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Rund vierzigmal erwähnt Thomas Bernhards "Theatermacher" den kleinen Ort Gaspoltshofen im oberösterreichischen Hausruckviertel. Grund dafür: der dort ansässige Gasthof Klinger, Bernhards Stammlokal. Dort stand damals Hedi Klinger am Herd, Gastwirtin in vierter Generation. Ihre feine bodenständige Küche wurde vielfach ausgezeichnet, ein Höhepunkt war die Ehrung für Verdienste um das "Kulinarische Erbe Österreichs". Heute wird der Gasthof in der Familie liebevoll weitergeführt. Willi Klinger hat den Rezeptschatz seiner Mutter gesammelt und kommentiert, von feinen Suppen über deftige Hausmannskost und große Braten bis zu Wildküche und der "Original Klingertorte". Das Beste daran: Die Rezepte sind ebenso gut wie gelingsicher, viele sind verblüffend einfach und alle gut nachzukochen.
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Seitenzahl: 193
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Eine ländlich noble Küche
Hedi Klinger:Ich hätte nie ein Kochbuch gemacht …
Familiengeschichte
Jausen & kalte Vorspeisen
Suppen
Hausmannskost
Hauptspeisen
Beilagen
Mehlspeisen
Grundrezepte
Rezeptregister
Glossar
Dank
Sofern nicht anders angegeben, sind alle Rezepte für vier Portionenberechnet und Eier in Größe M verwendet worden.
Unter dem neuen Titel „Hedi Klingers Klassiker der österreichischen Küche“ liegt der Rezeptschatz der ehemaligen Wirtin im Gasthof Klinger, der bereits in drei Auflagen des Standardwerks „Hedi Klingers Familienküche“ erschienen ist, nun in erweitertem Umfang vor. Mit über 30 zusätzlichen Rezepten, darunter auch Hedis feine Weihnachtsbäckerei, ist dieses kulinarische Vermächtnis weitgehend vollständig dokumentiert.
Die 1933 geborene Oberösterreicherin hat ihre traditionelle und im besten Sinne ländlich noble Küche mehr als drei Jahrzehnte lang im Gasthof Klinger, der ehemaligen Poststation und Taverne zu Jeding bei Gaspoltshofen, aufgetischt und über junge Köchinnen und Köche, die sie ausgebildet hat, an die nächste Generation weitergegeben. Besonders die nachfolgenden Küchenchefinnen Ursula Heftberger (2004–2015) und Eva Sterrer (seit 2015) sowie Hedis Enkelin Christiane Lippert, die seit 2020 den Gasthof Klinger führt, haben diese Rezepte und Arbeitstechniken in ihren Jahren an Hedis Seite verinnerlicht.
Es hat mich anfangs einige Überzeugungsarbeit gekostet, meine Mutter für unser Kochbuchprojekt zu gewinnen. Sie ist zwar ehrgeizig und gesellig, aber trotz ihres Charismas eine sehr bescheidene Person, die auch als Haubenköchin das Licht der Medien eher gemieden hat. Eines Tages haben wir dann doch begonnen, gemeinsam zu kochen und ihre Rezepte, die sie oft nur aus dem Gefühl heraus zubereitet, genau zu erarbeiten. Am Anfang war das ganz schön anstrengend, denn wie viele gute Köchinnen ihrer Generation ist sie eine kochende Anarchistin, die nicht schematisch vorgeht, sondern ständig improvisiert. Das Schöne daran ist, dass wir im Laufe der jahrelangen gemeinsamen Arbeit zusammengefunden haben und ich dadurch viel wertvolle Zeit mit ihr verbringen konnte. Nebenbei habe ich dabei auch selbst recht gut kochen gelernt.
