte des letzten Jahrhunderts das »Human-Relations-Modell«, das die zwischenmenschlichen Beziehungen in der Organisation in den Fokus der Aufmerksamkeit rückte, den Werten Engagement, Zusammenhalt und Moral folgend. Beteiligung, Konfliktlösung und Konsensbildung wurden zu zentralen Führungsaufgaben, das Betriebsklima teamorientiert, mit erhöhtem Einfluss der Mitarbeiter/​innen an anstehenden Entscheidungen. Beim Nachlassen von Leistung sollte nun die Entwicklungsperspektive eingenommen und die Mitarbeiter/​innen durch ein Bündel an Motivationsfaktoren aufgebaut und gefördert werden.

Die Leiterin als Moderatorin und Kümmerin

Die Führungskraft soll hierzu in der Rolle der Moderatorin sicher sein und weniger produkt- als vielmehr prozessorientiert handeln. Ihre Aufgaben werden in der Teambildung, der partizipativen Entscheidungsfindung sowie in Konfliktprävention und -bearbeitung gesehen. Gegenüber ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern soll sie die Kümmerin sein, mit hoher Selbstklarheit und Empathie, hoher emotionaler und kommunikativer Intelligenz sowie der Fähigkeit und Möglichkeit, die anderen in deren Entwicklung zu unterstützen.

Natürlich geriet dieses Denken zunächst in heftigen Konflikt mit den Vorstellungen einer Organisation als Ergebnislieferantin oder Ort der inneren Sicherheit – sicher gut nachvollziehbar, wenn Sie sich die Konflikte zwischen diesen Führungsverständnissen als Widerstreit in Ihrem Inneren vorstellen: Sie möchten einerseits demokratisch und humanitär handeln, und auf der anderen Seite gleichzeitig strukturierend und ergebnisorientiert. Sicher kennen Sie diese inneren Abwägungen und Zerreißproben. Auch in den 1950er-Jahren geriet dieses Denken oftmals zu einer Art autoritären Wohlwollens und wartete noch auf seine Ausarbeitung und Handhabbarmachung.

Die Kita als offener Teil des sich wandelnden Bildungssystems (1951 bis 1975)

Der wirtschaftliche Wandel nach dem Ölschock beförderte die Produktökonomie zur Serviceökonomie. Technologische Sprünge – das Fernsehen mit seiner Nachrichtenübertragung oder die Computerentwicklung – prägten nun die Zusammenarbeit. Gesellschaftliche Werte der 1950er-Jahre, eher auf Tradition und Konventionen setzend, veränderten sich zugunsten eines toleranteren Blicks auf die Welt. Hervorgerufen u.a. durch den Vietnamkrieg gab es eine Auflehnung gegen staatliche Formen und Autoritäten (»68er«). Persönliche Selbstverwirklichung gewann gegenüber dem Wunsch nach materiellem Wohlstand und Erholung an Bedeutung, und partizipative Führungsinstrumente wie Zielvereinbarungsgespräche etc. hielten auch in Kita-Trägerbereichen Einzug. Bücher zu den Themen Führung und Motivation boomten und an Hochschulen wurden Experimente zu Gruppendynamiken und Organisationsentwicklung durchgeführt. So entwickelte sich Mitte der 1960er-Jahre das Führungsmodell, das die Organisation gegenüber einer sich stetig wandelnden Umwelt wahrnimmt. Nicht Bürokratie und Festhalten an dem, was früher einmal gut und richtig war, sind vor diesem Hintergrund gefordert, sondern Innovation und Beweglichkeit – auch durch Vernetzung mit anderen Institutionen. Gemeinsame Visionen und Werte als das Gefüge zusammenhaltende Elemente sind von größter Bedeutung, das Risiko von Fehlentscheidungen ist erhöht und muss in Kauf genommen werden.

