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HdW-B 003: Der letzte Krieg
Wilfried A. Hary: "Der letzte und entscheidende Krieg. Hat die Menschheit eine Chance?"
John Willard, geboren auf einer unmenschlichen Erde, wird unter dramatischen Umständen der ›Diener des Sternenvogts‹, des wahren HERRN DER WELTEN, denn dieser geht selten persönlich in einen notwendig werdenden Einsatz, um die so genannte universale Ordnung zu sichern. Sein Diener fungiert als eine Art Stuntman (siehe vorangehende Bände!).
John Willard überlebt nicht nur, sondern er bewährt sich. Kein Wunder, dass der Sternenvogt das gleiche Prinzip wie im vorangegangenen Band zwei auch beim nächsten Einsatz beibehalten will: Johns Bewusstsein soll diesmal mit dem Bewusstsein eines Mannes namens Karem Eklund ausgetauscht werden - auf einer Welt der krassen Gegensätze. Die Bewohner glauben, auf der Erde zu sein...
Und aus seinem Einsatz wird eine besondere Art von Krieg: Der letzte und entscheidende Krieg. Hat die Menschheit eine Chance?
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"Die Bände 7 bis 9 der Serie HERR DER WELTEN hier in einem Buch zusammengefasst!"________________________________________
Titelbild: Gerhard Börnsen
Coverhintergrund: Anistasus.
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eBooks – sozusagen direkt von der Quelle, nämlich vom Erfinder des eBooks!
HARY-PRODUCTION.de brachte nämlich bereits im August 1986 die ersten eBooks auf den Markt – auf Diskette. Damals hat alles begonnen – ausgerechnet mit STAR GATE, der ursprünglichen Originalserie (Schwesterserie von Gaarson-Gate!), wie es sie inzwischen auch als Hörbuchserie gibt.
Nähere Angaben zum Autor siehe hier: de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary
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Veröffentlichungsjahr: 2015
Der letzte Krieg
Wilfried A. Hary
"Der letzte und entscheidende Krieg. Hat die Menschheit eine Chance?"
ISSN 1614-3302
Copyright 2005 by HARY-PRODUCTION
Canadastraße 30 * D-66482 Zweibrücken
Telefon: 06332 48 11 50 * Fax: 01805 060 343 768 39
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Dieses Buch basiert auf den Bänden 7 bis 9 der gleichnamigen Serie!
Sämtliche Rechte vorbehalten!
Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von
HARY-PRODUCTION!
Lektorat: David Geiger
Covergestaltung: Anistasius
Copyright Titelbild: Gerhard Börnsen,
Steinruther Str. 13, D-58093 Hagen
HERR DER WELTEN Band 1: John Willard, geboren auf einer unmenschlichen Erde, wird unter dramatischen Umständen der ›Diener des Sternenvogts‹, denn dieser geht selten persönlich in einen notwendig werdenden Einsatz, um die so genannte universale Ordnung zu sichern. Sein Diener fungiert als eine Art Stuntman.
Der erste Einsatz führt John Willard auf den ›Planeten der Amazonen‹: Aufgrund von Umwelteinflüssen kommen hier nur Frauen zur Welt. Um ihren Fortbestand zu sichern, müssen sie Männer von der Erde ›importieren‹. Und jetzt haben sie das Geheimnis des Überlichtfluges enträtselt und sagen dem Handelssystem den Kampf an.
Es gibt einen Bereich im Weltall, in dem Handelscontainer einfach verschwinden. John Willard findet hier eine Art ›Miniuniversum‹, das durch radikal veränderte Naturgesetze entstand. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als einzudringen, obwohl es noch niemals zuvor eine Rückkehr von hier gab.
Am Ende gelingt John das bislang Unmögliche - und er kehrt zurück.
HERR DER WELTEN Band 2: Inzwischen hat der Sternenvogt einen zweiten Diener - einen kampfstarken intelligenten Androiden: Bron! Und der nächste Einsatz wartet bereits: Johns Bewusstsein wird ausgetauscht mit dem Bewusstsein eines jungen Mannes namens Bereter. Er ist ein so genannter Sucher - unterwegs in einer alptraumhaften Welt, die durch das Kollektiv der Träumer entstanden ist. Als Bereter kann sich John nicht an seine eigentliche Identität erinnern. Seine Aufgabe ist es, das Geheimnis der Traumwelt zu ergründen und den nicht abbrechbaren Traum in Bahnen zu lenken, die keine Gefahr mehr für die universale Ordnung bedeuten, ausgehend vom ›Planeten der Träumer‹. Kommt er als Bereter zu Tode, ist dies auch sein Ende als John Willard. Aber er hat eine wichtige Unterstützung auf seinem Weg: Bron!
John Willard überlebt nicht nur als Bereter, sondern er bewährt sich. Kein Wunder, dass der Sternenvogt das gleiche Prinzip auch beim nächsten Einsatz beibehalten will: Johns Bewusstsein soll diesmal mit dem Bewusstsein eines Mannes namens Karem Eklund ausgetauscht werden - auf einer Welt der krassen Gegensätze. Die Bewohner glauben, auf der Erde zu sein...