Was ist nun das Spezielle an dieser an sich unspektakulären Küche? Am besten zeigen sich ihre geschickte Hand und ihr feiner Geschmackssinn meiner Meinung nach bei den Saucen. Nirgends habe ich so feine Saftln zum Schweinsbraten, Kalbsbraten, Rehbraten, Paprikaschnitzel oder zum Brathendl gefunden wie bei ihr. Neben Braten und den klassischen Beilagen habe ich mit meiner Mutter ihre persönlichen Zubereitungen für feine Suppen und Salate, für die beliebtesten Schmankerl der österreichischen Hausmannskost und die besten Rezepte aus ihrer Mehlspeisenküche festgehalten. Bei der Erarbeitung der neuen Rezepturen dieser Ausgabe war die redaktionelle Mithilfe meiner Schwester Hedwig Breuer, die Mamas Küche von Kindheit an kennt, von unschätzbarem Wert. Wer also diese feine und sehr persönliche Interpretation der klassischen Küche Österreichs zu Hause pflegen und vielleicht auch einmal an die nächste Generation überliefern möchte, der wird mit diesem Band seinem Ziel einen großen Schritt näher kommen.
Willi Klinger
Die vielen positiven Reaktionen auf die bisherigen Ausgaben meines Kochbuchs bedeuten mir sehr viel. Dabei war ich ursprünglich eher skeptisch, als mein Sohn Willi mit seiner Buchidee daherkam: „Es gibt schon so viele Kochbücher auf der Welt, da muss ich nicht auch noch eines machen!“, dachte ich. Doch Willi ließ nicht locker und fing an, Rezept für Rezept mit mir durchzuarbeiten. Das war für mich manchmal sehr anstrengend, denn ich koche viel nach Gefühl. Kochen ist ja keine exakte Wissenschaft.
Und doch ist es nicht schlecht, öfter zu wiegen oder Temperaturangaben zu beachten. Einmal musste ich für die Fernsehsendung „Aufgegabelt in Österreich“ einen Leberbunkel zubereiten, den ich mein ganzes Leben immer wieder gemacht habe. Er wurde immer gut, aber nicht immer gleich. Für dieses eine Mal hatte ich alles genau abgewogen, und seither gelingt er mir immer perfekt. Irgendwas ist schon dran an genauen Anleitungen …
Leider werden die aufwändigen Gerichte der heimischen Küche in der Gastronomie aus wirtschaftlichen Gründen immer seltener angeboten. Wahrscheinlich kommen gerade deshalb die traditionellen Speisen bei jungen Familien wieder zu Ehren. Ich sehe es besonders an meinen Enkeln und Urenkeln. Die lieben meine Küche, obwohl sie schon in jungen Jahren mehr herumkommen als wir in einem ganzen Leben und dabei auch mit anderen kulinarischen Richtungen vertraut werden.
Die traditionelle Küche verlangt viel Liebe, Sorgfalt und Zeit. Man muss die Rezepte mehrfach ausprobieren und dann immer wieder zubereiten, bis man sie richtig beherrscht. Dann jedoch werden Sie und Ihre Gäste viel Freude damit haben.
Gutes Gelingen!
Hedi Klinger
Meine Eltern wuchsen im oberösterreichischen Hausruckviertel in Nachbarorten als Kinder zweier Gastwirts- und Bauernfamilien auf. Mein Vater, der in Windischgarsten die Hauptschule abgeschlossen hatte und gerne eine höhere technische Schule in Linz besucht hätte, musste nach dem Krieg im elterlichen Betrieb in Gaspoltshofen tagsüber in der kleinen Landwirtschaft und abends im Gasthaus mitanpacken. Meine Mutter, geboren als Hedwig Huber in Aistersheim, hatte als Mädchen während des Krieges nur die Volksschule besuchen dürfen und half von Kind an daheim auf dem Bauernhof mit, zu dem auch eine Gastwirtschaft gehörte. Das Kochen lernte sie von ihrer Großmutter Josefa Liedauer, die als Volontärin im bekannten „Grünen Baum“ in Linz die höheren Küchenweihen bekommen hatte.
Aistersheim, ein 800-Seelen-Ort im oberösterreichischen Hausruckviertel mit einem bekannten Renaissance-Wasserschloss als Hauptattraktion, war früher einmal ein Kurort mit Kaltwasserheilanstalt gewesen. Das dazugehörige Holz-Schwimmbecken kann man heute noch erkennen. Mein Großvater Wilhelm Klinger und sein Bruder, der Müller z’Fading Karl Klinger, haben dort schwimmen gelernt. Ich erinnere mich noch an die Familie Sedlmayer aus Wien, die drei Generationen lang jeden Sommer als Pensionsgäste nach Aistersheim kam. Mutters Großvater Franz Liedauer bürgte in den 1920er Jahren „mit Haus und Hof“ für die Grieskirchner Brauerei und trug damit maßgeblich zur Rettung dieser oberösterreichischen Traditionsbrauerei bei. Ich fuhr als Student noch das eine oder andere Mal zur Hauptversammlung mit.