Die Leiterin als Innovatorin und Verhandlerin

Die Führungskraft kommt aufgrund ihres großen Einsatzes hinsichtlich konzeptioneller Weiterentwicklung und experimenteller Gestaltung eher wenig zum Planen und Kontrollieren. Entscheidungen sind spontan und kreativ gefordert, und gab es in anderen inneren Führungsmodellen die Gefahr der Stagnation von Entwicklung, besteht hier durch das Mithalten-Müssen in einer schnelllebigen Zeit das Risiko der Erschöpfung. Die Leiterin ist in diesem Führungsmodell nicht mehr die vernünftige Entscheidungsträgerin, die die Abläufe kontrolliert, sondern in der Rolle der Innovatorin, die die Wandlungsfähigkeit ihres Teams im Blick hat, Trends erfassen und Zukunftsbilder entwickeln, diese attraktiv und inspirierend verpacken kann. Sie hat das Zukunftsbild fest im Blick und ist gleichzeitig offen für Impulse im Prozess, die von außen, vom Team, den Nutzern des Hauses ausgehen und Beachtung verdienen. Als Verhandlerin muss sie externe Unterstützung und Ressourcen durch Träger, Sponsoren oder institutionelle Netzwerke mobilisieren, dabei Image und Erscheinung im Auge behaltend. Sie muss politisch und taktisch geschickt auftreten, gute Kontakte und Netzwerke aufbauen und eine repräsentative, akzeptierte Schnittstelle zwischen Binnen- und Außenstruktur darstellen.

Die verrückten 1990er-Jahre und heute

Vieles, was früher richtig war, wird plötzlich mit Fragezeichen versehen. Alles und jedes wird infrage gestellt. Die sogenannte, von dem führenden Organisationspsychologen des 20.Jahrhunderts Fred Edward Fiedler geprägte Kontingenztheorie sagt uns, dass das Führungshandeln von viel zu vielen Variablen abhängt, um einheitlich gesehen werden zu können. So wachsen zum Beispiel die Anforderungen an die Planerrolle proportional mit der Größe der Einrichtung und des Teams. Auch bestimmt die eingesetzte Technologie die Ausprägung der Aufgaben des Informationsmanagements. Und Veränderungsbedarfe und -möglichkeiten gestalten die Ausprägung der Innovatorenrolle. Natürlich sind auch die Bedürfnisse von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verschieden und benötigen ein unterschiedliches Maß und eine unterschiedliche Art an Kümmerer-Aufgaben.

Rollen- und Aufgabenvielfalt der Leiterin

Seit den 1990er-Jahren und der Kontingenztheorie sind plötzlich andere Schlagworte im Bereich der Führung zu hören – allen voran der Begriff der Flexibilität. So gilt heute nicht mehr ein bestimmtes Führungsverständnis als das Richtige, sondern eine gute Führungskraft soll sich in allen beschriebenen Rollen und Aufgaben je nach Erfordernis sicher bewegen können und wahlweise von der Kümmerer- in die Planerrolle wechseln können, in einem Moment Ziele setzen und im nächsten Prozess moderieren, dann wieder Informationen verwalten und gleichzeitig innovativ verwerfen oder umdeuten können.

Die Forderung nach hoher Flexibilität ist der Schnelllebigkeit von heute geschuldet, aber auch dem Denken in Netzwerken und Systemen, dem gestiegenen Wert der Selbststeuerung, Partizipation und der Integration. Auch haben die Begriffe Qualität und Evaluation eine anerkennungswerte Bedeutung bekommen, bei gleichzeitigem erhöhtem Kostendruck und Effizienzbestreben.

Leichter ist es dadurch sicher nicht geworden. Aus dem Anspruch an die Flexibilität in der Ausübung der Führungsrollen jedoch eine Beliebigkeit abzuleiten, wäre nicht unterstützend und die für jede Motivation so wichtigen Erfolgserlebnisse würden mangels erkennbarer Erfolgskriterien ausbleiben.

Betrachten wir nun das Zusammenspiel der historisch gewachsenen Führungsrollen ganzheitlich und in ihrer Konsequenz für die Handhabung. Um zu einer Einschätzung des für Sie persönlich geeigneten Führungshandelns zu kommen ist nicht nur die Frage nach den für Sie wichtigsten und individuell passendsten Führungsrollen relevant. Welche Erwartungen seitens Ihrer Vorgesetzten, Kolleginnen und Mitarbeiter, des Klientels Ihrer Einrichtung und Ihrer Kooperationspartner an Sie gerichtet sind und vor allem, inwieweit dies alles kompatibel ist, bestimmt im Wesentlichen Ihre Zufriedenheit mit Ihrer Führungsrolle.

Auch das Thema Werte ist nicht erst angesichts der multikulturellen Gesellschaft, der Finanzkrise oder der Missbrauchsfälle im pädagogischen Bereich bei allen Führungsaufgaben immer mitzureflektieren, führen verschiedene Welt- und Menschenbilder doch zu erheblichen Unterschieden in der konkreten Ausgestaltung.