Der Sternenvogt ging mir eine ganze Weile aus dem Weg und dennoch fand er mit sicherem Gespür den richtigen Zeitpunkt, an dem ich einerseits wieder ausreichend belastbar war und andererseits eine gewisse Langeweile mich zu quälen begann...
Ernst sagte der Sternenvogt zu mir: »Siehst du, John, in der alten Zeit, damals, als die Menschheit noch im Aufbruch war und man noch lange nicht an eine Institution wie mich gedacht hat, wurden viele neue Kolonien im Universum errichtet. Die Menschheit war im Aufbruch. So etwas hatte es vergleichbar noch niemals in der Geschichte der Menschheit gegeben. Man traf in den Weiten des Universums auf ungezählte bewohnbare Planeten, die in der Regel jedoch selbst kein intelligentes Leben hervorgebracht hatten. Eine fantastische Zeit, wahrlich.«
Sein Blick schweifte ab in imaginäre Weiten. Er lächelte, als könnte er deutlich sehen, was sich damals ereignete.
Aber dann wurde er rasch wieder ernst. Er wagte es gar nicht, mich anzusehen. Das alarmierte mich.
Und dann kam es: »In den anschließenden Wirren gingen die Koordinaten von manchen Kolonialwelten verloren. Aber auch auf den verschollenen Welten wurde manchmal vergessen, falls man dort nicht die Möglichkeit hatte, irgendwann wieder den Anschluss an die universale Ordnung zu finden.
Ja, man hat mancherorts vergessen, überhaupt den Kontakt zu wünschen. So dass man überhaupt nicht einmal dort ahnt, dass es inzwischen seit Jahrtausenden überhaupt so etwas wie eine universale Ordnung gibt!«
Ich wusste es deutlich: Ein neuer Auftrag! Und da er mich außer mit dieser Vorrede überhaupt nicht schulte, konnte das nur eines bedeuten: Es sollte wieder ein ähnlicher Auftrag werden, wie ich ihn gerade erst abgeschlossen hatte: Ich sollte in die Rolle eines anderen schlüpfen. Ich sollte als einer von denen agieren, ohne dabei sogar selber zu wissen, wer ich wirklich war!
Alles in mir krampfte sich zusammen. Ich wollte den Mund aufmachen, um heftig zu protestieren, aber der Sternenvogt fuhr gleich fort und ich wagte es nicht mehr, ihn zu unterbrechen. Zunächst wenigstens nicht. Schließlich war er der Sternenvogt, der wahrhafte HERR DER WELTEN!
»Siehst du, John, das Universum ist eben unendlich. Damals wie heute und unverändert. Und deshalb sind die Dinge, wie sie sind. Auch wenn sie nicht unbedingt so bleiben müssen, nicht wahr, John?
Ja, wie schon angedeutet: Da ist eine ganz besondere Welt, wo man überhaupt nichts von der universalen Ordnung weiß. Aber ich weiß von dieser Welt... Und das auch schon seit einer halben Ewigkeit.«
Er war unsterblich, das wusste ich. Und wenn er von einer halben Ewigkeit sprach, dann war das... wie lange? Ein Jahrtausend? Zwei Jahrtausende?
Ich spürte unwillkürlich einen eiskalten Schauder auf dem Rücken.
»Ja, John, so kommt es, dass dort unten jemand wie Karem Eklund aufwachsen konnte, unter der Obhut von Unsterblichen...«
Unsterbliche?, durchzuckte es mich.
Ich runzelte unwillkürlich die Stirn.
Der Sternenvogt wich immer noch meinem Blick aus. Er hatte einmal gesagt, dass er mich mochte - auf seine Art jedenfalls. Aber hatte er nicht auch zugegeben, dass er zu keinerlei Gefühlen fähig war?
Also spielte er mir jetzt was vor! Denn der Auftrag war mal wieder tödlich gefährlich.
Logisch: Alle Aufträge waren es schließlich!
Aber für mich war es das Schlimmste überhaupt, wenn ich während eines Einsatzes nicht einmal wusste, wer ich selber war. Ich litt noch unter den Erinnerungen an das letzte Mal, auch wenn der Sternenvogt behauptete, ich hätte alles grandios überstanden, ohne den geringsten Schaden an Leib und Seele genommen zu haben...
Ich hatte meine berechtigten Zweifel. Und jetzt schon wieder ein solcher Auftrag? Womöglich... noch schlimmer?