Die Huberischen sind in gewisser Weise echte Qualitätsfanatiker. Der Bruder meiner Mutter, Johann Huber, der den Hof von meinem früh verstorbenen Großvater übernahm, war ein großartiger Fleckviehzüchter, dessen preisgekrönte Zuchtbullen bis nach Südafrika verkauft wurden. Seine Frau, Tante Christl, galt als beste Schnitzelköchin weit und breit. Viele Jahre hindurch traf sich die Aistersheimer Verwandtschaft alljährlich am Johannstag, dem 27. Dezember, zum weihnachtlichen „Huberschnitzel-Essen“, für mich auch heute noch der Maßstab, wenn es um das beste Schnitzel geht.
1951 lernte meine Mutter in der ländlichen Hauswirtschaftsschule in Weyregg am Attersee nicht nur viele praktische Fertigkeiten vom Melken bis zum Schafe-Scheren, sondern auch ganz ausgezeichnet kochen. 1956 heiratete sie meinen Vater, der damals auch ein kleines Transportunternehmen führte, und zog zu ihm nach Gaspoltshofen. In den folgenden acht Jahren kamen vier Kinder. Der Gasthof Klinger wurde zeitweise verpachtet, bis meine Eltern ihn 1980 nach einem großen Umbau und substanziellen Investitionen definitiv selbst führten.
Der Gasthof Liedauer (später Huberwirt) in Aistersheim, Hedis Elternhaus, um 1905
Hedi und Willi, um 1957
Obstbäume im Hausruckviertel
Das Ehepaar Schick, Willis Ururgroßeltern
Willi und sein großer Freund, der Sattler Konrad Nowotny
Besuch beim Hirsch in Wolfsegg (Brandlhof), wo Hedi oft in der Küche aushalf
Das gemütliche Wirtshaus im Hausruck
Der Gasthof Klinger im oberösterreichischen Hausruckviertel steht am Innbach, der zwischen 1810 und 1816 die Grenze zwischen Österreich und Bayern bildete. Als „Taverne zu Jeding“ war das massive Haus einst Zehenthof und Poststation. Zu den früheren Besitzern gehörten die Stifte Engelszell und Lambach.
1809 zog Napoleon mit seinem Heer am Haus vorbei. Laut mündlicher Überlieferung wurde dabei der „Mühljung“ der gegenüberliegenden Mühle erschossen. Zu den kurzzeitigen Bewohnern des Hauses gehörte ein halbes Jahrhundert später auch der Komponist Wilhelm Kienzl. 1885 kaufte der Müller Karl Schick die Taverne für seine Tochter Maria, die Urgroßmutter des heutigen Besitzers Ing. Wolfgang Klinger. Sie heiratete 1895 Karl Dallinger, und ihre Tochter Friederike Dallinger, meine Großmutter, ehelichte 1931 den Müllersohn Wilhelm Klinger. Nach dem Krieg florierte der Gasthof. Das scharfe Klinger-Gulasch wurde im weiten Umkreis gelobt. Zu überregionaler Bekanntheit als Hausruckviertler Institution stieg der Gasthof Klinger in der nächsten Generation auf.
Willi Klinger sen., mein Vater, ist heute noch als der allseits beliebte Wirt in Erinnerung, bei dem auch der Schriftsteller Thomas Bernhard zum Stammgast wurde. Hedi Klingers feine bodenständige Küche wurde mit Hauben und Sternen ausgezeichnet. Höhepunkt war die Ehrung für Verdienste um das „Kulinarische Erbe Österreichs“ im Jahr 2004. Damals entstand die Idee, ihre individuellen Rezepte der österreichischen Küchenklassiker in einem Kochbuch zu sammeln. 2004 übernahm mein Bruder Wolfgang neben dem Transportunternehmen auch den Gasthof und führte ihn mit seiner Frau Hermi und der bewährten Belegschaft erfolgreich weiter. Seit 1.1.2020 lenkt seine Tochter Christiane, Hedis Enkelin, die Geschicke des Hauses.
