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Die fünf grundlegenden Seelenwunden und ihre Heilung
Haben Sie manchmal das Gefühl, sich im Kreis zu bewegen? Tauchen Probleme, die Sie für gelöst hielten, immer wieder auf? Dann suchen Sie vielleicht nicht an der richtigen Stelle. Die spirituelle Psychologin und internationale Bestsellerautorin Lise Bourbeau macht deutlich, dass alle Probleme der körperlichen, emotionalen und geistigen Ebene auf fünf Seelenwunden zurückgehen: Ablehnung, Verlassenwerden, Demütigung, Vertrauensbruch und Ungerechtigkeit. Mithilfe der präzisen Beschreibung dieser Wunden und der Masken, die wir entwickelt haben, um sie vor der Welt zu verbergen, können wir die wahren Ursachen der Probleme erkennen, die unser Leben hartnäckig zu verfolgen scheinen. Die konkreten Lösungsvorschläge helfen uns dabei, Probleme in Wegbereiter für unsere Selbstentfaltung zu verwandeln.
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Seitenzahl: 245
LISE BOURBEAU
Mit der Weisheit des Körperstiefe emotionale Verletzungen heilen
Aus dem Französischen von Christian Schweiger
Titel der Originalausgabe: LES 5 BLESSURES qui empêchent d’être soi-même
© 2000 Lise Bourbeau
Erschienen bei: Les Èditions E.T.C. Inc., Québec, Canada
Die erste deutschsprachige Ausgabe erschien 2000 bei Windpferd Verlagsgesellschaft mbH.
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© 2023 der deutschsprachigen Ausgabe by Irisiana Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Umschlagkonzeption: Guter Punkt, München
Umschlaggestaltung: atelier-sanna.com, München, unter Verwendung eines Motivs von © Subbotnik Anna-fotolia.com
Lektorat: Sylvia Luetjohann
Satz und Layout: Marx Grafik & ArtWork
ISBN 978-3-641-31444-6V001
www.penguinrandomhouse.de
Von tiefstem Herzen danke ich den Tausenden von Menschen, mit denen ich mehrere Jahre lang zusammenarbeiten durfte. Ohne sie wäre mein Forschen nach unseren Seelenwunden und Masken fruchtlos geblieben.
Ganz besonders möchte ich all jenen danken, die meine Seminare zum Thema „Wirksame Methoden in der Helferbeziehung“ besucht haben. Ihre Bereitschaft, alle Masken fallen zu lassen, hat dieses Werk ungemein bereichert. Ein großes Dankeschön geht an das Team von Ecouté Ton Corps („Höre auf deinen Körper“), das mich nicht nur auf meiner Suche unterstützt hat, sondern auch einige Elemente zu diesem Buch lieferte. Dank Euch allen kann ich weiterhin meiner Leidenschaft der Persönlichkeitsforschung nachgehen und immer neue Synthesen erstellen.
Zum Schluss möchte ich auch all jenen danken, die direkt beim Verfassen dieses Buches mitgewirkt haben: angefangen bei meinem Partner Jacques, der mir die Stunden versüßt hat, die ich über diesem Buch saß; dann aber auch Monica Bourbeau Shields, Odette Pelletier, Micheline St-Jacques, Nathalie Raymond und Michèle Derusser, die tolle Korrekturarbeit geleistet haben; und schließlich auch den Illustratorinnen Claudie Ogier und Elisa Palazzo.
Vorwort
1. KAPITEL
Die Entstehung unserer Seelenwunden und Masken
2. KAPITEL
Die Ablehnung
Merkmale der Wunde der Ablehnung
3. KAPITEL
Das Verlassenwerden
Merkmale der Wunde des Verlassenwerdens
4. KAPITEL
Die Demütigung
Merkmale der Wunde der Demütigung
5. KAPITEL
Der Vertrauensbruch
Merkmale der Wunde des Vertrauensbruchs
6. KAPITEL
Die Ungerechtigkeit
Merkmale der Wunde der Ungerechtigkeit
7. KAPITEL
Die Heilung der Seelenwunden und das Ablegen der Masken
Die Autorin
Dieses Buch wurde nur durch die Beharrlichkeit zahlreicher Seelenforscher möglich, die – wie ich selbst – nicht zögerten, die Frucht ihrer Erfahrungen und Schlüsse trotz starken Widerstands und heftiger Skepsis zu veröffentlichen, die jene zwangsläufig auslösen. Selten sind solche Forscher wirklich von der zuerst ablehnenden Publikumsreaktion auf ihre bahnbrechenden Arbeiten überrascht, sondern in der Regel darauf vorbereitet. Motiviert wird ihr Einsatz jedoch durch die Vorstellung, durch ihre Arbeit zur Entwicklung der Menschheit beizutragen; belohnt wird sie durch all jene, die ihre Entdeckungen schließlich akzeptieren. Unter diesen Gelehrten gilt mein erster Dank dem österreichischen Psychiater Sigmund Freud für seine Analyse des menschlichen Unbewussten und für den Mut, die Meinung offen vertreten zu haben, dass Verbindungen zwischen der körperlichen, geistigen und emotionalen Ebene des menschlichen Wesens bestehen.
