Hanns Johst. Vom expressionistischen Dichter zum nationalsozialistischen Kulturfunktionär - Hans-Georg Wendland - E-Book

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Hans-Georg Wendland

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Beschreibung

Wissenschaftliche Studie aus dem Jahr 2014 im Fachbereich Didaktik für das Fach Deutsch - Literaturgeschichte, Epochen, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (Philosophische Fakultät), Sprache: Deutsch, Abstract: Hanns Johst wird oft als Autor beschrieben, der sich nach einer frühen Phase als Expressionist schließlich zu einem ultrakonservativen, extrem nationalistisch gesinnten Autor und überzeugten Nationalsozialisten entwickelte und der nach dem Zweiten Weltkrieg sich nie öffentlich zu seinen Verstrickungen im NS-Regime und seiner Verantwortung als linientreuer politischer Aktivist bekannt hat. Sein dichterischer Werdegang lässt sich gut an seinem Werk als Dramatiker verfolgen, durch das er vielleicht die nachhaltigste Wirkung erzielt hat. Außerdem kann man seine Aufsätze und Essays zu Rate ziehen, in denen er sich programmatisch zu seinem schriftstellerischen Selbstverständnis, aber auch zu seinen weltanschaulichen und politischen Einstellungen geäußert hat. Seine anfängliche Kriegsbegeisterung scheint in seinem frühen Drama "Stunde der Sterbenden" (1914) zunächst einer pazifistischen Tendenz zu weichen, mit der der Krieg verurteilt wird und wo die Opfer des Krieges Anlass zu Klage und Trauer geben. In dieser Hinsicht besteht zum Beispiel eine Ähnlichkeit zu Ernst Tollers Drama "Hinkemann" (1924), das die zerstörte Existenz und die zerschlagenen Hoffnungen eines jungen Kriegsinvaliden zum Gegenstand hat. Dabei spielt der Gedanke einer durch den christlichen Glauben inspirierten Nächstenliebe und einer allgemeinen Menschheitsverbrüderung eine Rolle, was u. a. dadurch zum Ausdruck kommt, das sich im Drama sowohl Freund als auch Feind mit "Bruder" anredet und sich einem brüderlichen Kreis zugehörig fühlt, der nicht durch nationale Grenzen bestimmt wird.

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Gliederung:

 

1. Frühe Gemeinsamkeiten mit Thomas Mann

Eine Dichterfreundschaft bahnt sich an ...

... und findet ein baldiges Ende

2. Werdegang eines Unverbesserlichen

3. Johsts Wirken als Schriftsteller im Stil des Expressionismus

4. "Der Einsame": Ein Drama vom genialen Künstler C. D. Grabbe

5. Die Hinwendung zur völkischen Literatur

Benutzte Literatur

 

1. Frühe Gemeinsamkeiten mit Thomas Mann

Eine Dichterfreundschaft bahnt sich an ...

Das erste Zusammentreffen

Am 16. November 1918 notierte Thomas Mann in sein Tagebuch: "Lernte den jungen Hans [sic] Johst kennen. Bekam immerhin viel Sympathie, ja Liebe zu spüren und überzeugte mich, daß die »politische« Clique nicht viel Anhang [hat]." (Tagebücher 1918 - 1921, 80) Dieser Eintrag ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Er beschreibt einerseits den freundschaftlichen Umgangston zwischen dem zu diesem Zeitpunkt dreiundvierzigjährigen und bereits etablierten Autoren der "Buddenbrooks" und dem achtundzwanzigjährigen, am Anfang seiner Laufbahn stehenden Schriftstellerkollegen. Andererseits unterstreicht Thomas Mann mit der Anspielung auf die »politische« Clique seine Abneigung gegenüber einer Politisierung des öffentlichen Lebens und dem politischen Engagement kritisch eingestellter Schriftsteller (wie das seines Bruders Heinrich, den er in seinen "Betrachtungen eines Unpolitischen" von 1918 als "Zivilisationsliteraten" abqualifiziert hatte) im Sinne seiner damaligen konservativen Überzeugung, dass ein Schriftsteller als Geistesarbeiter sich aus der Politik herauszuhalten habe. Gemäß seinem Status als Vertreter einer autonomen, dem geistigen Leben verpflichteten Literatur, müsse der deutsche Schriftsteller nach einer höheren Ordnung von "Kultur" streben und sich nicht von einem westlich geprägten, oberflächlichen Begriff der "Demokratie" vereinnahmen lassen. Zu diesem Zeitpunkt vertrat Thomas Mann noch eine Auffassung, die aufgrund ihrer Überhöhung mystischer Begrifflichkeiten wie "deutsche Innerlichkeit" und "deutsche Seele" und ihrer Betonung nationalkonservativen Gedankenguts sich einer rationalen Diskussion weitgehend entzog und einer pazifistischen und anti-nationalistischen Haltung, wie der seines Bruders Heinrich, widersetzte.

