HdW-B 011: Der Kristallwald - Wilfried A. Hary - E-Book

HdW-B 011: Der Kristallwald E-Book

Wilfried A. Hary

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Beschreibung

HdW-B 011: Der Kristallwald
Wilfried A. Hary: „Der Kampf ums Überleben – Erfolgsaussichten: Null!“

John Willard, der Diener des Sternenvogts, des Herrn der Welten, erfährt, daß der Sternenvogt einst ein... Mensch gewesen ist mit Namen Professor Richard Spencer. Und der Sternenvogt läßt ihn virtuell Zeuge davon werden, was damals mit ihm geschah. Im Rahmen verrückter Experimente verschlug es ihn in eine andere - eine offensichtlich jenseitige! - Welt. Er nennt sie Mikro - und er ist hier nicht allein. Das bizarre Wesen Meta bringt ihn zu einer Art Segelschiff, das sich als Tarnung für ein Raumschiff entpuppt.
Spencer dringt in das Schiff ein und wird Zeuge beim besonderen Auftrag des Forschungsraumers: Die Reise zum Atom! Doch diese Reise endet in einer Katastrophe - und Spencer muß feststellen, daß dies alles nur eine Illusion war: Der noch intakte Bordcomputer hatte ihn virtuell an den längst vergangenen Geschehnissen teilhaben lassen. Die Illusion wird unterbrochen, weil das Schiff angegriffen wird.
Meta rettet ihn rechtzeitig, und als die Gefahr vorüber ist, kehrt Meta mit Spencer hierher zurück.
Erneut wird Spencer Bestandteil der Geschichte um den Forschungsraumer: Nach der Havarie strandet dieser endgültig in der Dimension Mikro...

________________________________________

Impressum:
Die Bände 33 bis 35 von HERR DER WELTEN hier in einem Buch zusammengefasst!

ISSN 1614-3302
Copyright neu 2015 by HARY-PRODUCTION, Canadastraße 30, D-66482 Zweibrücken, Telefon: 06332 48 11 50, HaryPro.de, eMail: [email protected]
Sämtliche Rechte vorbehalten!
Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von
HARY-PRODUCTION!

Coverhintergrund: Anistasius
Titelbild: Gerhard Börnsen

Nähere Angaben zum Autor siehe hier: de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._Hary

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Veröffentlichungsjahr: 2015

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Wilfried A. Hary

HdW-B 011: Der Kristallwald

Die Bände 33 bis 35 von HERR DER WELTEN hier in einem Buch zusammengefasst!

Nähere Angaben zum Autor siehe hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wilfried_A._HaryBookRix GmbH & Co. KG81371 München

HdW-B 011:

 

Der

Kristallwald

 

Wilfried A. Hary

 

»Der Kampf ums Überleben

- Erfolgsaussichten: Null!«

Impressum

ISSN 1614-3302

Copyright neu 2015 by HARY-PRODUCTION

Canadastraße 30 * D-66482 Zweibrücken

Telefon: 06332 48 11 50 * Fax: 01805 060 343 768 39

www.HaryPro.de

eMail: [email protected]

Die Bände 33 bis 35 der Serie HERR DER WELTEN hier in einem Buch zusammengefasst!

Sämtliche Rechte vorbehalten!

Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung von

HARY-PRODUCTION!

Lektorat: David Geiger

Covergestaltung: Anistasius

Copyright Titelbild: Gerhard Börnsen,

Steinruther Str. 13, D-58093 Hagen

1

Die Menschen starrten in die Röte, die sie umgab, und versuchten, Herr über das Chaos in ihrem Innern zu werden. Da lichteten sich die Nebel. Die Menschen verließen die ausgefranste Öffnung in der Außenwand ihres Schiffes und stellten sich auf die Wandungen.

Aus dem Dunst schälte sich allmählich eine Insel.

Oder war es das Ufer eines Kontinents?

Sie dachten darüber nach und erinnerten sich der Augenblicke kurz vor dem befürchteten Aufprall, aus dem dann doch eine sanfte Landung geworden war.

Dies war die Insel, auf die sie zugeflogen waren. Sie waren am Ufer gestrandet - nach einer Odyssee, wie sie phantastischer und gefahrvoller gar nicht sein konnte.

Das zeigte allein ihr Hiersein und die Tatsache, daß nur noch wenige am Leben waren.