Auch dem bekanntesten seiner Schüler, Wilhelm REICH, dem großen Vorreiter der Metaphysik, gilt mein Dank. Er war der erste, der die Verbindung zwischen Psychologie und Physiologie so weit führte, um nachweisen zu können, dass Neurosen nicht nur die geistige, sondern auch die körperliche Gesundheit beeinträchtigen können.
In der Folge riefen zwei Schüler Reichs, John C. PIERRAKOS, der Autor und Begründer der Core Energetics, und Alexander LOWEN die „Bioenergetik“ ins Leben, die die Bedeutung unterstreicht, welche dem Genesungswillen des Kranken im Heilungsprozess zukommt.
Die Arbeiten von John Pierrakos und seiner Lebensgefährtin Eva Brooks sind eine wichtige Grundlage meiner Arbeit. Seit einem höchst interessanten Seminar bei Barry WALKER, einem Schüler von Pierrakos, an dem ich 1992 teilnahm, führte ich meine Beobachtungen und Untersuchungen um so eifriger fort, um diese schließlich in der vorliegenden Form der fünf Seelenwunden und Masken zusammenzufassen. So wurde der Inhalt dieses Buches seit 1992 ständig überprüft, und das nicht nur anhand meiner eigenen, sondern auch mittels der Erfahrungen Tausender Seminarteilnehmer.
Die Behauptungen dieses Buches sind zwar wissenschaftlich (noch) nicht nachweisbar, doch will ich dich von ganzem Herzen dazu einladen, sie am eigenen Leibe zu überprüfen, bevor du sie ablehnst. Diese Zusammenfassung sollte dir helfen, dein Leben zu verbessern.
Wie in meinen anderern Büchern will ich dich als Leser weiterhin duzen. Wenn dies das erste meiner Bücher ist, das du liest, so bist du wahrscheinlich noch nicht mit den Grundzügen vertraut, die in Höre auf deinen Körper, deinen besten Freund stehen. Vielleicht überraschen dich deshalb bestimmte Dinge. Ich mache z.B. einen Unterschied zwischen Gefühl und Emotion, Intelligenz und Verstand, beherrschen und kontrollieren. All dies wird in meinen anderen Büchern und auch in meinen Seminaren erklärt.
Alles, was ich schreibe, gilt für Männer ebenso wie für Frauen. Ist das nicht der Fall, so erwähne ich dies eigens. Auch will ich nicht vor dem Wort „Gott“ zurückschrecken. Spreche ich von Gott, so beziehe ich mich auf dein Über-Ich, deine Uressenz, dieses Ich, das deine wirklichen Bedürfnisse nach einem Leben in Liebe, Glück, Harmonie, Frieden, Freude und Wohlstand kennt.
Ich wünsche dir ebensoviel Spaß bei den folgenden Kapiteln wie ich ihn habe, diese Entdeckungen mit meinen Mitmenschen zu teilen.
In Liebe
Wird ein Kind geboren, so weiß es in seinem tiefsten Inneren, dass es auf diese Welt gekommen ist, um sein Wesen durch die verschiedensten Erfahrungen zu bilden. Seine Seele hat die Familie und das Umfeld, in die sie geboren wurde, ganz bewusst und mit einem bestimmten Ziel gewählt. Wir haben alle dasselbe Lebensziel: so lange Erfahrungen zu machen, bis wir sie wirklich akzeptieren und gelernt haben, uns selbst zu lieben.
Solange wir Dinge nicht akzeptieren und sie Urteile, Schuldgefühle, Angst, Bedauern oder andere Formen der Ablehnung in uns hervorrufen, begeben wir uns ständig in Situationen und Beziehungen, die uns dasselbe Schema von neuem erleben lassen. So machen viele dieselbe Erfahrung nicht nur mehrmals in einem Leben, sondern in mehreren Wiedergeburten, bevor sie sie völlig akzeptieren können.
Akzeptieren bedeutet nun jedoch keineswegs, dass wir diese Erfahrung deshalb schätzen oder mit ihr einverstanden sein müssen. Es geht vielmehr darum, dass wir uns selbst das Recht zugestehen, Versuche zu machen und durch unser Leben zu lernen. Wir müssen vor allem erkennen, was gut für uns ist und was nicht. Das ist nur möglich, wenn wir uns der Folgen unserer Erfahrungen bewusst sind. All unsere Entscheidungen, alles, was wir tun oder nicht tun, sagen oder nicht sagen, ja sogar alles, was wir denken und fühlen, zieht Folgen nach sich.