Vom Essen auf dem Lande
Die Wirtshäuser in den kleinen Dörfern Oberösterreichs hatten früher in der Regel eine Landwirtschaft dabei oder sie waren sogar, wie das Elternhaus meiner Mutter, in erster Linie Bauernhof mit angeschlossener Gaststube. Die Großmutter sah man zumeist auf der Bank am grünen Kachelofen beim Stricken oder Häkeln sitzen, während die anderen im Stall oder auf dem Feld arbeiteten. Verirrte sich tagsüber ein Durstiger ins Lokal, unterbrach sie die Handarbeit und schenkte dem Gast ein. Wenn sich jemand den Luxus eines Paars Würstel leisten wollte, schickte sie schnell ein Kind zum Fleischhauer um ein Paar Debreziner oder Frankfurter und siedete sie. Der Kren steckte üblicherweise im Mostkeller im Sand. Er wurde extra geholt und frisch gerieben. Auch im Gasthof Klinger wurde zuerst nur für die eigene Familie und das Personal gekocht. Ansonsten gab es höchstens Imbisse: Aufschnitt, Wurst in Essig und Öl, Würstel mit Senf und Kren oder in (Gulasch-)Saft. Das teuerste Gericht meiner Oma war das scharfe Rindsgulasch, für das „der Klinger“ weit und breit bekannt war.
Nur zu besonderen Anlässen wurde in einem Wirtshaus am Land groß gekocht. Bei Hochzeiten wurde ein Kalb geschlachtet. Beim Leichenschmaus, der bei uns Zehrung oder Kondukt heißt, wird noch heute gekochtes Rindfleisch mit Semmelkren aufgetragen. Der Bäcker liefert dazu die großen Totensemmeln mit Anis. Sie werden auch Zehrungs- oder Konduktsemmeln genannt und liegen für jeden Trauergast beim Gedeck. Bei derartigen Anlässen kam unser Lokal am Ortsrand seltener in Betracht als die drei Kirchenwirte mit ihren großen Sälen. Richtig gespeist wurde in den Gasthäusern auf dem Land außer bei Hochzeiten und Beerdigungen besonders bei der Wild-, Enten- und Bratenpartie. Das ist ein schöner, auch heute noch da und dort üblicher oberösterreichischer Brauch, bei dem versteckte Kochkünste allgemein zugänglich werden: Jedes Gasthaus, das etwas auf sich hielt, lud an einem Wochenende im Oktober oder November die Bevölkerung der umliegenden Orte, Bekannte und Geschäftspartner zur Partie ein. Dann gab es von Samstagmittag bis Sonntagabend ohne Unterbrechung Enten, Kalbsbraten, Schweinsbraten, Schnitzel und oft auch Wildgerichte. Manch einsame Schenke lief bei solchen Gelegenheiten zu kulinarischer Hochform auf.
Der Wirt Wilhelm Klinger (1932–2016) an seinem 70. Geburtstag 2002
Er wollte nie einen Gourmettempel haben. Dafür legte er Wert auf bodenständige Gastlichkeit jenseits des Üblichen mit gepflegt gezapftem Bier, guten Weinen und der sprichwörtlichen österreichischen Gemütlichkeit. Einen besonderen Stein im Brett hatte er bei älteren Damen, die er gerne scherzhaft als „Schuladirndln“ begrüßte, um ihnen einen Hauch von Jugendlichkeit zu attestieren. Immer wieder platzierte er seine Stehsätze wie „I bin jo do herin’ nur da Hausknecht“ oder „Für meine Stammgäste bin ich der Psychiater.“ Die Gäste kamen nicht nur wegen der Küche meiner Mutter, sondern auch wegen des charmanten und unterhaltsamen Gastgebers, den auch Thomas Bernhard als Gesprächspartner sehr schätzte.