Sie senkten ihre Blicke auf die stille Oberfläche des brackigen Wassers hinab. War es wirklich Wasser? Warum sah es dann aus wie dickflüssiges, rotes Blut? Sie erschauerten. Der Strand wirkte makellos sauber, und die Pflanzen dahinter sahen bizarr und unwirklich aus. Mikro! Ja, das war die Welt, die Spencer zunächst einmal »Faktor Nirgendwo« genannt hatte. Eigentlich traf dies eher zu als die schlichte Bezeichnung Mikro. Obwohl Spencer zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht wußte, wie er überhaupt darauf gekommen war.

Kasor trat neben ihn. Sein Gesicht war kreidebleich, die Stirn gerunzelt. »Wenn wir das Schiff nicht mehr flottbekommen, sind wir auf ewig in dieser Welt gefangen!«

Spencer zuckte die Schultern. »Dies ist Mikro. Ja, wir sind Gefangene. Wir werden wahrscheinlich wenig Gelegenheit haben, nach einem Fluchtweg zu suchen, denn dieses Universum hat eigene Gesetze, die uns unverständlich sind. Aufgabe Nummer eins wird das Überleben sein!«

»Du scheinst dich ja gut auszukennen«, knurrte Kasor, »aber ich werde dennoch nicht aufgeben. Wir werden nicht hierbleiben, sondern eine Möglichkeit finden, uns von der Insel wegzubewegen.«

»Warum?« Spencer forschte in seinem Gesicht.

»Weil ich mich mit dem Zustand der Statik nicht abfinden kann!« sagte Kasor eigensinnig. »Er ist unerträglich.«

»Und warum alle Anstrengungen, noch bevor wir überhaupt mehr über den Ort unserer Landung kennen?«

»Völlig unwichtig!« Kasor machte eine wegwerfende Handbewegung.

Da war er wieder - dieser unerbittliche Forschungsdrang, ohne Grenzen und ohne einem Nutzen dienend. Außer dem Selbstzweck. Es ist der Forschungsdrang, der dieses Unternehmen zum Scheitern verurteilt, jetzt und immer, bis niemand mehr am Leben ist. Vielleicht ist es derselbe Drang, der den Menschen zur Evolution zwang? Wenn er nicht gesteuert wird, bringt sich der Mensch damit selber um! - Spencer wandte sich wieder ab, damit man ihm die ketzerischen Gedanken nicht anmerkte. Er glaubte kaum, daß Kasor Verständnis dafür aufgebracht hätte.

»Kannst du die Schiffszelle schwimmfähig machen?«

»Sie IST schwimmfähig!« trumpfte Kasor auf. »Sonst könnten wir nicht darauf stehen und wären längst abgesunken.«

»Vielleicht liegt das Schiff auf Grund?«

Kasor entgegnete wütend: »Du hast eine seltsame Art, die Moral der Besatzung zu unterstützen, Spencer. Ich warne dich: Treibe das Spiel nicht zu weit.« Damit waren die Fronten abgesteckt. Kasor wandte sich an die anderen. »Hört mal zu. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als das Schiff in einen Segler zu verwandeln und uns damit auf die Suche nach Hilfe zu machen.«

»Nach Hilfe?« echoten die anderen.

»Ja, verdammt. Schaut euch doch mal um. Wundert ihr euch nicht, daß wir auf vertraute Schwerkraftverhältnisse, auf atembare Luft und ein angenehmes Klima gestoßen sind? Denkt doch mal darüber nach: Dies hier ist nicht die Erde. Daran besteht kein Zweifel. Wir sind in einer fremden, vielleicht sogar in einer jenseitigen Welt gelandet, von der wir nichts wissen, außer daß sie gute Überlebenschancen bietet. Es steht außer Zweifel, daß es auch andere Wesen hier gibt. Vielleicht sogar intelligente? Vielleicht sogar Menschen?«

Die anderen erschraken. Lisa sagte: »Du glaubst doch nicht etwa, daß die nur auf uns warten, um uns eine Möglichkeit zur Rückkehr zu bieten?«

»Nein, Lisa, ganz so naiv bin ich nicht. Aber vergiß nicht, daß Paal, unser Sicherheitsoffizier, überlebt hat. Er kennt sich mit Waffen aus und wird uns schon sagen, wie wir uns zu verhalten haben. Mit anderen Worten: Wir müssen gegen alles gewappnet sein. Vor allem muß das Schiff wenigstens bedingt manövrierfähig werden, um uns eine eventuelle Flucht vor einem überlegenen Gegner zu ermöglichen.«

»Als Segler?« fragte einer sarkastisch.