Der Mensch will immer intelligenter leben. Merkt er, dass etwas negative Konsequenzen nach sich zieht, sollte er nicht sich oder anderen Vorwürfe dafür machen, sondern lernen zu akzeptieren, dass er selbst diesen Weg gewählt hat. Auch wenn dies nur unbewusst geschehen sein mag, wird er sich später daran erinnern, dass es widersinnig ist, diesen Weg noch einmal zu gehen. So akzeptieren wir Erfahrungen. Vergiss aber nicht, dass es nicht genügt, sich zu sagen: „Nein, das möchte ich nicht noch einmal durchmachen!“ Du solltest dir ruhig auch das Recht zugestehen, denselben Fehler, dieselbe unangenehme Erfahrung mehrmals zu machen, bevor du dazu bereit bist und den nötigen Mut aufbringst, dich wirklich zu wandeln. Warum kapieren wir nicht auf Anhieb? Ganz einfach! Unser Ich stellt sich mit seinem ganzen Glaubensapparat quer.
Wir sind voll von Ansichten und Überzeugungen, die uns daran hindern, wir selbst zu sein. Je mehr Schmerzen uns diese Denkmodelle zufügen, desto mehr versuchen wir sie zu verbergen. Ja, wir überzeugen uns sogar selbst davon, dass es gar nicht unsere eigenen sind. Mit diesem Glaubensapparat ins reine zu kommen bedarf mehrerer Inkarnationen. Erst wenn unser Geist, unsere Gefühle und unser Körper gemeinsam bereit sind, auf unseren inneren Gott zu hören, wird unsere Seele glücklich sein.
Alle nicht akzeptierten Erfahrungen sammeln sich in unserer Seele an. Da diese unsterblich ist, kehrt sie in verschiedenen menschlichen Gestalten, aber mit demselben Gepäck seelischer Erinnerungen auf diese Welt zurück. Schon vor unserer Geburt entscheidet unsere Seele, was sie in diesem Leben regeln will. Diese Entscheidung ist unserem Verstandesbewusstsein jedoch ebenso unzugänglich wie das restliche Seelengepäck. Erst im Laufe unseres Lebens werden uns unser Lebensplan und die Probleme, an denen wir zu arbeiten haben, immer klarer.
Spreche ich von „ungeregelten“ Erfahrungen, so bezieht sich dies auf solche, die wir nicht akzeptieren konnten. Es besteht jedoch ein großer Unterschied, sich selbst oder eine Erfahrung zu akzeptieren. Nehmen wir das Beispiel eines Mädchens, das von seinem Vater abgelehnt wird, der lieber einen Jungen gehabt hätte. In diesem Fall hieße die Erfahrung akzeptieren, dem Vater zuzugestehen, einen Sohn vorgezogen zu haben und deshalb seine Tochter abzulehnen. Sich selbst akzeptieren bedeutet für dieses Mädchen, sich keine Vorwürfe zu machen und sich selbst zu verzeihen, dem Vater deshalb böse gewesen zu sein. Die Situation ist „geregelt“, wenn sie weder sich noch ihrem Vater etwas nachträgt und nur noch Verständnis und Mitgefühl für den beiderseitigen Schmerz empfindet.
Sie wird erkennen, dass die Problematik ganz überwunden ist, wenn sie selbst in der Lage ist, andere Menschen abzulehnen, ohne sich dafür Vorwürfe zu machen. Es gibt noch ein anderes Mittel festzustellen, ob eine Erfahrung akzeptiert und wirklich geregelt ist: Ein Mensch, den sie mit dem nötigen Verständnis für sich selbst und den anderen zurückgewiesen hat, wird ihr dafür nicht böse sein. Er wird ihr zeigen, dass er versteht, dass es menschlich ist, anderen in bestimmten Augenblicken Ablehnung zu zeigen.
Lass dir jedoch von deinem Ich nichts vormachen. Es wird mit allen Mitteln versuchen, dich glauben zu lassen, dass eine Situation geregelt ist. Dann heißt es: „Ja, ja, ich verstehe, dass der andere so oder so gehandelt hat“ – nur damit wir uns nicht mit uns selbst konfrontieren und verzeihen müssen. So versucht das Ego unangenehmen Situationen auszuweichen. Auf diese Weise können wir eine Situation oder einen Menschen z. B. akzeptieren, ohne uns jedoch einzugestehen, darunter gelitten zu haben oder noch immer wegen etwas böse zu sein. In diesem Fall haben wir nur einen bestimmten Aspekt akzeptiert. Ich kann es nicht oft genug wiederholen: Es besteht ein großer Unterschied, sich selbst oder eine Erfahrung zu akzeptieren. Unser Ich will sich nicht eingestehen, dass alle schwierigen Situationen, die wir erleben, einzig und allein dazu da sind, uns zu zeigen, dass wir selbst genauso mit unserer Umwelt umgehen.