In jungen Jahren wurde meine Mutter fallweise als Aushilfe für die Partie in die Wirtshäuser der Verwandtschaft von Wolfsegg bis Haag am Hausruck geschickt. Unter der strengen Führung erfahrener Köchinnen perfektionierte sie an den traditionellen Holzöfen die Kunst des Großen Bratens. Es handelt sich um Gerichte, die man in Restaurants selten in guter Qualität bekommt, weil sie nicht à la minute zubereitet werden können. Bei einer Partie wurde immer auf Verdacht gekocht, denn man wusste ja nie genau, wie viele Portionen bestellt werden würden. Es konnte sein, dass am Nachmittag das Geschäft plötzlich abriss und drei ganze Enten oder ein halber Kalbsbraten zu viel da waren. „Rechtzeitig auslegen!“, sagte die Tante Anna vom Gasthaus Dallinger in Haag am Hausruck, die für ihre Braten bekannt war. „Nachbraten geht nur, wenn man das Fleisch früh genug aus dem Ofen holt.“
Meine Mutter hat viel von der Kochkunst und dem Produktwissen dieser großartigen Frauen, von dieser kulinarischen Kultur, die noch aus der Zeit der Monarchie stammte, in ihre ganz persönliche bürgerliche Gasthaus- und Familienküche integriert.
Die ehemalige Poststation und Taverne zu Jeding, heute Gasthof Klinger
Hedi hat ihrer Enkelin Christiane viel von ihrer Kochkunst mitgegeben.
Ein typisches Festmahl in Oberösterreich kannte früher keine Vorspeisen. Es begann traditionell mit einer Rindsuppe mit klassischen Einlagen: Frittaten, Leberknödel, Grieß- oder Butternockerl, Milzschnitten und dergleichen.
Bei privaten Abendeinladungen gab es bei uns meistens kalte Küche. Das Angebot an Delikatessen war in den fünfziger und sechziger Jahren nicht einmal beim damals weit und breit bestsortierten Lebensmittelgeschäft „Meinl“ in Schwanenstadt mit jenem heutiger Supermärkte zu vergleichen. Und doch zauberte meine Mutter aus dem begrenzten Zutatenrepertoire köstliche Schmankerl. Manches stammte aus dem für damalige Verhältnisse sehr guten Buch „Kalt, bunt und lecker“, wobei Mama die meisten Rezepte nach ihrem eigenen, feinen Geschmack weiterentwickelte.
Dass „Russisches Ei“ oder auch die „Schinkenrolle“ dann in unserem Gasthof zu echten Rennern wurden, lag unter anderem an der phänomenalen Sauce tartare, deren Rezept wir in diesem Kapitel verraten. Erst später kamen auch in Oberösterreichs Restaurants echte Vorspeisen in Mode. Sie sind teils feine Versionen unserer Jausengerichte, teils stammen sie aus internationalen Küchen diverser Epochen.
Den „ausgsod’na Kas“ machte bei uns im Hausruckviertel früher fast jede Bäuerin im Haus, so auch die Tante Mirli beim „Pauli z’Pöttenheim“ oder die Tante Christl beim Huberwirt in Aistersheim. Mit etwas Bauernbutter, selbstgebackenem Bauernbrot und einem guten Most, den der Onkel Sepp oder der Onkel Hans aus ihren kühlen Kellern im Krug heraufholten, wurde dieses typische oberösterreichische Jausengericht für uns zur ländlichen Delikatesse.
Heute ist der „Ausgesottene Kas“gar nicht mehr so ohne weiteres herstellbar, denn man braucht dafür den richtigen Topfen, den sogenannten Kochkastopfen. Hier das Rezept meiner Cousine Maria Riener.
1 kg Kochkastopfen (Bröseltopfen aus Magermilch)
1 l Vollmilch
30 g Butter
2 TL Salz
Kümmel nach Geschmack
Topfen in eine große Keramikschüssel geben, mit einem Teller zudecken und 2–3 Tage an einen warmen Platz stellen, zum Beispiel an ein sonniges Fenster oder in der Nähe einer Wärmequelle. Während dieser Reifezeit Topfen einmal täglich mit einer Gabel durchmischen. Die Reife ist erreicht, wenn der Topfen leicht gelblich und so klebrig wird, dass die Brösel ineinander fließen.
Ausgereiften Topfen mit Milch, Butter, Salz und Kümmel auf kleiner Flamme unter ständigem Rühren behutsam schmelzen lassen, bis alle Brösel vollständig verschmolzen sind. Kurz aufkochen lassen, in bereitgestellte Schüsseln füllen und auskühlen lassen.