»Ja, warum nicht?« fuhr Kasor ihn an. »Außerdem müssen wir die Schiffszelle so verkleiden, daß man nicht sieht, was unser Schiff wirklich ist.« Ein kurzer Seitenblick zu Spencer. »Und noch etwas: Falls wir wider Erwarten auf Grund liegen, müssen wir eine Möglichkeit entwickeln, diese rote Brühe aus dem Schiffsbauch zu pumpen und damit dem Schiff einen besseren Auftrieb geben. Doch das wäre eine Aufgabe für die Zukunft. Die Verkleidung des Schiffes geht vor!«

Es entstand eine leidenschaftliche Diskussion, während der Lisa zu Richard sagte: »Kasor ist ein guter Führer, findest du nicht auch? Egal, was man von seinem Vorschlag auch halten mag, er versteht es, die Leute für etwas zu begeistern und sie vor allem zu beschäftigen, damit sie schon gar nicht auf den Gedanken kommen, es würde ihnen schlecht gehen.«

Richard Spencer runzelte die Stirn und schaute Kasor zu.

Lisa hatte recht. Unter diesem Aspekt hatte er die Sache noch gar nicht betrachtet.

Er war eine Art Kapitän und wurde seiner besonderen Rolle voll gerecht.

Lisa und Richard Spencer zogen sich vom allgemeinen Geschehen ein wenig zurück. Das fiel noch nicht einmal auf.

2

Nach den ersten vorsichtigen Schritten auf der Insel, die sich natürlich auf das Ufer und den Strand beschränkten, ließ Kasor aus dem Schiff Seile holen. Inzwischen waren sämtliche Überlebenden eingetroffen. Richard Spencer wunderte sich über eines: Es gab keine Verletzten. Aus dem Wundern wurde Entsetzen. Er hegte einen furchtbaren Verdacht. Konnte es sein, daß die Besatzung nachgeholfen hatte, damit Verwundete nicht zu einer Belastung wurden? Ihn schwindelte, aber dann bekämpfte er diese Gedanken erfolgreich. Nein, es mußte eine andere Erklärung dafür geben!

Richard Spencer sah sich um. Der Nebel war völlig gewichen. Kurz wollte die Erinnerung in ihm aufsteigen, daß er diese Umgebung schon einmal gesehen hatte. Es war wie in einem anderen Leben. Sofort lenkte etwas seine Gedanken wieder in die Gegenwart. Er vergaß es. Ob Mikro die Verwundeten umgebracht hatte und nur die Lebensfähigen akzeptierte? Ein Grund zum Schaudern.

Lisa stieß ihn von der Seite an. »Was grübelst du nach, Richard? Welche geheimnisvollen Gedanken bewegen dich?«

Er lächelte sie an. »Nichts Besonderes, Lisa.« Sollte er es ihr sagen? Er sah ihr an, daß sie seiner Bemerkung mißtraute, und entschloß sich dazu, vor Lisa nichts zu verheimlichen. Sein Lächeln erstarb. Dann erklärte er ihr seinen Verdacht.

Lisa erbleichte. »Du hast recht!« murmelte sie nachdenklich.

Die Kasor weggeschickt hatte, kehrten mit den Seilen zurück. Spencer fragte sich, wo man die Seile so schnell hatte auftreiben können. Aber er stellte keine diesbezügliche Frage. Kasor wies die Leute an, das Schiff zu befestigen. Unebenheiten gab es an der zerrissenen Außenhaut genügend.

Spencer und Lisa hatten bisher keine Gelegenheit gefunden, das Schiff zu verlassen. Sie hatten keinen Überblick über das ganze Ausmaß des Schadens, aber wahrscheinlich war das Schlimmste unter der Wassergrenze verborgen.

Wasser? Spencer hätte einiges darum gegeben, diese rote Brühe untersuchen zu können. Es blieb ihm nicht vergönnt.