»Karem Eklund, ja, so heißt er, John. Ich weiß genauestens Bescheid, wie du siehst, denn ich habe meine Überwachungssonden schon sehr lange unsichtbar im Orbit dieses Planeten. Karem wuchs hier auf unter der Obhut von Unsterblichen. Ach ja, das sagte ich ja bereits. Ja, du wirst überrascht sein, John, aber es gibt nicht nur die Sternenvögte als Unsterbliche. Dort unten gibt es auch welche. Und sie haben Karem Eklund geschaffen und erzogen - auf einer Welt, die für ihn und für alle Menschen außerhalb des geschützten Bereichs der Unsterblichen als die eigentliche Erde gilt. Die Unsterblichen werden alle Gründe haben, diesen Irrglauben zu erhalten, obwohl sie es sicher besser wissen. Denn sie stammen nach meiner Sicht der Dinge noch aus der Zeit der Besiedlung dieses Planeten und seitdem sind inzwischen Jahrtausende vergangen!«
Ich war beeindruckt. Und ich hatte Angst. Denn wenn ich etwa in die Rolle dieses Karem Eklund schlüpfen sollte... Ich kannte die überlegenen Möglichkeiten des Schiffes, auf dem wir uns befanden. Ich würde in den Körper von Karem Eklund projiziert werden. Ich würde seine Erinnerungen haben. Ich würde - er sein. Während ich als Karem Eklund handelte, weilte sein Geist in irgendeiner mir unverständlichen Form hier, in diesem Schiff, kontrolliert vom Bordgehirn.
Falls ich erfolgreich sein würde - und davon hing letztlich nicht nur die Vorgabe des Sternenvogts ab, sondern mein Leben! -, würde der Austausch erneut erfolgen. Karem Eklund - der echte Karem Eklund! - würde die neuen Erinnerungen besitzen, die ich für ihn geschaffen hatte und er würde nicht wissen, dass so etwas wie ein vorübergehender Seelentausch überhaupt stattgefunden hatte.
Ich aber würde es wissen! Und ich würde wieder darunter leiden. Denn eine solche Maßnahme blieb niemals ohne Folgen. Ich würde zu einer gespaltenen Persönlichkeit werden und das würde behandelt werden müssen, damit ich nicht völlig daran zugrunde ging.
Also, selbst wenn ich erfolgreich sein würde, bestand immer noch die hohe Wahrscheinlichkeit, dass ich darüber den Verstand verlor!
Nette Aussichten!
Und ungerührt erzählte der Sternenvogt derweil: »Diese Welt ist für uns auch deshalb besonders interessant, weil genau hier das alte Erbe der Erde in unvorstellbarer Weise verwaltet wird! Alles, was die Entwicklung der Menschheit ausmacht, vom Beginn ihrer Geschichte bis zum zwanzigsten Jahrhundert, ist hier lückenlos nachvollzogen. Auch wenn die Geschichte zu einem Zeitpunkt endet, noch bevor die Menschheit sich angeschickt hatte, das All zu erobern, ja sogar noch vor der ersten Mondlandung!
Allein die Unsterblichen haben die Technik aus einer Zeit danach. Und sie haben diese sogar weiter entwickelt - auch zu ihrem eigenen Schutz. Du wirst dies alles hautnah erleben, John. Du wirst das Geheimnis deines wahren Ichs nicht mehr kennen, wenn du Karem Eklund geworden bist. Du wirst nicht mehr wissen als er, denn du wirst Karem Eklund sein. So perfekt, dass selbst die Unsterblichen mit ihren Möglichkeiten es nicht bemerken werden. Davon hängt der Erfolg deiner Mission ab.«
»Und warum ruft Ihr die Unsterblichen dort unten nicht einfach an und stellt ihnen ein Ultimatum oder verhandelt mit ihnen - mit Verlaub gefragt, Erhabener?«
»Auch das wirst du erleben, John: Sie schützen sich so perfekt, dass ich mit Waffengewalt keine Chance hätte. Und ich gehe nicht das Risiko ein, von ihnen einen Korb zu bekommen. Sie sollen vorläufig überhaupt nicht wissen, dass es mich gibt. Sonst hätte eine Aktion, wie ich sie mit dir plane, niemals mehr eine Chance.
Ich müsste alternativ dazu praktisch den ganzen Planeten pulverisieren. Das aber wäre viel zu schade. Nein, ich will nicht nur das Kulturgut dort unten für immer erhalten, sondern ich will die Unsterblichen zu einer Art Verbündeten machen. Das heißt, dieser Planet dort unten soll mit zur universalen Ordnung gehören. Durch dich! Sie haben als wichtigste Handelsware das alte Erbe einer menschlichen Kultur, die schon vor Jahrtausenden untergegangen ist. Deshalb ist diese Welt so von besonderem Interesse für uns, John. Und deshalb wirst du sie sozusagen infiltrieren.
Der Zeitpunkt erscheint mir hierzu ideal, denn Karem Eklund ist reif, den Plänen der Unsterblichen zu folgen. Denn sie haben ihn nicht umsonst geschaffen. Sie haben ihm nicht umsonst alle Informationen vorenthalten, die die tatsächliche Gegenwart dieses Planeten betreffen.
Er wuchs wohlbehütet von ihnen auf, in einer Art Paradies. Aber sein Verlangen nach echter Erkenntnis soll ihn ausbrechen lassen. Er wird herausfinden, dass seine Welt sozusagen in zwei Hälften gespaltet ist: Außerhalb des Paradieses erwartet ihn die negative Seite, sozusagen die Hölle des menschlichen Daseins. Und der Rückweg wird ihm verwehrt sein. Es wird für ihn nur noch die Flucht nach vorn geben.
Irgendwann wird er erkennen müssen, dass er eigentlich nur dem großen Plan der Unsterblichen folgt.«
»Und wie ist dieser Plan?«, fragte ich bang.