Was bedeutet für mich gute Führung?

Welche Werte leiten mich und welche der Führungsrollen entsprechen diesen am meisten?

Wo liegen bei den genannten Führungsrollen meine Stärken, wo meine Schwächen?

Welche Führungsrolle nehmen wohl meine Mitarbeiter/​innen bei mir besonders wahr? Wie passt dies zu meinem Selbstverständnis?

1.1.2Der heutige Stand der Führungsdiskussion und die Bedeutung für den Sozialbereich

Mitarbeiterführung funktioniert nicht immer und überall gleich. Sie muss variieren – je nachdem, ob es sich um einfache oder komplexe Strukturen handelt und das Umfeld stabil oder instabil ist. Von »einfachen Strukturen« sprechen wir in diesem Zusammenhang, wenn die Organisation einfach und verständlich aufgebaut ist und Prozesse relativ leicht durchschaubar sind. Mit »stabiles Umfeld« ist hier die Überschaubarkeit und Vorhersehbarkeit der Entwicklung in Gesellschaft und Betreuungslandschaft gemeint.

Der Bildungsbereich: Ein komplexes und instabiles System

In komplexen und instabilen Arbeitsfeldern wie dem Bildungsbereich des 21.Jahrhunderts verlangt die Führung nach dem Prinzip der Selbstorganisation von Mitarbeiter-Netzwerken besondere Aufmerksamkeit. Diese können auf Impulse von außen schneller und flexibler reagieren als ein Vorgesetzter, der Anweisungen erteilt. Auch schriftliche Vereinbarungen wie Dienstanweisungen, Zielvereinbarungen usw. brauchen in Zeiten, in denen der Organisation ein kalter Wind um die Nase weht, Menschen, die diese flexibel handhaben und den jeweiligen Bedingungen anpassen können, statt stur auf einmal Verabschiedetem (und vielleicht längst Überholtem) zu beharren.

So paradox es sich auch anhört: Um flexibel und frei gestalten zu können, sind zuerst einmal klare Standards bezüglich der Verfahrensweisen erforderlich. So ist es zum Beispiel wichtig, dass bei der Dokumentation kindlicher Entwicklung alle mit dem gleichen System arbeiten, um nicht unnötig Zeit damit zu verlieren, sich in Verfahren einzudenken statt Beobachtungen zu reflektieren. Diese Standards werden am besten von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst entwickelt, die damit arbeiten müssen.

Bleibt die Frage: Was ist dann die Aufgabe von Führungskräften, wenn direktive Führung in solchen Zeiten und Strukturen nicht Erfolg versprechend ist? Bleibt ihnen nur noch das Zurücklehnen und Laufen lassen? Nichts wäre falscher als das!

Führungskräfte haben die Aufgabe, Ziele mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auszuarbeiten und darüber zu entscheiden, welche ihrer Ideen letztlich umgesetzt werden. Die Hauptaufgabe besteht darin, Orientierung zu geben. Gerade bei komplexen Systemen und in bewegten Zeiten ist klare Zielorientierung unabdingbar für erfolgreiches Arbeiten. Gleichzeitig brauchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Organisationen Spielräume bezüglich dessen, wie sie diese Ziele erreichen.

Ziele geben der Tätigkeit die Sinnhaftigkeit und stabilisieren emotional, was zukünftige Veränderungen leichter bewältigen lässt. Führungskräfte müssen akzeptieren, dass in dynamischen Zeiten keine langfristigen Planungen und Strategien aufgestellt werden können, und deshalb auf Instrumente, die sich in stabilen Zeiten bewährt haben, verzichten.

1.Paradoxon: Hart und weich zugleich

In instabilen Zeiten müssen Führungskräfte hart sein in der Entwicklung von Zielen und Visionen, sich und ihre Mitarbeiter/​innen immer wieder zur Reflexion fordern und ständig überprüfen, ob eine Überarbeitung notwendig geworden ist. Gleichzeitig müssen sie weich sein, indem sie einzelnen Mitarbeitern gegenüber die Rolle des Kümmerers einnehmen, der unterstützt und begleitet auf dem Weg zur Zielerreichung – gerade in Zeiten, in denen nichts so zuverlässig ist wie die Veränderung.