Lisa lenkte ihn wieder ab: »Wir sollten den anderen helfen. Sonst geraten wir noch in Verruf. In dieser Situation wird jede Hand gebraucht.«

Richard Spencer nickte. Kasor hatte nichts einzuwenden. Der zernarbte »Leib« des Kalgan-Schiffes wurde verankert. Jetzt sah Spencer erst richtig, wie das Schiff aussah. Einige Teile schienen völlig zu fehlen. Da gab es große Löcher, aus denen vorher wahrscheinlich Aufbauten herausgeragt hatten.

Als sie ihre Arbeit vollendet hatten, wartete Kasor gleich mit dem nächsten Auftrag auf. Er lief zwischen den Arbeitenden hin und her und schien überall gleichzeitig zu sein. Spencer bewunderte diesen ehrgeizigen und vitalen Mann.

Die Stärke, die Kasor ausstrahlte, wirkte ansteckend. Für Kasor schien es überhaupt keine Sorgen zu geben. Er tat ganz so, als sei alles perfekt nach Plan gelaufen. Selbst die Beschädigungen des Schiffes ließen ihn völlig kalt.

Nur einmal beschwerte er sich, daß der Computer nicht mehr funktionierte. Man hätte ihn gewiß gut brauchen können.

Richard Spencer leuchtete das zunächst nicht ein, aber dann erinnerte er sich an eine Bemerkung, die er vorher einmal gehört hatte. Demnach gab es Reparatureinheiten, die anscheinend nur vom Computer selbst bedient werden konnten.

Wußten die Mannschaftsmitglieder überhaupt, wo sich die Roboter befanden? Richard Spencer bezweifelte es. Er rechnete inzwischen mit allem, nur nicht mit etwas Positivem.

Die nächste Aufgabe bestand darin, die Toten zu bergen und auf der Insel zu bestatten. Eine Arbeit, die in Richard Spencer tiefste Depressionen erzeugte. Da konnte ihm selbst Lisa nicht helfen.

Danach, als Kasor allen eine Pause nach der kurzen Ansprache anläßlich der Beerdigung verordnet hatte, saß Spencer da und starrte dumpf brütend vor sich hin. Er dachte wieder an die Verletzten, die ebenfalls hatten sterben müssen, weil sie von den Bedingungen dieser Welt nicht akzeptiert worden waren. Er sog tief die Luft in seine Lunge und versuchte sich vorzustellen, daß es kein Sauerstoffgemisch wie auf der Erde war. Die Vorstellung mißlang. Es war hier wie auf einer Insel in der Südsee. Man durfte nur nicht genauer hinsehen und vor allem nicht darüber nachdenken.

Lisa stieß ihn an. »Du machst mir wirklich Sorgen, Richard. Warum verschließt du dich so?«

»Es ist wegen der Toten. Wir haben insgesamt nur einen Teil gefunden. Die anderen steckten wahrscheinlich in den abgerissenen Schiffsteilen. Hast du eigentlich eine Ahnung, wie das Schiff vorher ausgesehen hat - intakt?«

»Ja, du denn nicht? Es sah aus wie eine Handvoll erstarrter Schaum, mit stumpfer, metallischer Oberfläche. Daß es jetzt nicht mehr so aussieht, liegt darin begründet, daß die äußeren Bläschen dieses Schaumes von den aufgetretenen Kräften regelrecht abgeschält wurden. Es gibt praktisch gar keine Außenhaut mehr. Wo wir glatte Flächen sehen, sind das nur Verkleidungen der inneren Waben. Die herausragenden Wrackteile sind Bruchstücke der abgerissenen Waben.«

Richard Spencer verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, nicht mehr über die vergangene Katastrophe nachzudenken.

Ja, ich sollte meinen Blick nach vorn und nicht zurück werfen.

Bis jetzt hat es noch niemand gewagt, sich dem seltsamen und bizarren Pflanzenbewuchs zu nähern. Sind das überhaupt Pflanzen? Ist es überhaupt Leben?

Seltsam, man kann sich gar nicht vorstellen, daß in dieser Welt Leben herrschen könnte.

Alles wirkt steril und abstoßend. Die Pflanzen könnten genauso kristalline Gebilde sein, farbig, bizarr, irgendwie beängstigend und vielleicht wie Glas, das splittert, wenn man nur laut hineinruft.

Selbst der umsichtige Kasor hatte bisher keine Anstalten gemacht, zumindest einen Erkundungstrupp loszuschicken. Er begnügte sich mit dem Strand, denn dieser war überschaubar. Alles, was außerhalb lag, schien er - genau wie die anderen auch - zu ignorieren - aus Furcht vor dem Fremden!