Der Sternenvogt lächelte mich an: »Genau das ist es, was du herausfinden wirst - als Karem Eklund! Ich werde dabei jeden deiner Schritte beobachten, ohne allerdings eingreifen zu können. Das verstehst du doch, nicht wahr? Denn ich würde jeden zukünftigen Versuch damit unmöglich machen, falls du versagst. Die Unsterblichen dürfen nicht den geringsten Verdacht schöpfen. Und wenn du erfolgreich bist - wovon ich selbstverständlich ausgehe! -, werde ich die Pläne der Unsterblichen kennen und mich darauf einstellen können.«
Es waren seine letzten Worte. Ich wollte jetzt trotzdem protestieren. Ich wollte als Hauptargument darauf hinweisen, dass ich für ihn viel zu wertvoll war, als dass er mich so ohne weiteres hätte opfern können.
Aber es war zu spät. Er hatte genug erzählt und handelte.
Ich merkte es, weil ich kein Wort mehr über die Lippen brachte, während mir die Sinne schwanden.
Ich war John Willard!
Ich war John...
Willard? Wer war Willard?
John Willard?
Nie gehört!
*
»UNSER LAND!
DORT,
WO HOFFNUNG WOHNT!
DENN HOFFNUNG ALLEIN
GIBT DEM LEBEN SINN!«
(Zitat aus dem zwanzigsten Jahrhundert
christlicher Zeitrechnung)
Hauptthema meiner Erziehung war die Geschichte der Menschheit. Meine Lehrer begründeten das so: »Wichtig für den Menschen ist der Mensch. Was also könnte ihn mehr interessieren als der Mensch und seine Geschichte?«
Ein Satz, den ich mir einprägen musste. Mit der Zeit erschien er mir dann auch nicht mehr so geschraubt.
Schon früh musste ich feststellen, dass mir gerade geschraubtes Gerede nicht liegt. All diese verdammten Klassiker, diese überdrehte Sprache, die nur dem Selbstzweck dient und alles zerstört an Sinn, während sie angeblich aussagt. Ich war eher für gerade Worte, eine geordnete Semantik, ohne falsche Schnörkel und unnötigen Zierrat, der nur vom Wesentlichen ablenkt.
Ein Kreuz war das schon mit mir. Das muss ich zugeben. Im Grunde genommen war jeder der Unsterblichen mein Lehrer, nur hatten die meisten kein Interesse daran, weshalb ihre Zahl gottlob begrenzt blieb.
Zum Beispiel begrenzt auf den alten Hames.
Seltsam, dass ich ihn stets als den Alten ansah. Ja, seltsam, wo ich doch wusste, dass jeder der Unsterblichen ungeheuer alt war. Aber irgendwie wirkte Hames älter und weiser als all die anderen.
Ich hatte ihn darauf angesprochen.
»Weißt du, Karem«, hatte er mit seinem weisen Lächeln geantwortet, »Alter ist ein vager Begriff, auch wenn es darum geht, die Lebensdauer eines Dinges oder einer Person zu bestimmen. Sieh mal, Karem Eklund, ein Stein, der Jahrmillionen überdauert hat und davon deutliche Spuren zeigt, wird als alt bezeichnet. Eine gepflückte Blume erhält diese Bezeichnung schon nach wenigen Tagen. So verhält es sich auch beim Menschen. Schau dich um, Karem Eklund und du wirst jeden anders einschätzen. Obwohl es völlig unerheblich bleibt, ob jetzt ein Mensch tausend Jahre alt ist oder nur neunhundertneunzig.«
»Wie alt bist DU denn, Hames?«
Er wandte sich ab, dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte und sagte: »Der Mensch ist unsterblich, Karem Eklund. Ein Unsterblicher ist niemals alt. Sein Beginn ist bedeutungslos, weil es für ihn kein Ende gibt.«
Er schritt davon.
Das war ungewöhnlich, dass er mich einfach so stehen ließ.
Ich war verwirrt. Was hatte ich falsch gemacht? Nun, in seinen Worten steckte schon ein gewisser Widerspruch, denn ich wusste ganz genau, dass ich vor zwanzig Jahren Mensch geworden war, obwohl ich genauso sicher wusste, dass ich ein Unsterblicher sein musste.
Schließlich war doch JEDER Mensch ein Unsterblicher, nicht wahr?
Ich schaute meinem Lieblingslehrer nach, wie er mit wehendem Gewand über den großen Platz schritt. Sein Ziel war offensichtlich das Versammlungshaus.
Bei all der Geschichte, die man mir nahe gebracht hat, hat man eigentlich tunlichst vermieden, mich über die Gegenwart aufzuklären!, dachte ich. Mir klangen die Begründungen noch in den Ohren nach: ›Was ist die Gegenwart ohne die Vergangenheit?‹ Oder: ›Gegenwart und Zukunft sind gleichförmig, die Vergangenheit bewegt.‹
Schlimm an dieser Angelegenheit blieb für mich einzig und allein, dass für die schöne, heile Welt, in der ich lebte, einfach der Anfang fehlte. Das heißt, das Studium der Geschichte hatte mich stets mit einer Welt vertraut gemacht, die mit meiner Welt eigentlich überhaupt nichts zu tun hatte.