Am besten schmeckt der Kochkas lauwarm mit frischer Butter.
Nach Geschmack mit frisch geriebenem Pfeffer würzen.
Dieses Rezept ist eine jener unspektakulären, aber umso köstlicheren Kreationen, die meine Mutter immer wieder aus dem Ärmel schüttelte, wenn sie sich in Arbeitspausen schnell etwas Gutes tun wollte. Man darf eigentlich gar nicht laut sagen, dass es mit dem in gut sortierten Supermärkten erhältlichen „Steirakas“ am besten gelingt. So wird aus dem recht einfachen Molkereiprodukt im Handumdrehen ein origineller, fein rahmiger Aufstrich, der am besten noch lauwarm als Dip schmeckt, wenn man mit Schwarzbrotstreifen eintunkt. Ideal auch auf in mundgerechte Aperitifhappen geschnittenem Bauernbrot.
¼ l Schlagobers
Kümmel nach Geschmack
200 g Steirerkas oder Glundner
Milch nach Bedarf
Schlagobers mit Kümmel aufkochen, 2–3 Minuten kochen. Währenddessen den Steirerkas würfelig schneiden.
Steirerkaswürfel zum Schlag geben. Zurückschalten und stehen lassen, damit der Käse schmilzt.
10 Minuten sanft köcheln lassen. Konsistenz evtl. mit Milch verdünnen. Mit einem Schneebesen glattrühren, nochmals aufkochen lassen und in Formen gießen. Auskühlen lassen und verschließen.
Man kann entweder die ganze Masse in eine größere Schüssel gießen oder kleine Portionsterrinen damit befüllen. Dann hat man pro Gast ein schönes Gedeck für eine Essenseinladung.
Erdäpflkas muss frisch serviert werden, sonst werden die Zwiebeln unverdaulich und bitter. Ein frischer Erdäpflkas eignet sich gemeinsam mit hochwertiger Butter auch bestens als Gedeck.
250 g mehlige Kartoffeln
Salz
ca. ¼ l Sauerrahm
Schlagobers nach Bedarf
fein gehackte Zwiebel, Schalotte oder rote Zwiebel nach Geschmack
Pfeffer
Schnittlauch
Kartoffeln mit der Schale kochen (nicht zu lang!), auskühlen lassen, schälen und fein reiben.
Über die geriebenen Erdäpfel Salz streuen, Sauerrahm dazugeben, durchmischen. Nach Bedarf noch etwas Sauerrahm oder Schlagobers einrühren. Zwiebel hinzufügen, gut durchmischen und salzen. Nochmals durchmischen, mit frisch geriebenem Pfeffer und fein geschnittenem Schnittlauch servieren.
Liptauer wird in Wien auch mit Brimsen gemacht, einem slowakischen Frischkäse aus Schafmilch. Meine ehemalige Assistentin Marie-Sophie Hartl hat für den Heurigen am Weingut Heinrich Hartl in der Thermenregion eine besonders feine und frische Liptauer-Version ausgetüftelt.
1 mittelgroße Zwiebel
125 g zimmerwarme Butter
250 g halbfetter Bröseltopfen 20 %
2 EL Paprika edelsüß
½ EL gemahlener Kümmel
Salz
Pfeffer
ein paar Tropfen Essig
1–2 Knoblauchzehen
1–2 EL Sauerrahm
Zwiebel sehr fein hacken. Weiche Butter schaumig rühren, dann mit dem Topfen gut abmischen. Paprika, Kümmel, Salz, Pfeffer, Essig, den durchgepressten Knoblauch und die gehackte Zwiebel unterrühren. Die Mischung mixen und zum Schluss mit Sauerrahm abmischen, damit der Liptauer schön glatt und streichfähig wird.
Hedi: „Wenn Sie guten bröseligen Bauerntopfen bekommen, greifen Sie zu.“
Für diesen würzigen Aufstrich können Sie jeden kräftigen Weichkäse mit Rotkultur nehmen. Er schmeckt besonders zum Bier oder als Vorspeisenhappen mit einem rustikalen Weißwein oder Schilcher.