2.Paradoxon: Destabilisierung und Stabilisierung zugleich

Verfahrensweisen und Prozesse, die sich über Jahre eingeschliffen haben und irgendwann nicht mehr den veränderten Bedingungen und/​oder veränderten Strukturen entsprechen, müssen durch die Führungskraft zielgerichtet destabilisiert werden. Wichtig ist, Vorbild zu sein im Hinterfragen eingefahrener Verfahrensweisen und im Entwickeln von Kreativität hinsichtlich neuer passenderer Vorgehensweisen. Auf der anderen Seite müssen die Führungskräfte stabilisieren, indem sie gemeinsame Ziele und Visionen entwickeln, die Faszination und Neugier wecken. Sie müssen eine gemeinsame Identität stiften und diese vorleben. Führungskräfte müssen also auf operativer Ebene destabilisieren und auf kultureller Ebene stabilisieren.

Es wird deutlich, dass Führung in erster Linie eine starke Persönlichkeit (Leadership) erfordert. Nach Wolfgang Looss (Vortrag 1996) sind dies vor allem:

die Fähigkeit, innere Bilder zu erzeugen

die Fähigkeit, Visionen anregend zu kommunizieren

die Fähigkeit, nicht weiter zu wissen und es auch zu sagen

die Fähigkeit, mit anderen in vielfältige und wirkungsvolle Beziehungen zu treten

die Fähigkeit, Grenzen zu überschreiten, ohne allzu viel zu zerstören

die Fähigkeit, Stabilität in der eigenen Person zu finden

die Fähigkeit, (schneller) zu lernen

die Fähigkeit, sich zu freuen

die Fähigkeit loszulassen, auch unter Risiko

die Fähigkeit, in die Täterschaft einzusteigen.

Entschlossen und bescheiden zugleich

Eine interessante Betrachtung dessen, was die besonders erfolgreiche Führungskraft auszeichnet, liefert Jim Collins (2006) aufgrund umfangreicher empirischer Untersuchungen: Dabei machte er das Zusammenspiel von »beruflicher Entschlossenheit« bei gleichzeitiger »persönlicher Bescheidenheit« als besonders eindrucks- und wirkungsvolle Eigenschaften aus. Er beschreibt berufliche Entschlossenheit mit dem Ehrgeiz, Spitzenresultate zu erzielen, der Institution statt dem Ego zu dienen, langfristig zu denken und zu handeln und für schlechte Ergebnisse nie äußere Faktoren verantwortlich zu machen. Die persönliche Bescheidenheit äußert sich durch die Scheu vor öffentlichem Lob und eine Unauffälligkeit, aufgrund derer kaum Erwähnung in Öffentlichkeit oder Medien stattfindet. Ruhiges, aber bestimmtes Handeln mit hervorragenden Ergebnissen zeichnet diese Haltung aus. Der Nachfolger wird so ausgewählt, dass die Institution in Zukunft noch erfolgreicher werden kann. Erfolge schreibt diese Führungskraft den Menschen um sie herum zu und sieht in äußeren Faktoren oder Kolleginnen und Kollegen die Gründe für ihren Erfolg.

Welcher der »10Loos-Punkte« inspiriert mich besonders?

Welche Verbindung zu meiner Führungstätigkeit/​den Führungskräften in meinem Arbeitsumfeld kann ich dabei herstellen?

Wie schätze ich bei mir das Verhältnis zwischen beruflicher Entschlossenheit und Bescheidenheit ein?

1.2Das Führungsverständnis der Leitungskraft und die Erwartungen von außen

1.2.1Die eigene Führungsbiografie und Führungswerte

Bevor Sie sich mit den an Sie gerichteten Erwartungen beschäftigen, reflektieren Sie Ihre eigenen Erfahrungen als Führungskraft und die hierdurch erworbenen Werte, um sich sicher und innerlich unabhängig zu machen. Erst der nächste Schritt ist dann die Frage nach der Kompabilität mit den Erwartungen, die unter Umständen einer klärenden Auseinandersetzung bedarf, um zu einer echten Rollenübernahme Ihrerseits und Rollenakzeptanz bei Ihren Kooperationspartnern zu führen.

Wo haben Sie in Ihrem Leben schon geführt (als Anregung: Denken Sie auch an Führungsrollen in Ihrer Kindheit, z.B. als älteres Geschwister, Klassensprecher/​in, Wanderführer/​in, Jugendleiter/​in…)?

Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Welche Grundhaltungen haben Sie daraus für sich abgeleitet?