Am meisten davon faszinierte mich das zwanzigste Jahrhundert so genannter christlicher Zeitrechnung, denn das zeigte die Welt eigentlich genau konträr zu meiner.
Meine Welt! Meine Welt des Glücks, der Vollkommenheit, der Unsterblichkeit!
Was musste das für ein Gefühl gewesen sei, damals in der Angst vor einem alles vernichtenden Weltkrieg zu leben?
Oder vor der alles vernichtenden Umweltkatastrophe, die für viele dieser Menschen damals sozusagen unmittelbar ins Haus stand?
Ich gebe zu, manchmal berauschte es mich, in den Erinnerungen an diese Vergangenheit zu schwelgen. Man mag es mir verzeihen, aber schließlich war ich ein Unsterblicher, der das echte Gefühl der Todesangst niemals kennen lernen durfte.
Ich ballte die Fäuste und wandte mich der umgekehrten Richtung zu. Wenn Hames mich einfach verließ, ohne mir zu erklären, was ich falsch gemacht hatte, dann war es mir nur recht. Ich hatte genug gelernt. Mein Kopf war voll von Wissen und ich war erst zwanzig Jahre alt. Sollte ich denn noch tausend Jahre warten, um zu erfahren, in welcher Welt ich überhaupt lebte und wie es zu dieser Ordnung überhaupt gekommen war?
Die vollkommene Ordnung, dachte ich und verließ den Platz. Ich ging durch den großen Torbogen. Er war aus Sandstein gemauert. Dahinter begann das Mittelalter. So nannten wir das Viertel, weil es in seiner Bauweise original dem Mittelalter nachempfunden war.
Wie schade, dass ich das echte Mittelalter niemals kennen lernen würde.
Ein fantastischer Einfall: Hatten die Unsterblichen denn die Zeit von damals mitgemacht? Sozusagen... persönlich?
Ich ballte wieder die Hände zu Fäusten. Tausend Fragen bewegten mich, aber niemand gab mir darauf eine Antwort.
Vielleicht faszinierte mich das zwanzigste Jahrhundert auch deshalb so, weil der Geschichtsunterricht dort endete?
Hames hatte behauptet: »Die Geschichte endet niemals, mein Junge. Wir beschäftigen uns mit diesem Jahrhundert und fahren erst fort, wenn wir den gesamten Stoff durchgenommen haben. Bedenke, Karem Eklund, dass noch niemals zuvor so viele Menschen auf einmal die Welt bevölkerten wie damals.«
»Aber wie kam es denn dazu, dass es heute nur noch tausend sind, Hames - nämlich wir Unsterblichen? Wie kam es dazu, dass die Menschen nicht mehr sterben?«
Ich mochte ihn sehr, den alten Hames, auch wenn er sich gern umständlich und zumeist auch theatralisch über seine Themen ausließ. Ich mochte ihn lieber als alle anderen Lehrer, die mir stets mit einem gewissen Misstrauen begegneten.
Und jetzt lachte Hames mich aus. Er klopfte mir auf die Schulter und sagte: »Zwanzig Jahre, Karem Eklund und du bist so wissbegierig wie ein Schwamm, der nicht genug Wasser aufsaugen kann. Warum kann ein Zwanzigjähriger nicht begreifen, dass er alle Zeit der Welt noch vor sich hat? Was du heute nicht lernst, das lernst du in einem Jahr oder in zwanzig Jahren. Diese Ungeduld!«
Ja, das Misstrauen der anderen. Ich kannte alle tausend Menschen, zumindest hatte ich sie im Laufe meiner so erschreckend kurzen Zeit gesehen. Immer wieder hatte ich den Eindruck gewonnen, sie gingen mir lieber aus dem Weg.
Außer Hames.
»Wer ist meine Mutter, wer mein Vater, Hames? Warum bin ich der einzige so junge Mensch in dieser Welt?«
»Weil Unsterbliche sich nicht fortpflanzen müssen. Sie sind immer. Kinder sind nur dazu da, das zu erben, was ihre Eltern nicht mit in den Tod nehmen können. Nicht nur materielle Güter, sondern auch Wissen und Erfahrungen.«
»Und was ist mit mir? Ich war ein Kind. Ich erinnere mich deutlich. Ich kann mich jedoch an keine Geburt erinnern...«
»Das ist normal, Karem Eklund: Niemand weiß etwas über seine Geburt, sondern immer nur das, was man ihm erzählt.«
»Aber mir erzählt man doch überhaupt nichts darüber!«
»Weil du nicht nur einfach ein Mensch bist, sondern ein Unsterblicher, Karem Eklund.«
»Warum bin ich? Warum lebe ich? Wer oder was hat mich erschaffen? Verdammt, Hames, beantworte meine Fragen. Sie machen mich sonst verrückt.«
Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen eine Hauswand und schloss die Augen.