Nach der Pause rief Kasor alle Expeditionsmitglieder zu einer Versammlung zusammen. Spencer hatte den Verdacht, daß Kasor die Versammlungen gern inszenierte, um den anderen immer wieder vor Augen zu führen, daß er die Dinge im Griff hatte. Er hob seine Stimme: »Leute, ich wiederhole, was ich schon an Bord gesagt habe: Es ist wichtig, mobil zu sein. Zu diesem Zweck bekommt unser Raumer ein neues Gewand. Mit anderen Worten: Wir wandeln ihn um in einen Segler!«

Einer der Männer, die noch nichts davon wußten, lachte ungläubig. »Ein mittelalterlicher Segler? Das soll doch wohl ein Witz sein, Kasor? Wir bergen alles aus dem Schiff, was noch brauchbar ist, und dann bauen wir uns ein Floß oder gleich einen richtigen Segler.«

»Und du weißt natürlich ganz genau, wie so etwas geht, nicht wahr?« erkundigte Kasor sich mit beißender Ironie. »Du wirst uns alle in die hohe Schule der Schiffsbaukunst einweihen und auch zeigen, wie man mit einem Segelschiff umzugehen hat.« Einige lachten. Kasor fuhr fort: »Die alte Schiffszelle könnte noch sehr wertvoll für uns sein. Vergeßt nicht, daß sie aus Kalgan besteht. Wenn wir uns hier eingelebt haben, werden wir uns näher mit dem Wrack beschäftigen. Ich will nichts versprechen, aber unser Fernziel sollte bleiben, das Raumschiff irgendwann wieder einsatzfähig zu machen.«

»Dann lassen wir uns doch hier auf der wunderschönen Insel nieder«, schlug der von vorhin vor. Er wollte es nicht aufgeben. Zwar stellte er sich nicht offen gegen den Kapitän, aber es war nicht zu leugnen, daß Kasor in dem Mann eine nicht unbeachtliche Opposition hatte. Oder wollte er mit seiner Kritik nur die gegenwärtige Lage deutlicher machen?

Spencer fand, daß solche Kritik gut angebracht war.

Kasor mußte zeigen, was er zustande bringen konnte. Blinder Gehorsam wäre fehl am Platz.

Kasor hatte gegen die Opposition nichts einzuwenden, obwohl er nicht sehr glücklich darüber sein konnte. Er akzeptierte das demokratische Prinzip innerhalb der Schiffsführung, nach der das Wort des Kapitäns eine koordinative Funktion besaß und nicht wie das Wort des Allmächtigen wirkte. Wenn keine Zeit für demokratische Abstimmungen war, konnte die Besatzung sich auf ihren Führer verlassen, aber in der Zwischenzeit mußte er immer wieder beweisen, daß dieses Vertrauen auch gerechtfertigt war. Kasor war ihr Führer, weil er dazu befähigt war, aber nur so lange, bis ein besserer zur Verfügung stand. Dem mußte er sich beugen. Das war das demokratische Prinzip. Zum Wohle der Gemeinschaft und nicht zum Wohle des Machthungers oder der Profilneurose.

»Ich sagte bereits«, rief Kasor über die Versammelten hinweg, »daß es wichtig ist, mobil zu bleiben. Wir kennen diese Welt nicht - überhaupt nicht! Wir wissen nicht, was sie für uns parat hält. Die von mir vorgeschlagene Verkleidung hat noch einen anderen Zweck. Sie verbirgt das Wrack. Wir wissen nicht, inwieweit es auf dieser Welt technische Einrichtungen gibt und können nicht einmal ahnen, wie ein Raumschiffswrack auf eventuelle Einheimische wirkt.« Es entstand Tumult, da jeder etwas zu sagen hatte. Daraus entwickelten sich rasch Gesprächsgruppen. Kasor blickte über seine Leute hinweg und ließ sie gewähren. Es gehörte auch zum demokratischen Prinzip, daß man sich vor der Abstimmung eine Meinung bildete.