Welche Führungsfähigkeiten haben Sie daraus entwickelt?

Denken Sie an Personen, von denen Sie im Laufe Ihres Lebens geführt wurden.

Von wem ließen Sie sich gerne führen?

Von wem oder in welcher Situation ließen Sie sich nur ungern führen?

Welche Vorbilder von Führungspersönlichkeiten haben oder hatten Sie?

Womit können Sie sich bei diesen Personen identifizieren?

Welche Erkenntnisse zum Thema Führung haben Sie daraus abgeleitet?

Welche Werte sind durch die Bearbeitung der Fragen sichtbar geworden, die für Sie von Bedeutung sind?

1.2.2Selbstbild und Potenzialanalyse: Wo liegen meine Stärken?

Für Ihre eigene Potenzialanalyse arbeiten Sie am besten mit dem Evaluationsbogen, der die einzelnen Facetten der Leitungsarbeit mit den zugehörigen Aufgaben einer kritischen Betrachtung unterzieht (Anlage 6). Sie erhalten so Ihre Selbsteinschätzung, mit allen blinden Flecken, die wir Menschen so haben. Diese Ergebnisse können Sie dann mit Ihrer Außenwirkung abgleichen, indem Sie eine Vertraute den Bogen bezogen auf Ihre Person ausfüllen lassen. Sie erhalten so ein wunderbares Feedback, aus dem Sie viel lernen können!

Für eine Selbsteinschätzung kann auch die persönliche »Glas-Analyse©« (Anlage 5) herangezogen werden. Sie ist durchaus konkreter als der berühmte Blick in die Glaskugel, bezieht Intuition und Ratio ein, neben Fähigkeiten auch die Freude am Tun, beginnt in der Gegenwart und blickt in die Zukunft, schaut auf das Positive wie das davon Abweichende. Füllen Sie dazu zunächst die vier Felder aus: Was tun Sie gut und gerne, wo sehen Sie Lücken und Lernbedarf, wo Ansatzpunkte und Aufhänger, was sind Ihre Sorgen und was ist Ihnen suspekt?

Sind alle vier Felder ausgefüllt, versuchen Sie zu einer emotionalen Einschätzung zu kommen: Ist mein Glas halb voll oder halb leer?

Die Glas-Analyse und die abschließende Metapher vom halb vollen und halb leeren Glas führen zu einer Auseinandersetzung mit Haltungen jenseits der »objektiven« Wahrheiten. So oder so gilt es, nachzuschenken! Die Betrachtung als halb volles Wasserglas mobilisiert mehr Energie. Und wenn Sie ausreichend Energien entwickelt haben, fragen Sie sich: Wie werden aus Lücken und zu Lernendem Gut-und-Gerne-Dinge? Und: Welche Ansatzpunkte stecken in den Sorgen und dem Suspekten?

Auf Ihr eigenes Selbstbild und Ihre Ideale stoßen Sie auch durch folgende Reflexionsübung: Stellen Sie sich dazu vor, Sie sind auf einer Trauerfeier, bei der sich die etwa hundert Trauergäste anschließend noch in Ihrem Lieblingslokal zusammensetzen. Da geht Ihre liebste Kollegin ans Pult und hält eine Trauerrede und Sie merken, dass Sie sich auf Ihrer eigenen Beerdigung befinden.

Welche Elemente Ihres Lebens soll Ihre Kollegin besonders herausheben: Ihre beruflichen Erfolge, Ihre besondere Art, Ihr Verhältnis zu Ihren Mitmenschen…?

Was soll ihr besonders in Erinnerung sein? Die gemeinsamen freudigen Erlebnisse oder die schwierigen durchstandenen Phasen?

Was hat sie von Ihnen bekommen? Welche Haltung begleitete den Kontakt?

Nach der Analyse bleibt die Frage: Wohin möchten Sie sich entwickeln? Was soll in Ihrem Leben noch geschehen?

1.2.3Die Erwartungen von außen und das Klärungsgespräch

Die Führungsrolle ist wie jede Rolle ein kohärentes System von Einstellungen, Gefühlen, Verhaltensweisen und Wirklichkeitsvorstellungen. Dazu gehören jeweils bestimmte Beziehungen. Rollen können sich situativ ändern. Unser soziales Verhalten vollzieht sich weitgehend in Rollen. Wir können unser Selbst oder unsere Persönlichkeit nicht direkt beobachten, sondern nur wahrnehmen, wie wir uns in unseren Rollen in Beziehung zu anderen Menschen verhalten und wie wir die Rollen gestalten.