Der Krieg als Befreiungserlebnis

Dass Thomas Mann bei seinem ersten Zusammentreffen mit Hanns Johst "viel Sympathie" und sogar "Liebe" zu spüren bekam, deutet darauf hin, dass es zu diesem Zeitpunkt zwischen den beiden Dichtern in wichtigen Grundüberzeugungen Übereinstimmungen gab, wobei der

Jüngere dem Älteren, Erfahreneren und Erfolgreicheren Anerkennung und Bewunderung entgegenbrachte und dessen "Buddenbrooks" als großes Familienepos bezeichnete. (Vgl. Düsterberg, 97) Auch hinsichtlich des Krieges ähnelten sich ihre Auffassungen. Bei Kriegsausbruch ließ sich Johst offensichtlich von der allgemeinen Begeisterung mitreißen, die viele Intellektuelle und Künstler erfasste. Er meldete sich freiwillig zu den Fahnen und verfasste zwei kriegsverherrlichende Gedichte, in denen er die deutsche Sonderstellung in der Welt hervorkehrte. Nach kurzer Ausbildungszeit wurde er allerdings ohne Fronteinsatz wegen Krankheit entlassen. (Vgl. Düsterberg, 26 f.) Bei Thomas Mann scheint die Kriegsbegeisterung noch ausgeprägter gewesen zu sein. In seinem im November 1914 erschienenen Aufsatz

"Gedanken im Kriege" feierte er mit großem Pathos den Krieg als "Reinigung" und "ungeheurere Hoffnung" auf Befreiung "von den Zersetzungsstoffen der Zivilisation". (Mann, Thomas: "Gedanken im Kriege", 32) So gab es zwischen beiden Dichtern, noch bevor sie sich kennenlernten, manche Übereinstimmungen, die auf eine Geistesverwandtschaft schließen lassen.

Bewahrung "deutschen Geisteslebens"

Nach dem Kriege wird durch weitere Tagebucheintragungen Thomas Manns und in einigen seiner Briefe an Hanns Johst dieser Eindruck zunächst bestätigt. Am 16. September 1920 schrieb er zum Beispiel nach der Lektüre des Dramas "Der König" (1920) an den jüngeren Kollegen: "Ich liebe Sie sehr, Herr Hanns Johst und freue mich Ihres Daseins. Sie stellen Jugend dar, Kühnheit, Radikalismus, stärkste Gegenwart - ohne etwas mit jener gallo-jüdisch-internationalistischen 'Geistigkeit' zu schaffen zu haben, von der das deutsche Geistesleben sich eine Weile tyrannisieren lassen zu müssen glaubte." (Düsterberg, 97; vgl. auch: Bürgin und Mayer (Hrsg): Die Briefe Thomas Manns, 296 f.) Mit diesen überschwänglichen Worten erwies er sich als der nationalkonservative Schriftsteller, der er zu dieser Zeit offensichtlich noch war, und befand sich damit ganz auf der Linie des damals schon deutlich nationalistische Töne anschlagenden Hanns Johst. In einem weiteren Brief vom 02. November 1921 beglückwünschte der Ältere den Jüngeren zu seinem neuen Roman "Der Kreuzweg" und bekannte, dass er von dessen großer geistiger Schönheit ergriffen sei, wenn er bezüglich des sprachlichen Ausdrucks auch einige einschränkende Bemerkungen machte und dessen "Heftigkeit" kritisierte. (Bürgin und Mayer (Hrsg.): Die Briefe Thomas Manns, 338 f.)

... und findet ein baldiges Ende

Aus Freundschaft wird erbitterte Feindschaft

Mit Thomas Manns Bekenntnis zur Weimarer Republik veränderte sich das Verhältnis der beiden Schriftsteller jedoch radikal und schlug in erbitterte Feindschaft um. Nach seiner Rede "Von deutscher Republik", gehalten zu Gerhart Hauptmanns sechzigstem Geburtstag am 25. Oktober 1922 im Beethovensaal in Berlin (vgl. Katia Mann, 60), warf Hanns Johst dem vermeintlichen "nationalistischen Gesinnungsgenossen" öffentlich "Verrat am Deutschtum" vor (Tagebücher 1918 - 1921, 597), wenn er auch im Jahre 1925 an der offiziellen Feier zu Thomas Manns fünfzigstem Geburtstag teilnahm, um ihm seinen Respekt zu bekunden. Mit seiner Rede ebnete Thomas Mann den Weg zu seinem Bruder Heinrich. Er bekannte sich nunmehr zu seiner politischen Verantwortung als Bürger und Schriftsteller und zur Demokratie - wenngleich er meinte, man müsse die geschriebene Verfassung nicht allzu ernst

nehmen - und wandelte sich zum Anwalt der jungen Weimarer Republik. Der Annäherung an seinen Bruder (erster Schritt zur späteren Aussöhnung) entsprach jedoch in seinem

Verhältnis zu Hanns Johst ein vollständiger Bruch, der dazu führte, dass sich beide in völlig gegensätzliche Richtungen bewegten. Während der Jüngere als gefeierter Schriftsteller und einflussreicher Kulturfunktionär im Dritten Reich einen kometenhaften Aufstieg erlebte und zweifach Karriere machte, flüchtete der Ältere 1933 ins Exil. Er galt als verfemt und als "Schädling des Volkes" und wurde 1936 ausgebürgert, d. h. ihm wurde die deutsche Staatsbürgerschaft offiziell aberkannt. (Vgl. hierzu: "Schädlinge des deutschen Volkes. Ausbürgerungsliste deutscher Autoren". In: Graeb-Könneker, 111 - 113)

Gegenseitige Verunglimpfungen