Ist dir noch nie aufgefallen, dass dir andere oft genau das vorwerfen, was du ihnen selbst entgegenhältst?
Deshalb ist es auch so wichtig, sich selbst kennen und annehmen zu lernen. Das ist der beste Weg, leidvolle Situationen zu vermeiden. Es liegt einzig und allein an dir, dein Leben in die Hand zu nehmen und dein eigener Meister zu werden, anstatt deinem Ich die Kontrolle zu überlassen. Es bedarf jedoch großen Muts, da wir auf diesem Weg unweigerlich auch auf alte Wunden stoßen, die noch sehr wehtun können – besonders, wenn sie schon seit mehreren Leben klaffen. Je mehr du an einer Situation oder in einer Beziehung leidest, desto weiter liegt das Problem zurück.
Doch stehst du damit keineswegs auf verlorenem Posten. Du kannst auf die Hilfe deines inneren, allwissenden, allmächtigen und allgegenwärtigen Gottes zählen. Diese Kraft arbeitet ständig in deinem tiefsten Inneren. Sie bringt dich immer wieder in Situationen und mit Menschen zusammen, die dem vor deiner Geburt gefassten Lebensplan entsprechen und für dein inneres Wachstum nötig sind.
Schon vor deiner Geburt hat dein innerer Gott dich in die Familie und in das soziale Umfeld geführt, die du für dein neues Leben brauchst. Diese gleichsam magnetische Anziehungskraft und dein Lebensplan werden einerseits durch all das bestimmt, was du in deinen Vorleben noch nicht in Liebe akzeptieren konntest, und andererseits durch das, was deine neuen Eltern durch ein Kind wie dich zu regeln haben. Dies erklärt auch, weshalb Eltern und Kinder oft dieselben Wunden heilen müssen.
Nach deiner Geburt bist du dir nicht mehr dieser Vergangenheit bewusst, da du dich vor allem auf die Bedürfnisse deiner Seele konzentrieren musst, die danach strebt, dass du dich mit all deinen Fähigkeiten, Fehlern, Stärken, Schwächen und Charakterzügen akzeptierst. Das müssen wir alle. Doch wird uns schon in unserem frühesten Kindesalter bewusst, dass wir die Welt der Erwachsenen und unserer Nächsten stören, wenn wir wagen, wir selbst zu sein. Wir schließen daraus, dass es falsch und schlecht ist, natürlich zu sein. Diese Entdeckung ist schmerzhaft und ruft oft Wutanfälle beim Kleinkind hervor. Die jedoch sind so häufig, dass sie als normal angesehen werden. Wir nennen sie dann Trotzphase oder Pubertätskrise. Doch mögen sie den Menschen auch noch so normal erscheinen, so sind sie deshalb noch lange nicht natürlich. Ein natürliches, ausgewogenes Kind, das das Recht hat, seine wahren Bedürfnisse auszuleben, kennt solche Langzeitkrisen nicht. Doch solche Kinder sind ungeheuer selten. Der Großteil der Kinder durchläuft vielmehr die folgenden vier Phasen:
Den Freuden des Selbstseins der ersten Lebensphase folgt bald der Schmerz der zweiten Phase, in der ihm diese Erfahrung verwehrt wird. Dem folgt die dritte Etappe, die Krise, die Revolte. Um den Schmerz nicht überhandnehmen zu lassen, resigniert das Kind und schafft sich schließlich in der vierten Phase eine neue Persönlichkeit, um so zu werden, wie die anderen es wollen. Einige Menschen bleiben ihr ganzes Leben in der dritten Phase verstrickt. Das heißt, sie sind in ständiger Reaktion, Auflehnung und Wut, kurz, sie leben in einer andauernden Krise.