1 Laibchen Schlierbacher Schlosskäse, gut gereift und zimmerwarm
gleiche Menge Butter, zimmerwarm
Schnittlauch
Käse nach Wunsch entrinden (mein Vater verarbeitete ihn mit Rinde). Käselaibchen und Butter mit einer Gabel zerdrücken und gut vermischen.
Schnittlauch fein schneiden, daruntermischen und ein kleines, rundes Törtchen formen. Eventuell kurz im Kühlschrank anziehen lassen, mit gutem Schwarzbrot servieren.
1 große oder 2 kleine Knoblauchzehen
1 EL gehackte Petersilie
1 EL gehackter Schnittlauch
½ TL gehackter Majoran (alternativ Thymian)
½ EL Worcestersauce
250 g zimmerwarme Butter
9 g Salz
Pfeffer
Knoblauch fein hacken, mit Kräutern und Worcestersauce unter die Butter mischen. Salz und reichlich Pfeffer dazugeben, alles gut durchmischen.
Kleine Rollen formen (zum Beispiel 4 cm stark und 15 cm lang) und in Alufolie wickeln. Enden wurstförmig zusammendrehen, Rollen ins Tiefkühlfach legen.
Will man die Kräuterbutter gleich verwenden, nur kurz anziehen lassen. Tiefgekühlte Kräuterbutter sollte man am Tag vor der Verwendung in den Kühlschrank legen, damit sie taut.
Nussbutter servieren wir im Gasthof Klinger zum hausgeräucherten Hirsch- oder Lammschinken. Die Zubereitung ist sehr einfach: ⅛ kg Butter schaumig rühren, 1 EL geriebene Walnüsse daruntermischen und mit Worchestersauce und Salz abschmecken. Eine Rolle formen und in Alufolie im Kühlschrank durchziehen lassen.
In der Praxis eines kleinen Landwirtshauses, in dem alles frisch zubereitet wurde, hat meine Mutter in all den Jahren einige praktische Techniken entwickelt, wie die schnelle Mayonnaise von einem Eigelb, händisch aufgeschlagen in einem Joghurtbecher.
1 Eigelb
1 guter TL englischer Senf
Prise Salz
Pfeffer aus der Mühle
⅛ l Pflanzenöl
Eigelb in einen Becher geben, Senf hinzufügen, salzen und pfeffern. Becher im Sitzen zwischen den Knien einklemmen und die Mischung mit einem kleinen Schneebesen kräftig versprudeln. Nach und nach Öl kreisend in einem dünnen Strahl dazugießen, weitersprudeln, bis die Mayonnaise die gewünschte Konsistenz hat.
Hedi: „Die Mayonnaise gelingt besser, wenn Eigelb und Öl zimmerwarm verarbeitet werden. Besonders einfach gelingt sie mit einem Stabmixer mit Schneebesen-Aufsatz und einem hohen Mixglas mit rundem Boden.“
Hedis köstliche Sauce tartare ist eigentlich eine Remouladensauce ohne Kapern oder Sardellen. Die kleine Mühe bei der Zubereitung lohnt, denn eine gute Sauce tartare macht scheinbar banale Allerweltsgerichte wie Schinkenrolle, Mayonnaiseei oder auch gebackene Pilze zu wahren Delikatessen. Die Zubereitung ist einfach, es kommt aber, wie so oft, auf die Kleinigkeiten an.
½ EL fein gehackte Petersilie
½ EL fein gehackter Schnittlauch
1 Portion schnelle Mayonnaise (s.o.)
1 kleines Essiggurkerl
½ EL Gurkerlwasser
nach Wunsch 1 EL Sauerrahm
Salz
Pfeffer
Petersilie und Schnittlauch in die Mayonnaise einrühren. Gurkerl fein hacken oder mit der Küchenreibe reiben und dazugeben, Gurkerlwasser hinzufügen. Mit Sauerrahm auf die gewünschte Konsistenz verdünnen und mit Salz und Pfeffer abschmecken.
Diese Gemüsemayonnaise, die traditionelle Fülle für Schinkenrolle, wird in Österreich meist „Französischer Salat“ genannt, im Piemont heißt der ähnliche Antipasti-Klassiker „insalata russa“.