Oh, wie ich dieses Leben hasste. Genauso wie die Worte: »Dein Fehler ist, Karem Eklund, dass du alles auf einmal erfahren willst. Lerne zuerst einmal, Geduld zu üben, bevor...«
Ich konnte es nicht mehr hören. Ich presste die Hände gegen die Ohren und versuchte, nicht mehr daran zu denken. All diese unbeantworteten Fragen. Man hatte mich voll gestopft mit Phrasen, mit Begriffen aus einer Vergangenheit. Dabei wusste ich nicht einmal, wie echt und fern diese Vergangenheit war.
Warum aß und trank man nicht mehr? Warum starb man nicht mehr? Was war geschehen? Warum war ich?
WARUM WAR ICH?
Welchen Sinn hatte mein Leben überhaupt?
Verdammte Fragen, die mich marterten, die mich nachts nicht schlafen ließen, die keine Antworten fanden, auch wenn ich noch so intensiv danach bohrte.
Aber wie kann man in der Vergangenheit, die so anders ist als die Gegenwart, überhaupt jemals Antworten finden?
Ich stieß mich von der Hauswand ab und schritt davon. Es war ein weiter Weg bis zu meinem Haus. Es stand außerhalb des Mittelalters. Ich hatte mir ein herrschaftliches Gebäude aus dem Altertum ausgewählt. Dort gab es Blumen, Schmetterlinge, auch andere Insekten. Mehrmals hatte ich zugeschaut, wenn sich ein Blutsauger auf meine Haut gesetzt hatte. Vergeblich hatte er versucht, mein Blut anzuzapfen. Wie konnte so ein winziges Geschöpf auch begreifen, dass es die Haut und auch das Blut eines Unsterblichen war?
Unsterblich... Es war mehr als nur ein Begriff. Es war für mich das Sinnbild eines Fragenkomplexes, für den es offenbar niemals logische Antworten gab. Sonst hätte man sie mir doch sicherlich gegeben?
Ich hörte Schritte.
Zwei Frauen, die mich noch nicht sahen. Sie kamen aus einer Seitenstraße.
Ich schaute mich nach einer Deckung um und duckte mich rechtzeitig in einen Eingang.
Die beiden Frauen bogen um die Ecke.
»Hames ist nur noch bei diesem Jungen!«, sagte die eine.
»Karem Eklund?«
»Ja. Scheußlich, diese beiden Namen, nicht wahr?«
»Er wird einen davon verlieren, sobald er reif ist.«
»Möchtest du denn diesen Prozess der Reife noch einmal erleben?«
»Um Gottes Willen! Aber, man sagt, nicht jeder hat es erleben müssen.«
»Ich glaube, Karem Eklund hat die erste Stufe erreicht. Man hört so allerhand über ihn. Deshalb weicht Hames auch kaum noch von seiner Seite.«
»Tatsächlich? Aber er ist doch erst zwanzig.«
»Es ist bei jedem anders. Manch einer erreicht diese Stufe erst mit vierzig. Ich glaube, einer war schon hundert, als es endlich soweit war.«
Sie passierten den Eingang, bemerkten mich aber nicht.
Ich sah, dass eine den Kopf schüttelte. »Die Fragen an das Leben. Hames behauptet, der Junge stellt sie immer häufiger und immer dringlicher. Die Fragen an das Leben, die nur einer gültig beantworten kann: das Leben selbst!«
»Der Arme. Er hat alle Lehren hinter sich, die von Wichtigkeit sind. Jetzt kommt ein anderer Lehrer an die Reihe. Es gibt halt eben Dinge, die einem nur das Leben selbst beibringen kann.«
»Wie wahr, wie wahr... Der arme Junge. Ob er die schlimmste und wahrhaftigste Schule überhaupt durchsteht?«
Ihre Stimmen verloren sich. Lauschend duckte ich mich in den Eingang, aber ich konnte ihre Worte nicht mehr verstehen.
Schule des Lebens?
Ich verließ die Deckung und schritt weiter. Ich fühlte mich wie betäubt.
Schule des Lebens? Antworten auf meine quälenden Fragen?
Ich beschleunigte meine Schritte, als würde ich sonst etwas verpassen.
»Ich bin bereit dazu, was immer man auch darunter verstehen mag!«, murmelte ich heiser vor mich hin.
Ich schüttelte meine Fäuste gegen die Hausfassaden: »Ich bin bereit, hört ihr?«
Und da wurde mir bewusst, dass ich seit langer Zeit wieder völlig allein und - ohne Aufsicht war.
Ja, Aufsicht! War das die Aufgabe von Hames gewesen? Ich hatte mit meinen endlosen Fragen alle Unterrichtsbemühungen gestört. Ich hatte einfach am Ende nichts mehr dazugelernt.
Und Hames war mithin nur noch mein Aufpasser gewesen. Er hatte sich weit mehr um mich gekümmert als sonst üblich.
Jetzt war ich frei und fühlte mich auch so.
»Frei und bereit!«, rief ich den Häuserfassaden zu. »Bereit für die wichtigste aller Schulungen!«
Ich wusste nicht einmal, von was ich überhaupt redete. Ich äffte einfach nur nach, was ich vorhin von den beiden Frauen gehört hatte.