In der dritten wie auch in der vierten Phase schaffen wir uns mehrere Masken (neue Persönlichkeitsaspekte), die uns vor den Schmerzen beschützen sollen, die wir in der zweiten Phase erlebt haben. Es gibt fünf solche Masken, die den fünf großen grundlegenden menschlichen Wunden entsprechen. Nach all den Jahren der Beobachtung bin ich nämlich zu dem Schluss gelangt, dass alles Leid der Menschen sich in diesen fünf Seelenwunden wiederfindet. Hier sind sie in chronologischer Reihenfolge, in der sie im Laufe eines Lebens auftauchen:
ABLEHNUNG
VERLASSENWERDEN
DEMÜTIGUNG
VERTRAUENSBRUCH
UNGERECHTIGKEIT
Jedes Mal, wenn wir an einer dieser Wunden leiden, fühlen wir uns in gewissem Sinne verraten, da wir unserem inneren Gott nicht treu waren, d. h. wir konnten den tiefen Bedürfnissen unseres Wesens nicht gerecht werden, da unser Ich mit seinem ganzen System von Überzeugungen und Ängsten das Kommando unseres Lebens übernommen hat. Unsere Masken dienen dazu, uns vor uns selbst und vor unserer Umwelt zu verbergen. Auch dieses Versteckspiel ist eine Form des Selbstverrats. Hier die Masken und die Wunden, die sie zu verbergen suchen:
Wunden
Masken
Ablehnung
Flucht
Verlassenwerden
Abhängigkeit
Demütigung
Unterwürfigkeit
Vertrauensbruch
Kontrolle
Ungerechtigkeit
Starrheit
Auf diese Masken und Wunden werde ich in den nächsten Kapiteln im Detail eingehen. Die Stärke der Maske hängt von der Tiefe der Wunde ab. Eine Maske steht für einen Persönlichkeitstyp mit dazugehörigem Charakter. Ein ganzes Glaubenssystem hat sich entwickelt, das die innere Einstellung wie auch das Verhalten eines Menschen nach seiner Maske bestimmt. Je tiefer es verankert es ist, desto öfter leidest du und desto öfter siehst du dich gezwungen, deine Maske zu tragen.
Diese Maske hat aber nur Sinn, wenn wir uns schützen wollen. Fühlt sich jemand z. B. ungerecht behandelt oder aber auch selbst im Unrecht, wird er inflexibel, versteift sich, nimmt ein starres Verhalten an.
Ich will dieses Verhältnis zwischen Wunde und Maske durch ein Bild veranschaulichen. Stell dir diese Seelenwunde wie eine wirkliche Verletzung vor, sagen wir z. B. einen Schnitt an der Hand, den du einfach ignoriert und nie versorgt hast. Es war dir lieber, einen Handschuh zu tragen, um ihn nicht mehr zu sehen. Dieser Handschuh ist die Maske. So meintest du vorgeben zu können, gar nicht verletzt zu sein. Glaubst du, das ist eine Lösung? Natürlich nicht. Wir alle wissen das, das Ich aber tut so, als hätte es nicht die geringste Ahnung davon. Das ist einer seiner Tricks.
Stell dir jetzt vor, die Wunde an deiner Hand schmerzt dich trotz deines Handschuhs jedes Mal, wenn jemand deine Hand berührt. Deine Mitmenschen werden sich wundern, weshalb du dann schreist „Au, du tust mir weh!“ – vor allem wenn es sich um einen Akt der Zärtlichkeit handelte. Wollten sie dir wirklich wehtun? Absolut nicht, denn wenn du Schmerzen empfindest, wenn man deine Hand berührt, dann nur deshalb, weil du darauf beharrst, dich nicht besser um deine Verletzung zu kümmern.
Das gilt für alle Wunden. Es gibt zahlreiche Situationen, in denen wir uns abgelehnt, verlassen, verraten, gedemütigt oder ungerecht behandelt fühlen. Doch macht uns unser Ego nur wieder einmal vor, dass andere an unserem Schmerz schuld sind. Wir suchen also nach einem Schuldigen. Manchmal finden wir ihn in uns selbst. Doch ist das ebenso verkehrt, wie wenn wir ihn in einem anderen suchen. Es gibt keine schuldigen, sondern nur leidende Menschen. Je mehr wir uns selbst oder unsere Mitmenschen anklagen, desto öfter wiederholt sich dieselbe Erfahrung. Das macht uns nur unglücklich. Können wir jedoch dem Leid der anderen mit Mitgefühl entgegenkommen, beginnen die Dinge sich zu wandeln.
Wir werden so von unseren Masken eingenommen, dass sie sich an unserer Körperhaltung ablesen lassen. Man fragt mich oft, ob man die Seelenwunden schon bei Kindern erkennen kann. Immer wieder ertappe ich mich dabei, meine sieben Enkel zu beobachten, die heute zwischen sieben Monaten und neun Jahren alt sind. Bei den meisten beginnen sich diese Wunden schon an ihrem Äußeren abzuzeichnen. Kann man die Wunden schon in diesem Alter leicht erkennen, so sind sie meist ziemlich tief. Bei zwei meiner drei Kinder fiel mir auf, dass ihr erwachsener Körper auf andere Wunden hinweist als in ihrer Jugend.