Spencer wandte sich an Lisa. Sie lächelte ihn an. Für Augenblicke vergaßen die beiden die Versammlung, Mikro, die Insel, die ganze Situation. Sie küßten sich leidenschaftlich. Es wäre übertrieben, das Gefühl, das in Richard Spencer aufstieg, als ihm völlig unbekannt zu beschreiben, doch es überwältigte ihn mit einer Wildheit und Stärke, daß er die Kontrolle verlor und vollends vergaß, wo sie sich befanden.

Lisa war nicht halb so kopflos und brachte ihn mit sanfter Gewalt in die Wirklichkeit zurück.

»Komm!« flüsterte sie in sein Ohr, »die sind jetzt mit sich selbst beschäftigt und brauchen uns nicht unbedingt.«

Als Lisa leichtfüßig den Weg zum Wrack einschlug, folgte Richard Spencer wie in Trance. Dieses Gefühl, das er eigentlich verschüttet glaubte, seit gewissen Erfahrungen in der Jugend und bevor die Wissenschaft jede Zelle seines Körpers und jeden Gedanken in Besitz genommen hatte, machte ihn trunken. Und als sie im Bauch des Schiffes verschwanden, wußte er eigentlich gar nicht so recht, wie ihm geschah. Doch Richard Spencer hatte seinen Instinkt, den er nur gewähren lassen mußte. Er war ein Mann und Lisa eine Frau. Eine banale Feststellung, die in dieser Situation jedoch von grundlegender Bedeutung war. Denn sie waren zwei Menschen, die sich mit jeder Faser ihres Daseins liebten und begehrten...

*

Die ersten Erkundungstrupps wurden zusammengestellt. Richard Spencer und Lisa kamen gerade rechtzeitig, um wenigstens mitzubekommen, daß man sich der näheren Umgebung widmen wollte. Motiv: Es mußten die Pflanzen nach ihrer Verwendbarkeit untersucht werden. Erst dann wollte man endgültig entscheiden, ob das Wrack zum Segler wurde oder nicht.

Es bemerkte niemand, was zwischen Lisa und Richard vorgefallen war. Außer Kasor. Er betrachtete ihre glänzenden Augen und heißen Gesichter und lächelte wissend. Doch er sagte nichts.

Richard Spencer und Lisa gehörten zu einem der Trupps. Sie meldeten sich spontan. Drei Trupps machten sich auf den Weg. Ihr Auftrag war simpel. Sie sollten sich zunächst dem Rand des Pflanzenbewuchses zuwenden. Spencer, Lisa und drei weitere Besatzungsmitglieder, darunter eine Frau, bewegten sich in gerader Linie vom Landeplatz weg und erreichten bald ihr Ziel.

»Mir scheint«, murmelte Richard, »als hätte sich der Pflanzenbewuchs zurückgezogen. Der Strand erschien mir zu Beginn wesentlich schmaler.«

Lisa machte große Augen. »Du meinst wirklich, daß die Pflanzen sich bewegen können?«

Richard Spencer betrachtete die bizarren Gebilde. Er konnte beim besten Willen keine Ähnlichkeit mit von der Erde bekannten Formen feststellen.

Jedenfalls, was die irdische Pflanzenwelt betraf. Der Eindruck wurde stärker, daß es sich um kristalline Gebilde handelte, die nicht lebten. Ehe er es verhindern konnte, streckte einer seinen Arm vor und griff nach einem herunterhängenden Zapfen, der wie eine diamantenübersäte Korallenspitze wirkte. Der Mann umklammerte den Zapfen und riß daran. Mit einem hellen Klingen brach der Zapfen ab. Der Mann hielt ihn vor die Augen und betrachtete ihn aufmerksam.

Spencer konnte nicht sagen, was er erwartet hatte. Wahrscheinlich etwas Furchtbares. Doch der Mann zeigte keinerlei Verletzungen an den Händen. Nur der Zapfen reagierte nicht gut auf die rabiate Behandlung. Innerhalb von Sekunden erlosch das Glitzern an seiner Oberfläche. Der Zapfen wurde zu einem Stück Material, das an borstige Eichenrinde erinnerte. Eine phänomenale Umwandlung. Der Mann reichte Spencer das Stück und grinste ihn dabei an.

Richard Spencer wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Er wollte nicht glauben, daß die Sache ungefährlich sein sollte.

Lisa sagte ärgerlich: »Das war sehr leichtsinnig von dir, Door!«

Spencer war dankbar dafür, endlich den Namen des Mannes zu wissen. Wieso hatte er sich nicht daran erinnern können? Schließlich war er doch selber Besatzungsmitglied!