Die Schule des Lebens... Das ergab für mich zunächst überhaupt keinen Sinn.
Trotzdem fieberte ich ihr entgegen.
Wo, um alles in der Welt, würde ich sie eigentlich finden können?
Vor meinem Haus parkte einer der seltenen Gleiter. Gern hätte ich selber einen besessen, aber Hames hatte mir erklärt, dazu wäre ich noch nicht reif genug.
»Erst kommt die Erziehung von Körper und Geist. Dann wenden wir uns der praktischen Anwendung des Erlernten zu.«
Das war die Reihenfolge, an die ich mich gezwungenermaßen halten musste. So konnte ich einen Gleiter zwar auseinander nehmen und wieder zusammenbauen, konnte ihn natürlich auch steuern - aber leider nur in der Theorie.
Wie fast alles!
Ja, fast, denn ich erkannte, wessen Gleiter es war: Danna!
Hames hatte damals nur einen Gleiter genommen, um mir die Steuerung zu erklären, als Ergänzung zum theoretischen Unterricht und zur praktischen Anschauung, sonst hätte ich mir wohl nie etwas unter einem Gleiter vorstellen können.
Ansonsten vertrat Hames den Standpunkt der meisten unsterblichen Menschen: »Die Welt ist groß, gewiss, aber haben wir nicht alle Zeit der Welt für uns? Wenn ich von einem Punkt zum anderen gelangen will, reicht es, wenn ich den Weg zu Fuß zurücklege. Vielleicht entdecke ich unterwegs soviel Interessantes, dass ich mich eines besseren besinne? Wenn ich mein eigentliches Ziel heute nicht erreiche, dann vielleicht morgen oder in hundert Jahren?«
Danna war eine Ausnahme. Sie war eine Unsterbliche, aber eine, die sich zu einem wahren Vulkan entwickeln konnte.
Nach eigenen Angaben wohnte sie so weit von mir weg, dass sie sich extra einen Gleiter zugelegt hatte, um mich immer wieder mit ihren Besuchen zu überraschen.
Danna zeigte mir gegenüber das gleiche Misstrauen wie alle, außer Hames. Aber es gab bei ihr Phasen, da kehrte sich das ins Gegenteil um.
Danna war nämlich meine... Sex-Lehrerin!
Sie hatte es schon fertig gebracht, platzte mitten in eine Lektion von Hames herein - eine Lektion, die er mittels Hypnointensivierung unterstützte -, riss mir die Kontakte vom Schädel und die Kleider vom Leib.
Hames flüchtete erschrocken, als befürchtete er, Danna könnte auch Interesse an ihm entwickeln.
Die Hypnointensivierung war eine feine Sache. Man hörte sich die Grundlagen an, wurde angeschlossen und die Stimme des Lehrers rückte in weite Ferne, während Bilder in das Bewusstsein sickerten, die längst vergangenen Zeiten entstammten. Man sah, hörte, roch und fühlte. Man war scheinbar mitten im Geschehen. Man erlebte. Solche Lektionen blieben lange wach im Bewusstsein...
Danna schaffte das alles auch völlig ohne Hypnointensivierung. Sie lachte über den feigen Hames, riss mich aus dem ›Fahrstuhl in die Geschichte, in Raum und Zeit‹, wie ich den Sessel gern nannte, warf mich zu Boden und war über mir.
Da erst begann ich mich zu wehren - spaßeshalber nur, natürlich.
Es war natürlich alles nur ein großer Spaß mit ihr. Danna brachte mir auf ihre Art halt die Lektionen der körperlichen Liebe bei.
Ich betrachtete amüsiert ihren rosafarbenen Gleiter mit den stilisierten Herzen.
Danna war in meinem Haus!
Ich näherte mich dem Eingang und schon hörte ich sie singen. Danna hatte ein herrliche Stimme. Sie ging mir durch und durch, rieselte mit dem Blut um die Wette, ließ es heißer werden, ließ es zu einem reißenden Strom werden.
Meine Lenden wurden von der Hitze erfasst. Ich stürmte ins Haus.
Danna! Wo war sie? Ein neues Spiel, das sie sich ausgedacht hatte, um mich noch stärker zu erregen?
Ich muss zugeben, nach den überaus interessanten Philosophien von Hames war der Unterricht mit Danna bei weitem am aufregendsten. Wir kamen dabei stets voll auf unsere Kosten, wir beide.
Im Schlafzimmer war sie. Von dort hörte ich sie singen. Sie hatte offenbar noch gar nicht bemerkt, dass ich zurückgekehrt war.
Ich sehnte mich nach ihrem warmen, weichen Körper, nach ihrer heißen Weiblichkeit.
Mein Herz pochte bis zum Hals. Aber ich blieb trotzdem stehen und gingen keinen Schritt mehr weiter.
Sekundenlang stand ich da. All meine Fragen kamen mir in den Sinn. Sie drängten aus dem Unterbewusstsein herauf, drängten die Begierde vehement beiseite und konzentrierten sich schließlich zu einem einzigen Thema: Zwischen den Fragen und den Antworten steht nur noch der Gleiter!