Unser Körper ist so weise, dass er immer Mittel und Wege findet, uns wissen zu lassen, woran wir zu arbeiten haben. Unser innerer Gott bedient sich dieses Kommunikationsmittels, um sich uns mitzuteilen.
In den nächsten Kapiteln wirst du sehen, wie du deine Masken und die der anderen erkennen kannst. Im letzten Kapitel gehe ich auf neue Verhaltensweisen ein, die helfen sollen, bis heute vernachlässigte Wunden zu heilen und unserem Leid so Einhalt zu gebieten. So legen wir unsere Masken auf ganz natürlichem Wege ab.
Du solltest die Worte nicht zu eng nehmen, wenn du versuchst, deine Wunden oder Masken zum Ausdruck zu bringen. Der eine mag sich abgelehnt und ungerecht behandelt fühlen, während ein anderer das Gefühl hat, verraten zu sein und dies als Ablehnung empfindet. Wieder ein anderer fühlt sich im Stich gelassen und deshalb gedemütigt usw.
Hast du einmal die Beschreibung der verschiedenen Seelenwunden gelesen, wird dir das Ganze viel klarer sein.
Die fünf großen, hier beschriebenen Charakterzüge ähneln vielleicht anderen Charakterstudien. Doch ist jede Studie anders, und diese will die vorliegenden keineswegs ersetzen oder ungültig machen. So hat die vor fast hundert Jahren von dem Psychologen Gérard Heymans erstellte These noch heute viele Anhänger. Er unterscheidet acht Charaktertypen: den leidenschaftlichen, den cholerischen, den nervösen, den sentimentalen, den sanguinischen, den phlegmatischen, den apathischen und den amorphen. Spricht er von einem leidenschaftlichen Menschen, so schließt dies jedoch keineswegs aus, dass auch andere leidenschaftlich sein können. Die Typen entsprechen also dominanten Charakterzügen. Auch hier bedarf es eines globalen und offenen Verständnisses, um Haarspaltereien zu vermeiden.
Es ist durchaus möglich, dass du dich in der Beschreibung mehrerer Wunden und den entsprechenden maskierenden Verhaltensweisen wiedererkennst. Unser Körper lügt nicht. Daher ist es auch so wichtig, die Botschaften unserer Körperhaltung richtig zu interpretieren, da sie recht getreu widerspiegelt, was sich in unserem Inneren zuträgt. Da ist ein Einblick in unsere Gefühlswelt und unseren Geist schon viel schwerer. Vergiss nicht, dass unser Ich unser Glaubenssystem auf keinen Fall enthüllen will, da es selbst durch unsere Überzeugungen genährt wird und nur so überleben kann. Ich will an dieser Stelle nicht näher auf das Ego eingehen, das habe ich bereits in meinen anderen Büchern getan, insbesondere in Höre auf deinen Körper, deinen besten Freund.
Es ist durchaus möglich, dass du auf innere Widerstände stößt, wenn dir plötzlich bewusst wird, dass gewisse Wunden auf eine Reaktion gegen einen bestimmten Elternteil schließen lassen. Ich habe diese Thesen an Tausenden von Menschen überprüft, bevor ich sie hier niederschreibe, und sie haben sich immer bestätigt. Ich wiederhole hier also, was ich in all meinen Seminaren sage: Der Elternteil, mit dem wir uns als Jugendliche am besten verstanden zu haben scheinen, ist der, mit dem wir am meisten zu regeln haben. Es ist ganz normal, dass es uns schwerfällt zu akzeptieren, dass wir dem Elternteil, den wir am meisten lieben, die größeren Vorwürfe machen. Die meisten sträuben sich zunächst vehement, oft auch wütend gegen diese Behauptung, bis sie sich öffnen, um sich der Wirklichkeit zu stellen. Das ist der Beginn des Heilungsprozesses.
Die Beschreibung der mit den verschiedenen Wunden zusammenhängenden Verhaltensmuster mag dir auf den ersten Blick vielleicht negativ erscheinen. Es ist nämlich möglich, dass dein Ich ganz besonders auf die Beschreibung seiner eigenen Maske reagiert, um schnell den Schutzmechanismus gegen das gefürchtete Leid hochzufahren. Dieser Widerstand ist ebenso normal wie menschlich. Lass dir Zeit! Denk daran, dass du – ganz wie deine Mitmenschen auch – nicht wirklich du selbst bist, wenn du dich hinter deiner Maske verbirgst. Ist es nicht beruhigend zu wissen, dass auch die anderen in Wirklichkeit nur versuchen, Schmerzen zu vermeiden, wenn sie ihre Maske tragen und ihr Verhalten dich stört oder dir missfällt. Behältst du diesen Aspekt im Auge, wirst du toleranter sein und ihnen leichter mit Liebe begegnen können. Nehmen wir das Beispiel eines „abgebrühten“ Jugendlichen. Hast du erst verstanden, dass sein Verhalten seine Verwundbarkeit und seine Ängste versteckt, wirst du anders mit ihm umgehen, da du verstehst, dass er weder gefährlich noch wirklich hartgesotten ist. Du bleibst ruhig und kannst nun sogar seine guten Eigenschaften erkennen, anstatt nur Angst vor seiner negativen Ausstrahlung zu haben.