Er wunderte sich nicht mehr darüber, denn Door antwortete: »Rege dich nicht auf, Lisa, ich bin nur der menschlichen Logik gefolgt.«

»Oh, hätte ich gar nicht für möglich gehalten«, konterte Lisa und verzog das Gesicht.

»Klingt nicht so überzeugend in deinen Ohren, nicht wahr? Aber es ist doch ganz einfach: Wir haben hier atembare Luft, obwohl das mit Sicherheit keine Atmosphäre wie auf der Erde ist. Alles erscheint vertraut, einschließlich Wetter und dergleichen. Wieso sollte ich also annehmen, daß ausgerechnet diese Gebilde hier von Schaden sein könnten?«

Richard Spencer fand, daß diese Einstellung sehr fatal war. Das sagte er auch.

Door schüttelte den Kopf. »Was ist daran denn fatal? Für mich ist es nur logisch.«

»Weil es uns zur Unvorsichtigkeit erzieht! Ich bin der letzte, der hinter jedem Gebüsch den bösen Feind vermutet, aber ein wenig vorsichtig sollten wir schon sein.

Oder würdest du es wagen, in der roten Brühe ein Morgenbad zu nehmen?«

»Wieso eigentlich nicht?« Door grinste breiter. »Du wirst es sehen. Sobald wir zurück sind, werde ich es dir beweisen.«

»Das wirst du nicht!« rief Lisa aus.

Er hob die linke Augenbraue. »So? Und warum nicht? Lisa, mach dich doch nicht lächerlich. Glaubst du wirklich, ich lasse mir das von jemandem verbieten? Wenn ich Lust dazu habe, dann tu ich es auch. Es soll nicht heißen, daß ich etwas gegen Kasor hätte. Er ist ein fähiger Führer und soll es auch bleiben. Ich akzeptiere sogar, daß er um unsere Sicherheit und Zukunft besorgt ist. Das ist hervorragend. Doch seine Verantwortung für mich persönlich hört dort auf, wo ich sie selber in die Hände nehme!« Noch während er sprach, griff er in den Kristallwald hinein und pflückte eine in allen Farben des Spektrums glitzernde und schillernde Hand. Ja, es sah aus wie eine Hand, und in den Fingern von Door wurde das Gebilde zu einem borstigen Etwas, das er prüfend wog und auch auf seine Festigkeit untersuchte. »Prima Material. Es wird eine Kleinigkeit sein, das Wrack zu verkleiden, sage ich euch.«

»Ich bin dagegen«, murmelte Spencer.

»Und wieso?« fragte Door über die Schulter zurück, während er weiterpflückte. Das kristalline Zeug brach knackend wie Glas. Die Bruchstellen färbten sich bräunlich wie eine Wunde. Hatte das Material sich erst einmal verwandelt, war es widerstandsfähig wie Holz und hatte dabei die Konsistenz von Kork.

»Weil wir über diese Gebilde nichts Wissen!« führte Richard Spencer aus.

»Was ich eben entdeckt habe, genügt doch fürs erste, oder?«

Richard Spencer ballte die Hände zu Fäusten. »Door, ich mache hier keine Witze, sondern meine es ernst! Vielleicht ist das ganze Gebilde ein lebendiges Wesen, das wir mit diesem Vorgehen verletzen?«

Door unterbrach tatsächlich seine Arbeit, jedoch nicht, weil Spencer ihn überzeugt hatte. Ganz im Gegenteil: Er bog sich vor Lachen und wollte sich gar nicht mehr beruhigen. Auch die anderen fielen in das Gelächter ein. Bislang hatten sie sich zurückgehalten, weil sie der Sache ebenfalls nicht trauten, doch die Sorglosigkeit von Door hatte alle angesteckt.

Ihr Spott traf Richard Spencer zunächst wie eine Woge eiskalten Wassers.

Richard Spencer wandte sich ab. Er wußte, daß er künftig den Mund halten mußte, um sich nicht noch lächerlicher zu machen.

Niemand würde auf ihn hören. Die Arbeit würde ungeheuer schnell vonstatten gehen.

Door mußte annehmen, daß sie ideale Bedingungen angetroffen haben - in jeglicher Beziehung. Das war ausschlaggebend, weil die anderen diese Meinung teilen würden.