Vermeiden Sie Rollenkonflikte!

Rollenkonflikte treten auf, weil in Rollen auch (An)Forderungen an unser Verhalten enthalten sind – zum Beispiel: Mein Chef erwartet von mir als Leiterin, dass die Projektziele erreicht werden. Die Mitarbeiter/​innen erwarten, dass ich ihnen Arbeit abnehme, und Eltern fordern meine ständige Ansprechbarkeit für ihre Belange. Beim Handeln aus einer jeweiligen Rolle heraus können unterschiedliche Rollenkonflikte entstehen:

Zwei Personen erheben gegensätzliche oder widersprüchliche Forderungen an den Rolleninhaber.

Wir üben viele verschiedene Rollen in kurzer Zeitfolge nacheinander aus. Erfordernisse der einen Rolle stehen mit Erfordernissen einer anderen Rolle in Konflikt.

Mit einer bestimmten Rolle sind Erwartungen an unser Verhalten verbunden, die nicht zu unserem Selbstverständnis passen.

Rollenkonflikte können sozialen Stress produzieren. Um solchen Stress zu vermeiden, müssen wir uns unserer Rollen bewusst werden, unsere jeweiligen Rollenauffassungen reflektieren (können) und unsere Rollenbeziehungen flexibel und professionell handhaben.

Nehmen Sie ein großes Stück Papier und zeichnen Sie einen Kreis in die Mitte. Schreiben Sie in diesen Kreis Ihre Position und Ihren Namen.

Zeichnen Sie um dieses Zentrum herum kleinere Kreise, die die signifikanten Anderen in ihrem Rollennetzwerk repräsentieren. Sie sind die Personen, die Forderungen an Sie stellen und Erwartungen an Ihre Rolle haben (Träger, Team, Stellvertreterin, Elternbeirat etc.). Umgekehrt stellt Ihre Rolle Erwartungen und Forderungen an diese Personen. Wie stark eine spezielle Verbindung ist, können Sie anzeigen, indem Sie den jeweiligen Anderen näher oder entfernter von Ihnen als Zentrum platzieren. Das Rollennetzwerk könnte folgendermaßen aussehen:

Haben Sie alle bedeutenden Rollenbeziehungen eingezeichnet? Nehmen Sie nun ein anderes Stück Papier und zeichnen Sie eine Tabelle. Auf der linken Seite tragen Sie all die Rollen ein, die Forderungen an Sie stellen. Rechts daneben zeichnen Sie drei Spalten ein: die Erwartungen an mich – meine Erwartungen an sie – mögliche Konfliktfelder.

Folgende Fragen sind bei der Analyse nützlich:

Welche Rollen fallen Ihnen in Ihrer Tätigkeit häufig zu bzw. werden durch Arbeitsaufträge oder organisatorische Einbindung unterstützt und gefördert? Welche Rollen können Sie dagegen eher selten übernehmen? Und wie ist das in Ihrem Privatleben?

Welche Rollen nehmen Sie besonders gerne wahr? In welcher der geforderten Rollen fällt Ihnen der Einstieg/​Wechsel besonders schwer? Wie steht es mit erforderlichen Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnissen?

Erkennen Sie bei sich wiederkehrende Muster in einem bestimmten Umfeld oder in besonderen sozialen Situationen (z.B. Kümmerin, Steuerfrau…)?

Welche zentralen Konflikte tauchen auf

zwischen Ihnen und den verschiedenen Anforderungen an Ihre Rolle?

zwischen verschiedenen Erwartungen etc.?

Wie können Sie diese Konflikte lösen oder mit ihnen besser zurechtkommen?

Welche Vorteile haben Sie eventuell infolge dieser Konflikte?

Klären Sie Erwartungen

Natürlich können Sie die an Sie gerichteten Erwartungen ohne gezieltes Fragen nicht wirklich wissen, sondern bestenfalls ahnen. Aber warum eigentlich nicht fragen? Bevor Sie sich in Spekulationen ergehen, nutzen Sie eine gute Gelegenheit, um im Vier-Augen-Gespräch herauszukitzeln, was von Ihnen in Ihrer Leitungsrolle erwartet wird. Achten Sie dabei unbedingt darauf, offene statt geschlossene Fragen, auf die nur mit Ja oder Nein geantwortet werden kann, zu stellen. Solche »schlechten« Fragen fangen mit einem Verb an: »Kannst du dir vorstellen…?« Oder: »Hättest du gerne mehr…?« »Gute«, offene Fragen dagegen sind sogenannte W-Fragen, denn sie entlocken – bis auf die oft kritisch klingende Frage nach dem »Warum«, die Sie deshalb vermeiden sollten – ein Mehr an Informationen.