Denn der Gleiter ist meine Chance!
Eine Chance, die ich sogleich mit beiden Händen packen musste. Ich konnte einen Gleiter bedienen. Ich musste es wagen. Eine Gelegenheit, die vielleicht niemals wiederkehrte?
Und schon war ich unterwegs. Ich konnte mich sozusagen selbst beobachten, wie ich das Haus verließ, als würde mich jemand an Schnüren dirigieren, als wäre ich nur noch die Marionette dieses unheilbaren Dranges nach Wissen und Wahrheit.
Ich wollte wissen, wie groß die Welt war. Ich wollte wissen, ob sich die Städte aus sämtlichen Epochen der Erde wirklich über die ganze Welt verteilten.
Manchmal hatte ich die Welt als eine Art gigantisches Museum betrachtet. Es gab riesige Parks mit exotischen Pflanzen, wie es sie früher einmal original in unberührter Wildnis gegeben hatte. Jedwedes Ding in meiner Welt hatte eine Bedeutung. Die Städte waren ohne Volk, aber jedes Haus war möbliert und ausgestattet, als wären die Bewohner nur mal auf einen Sprung weg.
Alles war sauber. Das besorgten die Automaten.
Jeder unsterbliche Mensch konnte wohnen, wo er gerade Lust hatte. Es gab keinerlei Begrenzungen für ihn. - Nur für mich!
Hames hatte mir die Welt von heute in groben Zügen gezeigt - im praktischen Anschauungsunterricht, den auch die Hypnointensivierung nicht völlig ersetzen konnte.
Ich hatte ihn gefragt, ob meine Welt Grenze hätte - und natürlich auch, was sich außerhalb dieser Welt befand.
Zwei der Fragen, auf die er mir die Antwort schuldig geblieben war.
Nur mit einem Gleiter konnte ich das Problem lösen.
Und deshalb sah ich mich in den Gleiter steigen. Er war natürlich nicht gesichert. Es gab in meiner Welt kein gesichertes Privateigentum. Tausend Unsterblichen stand alles zu Verfügung, die ganze Welt. Es war einfach zuviel an Angebot, als dass man sich je darüber in die Haare bekommen hätte. Außerdem: Unsterbliche sind gelassen.
Auch Danna, normalerweise. Ich war für sie ein Spielzeug, noch ziemlich neu, weil erst zwanzig Jahre alt. Irgendwann würde sie das Interesse an mir verlieren.
Irgendwann!
Ich würde nicht so lange warten. Ich schloss hinter mir die Gleitertür und erwachte wie aus Trance.
Die Begierde nach der Weiblichkeit von Danna war endgültig verflogen und hatte einer noch viel stärkeren Begierde Platz gemacht: der Begierde nach Abenteuer!
Ich bereitete mit wenigen Handgriffen den Start vor. Meine Hände waren dabei schweißnass vor Erregung. Ja, ich war von einer ungeheuren Unruhe erfüllt.
Und dann gelang es mir, diese Nervosität zu besiegen. Ich wurde schlagartig ruhig, um keine Fehler zu machen.
Und ich startete.
Ich war allein und hatte die ganze Welt vor mir, ja, meine ganze Zukunft, wie immer sie auch aussehen mochte.
Doch, es war jemand mit mir: Die Hoffnung! Die Hoffnung auf Antworten auf meine quälenden Fragen.
»Götter der Hoffnung!«, rief ich aus. »Danke für diese Chance! Egal, was auch immer dadurch mit mir geschehen mag!«
*
Eine herrliche Welt unter mir. Ich flog gen Osten. Epochen wechselten sich ab. Da war ein Schlachtfeld, scheinbar übersäht mit den Leichen der Gefallenen. Nur noch wenige Menschen standen aufrecht. Scheinbar schauten sie dem Gleiter nach.
Aber es waren keine Lebenden, sondern nur täuschend echt nachgearbeitete Puppen. Ihr Bewegungsspielraum war auf wenige Quadratmeter begrenzt.
Ich legte den Kopf in den Nacken und schaute durch die Rundkuppel nach oben.
Im Geschichtsunterricht war der Himmel stets blau gewesen, zuweilen getrübt von Wolkendunst. Ich kannte meinen Himmel nur als leicht goldfarben. Ein goldener Schein, der niemals seine Intensität wechselte.
Früher, zu einer Zeit, die mir schon fast jenseits aller Vorstellungsmöglichkeiten erschien, hatte es auch Unwetter gegeben. Heute war das anders. Heute regnete es nach Bedarf. Alles wurde gesteuert von den Automaten. Sie taten es allerdings ›diskret‹: Ich hatte im Verlauf meines Lebens selten einen Automaten persönlich zu Gesicht bekommen. Laut Hames lag das auch daran, dass es nur wenige mobile Einheiten gab, denn die Welt wurde über ein kompliziertes Aderwerk von Kommunikations- und Versorgungssystemen verwaltet.
Eine herrliche Welt, eine glückliche Welt. Ich war auch all die Jahre glücklich gewesen und ich hatte niemals einen unzufriedenen Menschen in meinem Leben kennen gelernt.