Ich finde die Vorstellung ermutigend, dass wir zwar mit Wunden geboren werden, die wir in diesem Leben heilen sollen und die deshalb auch regelmäßig durch die verschiedensten Umstände und Menschen wachgerüttelt werden, doch dass die Schutzmasken deswegen noch lange nicht festgefahren sind. Wendest du die Heilmethoden an, die im letzten Kapitel besprochen werden, werden diese Masken zusehends schwinden. Diese Wandlung wird sich auch an deinem Körper selbst zeigen.
Doch kann es mehrere Jahre dauern, bis die Ergebnisse am physischen Leib sichtbar werden, da er aus greifbarer Materie besteht, die immer etwas träger reagiert. Bei den subtileren emotionalen und mentalen Ebenen geht das wesentlich schneller, und es genügt oft eine tief greifende, in Liebe gefällte Entscheidung, um sie zu verändern. So ist es z. B. leicht, sich eine Reise in ein fernes Land zu wünschen (Emotionsebene) und sie sich auch im Detail vorzustellen (Mentalebene). Auch die Entscheidung zu einer solchen Reise kann in wenigen Minuten gefällt werden. Doch wird die konkrete Phase der Reisevorbereitungen (Planung, Organisation, Finanzierung usw.) in der physischen Welt wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Du kannst jedes Jahr ein Photo von dir machen, um Veränderungen an deinem Körper festzustellen. Am besten machst du Großaufnahmen von den verschiedenen Körperpartien, damit du die Details vergleichen kannst. Sicher verändern sich manche Personen schneller als andere, so wie manche eine Reise schneller in die Tat umsetzen als andere. Das Wichtige jedoch ist, nie mit der Arbeit an dir selbst aufzuhören, da sie dein Leben glücklicher machen wird.
Ich schlage dir vor, dir bei der Lektüre der nächsten fünf Kapitel Notizen zu all jenen Punkten zu machen, die dir zu entsprechen scheinen. Lies dann das Kapitel, welches deine Haltung – vor allem auch die deines Körpers – am besten beschreibt, noch einmal.
Für das Wort „ablehnen“ sind im Wörterbuch mehrere sinnverwandte Bedeutungen angegeben: zurückweisen, verschmähen, abweisen, zurückstoßen, nicht akzeptieren, missachten usw.
Vielen ist jedoch der Unterschied zwischen ablehnen und verlassen nicht klar. Verlassen wir jemanden, so wenden wir uns statt dieser Person einer anderen oder einer anderen Sache zu. Lehnen wir sie jedoch ab, so wollen wir sie nicht in unserer Nähe oder in unserem Leben haben. Wer andere verlässt, drückt das mehr durch ein „Ich kann nicht“ als durch ein „Ich will nicht“ aus, wie das bei der Ablehnung eher der Fall ist.
Die Ablehnung ist eine tiefe Wunde, da die betroffene Person das Gefühl hat, in ihrem ganzen Wesen und vor allem in ihrem Existenzrecht in Frage gestellt zu werden. Es handelt sich um die erste der fünf Wunden, da sie schon sehr früh in ein Menschenleben treten kann. Die Seele, die auf die Welt kommt, um an diesem Problem zu arbeiten, kann die Ablehnung schon ab, ja manchmal schon vor der Geburt verspüren.
So ist das z. B. bei einem unerwünschten Kind der Fall, das „aus Versehen“ passiert ist. Hat die Seele dieses Kindes das Gefühl der Ablehnung nicht schon in seinen Vorleben geregelt, d. h. wenn es ihr nicht gelungen ist, trotz der Ablehnung zu sich selbst zu finden, so wird es zwangsläufig wieder an derselben Problematik leiden. Das gilt auch für Kinder, die nicht das von den Eltern gewünschte Geschlecht haben. Natürlich gibt es noch viele andere Gründe für die Ablehnung. Wichtig ist hier zu verstehen, dass nur Seelen, die diese Erfahrung durchmachen müssen, zu Eltern hingezogen werden, die sie ablehnen.