Welches Maß an Nähe und Distanz/​an Auseinandersetzung zwischen uns ist oder wäre für dich gut? Oder: Wie könnte ich dich noch besser unterstützen? (Kümmererrolle)

Wie wünschst du dir meine Unterstützung der Teamarbeit? (Moderatorinnenrolle)

Wie klar sind dir meine Vorstellungen und Ziele? (Steuerfraurolle)

Wie gut fühlst du dich motiviert und angeregt durch mich? (Energielieferantinnenrolle)

Wie gut fühlst du dich durch mich informiert? (Rolle der Informationsmanagerin)

Wie gut gefallen dir die Weiterentwicklungsmöglichkeiten? Oder: Wie gut gefällt dir, was auf uns/​dich zukommt?

Natürlich stellen diese Fragen nur Vorschläge dar – und Sie werden auch nicht alle Rollen abfragen, sondern sich auf diejenigen beschränken, zu denen Sie die Antwort besonders interessiert. Solche Fragen zu stellen bedeutet im Hinblick auf Vertrauensbildung, die Antworten ernst zu nehmen. Gleichzeitig können Sie aber nicht alle Erwartungen erfüllen, auch wenn Ihnen Ihre Mitmenschen noch so sehr am Herzen liegen. Sie werden in diesem Falle miteinander verhandeln und einen Konsens finden müssen, wie es für Sie beide gut laufen kann. Die Möglichkeit, sich in einer von außen besonders geforderten Rolle, die Sie als Schwachstelle identifiziert haben, fortzubilden oder sich darin zu üben, sollten Sie dabei natürlich immer in Erwägung ziehen.

Ziehen Sie abschließend eine knappe, klare Bilanz, indem Sie das Ergebnis zusammenfassen und geben Sie wertschätzendes Feedback zum Gespräch.

1.3Menschenbild und Führungsleitbild

Ein sehr vereinfachendes Führungsstilmodell, die XY-Theorie von Douglas McGregor, macht den Unterschied im Führungshandeln am jeweils dahinter verborgenen Menschenbild fest. Es geht von zwei grundsätzlich unterschiedlichen Theorien im Kopf aus, mit denen Führungskräfte – meist unbewusst – agieren.

Theorie X beinhaltet, dass Menschen von Haus aus faul sind, nur am Geld interessiert und daher ständig überwacht und angespornt werden müssen. Ein Vorgesetzter, der der »X-Theorie« zuneigt, wird seine Aufgabe in der Motivation seiner Mitarbeiter/​innen sehen. Führungskräfte dieses Typs erzeugen eine Misstrauenskultur.

Der Mensch arbeitet von Natur aus gerne?

Dagegen geht Theorie Y davon aus, dass Menschen arbeiten wollen, sich dem Arbeitsplatz verpflichtet fühlen und ihre Fähigkeiten einsetzen möchten. Eine Führungskraft, die dieser Annahme folgt, wird Demotivation vermeiden. Führungskräfte dieses Typs erzeugen eine Vertrauenskultur.

Ganz ehrlich: Mit welchem Menschenbild, welcher Theorie gehen Sie durchs (Berufs-)Leben?

1.3.1Systemischer Ansatz und Lösungsorientierung

Die systemische Beratung hat sich in den 1990er-Jahren als wirkungsvoller Ansatz sehr verbreitet. Sie ist kein fest umrissenes Gebäude von Konzepten und Methoden, sondern ein Denkansatz, der auf einigen Grundannahmen beruht und sich eines Methodenrepertoires bedient, das aus vielfältigen Quellen stammt und in allen Lebenssituationen hilfreich sein kann. Das systemische Denken ist vor allem dort sinnvoll, wo Offenheit in Bezug auf die Lösungsfindung gegeben ist und es auf die Befähigung der Mitmenschen zur Problemlösungsfähigkeit ankommt.

Menschen werden hierbei nicht als einzelne Person, sondern immer in ihrem sozialen Kontext, d.h. ihrem System gesehen und angesprochen. Damit ist