200 g Karotten
150 g Knollensellerie
100 g junge Erbsen
Gemüsefond (s. S. 228)
1 mittelgroßer, säuerlicher Apfel
2 mittlere Essiggurkerl
Zitronensaft zum Marinieren
Mayonnaise nach Bedarf (s. S. 23)
Salz
Pfeffer
Gurkerlwasser zum Abschmecken
Gemüse in 5 mm große Würfel schneiden. Karotten getrennt von Sellerie und Petersilwurzel kurz im Gemüsefond oder Wasser blanchieren. Erbsen ganz kurz blanchieren. Gemüsewürfel aus dem Sud heben und auskühlen lassen.
Apfel schälen, Gurkerl und Apfel würfeln, Apfel mit Zitronensaft marinieren, damit er nicht braun wird. Gemüse und Apfel mit Mayonnaise vermengen, mit Salz, Pfeffer und Gurkerlwasser abschmecken und im Kühlschrank mindestens 3 Stunden ziehen lassen.
1 Portion Mayonnaise (s. S. 23)
1–2 TL englischer Senf oder Dijonsenf
½ TL Honig
Salz
Pfeffer
2 EL geschlagenes Obers
1 EL gehackte Dillspitzen
Mayonnaise, Senf und Honig verrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Geschlagenes Obers und gehackte Dillspitzen unterheben.
Hedi: „Diese fein süßliche Senfsauce serviert man traditionell zu gebeizten Fischen wie Lachsforelle oder Lachs. Nach dem Rezept auf S. 36 können Sie den Fisch ganz einfach selbst marinieren und beizen.“
Schinkenrolle und Curryoberssauce
Das ist Hedis Originalsauce zur Schinkenrolle mit Spargel (s. S. 35). Mit gehackten, gekochten Eiern kann man sie zu einem herrlichen Aufstrich verarbeiten und als Kinder haben wir sie auch sehr gerne zu Fleischfondue gegessen.
1 gestrichener TL Curry
Salz
⅛ l Schlagobers
1 Portion Mayonnaise (s. S. 23)
Currypulver und eine Prise Salz in das Schlagobers rühren.
Obers aufschlagen und unter die Mayonnaise ziehen, mit Salz abschmecken.
Unter dem Namen „Russisches Ei“ wurde dieses kalte Schmankerl im Gasthof Klinger zu einem beliebten Hausklassiker der siebziger und achtziger Jahre. Bei diesem einfach klingenden Rezept kommt es auf die Details an wie schön wachsweich gekochte Eier und Hedis unvergleichliche Sauce tartare (s. S. 23).
Etwas jünger als der Klassiker, aber mindestens ebenso gut ist die vegetarische Variante im Bild links mit Gemüsemayonnaise (s. S. 24) statt Leberkäse oder Extrawurst.
1 wachsweich gekochtes Ei
100 g kalter, dünn aufgeschnittener Leberkäse oder Extrawurst
1 EL Mayonnaise (s. S. 23)
1 Portion Sauce tartare (s. S. 23)
Blattsalat nach Wahl
Schnittlauch
Ei halbieren. Leberkäse oder Extrawurst in etwa 3 mm breite Streifen schneiden und mit Mayonnaise vermengen. Auf einer Hälfte eines großen Tellers in einer Art Sockel anrichten.
Eierhälften mit dem Gelb nach unten nebeneinander daraufsetzen. Eier mit Sauce tartare überziehen.
Auf der anderen Tellerhälfte einen kleinen Blattsalat (wahlweise mit ein paar Tomatenspalten) anhäufen. Eier und Salat mit fein geschnittenem Schnittlauch bestreuen und servieren.
GETRÄNKE-TIPP
In unserem Wirtshaus trinken 80 % der Gäste ein Pils zu diesem Gericht, und das passt perfekt. Sie können zu solchen Schmankerln aber auch einmal eine herrlich prickelnde Sekt-Reserve aus traditioneller Flaschengärung von einem unserer Schaumwein-Pioniere probieren. Sekt ist einer der vielfältigsten Speisenbegleiter.
Wehe, wenn ich Extrawurst in Essig und Öl sehe! Eine richtige Essigwurst macht man mit Knacker, manche sagen sogar Speckknacker mit kleinen Würferln von grünem Speck, die weiß sind.