Körperhaltung des Flüchtenden
Wunde der Ablehnung
Es kann aber auch vorkommen, dass die Eltern ihr Kind keineswegs ablehnen wollen, und dieses sich trotzdem beim geringsten Anlass zurückgestoßen fühlt. Wie ein Stehaufmännchen findet sich dieses bedrückende Gefühl schon bei Tadel, Ungeduld oder Ungehaltenheit der Eltern ein. Solange eine Verletzung nicht geheilt ist, platzt sie sehr schnell wieder auf. Der Mensch, der sich abgelehnt fühlt, ist nicht objektiv, sondern interpretiert alle Vorfälle aus der Perspektive seiner Wunde und wird sich auch dann abgewiesen fühlen, wenn dies überhaupt nicht der Fall ist.
Sobald das Baby sich abgelehnt fühlt, fängt es an, sich die Maske der FLUCHT zuzulegen. Bei zahlreichen Regressionen ins Embryonalstadium stellte sich heraus, dass solche Menschen sich in dieser Lebensphase als so winzig fühlten, dass sie versuchten, einen möglichst geringen Platz im Bauch ihrer Mutter einzunehmen. Diesen Bauch aber empfinden sie dann als sehr eng und schwarz. Das bestätigte meine Vermutungen, dass die Maske der Flucht schon vor der Geburt entstehen konnte.
In der Folge bezieht sich der Begriff der Flüchtende immer auf den Menschen, der sich die Maske der Flucht zurechtgelegt hat, um dem Schmerz der Ablehnung zu entgehen.
Diese Maske wird auch am Körper ersichtlich. Dieser scheint verschwinden zu wollen. Er ist schmal und verspannt, wodurch er weniger auffällt und sich in einer Gruppe leichter unsichtbar machen kann. Dieser Körper will – ganz wie der Flüchtende selbst – nicht zu viel Platz einnehmen. Hat man das Gefühl, nur mehr Haut und Knochen vor sich zu haben, so liegt die Wunde der Ablehnung sehr tief.
Der Flüchtende zweifelt an seinem Recht zu leben und scheint nicht ganz in seiner Inkarnation zu stecken. So macht sein Körper einen zusammenhangslosen und unvollständigen Eindruck. Man meint fast, ihm fehle etwas oder die Teile passten nicht richtig zusammen. So kann sich die rechte Körper- oder Gesichtshälfte z.B. stark von der linken unterscheiden. Das ist sogar mit bloßem Auge zu erkennen. Da muss man gar nicht erst lange herummessen. Vielleicht fiel dir schon auf, dass nur bei den wenigsten Menschen beide Körperhälften wirklich identisch sind.
Spreche ich von einem zusammenhangslosen und unvollständigen Körper, so bezieht sich dies auf Körperzonen, denen etwas zu fehlen scheint, wie z. B. das Gesäß, die Brüste, das Kinn oder die Fußknöchel, die im Vergleich zu den Waden viel zu klein ausfallen können. Manchmal kann es sich dabei aber auch nur um eine Mulde im Rücken, auf der Brust, in der Bauchgegend usw. handeln.
Ein solcher verspannter Körper vermittelt den Eindruck, sich in sich selbst zusammenzuziehen. Seine Schultern krümmen sich nach vorn und die Arme liegen meist dicht am Körper. Oft hat man auch den Eindruck, das Wachstum des Körpers oder einer bestimmten Partie sei gehemmt. Dann sieht es so aus, als hätten die verschiedenen Körperteile nicht dasselbe Alter. Ist der Körper ganz verspannt, so meint man einen Erwachsenen in einem Kinderkörper vor sich zu haben.
Erregt der durch eine Verformung behinderte Körper eines Menschen dein Mitleid, so ist es sehr wahrscheinlich, dass dieser am Gefühl der Ablehnung leidet. Es ist kein Zufall, dass die Seele diesen Körper ausgewählt hat, um gezwungen zu sein, an dieser Problematik zu arbeiten.
Gesicht und Augen des Flüchtenden sind in der Regel klein. Der Blick ist oft leer, denn der Betroffene neigt dazu, in seine innere Welt zu fliehen und zu träumen (Astralsphäre). Auch Angst liest man oft in solchen Augen. Bei Fluchttypen haben wir manchmal wirklich das Gefühl, eine Maske vor uns zu haben, vor allem im Bereich um die Augen. Sie können sogar selbst das Gefühl haben, die Welt durch eine Maske zu sehen. Einige erzählten mir, dieses Gefühl könne einen ganzen Tag dauern, andere wieder hatten es nur ein paar Minuten lang. Doch ist die Dauer ziemlich gleichgültig. Was zählt, ist die Methode, mit der sie versuchen, sich aus der Gegenwart zu stehlen, um eventuelle Schmerzen zu vermeiden.